Lehrerverband fordert KMK-Reform („katastrophales Krisenmanagement“)

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BERLIN. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, hat mit drastischen Worten die Bildungspolitik in Deutschland kritisiert. «Wir haben doch jetzt alle gemerkt, dass schulpolitische Probleme jahrzehntelang bloß verschleppt und nicht gelöst wurden», sagte Meidinger der «Augsburger Allgemeinen» auch mit Blick auf die Corona-Krise.

Ihm reicht’s: Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Foto: Deutscher Lehrerverband

Meidinger betonte: «Wenn die Politik etwa das Problem des Lehrermangels vorher gelöst hätte, dann wäre es aktuell einfacher, Risikopersonen unter den Lehrkräften zu ersetzen oder den Unterricht aufrechtzuerhalten, wenn Lehrer in Quarantäne müssen.» Die Bildungspolitik sei von «gescheiterten Reformen, Fehlern und einem katastrophalen Krisenmanagement» geprägt wie wenige andere Bereiche.

«Man muss die Zusammenarbeit der Länder in der Bildungspolitik auf eine gesetzliche Grundlage stellen»

Der Bildungsföderalismus sei derzeit überfordert «und zu keinen schnellen, einheitlichen Entscheidungen fähig», sagte Meidinger. Viele Aspekte der Bildungspolitik sind in Deutschland Sache der Länder. Sie koordinieren ihre Arbeit in der Kultusministerkonferenz (KMK). Nach Ansicht Meidingers müsste das Gremium «gründlich» reformiert werden. «Es gibt jede Menge Beschlussvorlagen, jedes Land gibt seinen Senf dazu, dann wird konferiert.» Auf diese Weise einige man sich «allenfalls auf den kleinsten gemeinsamen Nenner».

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Als mögliche Lösung nannte der Lehrerverbandspräsident einen Bildungsstaatsvertrag, an den sich alle Länder halten müssen. «Man muss die Zusammenarbeit der Länder auf eine gesetzliche Grundlage stellen.» Bei Entscheidungen der KMK sollte man seiner Ansicht nach vom Einstimmigkeitsprinzip zu Zweidrittelmehrheiten wechseln.

Konkret kritisierte Meidinger etwa, dass die Länder bei der Vergleichbarkeit von Abschlussprüfungen kaum Fortschritte gemacht hätten. «Eine Note 2,1 in Bremen zählt genauso viel wie eine 2,1 in Sachsen. Dabei liegen 15-jährige Bremer im Schnitt zwei Lernjahre hinter 15-jährigen Sachsen oder Bayern zurück. Ein Umzug von einem ins andere Bundesland ist oft mit enormen Schwierigkeiten verbunden.»

«Auf Deutschland und damit auch Deutschlands Schulen rollt eine neue Infektionswelle zu»

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands hatte bereits im September gewarnt: «Auf Deutschland und damit auch Deutschlands Schulen rollt eine neue Infektionswelle zu.» Meidinger trat frühzeitig dafür ein, dass die Bundesländer den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für Schulen folgen. Die sehen vor, über einem Inzidenzwert von 50 Wechselunterricht einzuführen, damit die Abstandsregel in den Klassenräumen gelten kann, sowie eine generelle Maskenpflicht im Unterricht. Kein Bundesland hält sich daran. Meidinger kritisierte das nach dem Bund-Länder-Gipfel im November massiv: «Es ist fragwürdig, wenn Politiker sich eigene Zahlen ausdenken, die nichts mehr mit dem zu tun haben, was die Virologen sagen.» News4teachers / mit Material der dpa

Drosten nimmt die Kultusminister in die Verantwortung: „Man hat die Infektiosität von Kindern so lange negiert und nichts gemacht…“

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Carsten60
3 Jahre zuvor

Es ist zu befürchten, dass Meidinger Recht hat, zumindest bei allem, was nicht direkt mit dem Virus und dessen Einschätzung zu tun hat. Die KMK hat nicht gezeigt, dass sie die Schwächen des Bildungsföderalismus ausgleichen kann, ein nationaler Bildungsrat wäre auch nur ein Papiertiger und eine Schwatzbude mit Absichtserklärungen, die dann nicht umgesetzt werden. Worin eigentlich die Stärken des Bildungsföderalismus liegen sollen, wird mehr und mehr nebulös. Es scheint mehr um Sonntagsreden und Schaufensterpolitik zu gehen. Und parteipolitisch motivierte Schulreformen im Rhythmus der Landtagswahlen mit Hü und Hott, sowas brauchen wir am allerwenigsten.

