Bürgermeister kaufen Schulen keine Luftfilter, weil die Pandemie bald vorbei ist

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MÜNCHEN. Der Bayerische Elternverband hat in einem offenen Brief an die Bürgermeister und Landräte des Freistaats appelliert, Luftfilter für die Schulen anzuschaffen. Mittel, die die bayerische Landesregierung zur Verfügung gestellt habe, würden nur zögerlich abgerufen. Hintergrund: Die Kommunen müssen einen Eigenanteil aufbringen – und der ist ihnen offenbar zu hoch. Die Begründung, von der Eltern berichten, mutet abenteuerlich an: Die Pandemie sei ja bald vorbei.

Mobile Luftfilter können Viren aus der Raumluft beseitigen – kosten aber Geld. Foto: Shutterstock

Wir dokumentieren das Schreiben im Wortlaut:

„Sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sehr geehrte Landrätinnen und Landräte,

alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft sind sich einig, dass Schulen so früh wie irgend vertretbar geöffnet werden müssen. Die Vertretbarkeit wird jedoch maßgeblich von den hygienischen Bedingungen vor Ort bestimmt. Letztere sind keineswegs gottgegeben: In Bayern stehen 37 Millionen Euro zur Anschaffung von Luftfilteranlagen bereit. Diese Mittel werden nach unserer Kenntnis nur äußerst zögerlich abgerufen, daher sind bisher nur wenige Schulen mit solchen Geräten ausgestattet.

Von einigen Eltern bekamen wir gespiegelt, dass sich die Sachaufwandsträger auf ein baldiges Ende der Pandemie berufen – unter diesem Aspekt sei der Preis für die Geräte zu hoch. Diese Begründung muss spätestens seit dem Auftreten von Mutanten des Coronavirus als überholt gelten. Zu Beginn der Pandemie, vor etwa einem Jahr, wurde bereits vor einer zweiten Welle gewarnt. Wo damals nicht gehandelt wurde, herrschen jetzt – mittendrin in dieser! – nach wie vor dieselben unzulänglichen Bedingungen. Wir sehen aber bereits der dritten Welle – mit Virusmutanten – entgegen. Vor diesem Hintergrund immer noch keine Vorsorge zu treffen, ist grob fahrlässig. Die Pandemie wird uns länger begleiten, als wir uns ausrechnen können. Um Schulen verlässlich offen halten zu können, muss jetzt gehandelt werden!

Dass die Effizienz der reinen Fensterlüftung an Grenzen stößt und von vielen Faktoren gestört wird, wurde oft genug publiziert und wird daher als Ihnen bekannt vorausgesetzt. Überdies muss zur Fensterlüftung ständig der Unterricht unterbrochen werden. Dies ist nach Monaten des Distanzunterrichts und großer Lernrückstände längst kein Luxusproblem mehr! Ebenso dürfte die fehlende Empfehlung des Umweltbundesamtes für Filteranlagen als überholt bekannt sein, da sie maßgebliche Untersuchungen zu deren Wirksamkeit nicht berücksichtigt. (Darüber berichtet News4teachers aktuell, d. Red.)

Auch was den Schülertransport angeht, stellen die Bedingungen noch längst nicht überall zufrieden. Der Freistaat übernimmt die Kosten für zusätzliche Busfahrten. Dennoch waren zuletzt vielerorts Schulbusse zu voll, von 1,5 Meter Abstand konnte keine Rede sein! Wo bleiben zuverlässig Busse, in denen der Mindestabstand gewahrt werden kann?

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Wir fordern hiermit alle Schulträger auf, zügig die von der Staatsregierung bereitgestellten Mittel zu investieren! Luftfilteranlagen sind ohne weiteren Verzug zu ordern sowie zusätzliche Busfahrten zu organisieren!

Um Verzögerungen zu vermeiden, setzen wir uns beim Ministerpräsidenten dafür ein, das Vergaberecht auszusetzen, damit weder Ausschreibungen noch lange Genehmigungsverfahren anfallen.

Nicht nur für die Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger, sondern vor allem für die Bildung unserer Kinder sollten „teure“ Investitionen als preiswert gelten – dies erwarten wir von verantwortlicher Politik. Deutschland hat außer „Hirnschmalz“ keine Rohstoffe!

