Störung des Online-Unterrichts als Tiktok-Hype: Aufnahmen von Schülern und Lehrern im Netz

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AUGSBURG. Ohne Distanzunterricht über das Internet geht derzeit an den Schulen in Deutschland fast gar nichts. Dies ruft auch Hacker auf den Plan, die es lustig finden, den Unterricht zu stören. Offenbar wird daraus gerade ein Social-Media-Hype: Es gibt sogenannte „Challenges“, bei denen Eindringlinge (oder Schüler) während Videokonferenzen Fotos von Lehrern und Mitschülern machen und die Bilder – mit höhnischen Kommentaren versehen – im Netz verbreiten. Die Kripo lacht in solchen Fällen aber nicht.

Über Tiktok sollen Aufrufe verbreitet worden sein, den Online-Unterricht zu stören. Foto: Jimmy Tudeschi / Shutterstock

Polizei und Staatsanwaltschaft wollen Störungen des wegen der Pandemie stattfindenden Distanzunterrichts durch Computerhacker konsequent verfolgen. Bei einem 21-Jährigen aus Augsburg gab es deswegen nun eine Wohnungsdurchsuchung. Der Mann hatte nach den bisherigen Ermittlungen den Online-Unterricht einer Mittelschule im Unterallgäu gestört und ein Video davon anschließend auf Youtube veröffentlicht. «Gegen den 21-Jährigen wird nun wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in mehreren Fällen ermittelt», sagt Oberstaatsanwalt Thomas Goger. Dem Verdächtigen drohten eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Der Mann soll die Zugangsdaten von einem 14-jährigen Neuntklässler erhalten haben. So soll er in den Online-Unterricht gelangt sein. «Dort störte er den laufenden Unterricht mehrfach massiv mit lauter Musik, Gesängen, Zwischenrufen und Provokationen gegenüber den Lehrern, so dass ein geregelter Unterricht nicht mehr möglich war», erklärt Goger.

Der Mann soll mehrere solche Filme veröffentlicht und Schüler aufgefordert haben, ihm weitere Zugangsdaten zuzusenden

Die Schule erstattete Anzeige bei der Kriminalpolizei in Memmingen. Die Internetexperten der Kripo konnten den jungen Augsburger als mutmaßlich Verantwortlichen des Youtube-Kanals ermitteln. Der Mann soll mehrere solche Filme veröffentlicht haben und die Zuschauer auch aufgefordert haben, ihm weitere Zugangsdaten zuzusenden. Am Mittwoch beschlagnahmten die Polizisten bei dem Mann dann Computer und Mobiltelefone. Auch gegen den 14 Jahre alten Schüler läuft ein Verfahren wegen Beihilfe.

«Der Fall zeigt, dass die Grenze vom harmlosen Schülerstreich zur ernsten Straftat schnell überschritten ist», betont der Oberstaatsanwalt. Wegen der «überragenden Bedeutung» des Online-Unterrichts in Pandemiezeiten würden entsprechende Fälle sehr ernst genommen und mit Nachdruck verfolgt. In mehreren Bundesländern hatten Hacker in den vergangenen Wochen ebenfalls Distanzunterricht gehackt und den Kindern, darunter sogar Grundschülern, Pornos gezeigt. Auch in diesen Fällen wird ermittelt. Der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) zeigt sich empört: „Die Videokonferenzen sind ebenso wie das Klassenzimmer ein besonders schutzwürdiger Raum. Wer in dieser für uns alle herausfordernden Situation meint, den Unterricht auf solch abstoßende Weise stören zu müssen, macht sich im Zweifel sogar strafbar.“

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„Das Hochladen solcher unerlaubt aufgenommenen Videos ist eine Straftat, die von der Schule geahndet wird“

Nicht nur über Youtube laufen sogenannte „Challenges“ – offenbar wurden auch über Tiktok Aufrufe verbreitet, den Unterricht zu stören und die Aktionen auf der Plattform zu dokumentieren. Ein Gymnasium in Gütersloh warnt aktuell seine Schüler und Eltern. „Schnell mal die Videokonferenz aufnehmen, weil ein Mitschüler oder eine Lehrkraft gerade lustig schaut? Diese Aufnahme dann vielleicht sogar mit anderen teilen? Die Verführung ist groß und die technischen Möglichkeiten sind einfach. Was vielleicht als ein schlechter Scherz gedacht war, hat weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten. Persönlichkeitsrechte werden verletzt und die betroffene Person wird in einem falschen Licht dargestellt. Das Recht am eigenen Bild stellt ein Grundrecht dar, sodass jeder selbst entscheiden kann, welche Aufnahmen von ihm weiterverbreitet werden dürfen. Ohne eine Zustimmung der Person handelt es sich bei der Veröffentlichung um eine Straftat“, so heißt es auf der Homepage der Schule.