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor

Ich stimme Herrn Meidingen zu. Nicht erst seit „Corona“ hat sich gezeigt, dass die KMK Probleme nicht wirklich löst. Die Idee mit dem Bildungsstaatsvertrag könnte eine Lösung sein.

AvL
3 Jahre zuvor

Herr Meidinger liegt bei der Einschätzung des Coronavirus richtig.
Im deutschen Ärzteblatt stehen die aktuellen Therapieleitlinien zur Behandlung von SARS-Covid-19 Infektionen. https://www.aerzteblatt.de/archiv/217226/Empfehlungen-zur-stationären-Therapie-von-Patienten-mit-COVID-19
Wer die Empfehlungen des RKI und der Leopoldina ablehnt, der stellt sich gegen den derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, und man gehört abgestraft, so man als Entscheidungsträger in der politischen Verantwortung steht.
Leider scheinen auch zahlreiche andere Zeitgenossen den Ernst der Lage in der Pandemie nicht erkannt zu haben.
https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_89340420/viele-corona-partys-in-deutschland-betrunkene-greifen-polizei-an

Klaus Lehmkuhl
3 Jahre zuvor

Die KMK ist der Gipfel . Alle Schulminister sind schon allein eine Katastrophe . Aber zusammen potenzieren sie die Dummheit , Ignoranz , Resistenz und Unfähigkeit . Und sie wissen bis heute nicht , dass sie mit der Schulöffnung wider alle Vernunft den Dauer – Lockdown verursacht haben , unter dem jetzt alle leiden . Weg mit dem Bildungsföderalismus . Dann muss man sich nicht auf die Anerkennung von Abschlüssen einigen , weil es nur einen gibt .

Wunder SAM
3 Jahre zuvor
Antwortet  Klaus Lehmkuhl

100% Zustimmung!

Kommt auch den Familien zugute, die berufsbedingt in ein anderes Bundesland umziehen müssen …

Habikino
3 Jahre zuvor

Wenn ich sehe, wer befördert wird und diese Posten besetzen, dann sind es nicht unbedingt die kompetentesten und die schnellsten, sondern Klüngel und Schleimer. Mich wundert es nicht, dass es keine Pläne gibt. Und die Lehrer an der Front bekommen den ganzen Ärger ab.

kanndochnichtwahrsein
3 Jahre zuvor

Bitte noch einen Schritt weiter gehen:
Bei“Gefahr im Verzug“ wie in einer Pandemie müsste es m.E. möglich sein, dass Richtlinien zentral in Berlin für alle Bundesländer geregelt würden. Und das im Vorfeld, präventiv, sodass es umgehend greifen kann, sollte nochmal eine ähnliche „unvorhersehbare“ Situation eintreten.

Nicht alle müssen das Gleiche zur gleichen Zeit machen, aber alle müssen sich im Sinn der Allgemeinheit und des allgemeinen Gesundheitsschutzes an einheitliche und verbindliche Regelungen halten:
Klare Handlungsanweisungen für möglichst klar definierte Situationen – bis zu welchem Inzidenzwert (o.a.) dürfen Schulen unter welchen Schutzbedingungen offen sein, ab wann müssen (nicht dürfen!) gefährdete Personen zu Hause bleiben, ab wann Wechselunterricht, ab wann Schließung, unter welchen Bedingungen Notbetreuung.

Das wird nicht die letzte Krise sein – Infektionskrankheiten sind nicht die einzigen Gründe, die das stattfinden „normalen“ Unterrichts unmöglich machen können.
Wollen wir beim nächsten Problem wieder wild rumprobieren, jeden MP oder KM machen und entscheiden lassen, was gerade in seinen/ihren Horizont oder seine/ihre Ziele passt?