Wir weisen Sie noch darauf hin, dass uns in den vergangenen Monaten mehrere mittelständische Betriebe aus Bayern angeschrieben haben, die Luftfiltergeräte herstellen und darüber klagen, dass sie an Ausschreibungen erst gar nicht teilnehmen können. Bezieht man diese Unternehmen ein, sollten sich Lieferengpässe in Grenzen halten. Überdies wird die heimische Wirtschaft, die derzeit ebenfalls leidet, gestärkt.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Löwe, Landesvorsitzender“

News4teachers

Der Luftfilter-Skandal: Wie das Umweltbundesamt den Einsatz der Geräte in Schulen schlechtredet – und was dahintersteckt

 

 

 

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Koogle
3 Jahre zuvor

Es gibt noch keinen Impfstoff für Kinder.

Selbstverständlich müssen Luftfiltergeräte installiert werden.

Oder wollen wir nächsten Winter wieder alle Schulen schließen?

Christine
3 Jahre zuvor
Antwortet  Koogle

So wird es leider kommen

Jan aus H
3 Jahre zuvor

Und: Selbst wenn die Anschaffung von Luftfiltern in allen Schulen die Gesamtlänge aller Lockdowns nur um eine Woche verkürzt, dann ist diese eine Milliarde ein Schnäppchen! Eine Woche Lockdown ist deutlich teurer und ich halte es angesichts der Entwicklungen ab November für sehr wahrscheinlich, dass Luftfilter in Schulen den Lockdown um deutlich mehr als eine Woche verkürzt und mehrere Tausend Leben gerettet hätten. Diese eine Milliarde hätte also viele Milliarden eingespart.

Luftfilter lohnen schon dann, wenn sie einen bundesweiten Lockdown um wenige Tage verkürzen.

Ganz nebenbei ist es extrem zynisch, Sprüche wie „kaufen wir nicht, weil die Pandemie eh bald vorbei ist“ abzulassen. Wie will man das den Kindern erklären, die durch diese Denkweise zu Waisen oder Halbwaisen werden oder deren Eltern Monate im Krankenhaus zubringen?

Silent Bob
3 Jahre zuvor
Antwortet  Jan aus H

Ich bin da voll und ganz bei Ihnen.

Ich muss da mal was loswerden
3 Jahre zuvor
Antwortet  Jan aus H

„Die Pandemie ist ja bald vorbei“ haben wir auch schon viel zu oft gehört. Zu schön um wahr zu sein…

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor

„Bürgermeister kaufen Schulen keine Luftfilter, weil die Pandemie bald vorbei ist.“ Und bitte wie viele Menschen werden bis dahin noch an einer Infektion mit Covid-19 gestorben sein? Es ist menschenfeindlich, was sich teilweise derzeit ereignet.

Jan
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Luftfilter können auch in den nächsten Wintern eingesetzt werden, wenn Grippeviren oder Magen-Darm im Umlauf sind…
Außerdem sollte nichts für unsere Kinder zu teuer sein.

Lanayah
3 Jahre zuvor
Antwortet  Jan

Ich frage mich schon, ob genau diese Überlegung ein Grund für die Nichtanschaffung ist. Nie wieder Grippe- oder Magen-Darm-Epidemien in der Schule……..Die Kinderärzte-Lobby würde die Krise kriegen.

Alla
3 Jahre zuvor
Antwortet  Lanayah

Das habe ich auch gerade gedacht, liebe/r Lanayah.
Im Dezember, Januar, Februar und März fehlen immer viele SuS und LuL wegen grippaler Infekte! Wie viel Unterricht da ausfällt ist jedem klar, der schulpflichtige Kinder hat!
Aber es ist natürlich abzuwägen, was wichtiger ist:
SuS und Kollegen gesund zu erhalten oder die Praxen am Laufen zu halten.
2 Kinderarztpraxen und mindestens eine Hausarztpraxis sind in unserer Kleinstadt schon in ihrer Existenz bedroht. Die Menschen werden einfach nicht krank, wenn sie sich nicht zum Viruswichteln in der Schule treffen.
Luftfilter würden diese Situation langfristig zementieren, denn wenn Viren aus der Luft entfernt werden, stecken sich weniger Menschen an.
Und die Arztpraxen sind ja auch Steuerzahler….

Markus
3 Jahre zuvor
Antwortet  Jan

Aber Kinder können doch den Herrn Bürgermeister beim nächsten Urnengang nicht wählen! Alte Menschen im Altersheim sind viel wertvoller für Politiker.

Nur noch krass
3 Jahre zuvor
Antwortet  Grundschullehrer

Inzwischen müsste man doch langsam sehen wie wir von der Politik an der Nase herumgeführt werden. Die Gesundheit der Kinder (sowie deren Angehörige und Lehrer) spielt keine Rolle, wenn es ums Geld geht.
Wo bleiben der Shitstrom und die Rücktrittsforderungen?

