Corona-Schnelltests sollen jetzt auch an Schulen und Kitas zum Einsatz kommen

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STUTTGART. Die Infektionszahlen steigen, die Gesundheitsämter sind überfordert, die Kliniken füllen sich. Doch die Schulen bleiben weiter offen. Die Landesregierung von Baden-Württemberg will dort nun mit Schnelltests gegen das Virus vorgehen.

Schnelltests sollen jetzt auch an Schulen und Kitas eingesetzt werden, wenn dort Ausbrüche vermutet werden. Foto: Shutterstock

Antigen-Schnelltests sollen in Baden-Württemberg künftig auch an Schulen und Kitas zur Eindämmung von Corona-Infektionen eingesetzt werden. Die Landesregierung will kommende Woche eine entsprechende Kabinettsvorlage vorlegen, wie Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart ankündigte. Darauf habe man sich mit Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) geeinigt. Beide Seiten gaben dabei nach vorherigen Debatten jeweils an, ihre Linie durchgesetzt zu haben.

Die Bundesländer hatten sich bei ihrem Treffen vergangene Woche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf verständigt, dass Corona-Schnelltests künftig in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Senioren- und Behinderteneinrichtungen eingesetzt werden sollen. Mit den Schnelltests soll ein Ergebnis innerhalb weniger Minuten vorliegen. Bisher setzt die Landesregierung an Schulen und Kitas nur auf sogenannte PCR-Tests. Deren Ergebnisse liegen in der Regel erst nach ein bis zwei Tagen vor – sie gelten aber als weniger fehleranfällig.

Kultusministerin und Gesundheitsminister stritten über Schnelltests an Schulen und Kitas

Eisenmann hatte am Wochenende für den Einsatz der Schnelltests auch an Schulen und Kitas geworben. Lucha hatte mit der Aussage reagiert, dass es in dieser höchst angespannten Lage sicher nicht der Zeitpunkt sei, mit neuen Forderungen vorzupreschen. Im Gesundheitsministerium heißt es, man habe die Forderung abgelehnt, weil man gegen flächendeckende Schnelltests ohne Anlass sei. Laut Kultusministerium hatte man dabei stets nur den Einsatz von Schnelltests bei Ausbruchsszenarien an Schulen im Sinn. «Es freut uns, dass wir den Sozialminister von unserem Vorschlag überzeugen konnten und wir für unser Anliegen nun eine gemeinsame Lösung gefunden haben», teilte eine Sprecherin von Eisenmann mit.

Kretschmann hält die Corona-Lage an den Schulen im Land weiterhin für kontrollierbar

Ministerpräsident Winfried Kretschmann wertet die Lage an den Schulen im Land aber derzeit als kontrollierbar. Der Grünen-Politiker sprach sich gegen Wechselunterricht mit halbierten Klassen aus. Es sei schon viel Unterricht ausgefallen. Das Konzept der Landesregierung mache ein hohes Maß an Präsenzunterricht möglich. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden in Baden-Württemberg an 250 Schulen insgesamt 347 Klassen beziehungsweise Gruppen vorübergehend aus dem Präsenzbetrieb herausgenommen (Stand: 3. November 2020). Zwei Schulen seien vollständig geschlossen. In Baden-Württemberg gibt es rund 67.500 Klassen und etwa 4500 Schulen.

Kretschmann hält den Einsatz von Luftreinigungsgeräten in Klassenzimmern zudem für eine nicht umsetzbare Lösung im Kampf gegen die Pandemie. Nach Auskunft des Kultusministeriums seien lediglich drei Prozent der Klassenzimmer im Land nicht belüftbar, sagte Kretschmann. Und in der Regel finde in diesen Räumen kein Unterricht statt. Stoßlüften werde von Experten als außerordentlich wirksam geschildert und sei das «Mittel der Wahl». Dabei nehme die Temperatur um zwei bis drei Grad ab. Es wäre gar nicht möglich, Filtergeräte in allen Klassenzimmern im Land flächendeckend einzusetzen.

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Seit Montag gilt in ganz Deutschland wegen der stark gestiegenen Coronazahlen ein auf vier Wochen beschränkter Teil-Lockdown. Unter anderem Gastronomie und Kultureinrichtungen wie Kinos und Theater bleiben bis Ende November geschlossen.