Weiter steht dort zu lesen: „Das Hochladen solcher unerlaubt aufgenommenen Videos ist eine Straftat, die von der Schule geahndet wird und sowohl schulische Konsequenzen nach sich zieht als auch strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Auch die Weitergabe von Besprechungslinks zu Videokonferenzen, durch die Unterricht bewusst gestört und verhindert werden soll, dulden wir als Schule nicht. Damit werden die Grundlagen unserer Unterrichts- und Erziehungsarbeit untergraben und auch das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen gestört.“

Kultusminister Lorz: Entscheidend ist der Konferenzzugang – Schüler müssen verantwortungsvoll damit umgehen

Ein Gymnasium im nordrhein-westfälischen Wegberg, ebenfalls von massiven Störungen betroffen, hat nach einem Bericht der „Rheinischen Post“ sogar den Distanzunterricht zunächst ausgesetzt und Anzeige gegen Unbekannt erstattet. „Auch wenn kein hundertprozentiger Schutz vor Hackern möglich ist, gibt es Maßnahmen, mit denen sich das Risiko solcher Angriffe begrenzen lässt“, erklärt Kultusminister Lorz. Entscheidend sei vor allem der Konferenzzugang. „Gerade bei jüngeren Schülerinnen und Schülern liegt es natürlich nahe, ihnen den Zutritt zur Videokonferenz so leicht wie möglich zu machen.“ Dieses Vorgehen berge aber eben auch ein beträchtliches Sicherheitsrisiko, sagte Lorz weiter. „Ich bitte deshalb alle Lehrkräfte und Eltern darauf zu achten, dass die Kinder verantwortungsvoll mit den zur Verfügung gestellten Zugangsdaten umgehen.“

Lorz hat auch schon einen Fachbegriff für das Phänomen parat: „Zoombombing“. News4teachers / mit Material der dpa

Gehackter Distanzunterricht sorgt für Wirbel: Wenn Grundschüler statt ihres Lehrers Pornos oder Nazi-Hetze auf dem Bildschirm sehen

 

 

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Der Uwe
3 Jahre zuvor

Leider wieder ein Zeichen, wie kaputt unsere Gesellschaft ist. Es braucht keine Hacker, wenn Personen ihre Zugangsdaten weitergeben, oder links weiterleiten.
In der freien Wirtschaft würde man fristlos entlassen und müsste auch noch für evtl. Schäden aufkommen.
Ich begreife es nicht. Unfähige Politiker, die nur von Wahlkampf zu Wahlkampf agieren und eine Bevölkerung, die teilweise komplett unsozial und unsolidarisch handelt.
Corona scheint bei den meisten einfach noch zu weit weg zu sein.
Lehrende und die Leute in den andern sozialen Berufen, sowie das Verkaufspersonal reißen sich den A auf und werden hängen gelassen und die Politik labert und lügt… ach, was reg ich mich auf?
Einfach nur traurig.

GriasDi
3 Jahre zuvor

Ich hoffe mal, dass hier eine hohe Summe Schmerzensgeld fällig ist.

Softie
3 Jahre zuvor

Das war vorherzusehen. Wenn Schulen wegen nicht vorhandenen oder hoffnungslos veralteten „Lernplattformen“ (OPAL) auf kommerzielle Anbieter ausweichen müssen, sind natürlich andere Internetuser potentiell mit dabei.
Eine staatlich finanzierte Lösung, die den zeitgemäßen Anforderungen an Software entspricht, ist m. E. nicht in Sichtweite. Da helfen auch keine Laptops.

Mathe macht glücklich.
3 Jahre zuvor
Antwortet  Softie

Wenn die Zugangsdaten unerlaubt an Schulfremde weitergegeben werden liegt es doch nicht an der veralteten Lernplattform.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Nein. Das hat was mit Verantwortungslosigkeit zu tun. U.a.

Bernd
3 Jahre zuvor
Antwortet  Softie

Was hat das denn mit kommerziellen Lösungen zu tun? Behörden und Unternehmen arbeiten auch mit kommerziellen Konferenztools – und keiner turnt von außen hinein, wenn niemand den Zugang weitergibt…

Torben
3 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Wer mit Microsoft Teams arbeitet, weiß dass es möglich ich ohne Störungen zu arbeiten. Nur kocht wieder jede Schule ihr eigenes süppchen. Da kommen dann solche „Konferenztools“ heraus, wo ein und der selbe link für alle Schüler der Klasse gilt. Nachverfolgung unmöglich- jeder der den Link hat, kann rein. Ganz ehrlich – die meisten Tools die die Schulen benutzen sind einfach Mist

tozitna
3 Jahre zuvor
Antwortet  Softie

kommerzielle Anbieter stellen Viko-Tools zur Verfügung, bei denen die Sicherheit x-mal höher ist als bei allen „staatlich finanzierten“ Plattformen/ Tools…