Tina+2
3 Jahre zuvor

Jeden Tag aufs Neue kommen irgendwelche Politiker daher, die einen angesichts ihrer Menschenfeindlichkeit, Eiseskälte und Unfähigkeit sprachlos zurücklassen.

Trulla
3 Jahre zuvor

Damit wird doch deutlich, dass es nicht um Bildung geht. Es geht bei der ganzen Diskussion um Schulöffnungen ausschließlich darum, Kinder zu betreuen, damit Wirtschaft läuft. Wenn es um Bildung ginge, würde auch in die Bedingungen für Bildung investiert.

Resa
3 Jahre zuvor

https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Bildung-und-Sport/Schule/corona.html „: Sind mobile Lüftungsgeräte sinnvoll?
Es liegen bislang keine wissenschaftlichen Studien vor, die nachweisen, dass durch Einsatz der Geräte eine Übertragung speziell hinsichtlich COVID-19 maßgeblich verhindert wird. Stattdessen ist nicht auszuschließen, dass die durch das Gerät entstehende Luftbewegung sogar das Gegenteil bewirken könnte. So ist beispielsweise bei den üblicherweise vorgeschlagenen Geräten mit Hepa-Filtern zu beachten, dass ein tägliches Aufheizen für circa 30 Minuten auf 100 Grad notwendig ist, damit diese nicht zu einer „Virenschleuder“ werden und dann im Gegenteil eine erhöhte Infektionsgefahr von den Geräten ausgeht. Derartige Wartungs- und Pflegeaufwände sind an den Schulen und Kitas nicht mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten.“

versus

https://www.news4teachers.de/2021/02/der-luftfilter-skandal-wie-bundesbildungsministerium-und-umweltbundesamt-den-einsatz-der-geraete-in-schulen-schlechtreden-und-was-dahintersteckt/

Vater
3 Jahre zuvor
Antwortet  Resa

Ok, die Stadt München, die die Luftfilter bezahlen soll, macht sie madig, weil man weder die Filtern noch die ordentliche Wartung bezahlen will.
Wenn Luftfilter mit Hepa schlecht sind, dann sollen sie eben UV Luftreiniger bestellen.
Man muss jedes mal fragen, wer sagt etwas zu Corona und was sind die Interessen!
Die Kinderärzte beklagen sich z.B. über zu viel gesunde Kinder und leere Praxen bei laufenden Kosten! Geht es da wirklich um die Kinder oder um Geld? Die Antwort dürfte klar sein.

Alla
3 Jahre zuvor
Antwortet  Resa

Liebe/r Resa,
Das ist, mit Verlaub, Quatsch! Die Schulen öffnen um 7.15 Uhr und der Unterricht startet um 8 Uhr, genügend Zeit, um Türen zu öffnen und auf den Knopf der Luftfilteranlagen zu drücken.
Und es sind ja nicht nur die Corona Viren, die aus der Raumluft gefiltert werden.
Ein Luftzug entsteht auch bei Fensteröffnungen!
Jeder Wissenschaftler sagt, dass man der Aerosolwolke ca. 15 Minuten ausgesetzt sein muss, um sich zu infizieren.
Eine Lüftung nach 20 Minuten ist damit eigentlich schon zu spät!

Kopfschüttelnde Mutter
3 Jahre zuvor

Man sollte vielleicht auch bedenken, dass es im blödesten Fall nicht die letzte Pandemie ist und vielleicht auch sinnvoll gg. andere Viren helfen würde.
Aber nein, sind ja nur Kinder, die werden nicht krank.

Frömmel, Walter
3 Jahre zuvor

Danke Corona! Du demakierst das politische Fussvolk der BRD. Das wurde auch höchste Zeit. Das ewige dumme Griensen auf Wahlplakaten löst bei mir mittlerweile Übelkeit aus. Von den Sprüche mal ganz abgesehen. Wir sollten, ebenso was die Kirche betrifft, in Zukunft genauer hinschauen wie fragwürdige Personen welche Funktionen in diesem Staat ausüben ! Ich verzichte bewusst auf eine Auflistung unserer politischen Frührentner! ( Kann nachgereicht werden!)

Mutter_aus_HH
3 Jahre zuvor

Luftfilter allein sind nicht das Allheilmittel, da sie keinen 100%igen Schutz bieten.
Aber keine der Maßnahmen, die wir zur „Beherrschung“ der Pandemie einsetzen ist ein Allheilmittel.

