Mangelware: Sorbisch-Lehrer – Schulen in der Lausitz bangen um zweisprachigen Unterricht

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BAUTZEN. Nach 30 Jahren übergibt Ludmila Budar die Leitung des Sorbischen Schulvereins der nächsten Generation. Die Nachfolger treten ein schwieriges Erbe an den Schulen der Ober- und Niederlausitz an.

Unsichere Zukunft: Volksfest mit sorbischen Trachten im brandenburgischen Turnow. Foto: Vladimir Wrangel / Shutterstock

Eine Sorge schwang mit bei der Gründung des Sorbischen Schulvereins vor 30 Jahren: «Wir hatten nach der politischen Wende die Befürchtung, dass das Sorbische aus den Schulen verschwindet», sagt Ludmila Budar. Deshalb habe man sich für neue Regelungen des Spracherwerbs und der Förderung der sorbischen Sprache stark gemacht. «In Brandenburg ging es uns sogar um die Revitalisierung der wendischen Sprache.» Vom ersten Tag an stand die Slawistin dem ehrenamtlichem Gremium vor. Nun hat sie die Aufgabe in neue Hände gelegt – mit einem schweren Erbe.

Budars Vereinsbilanz: Der Schulverein ist Träger von fünf Kitas in der Oberlausitz und zwei Kitas in der Niederlausitz. Im Freistaat wird in 27 Schulen Sorbisch gelehrt, allein in 30 Kindertagesstätten heißt es «Wir sprechen sorbisch». In ganz unterschiedlichen Qualitäten, weiß Budar. Die Anzahl der vom Freistaat geförderten Kita-Gruppen habe sich seit 2007 von 71 auf heute 121 beinahe verdoppelt. Mit Hilfe des Witaj-Projekts können nicht-muttersprachliche Kinder im Vorschulalter ins Sorbische/Wendische eintauchen, auch an den Schulen geht es mit einem speziellen «2plus-Konzept» weiter.

Das ist nicht immer leicht, denn für diesen Unterricht im Team braucht es zwei Pädagogen je Klasse. «Leider kann dieses Schulkonzept derzeit nur partiell umgesetzt werden, da sorbische Lehrer fehlen», sagt Budar. Hinzu kommen steigende Schülerzahlen. Von den insgesamt über 2800 Sorbisch lernenden Schülern in Sachsen werden durch das «2plus-Konzept» in sorbischer Sprache 815 Schüler auf muttersprachlichem Niveau, 693 zumeist als Zweitsprachler und 677 als Fremdsprachler unterrichtet. In Brandenburg hat sich die Schülerzahl von 1051 im Schuljahr 1994/95 auf aktuell 2663 erhöht. «Aus der aktuellen Prognose ergibt sich, dass wir in den nächsten fünf Jahren mindestens 100 Lehrerinnen und Lehrer nur allein in Sachsen benötigen», sagt die 71-jährige Sorbin.

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Den Angaben des Bildungsministeriums in Brandenburg zufolge gab es für das Schuljahr 2019/2020 insgesamt 81 Lehrerinnen und Lehrer, die sorbischsprachigen Unterricht übernehmen könnten. Aber nur 45 von ihnen waren nach Budars Angaben im sorbischen oder bilingualen Unterricht eingesetzt. Bis Ende des Jahres 2025 gehen mindestens zehn Lehrer in der Niederlausitz in Rente. Lehramtsabsolventen können die Lücke kaum füllen.

Deshalb hat der Schulverein um Quereinsteiger geworben. «Wir haben einige Reserven aufgespürt», sagt die langjährige Vereinsvorsitzende. Einig ist sie sich mit dem Domowina-Vorsitzenden Dawid Statnik, dass die Schließung der Sorbischen Sprachschule Milkel in den frühen 1990er Jahren ein Fehler war. Unter der Regie des Sächsischen Landesamtes für Schule und Bildung (Lasub) gibt es nun erste Schritte für eine neue Erwachsenenqualifizierung.

Wichtig ist für den Neustart einer Sprachschule aus Sicht der Domowina nicht nur die Fortbildung im pädagogischen Bereich. «Es muss auch Erwachsenen möglich gemacht werden, in einem mehrmonatigen Sorbisch-Intensivkurs ein hohes Sprachniveau zu erreichen. Das gilt auch für Muttersprachler, die ihr Sorbisch zum Beispiel für den Berufsalltag ertüchtigen wollen«, sagt Statnik. Bei der Gewinnung von Lehrenden für die Sprachschule sollte es unbürokratisch zugehen: Die praktische Eignung sei entscheidend, nicht ob alle formalen Abschlüsse vorlägen.