Kretschmann verteidigte die aktuellen Einschränkungen. Von einem Lockdown zu sprechen halte er für «einigermaßen abwegig» – es gebe keine Ausgangssperre; Läden, Schulen, Kitas blieben geöffnet, Menschen könnten sich weiter treffen. Die Einschränkungen seien nicht schön, aber erträglich. Der Ministerpräsident rief die Bevölkerung auf, die Kontakte um 75 Prozent zu reduzieren.

Ministerpräsident räumt ein: Politik wurde von der Wucht der zweiten Corona-Welle überrollt

Trotzdem räumte Kretschmann ein, dass die Politik von der Wucht der zweiten Pandemiewelle überrollt wurde. «Damit haben wir nicht gerechnet, das muss man schon ehrlicherweise sagen», sagte er. Es habe aber auch keine Anzeichen dafür gegeben, dass das mit der Geschwindigkeit so hochgehe. Man hätte «extremer vorsorgen» können, aber damit verwirke man die Akzeptanz in der Bevölkerung. Man sei relativ schnell gewesen. Der Virus und seine Aggressivität diktierten letztendlich das Geschehen.

Man sei davon ausgegangen, dass ein Infizierter rund zehn nachzuverfolgende Kontakte hat, sagte Gesundheitsminister Lucha am Dienstag mit Blick auf eine Studie des Robert Koch-Instituts. Jetzt liege man über 20. Deshalb seien die Gesundheitsämter nicht mehr hinterherkommen.

Von 185 390 PCR-Tests in der vergangenen Woche im Land seien 14 938 positiv gewesen, sagte Lucha. Das sei ein Anstieg von 74 Prozent im Vergleich zur Vorwoche, die Zahl der Tests habe in dem Zeitraum lediglich um 15 Prozent zugenommen. Die Positivrate liege bei 8,1 Prozent – die Weltgesundheitsorganisation spreche bereits bei einer Rate von mehr als 5 Prozent von einer nicht mehr kontrollierbaren Situation.

60 Prozent der Neuinfektionen können nicht mehr zurückverfolgt werden

Lucha rechnet aber damit, auf weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens verzichten zu können. «Wir gehen fest davon aus, dass wir Ende November wieder auf dem Stand sind, dass wir alle Ausbruchsgeschehnisse nachvollziehen können», sagte er. Derzeit baue man 555 Nachverfolgungsteams auf. 328 Soldaten seien momentan im Land im Einsatz. Zudem würden 227 Stellen an den Gesundheitsämtern unabhängig von der Kontaktnachverfolgung aufgebaut. Im Südwesten kann derzeit bei etwa 60 Prozent der Infektionen der Ursprung nicht mehr festgestellt werden. dpa

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Jan aus H
3 Jahre zuvor

„Es habe aber auch keine Anzeichen dafür gegeben, dass das mit der Geschwindigkeit so hochgehe.“

Meine Schulzeit ist viel zu lange her… in welcher Klasse beschäftigt man sich in Mathematik mit Exponentialfunktionen? Oder kann man das abwählen?

So eine Aussage von einem Politiker ist zwar ehrlich, aber letztlich auch ein Armutszeugnis. Genau vor dieser Entwicklung wurde seit Februar gewarnt!

Leseratte
3 Jahre zuvor
Antwortet  Jan aus H

Ja, genau, dümmer geht es nicht.

S.
3 Jahre zuvor

Luchas Einschätzung der Lage, dass Ende November das Infektionsgeschehen wieder kontrollierbar sein werde, ist aus meiner Sicht unrealistisch – er scheint sich weder mit Exponentialfunktionen noch mit der Lage vor Ort, z.B. in Schulen, auszukennen. Schlimm ist: Die Situation wird weiter aus dem Ruder laufen aufgrund der Naivität der Regierenden, aufgrund des Leugnens, dass sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene genauso anstecken wie Erwachsene, sowie des Nicht-Anerkennens, dass es in Kitas und Schulen keinen wirksamen Infektionsschutz gibt.