Für mich war immer der Vergleich einer Virologin mit dem Schweizer Käse am bildlich nachvollziehbarsten. Verschließe die Eintrittsmöglichkeit für das Virus mit einer Scheibe Käse, so hilft dir das nur bedingt, da der Käse Löcher hat. Nehme 2, 3, 4 usw. Scheiben Käse zusammen, so wird man die Eintrittsmöglichkeit/Verbreitungsmöglichkeit für das Virus immer weiter Richtung Null minimieren.

Ich versteh die Weigerung der verschiedenen Instanzen zum Einsatz von Luftfiltern an Kitas und Schulen einfach nicht. Es ist wieder ein Baustein, wie wir die Pandemie bekämpfen können.

Und die Pandemie ist dieses Jahr noch nicht vorbei. Mit mehr Glück als Verstand wird sie uns (und auch die ganze Welt) im nächsten Herbst/Winter nicht wieder so sehr beuteln. Mag sein.

Wäre es nicht toll, wenn wir im nächsten Herbst/Winter alle Kinder/Jugendlichen in voller Präsenzstärke in den Klassenzimmern haben könnten? Vielleicht sogar ohne frieren und Masken? Wäre es nicht toll, wenn die jährlichen Wellen von Influenza, grippalen Infekten und Magen-Darm-Infekten in Zukunft schwächer ausfallen könnten. Luftfilter wären ein Baustein um dies in Zukunft war werden lassen zu können.

Und da ich kein Träumer bin und schon lange gelernt habe, dass Ideale und Moral weit weniger wiegen als Geld, so sollte man bedenken, was Ausfälle an Kitas/Schulen und über diese Massenveranstaltung weiter verbreitete Erkrankungen ökonomisch kosten, selbst wenn man geringere Bildung mal ausklammert.

Aber so lange jeder „Kassenwart“ nur auf seinen Geldsäckel schaut, wird das nicht gesehen. Beispiel: Was interessieren die Bundesländer die Krankentage außerhalb ihrer eigenen Belegschaft? Nix. Die Beiträge aus denen diese finanziert werden, tragen ja Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der Bund. Es ließen sich sehr viele weitere Beispiele auflisten.

Und das Argument, dass die Pandemie vorbei bald vorbei ist … Seid ihr da sicher?
Deutschland hatte lt. einer Statistik 2019 83,14 Mio. Einwohner. Davon waren 13,68 Mio. im Alter von 0-17 Jahren. Über 11 % der Bevölkerung, die auch in den nächsten Monaten nicht geimpft werden könnten. 100 % aller anderen werden sich auch nicht impfen lassen. Die Impfbereitschaft schwankt je nach Umfrage. Das höchste, was ich bisher so gelesen habe sind 80%. Sind ca. 55,5 Mio. Einwohner. Noch mal gefragt … seid ihr sicher, dass die Pandemie vorbei ist?
Naja … man kann natürlich auch damit kalkulieren, dass die 13,68 Mio. eine natürliche Herdenimmunität aufbauen, wenn man Moral und Ideale über Bord wirft. O.K. mir wird schlecht.

Alla
3 Jahre zuvor
Antwortet  Mutter_aus_HH

@Mutter aus HH
Wahre Worte!
Eine große Gesundheitsgefahr besteht IMMER in der Schule, auch ohne Covid Wie viele Schüler und Lehrer sind im Herbst/Winter krank!
Wie viel Unterricht fällt dadurch aus!
Wie effektiv wäre es, diesen Unterrichtsausfall durch bessere Schutzmaßnahmen zu reduzieren!

Schweden hat es uns vorgemacht und baut seit der Grippewelle 2017/18 in allen öffentlichen Gebäuden Luftfilter in die Lüftungsanlagen. Auch in Schulen.

Wäre es nicht eine große Erleichterung, wenn die kleinen und großen Menschen in der Schule etwas Gesundheitsschutz genießen könnten ? Und damit auch die hochgelobte Wirtschaft weniger Ausfälle durch kranke Mitarbeiter hätte?

Die einzigen, die darunter leiden müssten wären die niedergelassenen ÄrztInnen. Aber die könnte man dadurch entlasten, indem man ihnen mehr Zeit für den einzelnen Patienten zugestehen würde.

Momo
3 Jahre zuvor

Es haben viele im Sommer gedacht, dass die Pandemie bald vorbei sein wird. Wo wir nun stehen, wissen wir ja jetzt. Lernt man draus? Gestern in der WDR Lokalzeit einen Bericht gesehen, über eine Schule die keine Luftfilter selber anschaffen darf. Der Versicherungsschutz sei nicht abgeklärt. Da fällt einem nichts mehr dazu ein!