Die Tradition des Sorbischen fortzuführen, um Digitalisierung und neue Sprachräume im Internet – um diese Aufgaben muss sich nun die neue Generation kümmern. Neue Vorsitzende ist die 41 Jahre alte Katharina Jurk. Das Ziel: «Rěčimy serbsce / Wir sprechen sorbisch» für viele in der Lausitz zur Normalität werden zu lassen. Miriam Schönbach, dpa

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4 Kommentare
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witaj
3 Jahre zuvor

Schön, dass Sie auch mal über unser sorbisches Bildungswesen in Deutschland berichten. Es sind ja nur noch Reste vorhanden. Viele, vor allem die Westdeutschen, wissen oft gar nicht, dass es das gibt. In einigen Dörfern in der Oberlausitz in Sachsen ist Sorbisch noch Alltagssprache. Aber insgesamt werden es immer weniger, die Sorbisch (eigentlich Nieder- oder Obersorbisch) beherrschen.

Carsten60
3 Jahre zuvor

Eigentlich ist das ein typisches Luxusproblem. Wikipedia schreibt dazu: „Nach Hochrechnungen sprechen etwa 7000 Menschen aktiv Niedersorbisch, welches bereits in 20 bis 30 Jahren aussterben könnte, und etwa 13000 Obersorbisch.“ Natürlich braucht man zwei Varianten Sorbisch, eine reicht nicht. Die Zahl derer im Lande, die aktiv Türkisch sprechen, dürfte wohl wesentlich höher sein.

Boścan
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Das Aussterben von Sprachen ein Luxusproblem zu nennen, finde ich doch ziemlich vermessen. Und es ist nicht so, dass es unbedingt zwei Varianten des Sorbischen geben muss, sondern es gibt nun ein Mal zwei slawische Sprachen in Deutschland, die „Sorbisch” oder „Wendisch” genannt werden und die sich untereinander allerdings so voneinander unterscheiden, wie Deutsch und Niederländisch oder Polnisch und Tschechisch. Oder eben Niederdeutsch (Plattdüütsch) und Hochdeutsch (die ja auch zwei Formen des eigentlichen Überbegriffs „Deutsch” sind), wobei erstere bereits dermaßen vom Hochdeutschen beeinflusst ist, dass sie vielen schon als eine Mundart des Hochdeutschen erscheint. Es mag weiterhin auch sein, dass es mehr aktive SprecherInnen der türkischen Sprache in der BRD gibt: dann wird es hier wohl auch didaktisch starke und zudem unternehmerisch talentierte Türkischsprachige geben, die Interessierten außerhalb der regulären Schulzeit Unterrichtsstunden Türkisch vermitteln können und möchten. Sorbisch und Wendisch (wie Niedersorbisch auch genannt wird) hingegen sind indigene Sprachen jenen Gebietes, das heute zur Bundesrepublik Deutschland gehört, genauso wie die friesischen Sprachen im Nordwesten, daher ist es nur recht und billig, dass diese Sprachen staatlich geschützt und gefördert werden. Von Luxusproblem kann da keine Rede sein!

Janusz Lipowitz
1 Jahr zuvor

Es gibt auch erfreuliche Nachrichten bzgl. des Sorbisch-Unterrichts. Hier:

„Ein Lehramtsstudium ist bei sorbischen Abiturienten dreimal so beliebt wie im Bundesdurchschnitt. 23 Prozent wollen Lehrer werden. Zum Vergleich: In Deutschland sind es acht Prozent. 56 Schüler des Sorbischen Gymnasiums Bautzen haben in diesem Jahr das Abitur abgelegt. Im großen Interesse junger Sorben sieht die Vorsitzende des Sorbischen Schulvereins, Katharina Jurk, die Bedeutung der Bildung für den Erhalt der Muttersprache der Minderheit. Zugleich sei es ein Erfolg ständiger Werbung besonders seitens des Sorbischen Schulvereins und anderer Partner.“
Jeder vierte sorbische Abiturient will ins Lehramt | Radio Lausitz