Bitte daher folgende Petition bundeweiter Elternverbände, auch des LEBs BaWü mitzeichnen: https://www.openpetition.de/petition/online/bildungsgerechtigkeit-und-gesundheitsschutz-in-der-pandemie

Ramon
3 Jahre zuvor

Hier mal eine interessante Studie zum Geschehen in Kitas, auch mal eine positive Studie zum Bereich Bildung + Corona:
https://www.zeit.de/2020/46/infektionsgefahr-kita-corona-studie-forschung-kinder-erzieher

800 Kinder, mehrere Wochen, jede Woche wurden alle getestet.
2 positive Erzieher, aber keine Kinder betroffen

Das war zwar als die Zahlen insgesamt niedrig waren, aber das mit den jüngeren Kinder = weniger Risiko scheint diese Studie schon zu zeigen.

Betrifft natürlich nicht die Oberstufen etc., aber das spricht zumindest dafür Kitas oder Grundschulen anderweitig zu behandeln da das Risiko dort geringer zu sein scheint

Jan aus H
3 Jahre zuvor
Antwortet  Ramon

Die Studie ist sicher nicht während einer Inzidenz von 200+ entstanden, sondern eher bei Inzidenzen zwischen 5 und 10 oder sogar noch niedriger.

Es ist doch klar, dass bei einer hohen Inzidenz die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter x Menschen ein Infizierter befindet, deutlich höher ist als bei einer niedrigen. Im Sommer gab es direkt vor den Sommerferien auch kaum Fälle an den Schulen, während das jetzt ganz anders aussieht.

gefrusteter Lehrer
3 Jahre zuvor

Zu S. und der genannten Studie:

Wenn ich richtig recherchiert habe, wurde die Studie auch während der Sommerferien gemacht. Somit in einer Zeit, in der in den Kitas generell weniger los ist und so dürfte die Studie kein Normalbild zeichnen. Denn wenn nur wenige Kinder in den Kitas sind, das Wetter gut ist, so waren wahrscheinlich die Fenster offen, die Kinder häufig draußen und aufgrund der geringeren Anzahl an Kindern war wohl auch mehr Abstand vorhanden. Nun drängen sich mehr Kinder in den Gebäuden, die Fenster werden nur noch zum Stoßlüften geöffnet und die Außenbereiche im geringeren Maß genutzt.

Meiner Meinung ist so eine Verallgemeinerung der Studie nicht möglich.

Zu den Plänen von Frau Eisenmann:

Was nützen mir schnelle Tests, wenn ich nicht geschützt werde? Meint sie, mit dieser Ankündigung Eltern und Lehrer zu beruhigen? Es klingt eher wie Hohn, denn vor der Diagnose sollte eigentlich die Prophylaxe stehen.

Hinzu kommt, dass weiterhin abgelehnt wird, Grundschullehrer mit Masken auszustatten, während die Kollegen in weiterführenden Schulen alle Masken vom Staat gestellt bekommen. Zusammen mit dem fehlenden Abstandsgebot empfinde ich es als absolut fahrlässig, wie Unterricht in den Klassen 1 bis 4 in Baden-Württemberg stattfindet.

Für mich steht deshalb fest: Bei der nächsten Quarantäne (eine habe ich schon durch wegen meiner Tätigkeit als GS-Lehrer in BW) warte ich auf die Lieferung der digitalen Endgeräte, um meinen Fernunterricht zu meistern. Denn wenn ich meinem Bundesland keine 20 Euro für Masken wert bin, dann fehlt bei mir die Bereitschaft mit meinen Privatmitteln meine Arbeit zu verrichten.

Reichtlangsam
3 Jahre zuvor

In NRW gibt es auch keine Masken vom Land, die hat man schon schön selbst mitzubringen. Aber immerhin werden diese dann – in mehr oder weniger schmuddeligem Zustand – auch getragen. Ich „gönn“ mir mittlerweile FFP2 von meinem eigenen Geld, um mir ein bisschen Schutz einzureden.
Schützt mich aber nicht davor, gerade 2 Wochen zum Zuhausebleiben (keine Quarantäne, Anweisung vom SL) verdonnert zu werden. Das Gesundheitsamt meldet sich seit 1 1/2 Wochen zu den Coronafällen in unserer Einrichtung aber nicht – wir tauchen also auch in keiner Statistik auf oder würden gar getestet werden, egal ob schnell oder sonstwie… alles sehr unkontrolliert und fragwürdig…