Torben
3 Jahre zuvor
Antwortet  tozitna

So ist es. Und dazu kommt, dass die meisten Lehrkräfte gar keine Ahnung haben, wie so ein Tool funktioniert

Anfänger
3 Jahre zuvor

Hier hoffenbart sich der eigentliche Grund für den Erfolg des Distanzunterrichts. Am Ende hängt es eben auch von dem Engagement und der Lernbereitschaft der Schüler ab, ob Unterricht funktioniert. Nach 8 Wochen Distanzunterricht bin ich dermaßen geschafft und frustriert, dass ich den Tag der Schulöffnung herbeisehe.

Nicht unerwähnt möchte ich es lassen, dass es bei all den Problemen auch Schüler gibt, die verlässlich mitarbeiten und einfach zuverlässig sind. Wo vor einigen Jahren 2 bis 3 auffällige Schüler in der Klasse waren, sind es heute lediglich 4 bis 5 Schüler die mit 18 Jahren kein permanentes Babysitting während der Berufsausbildung brauchen.

Andre Hog
3 Jahre zuvor
Antwortet  Anfänger

Chapeau!!! …. vielen Dank für den entspannten Hinweis!!! Ich führe gerne die Pferde an den Fluss …. aber saufen müssen sie doch noch selber.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

So ist es! 😉

Leseratte
3 Jahre zuvor

Thema Datenschutz: Herr Hasse, der in Thüringen ja Lehrer wegen Datenschutzverstößen im Frühjahr anzählen wollte, ist auch mal wieder fündig geworden. Diesmal bei unserem KM.

https://www.thueringer-allgemeine.de/pruefvorgang-eingeleitet-thueringens-bildungsminister-kritisiert-datenschuetzer-id231438021.html

Kim
3 Jahre zuvor

Wer Langeweile hat, sollte einfach mal darüber nachdenken, was Lehrer gerade leisten und einen Beitrag dazu leisten, die Gesellschaft in schwierigen Zeiten zu unterstützen und nicht zu verhähmen
Für solche Menschen empfinde ich einfach nur Mitleid. Hättet ihr in der Schule besser aufgepasst, wäre eventuell etwas aus Euch geworden…
Bäh

Torben
3 Jahre zuvor
Antwortet  Kim

Sorry, aber ich kann es nicht mehr hören. Ja, es gibt Lehrer die geben Gas und sehen das Online-Unterrichten nicht als Teufelszeug. Das sind aber zu wenige. Das was Lehrkräfte jahrelang ausgeblendet haben, kommt jetzt halt geballt. Viele Lehrer verlangen von den Kids, dass sie alles auf zig verschiedenen Clouds/Mebis und schuleigenem Tool auskennen müssen, ohne dass sie selbst jemals im Netz waren.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Torben

Nun sind wir meisten auf dem derzeit bestmöglichen Digistand und ich kann nicht feststellen, dass auch nur e i n Schüly mehr gelernt hat.

Die machen die Geräte zu Hause nur für Fortnite an.

Ansonsten – Passwort vergessen, Internet geht nicht, Drucker kaputt, …. Neue Ausreden für Nichtlernen und das Nichtanfertigen von Hausaufgaben.

Nur ein wenig teurer…

Chorleiterin
3 Jahre zuvor

Ja ja, so ist das mit dem “ Recht auf Bildung“, viele haben es schon vor der Pandemie nicht in Anspruch genommen und pfeifen auch jetzt darauf.Die Unreife dieser Störer ist verstörend…
Da muss in der Erziehung und Bildung vorher schon einiges schief gelaufen sein.

Andre Hog
3 Jahre zuvor

Ganz einfach…ich kann sehen, ob sie sich am Arbeitsplatz befinden oder sie derweil aufmerksam Klo sind, vorm Fernseher sitzen, schlafen gegangen sind oder sich aus’m Keller n Bier holen, das sie dann während der VK genüsslich schlürfen. Die Namenskürzel oder Avatare geben nur Auskunft darüber, ob sich SoS in der VK eingeloggt haben…zeigen aber nicht, ob sie am Arbeitsplatz vor dem Endgerät sind. Direkte Ansprache („Hey, …., bist du noch da?“) wird gerne mal mit, „sorry, mein Netz hatte gerade einen Aussetzer…“ beantwortet…wenn ich die SuS – wenn auch nur in Briefmarkengröße- vor mir sehe, dann habe ich eine gewisse Sicherheit, dass die mir anvertrauten Lieben auch meinen Ausführungen lauschen oder die zugewiesenen Aufgaben erledigen.