Studie zum Corona-Lockdown: Entscheidungsspielräume für Kinder können das Familienklima verbessern

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FRANKFURT / MAIN. Familien stehen im Lockdown unter großen Belastungen. Eine Untersuchung aus der ersten Lockdownphase deutet an, dass sie besser mit der Situation zurechtkommen, wenn Kinder und Jugendliche Entscheidungsspielräume bekommen, allerdings mit großen Einschränkungen.

Viele Schulen haben aus den ersten Lockdownphasen 2020 gelernt, und vielerorts läuft der Unterricht bei allen Einschränkungen erstaunlich reibungslos. Dennoch stellen die anhaltendenden Schulschließungen Familien vor große Belastungen. Erste Erkenntnisse aus den früheren Lockdownphasen könnten da Erleichterungen bringen. In der familienintensiven Zeit während des coronabedingten Lockdowns im Frühjahr 2020 etwa konnte ein Erziehungsstil, der die Autonomie der Kinder unterstützt, zum Wohlbefinden der Eltern und Kinder beitragen. Zu diesem Befund gelangt ein vor Kurzem in der Fachzeitschrift Child Development erschienener Artikel zu einer Studie von Andreas Neubauer und weiteren Forschern des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Demnach könnten bereits kleine, wenig aufwändige Verhaltensentscheidungen der Eltern im täglichen Leben das Familienklima positiv beeinflussen.

Das Verhalten von Eltern und Kindern trägt stark dazu bei, wieweit sie die COVID-19-Pandemie als Belastung erleben. Foto: Shutterstock

Neubauer und seine Kolleginnen hatten untersucht, inwieweit sich am Anfang der COVID-19-Pandemie in Deutschland das Verhalten der Eltern auf ihr eigenes Wohlbefinden und das der Kinder ausgewirkt hat. „Besonders gut gefahren sind Eltern, die ihren Kindern Entscheidungsspielräume innerhalb bestimmter Grenzen überlassen haben“, unterstreicht Neubauer. „Unsere Daten zeigen, dass es den Kindern damit besser gegangen ist und dass die Eltern ebenfalls ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen konnten.“

Die Resultate der Studie bestätigten die Beobachtung, dass die gemeinsamen täglichen Erfahrungen – seien sie harmonisch oder auch konflikthaft – das Wohlbefinden von Eltern und Kindern beeinflussen. Auch umgekehrt wirkte sich das Wohlbefinden der Eltern auf ihr weiteres Verhalten aus. Diese Effekte verstärkten sich sogar mit der Zeit: Auf Tage mit höherer Bedürfniserfüllung der Eltern folgte ein stärkeres autonomie-unterstützendes Verhalten und umgekehrt.

Für die Studie hatten zunächst 970 Personen einen Online-Fragebogen ausgefüllt. 562 Eltern wurden im April 2020 zudem über einen Zeitraum von drei Wochen täglich zu ihrem Verhalten als Eltern, ihrer eigenen Bedürfnisbefriedigung und dem Wohlbefinden ihrer Kinder befragt. Teilgenommen hatten insbesondere Mütter mit höherem Bildungsgrad und Eltern aus einem eher wohlhabenden Milieu. Die Aussagekraft der Studie sei darum zunächst auf diese spezielle Situation im April und vor allem auf den teilnehmenden Personenkreis begrenzt, betont Neubauer. Aussagen etwa für Familien in Risikolagen ließen sich daraus nicht ableiten, ebenso wenig wie Vorhersagen für die Zeit des Lockdowns über den Jahreswechsel 2020/2021, so der Psychologe. „Einige der von uns befragten Eltern hatten die besondere Phase im April als eine Bereicherung für ihr Familienleben empfunden. Erste Eindrücke aus einer späteren Befragung des gleichen Personenkreises im November 2020 legen aber nahe, dass sich die Wahrnehmung der Eltern seitdem verändert hat.“

Der jetzt vorliegende Aufsatz ist im Rahmen des Forschungsprojekts „Psychologische Anpassung an die Covid-19-Pandemie“ (PACO) entstanden. Das Projekt untersucht die Auswirkungen des Lockdowns und nicht zuletzt auch die Belastungen, die in Familien etwa durch Schul- und Kitaschließungen entstanden sind. Weitere Veröffentlichungen im Rahmen von PACO sind geplant, etwa zu den konkreten Auswirkungen des Homeschooling auf die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. (pm)

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1 Kommentar
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Georg
3 Jahre zuvor

Man kann das auch wie folgt lesen:

Eltern, die ihre Kinder nicht zu Prinzen und Prinzessinnen erzogen (bzw. eigentlich nicht erzogen) haben, fahren erheblich besser, weil für diese Kinder der Entscheidungsspielraum in engen Grenzen ein Mehr und kein Weniger an Freiheiten oder Mitsprache im Familienalltag ist.