W.
3 Jahre zuvor

@kanndochnichtwahrsein

„Bitte noch einen Schritt weiter gehen:
Bei“Gefahr im Verzug“ wie in einer Pandemie müsste es m.E. möglich sein, dass Richtlinien zentral in Berlin für alle Bundesländer geregelt würden. Und das im Vorfeld, präventiv, sodass es umgehend greifen kann, sollte nochmal eine ähnliche „unvorhersehbare“ Situation eintreten.“

Das haben Sie sehr gut formuliert.
Alle reden von „Pandemie ist eine Naturkatastrophe“ und das stimmt ja auch.

Aber wo ist dann der Katastrophenschutz, wo sind die Pläne?
So etwas gab es doch mal.
Wurde alles reduziert und „zurückgebaut“, so wie die Sirenen auf den Dächern.
Wer erinnert sich noch an das Durcheinander beim „großen Probelauf“ vor einigen Monaten?
Die WarnApp „Nina“ war überlastet und funktionierte kaum.
Dort, wo man in kleineren Gemeinden noch die guten alten Sirenen hatte, lief es seltsamer Weise. Dort sitzen dann aber auch nicht 16 Stoffel, die alle mal den Knopf drücken wollen, und zwar am besten jeder zuerst. Funktioniert halt nicht.

Und genau hier muss angesetzt werden!
Jetzt.
Nicht „nach Corona“. Wer weiß denn, wann das sein soll?
Jetzt dransetzen, am besten zusammen mit den „alten“ Mitarbeitern des Katastrophenschutzes, die noch wissen, wie es geht!

Palim
3 Jahre zuvor

Ich bin mir – von Corona ganz unabhängig – nicht sicher, ob eine Umstrukturierung helfen würde.
Selbst wenn die Länder in der Konferenz nur einen Minimalkonsens finden, könnte ja in jedem Bundesland etwas Besseres umgesetzt werden.
Das Problem ist wohl eher, dass man sich gegenseitig im Einsparen übertrumpfen will oder muss und Bildung keinen Wert bekommt. Das würde sich durch eine Umstrukturierung aber nicht ändern.

Betroffene
3 Jahre zuvor

Es ist schade, dass diese Tatsachen „nur“ auf News4teachers und nicht in den Nachrichten, die täglich im Fernsehen veröffentlicht werden, stehen.

Koogle
3 Jahre zuvor

Wie wäre es wenn die GEW die Vorschläge von Herrn Meininger aufgreift?

Ivy Kundt
3 Jahre zuvor

Bildunggsstaatsvertrag – ja!
Aber Angleichung der Unterrichtsinhalte und zentrale Prüfungen bundesweit – nein, keinesfalls! Niemand will in den Migrations-starken Bundesländern bayerische Paukerei oder sächsisch-reaktionäre Inhalte. Bildung ist viel mehr als Wissensanhäufung.
Am Lehrermangel sind vor allem die Landes-Parlamente schuld, die die Haushaltspläne beschließen. Kein Bildungsministerium würde nicht gerne mehr Lehrkräfte einstellen. Aber keines findet eine politische Mehrheit dafür. Keine Regierungs-Partei engagiert sich da wirklich.

Carsten60
3 Jahre zuvor
Antwortet  Ivy Kundt

Können Sie näher beschreiben, welche spezielle Bildung Sie für „Migrations-starke Bundesländer“ für richtig halten? In einen Bildungsstaatsvertrag würde die ja wohl eingehen, sofern die Länder sich überhaupt einigen können. Gibt es nicht bereits in den zentralen Fächern (auch Deutsch) bundeseinheitliche KMK-Bildungsstandards? Und einen OECD-einheitlichen Test wie PISA finden Sie folglich total unangemessen?

Palim
3 Jahre zuvor

Tatsächlich bräuchte es da wohl – entsprechend des Gute-Kita-Gesetzes – Beschlüsse für „gute Schule“, in denen sich alle Länder verpflichten, nicht länger im Bildungssektor zu sparen, sondern gewisse Standards in zeitlich festgelegtem Rahmen zu gewährleisten:
Lehrende-Lernende-Relation, Betreuungspersonal für die Betreuung in Ganztag oder Hort, Ausstattung der Schulen, Digitalisierung, Ressourcen für Inklusion etc.

Milan
3 Jahre zuvor

Herr Meidinger hat Recht!

Er gehört zu den wenigen betroffenen die öffentlich den Mund aufmachen und den Finger in die richtige Wunde legt!

Die KMK ist eine Ansammlung von Versagern und Ignoranten! Aber eins nach dem anderen.
Alles fängt damit an, dass unser Förderales System renovierungsbedürftig ist! Nicht nur im Bildungsbereich herrscht Chaos, es geht über das Gesundheitssystem, die Polizei, den Verfassungsschutz etc. weiter. In einer Krise kann es nicht sein, dass der kleine Bodo mit dem Handy spielt, die Manuela rumzickt wie ein Teenager und der Rest der Pfeifen auch macht was er will!

Wie sah es den vor COVID-19 an unseren Schulen aus? Digitalisierung = Fehlanzeige! Personalplanung = Nicht vorhanden. Von maroder Bausubstanz, Bildungskonzepten und Perspektiven so weit entfernt wie der Mond von der Sonne! Aber wer verantwortet dies alles? Die Versager von der KMK (gemeint sind ALLE Kultus-/Schulminister*in der vergangen 30 Jahre, egal von welcher Partei) – letztendlich ja, aber nicht alleine! Das Versagen beginnt bei Schulräten und geht über die Kommunen, die Bezirksregierungen bis zu den Kultus- bzw. Schulministerien. Die größten Versager sind die leitenden Beamten in diesen Institutionen. Das System ist krank! Was hat das deutsche Schulsystem in den vergangen 30 Jahren positives geleistet? Ich rede definitiv nicht über das was an der Basis, den Schulen geleistet wird, den Einsatz und den Willen der Lehrer und Lehrerinnen und auch der Eltern.

Diese Pandemie hat viele Missstände erst richtig aufgedeckt! Es ist an der Zeit dass sich was verändert, demokratisch, gewaltlos, zielgerichtet! Fragen Sie Ihren Landtagsabgeordneten*in / Bundestagsabgeordneten*in was in unserem Bildungssystem besser wird! Wir sind in einem Wahljahr, gehen Sie hin, verändern Sie was!

Riesenzwerg
3 Jahre zuvor

Eigentlich sollten wir uns nicht wundern – es gibt halt welche, die nie erwachsen werden.

Unsere KuMis verhalten sich wie Sechstklässler.

Jede(r) ist Prinz oder Prinzessin.
Jede(r) macht was er will und wann er will.
Jede(r) sagt ja zu Beschlüssen.
Jede(r) sucht und findet sein Schlupfloch.

Das machen auch schon viele Grundschüler so.

Na, seien wir geduldig, streicheln und ermutigen die. Ihr werdet es schaffen. Wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Ihr steigt auf. Ganz bestimmt. Ihr bleibt zusammen …..

bis zur nächsten Wahl. Dann, liebe Leute, wird nicht mehr gespielt. Dann kommt (hoffentlich und viel zu spät) die Realität.

Das ist genau das Schul“konzept“, das wir in SH haben. Nichts können oder wissen – aber aufsteigen. So entlassen wir die in die Realität.

Ein Bildungsgestresster
3 Jahre zuvor

Ich kann mich hier nur allen Vorredner, bis auf Ivy Kundt voll anschließen. Aber wer kann mir helfen die Partei zu finden, welche diese Reformen bringen kann ? Ich sehe derzeit keine der großen Parteien und deren Blockflöten in der Lage. Hier wird es Zeit für parteiunabhängige Volksentscheide und das nicht nur im Bildungssektor. Also wo soll man im Herbst sein Kreuzchen machen ??? Ich befürchte leider, es bleibt alles beim Alten. Parteiengeklüngel, Pöstchenroulett und Schulterklopfen …