Berlin rückt auf den Corona-Schwellenwert 100 zu – GEW fordert Distanzunterricht

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BERLIN. Angesichts steigender Corona-Zahlen könnten seit kurzem geltende Lockerungen in Berlin bald wieder in Frage stehen. Denn Bund und Länder hatten am 3. März eine Art Notbremse für den Fall vereinbart, dass die Sieben-Tage-Inzidenz den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche stabil überschreitet. Nun ist es womöglich bald soweit: Am Mittwoch kletterte der Wert in Berlin auf 94,8.

Die Zahl von 100 Neuinfektionen binnen sieben Tagen auf 100.000 Einwohner ist in Berlin in Reichweite. Illustration: Shutterstock

Die Bildungsgewerkschaft GEW forderte in dem Fall eine Rückkehr zum Distanzunterricht an Berlins Schulen. «Der Stufenplan von Bund und Ländern, der ab einer Inzidenz von 100 eine Notbremse vorsieht, sollte ernstgenommen werden», sagte GEW-Sprecher Markus Hanisch und verwies auf Gesundheitsrisiken für Lehrer und Schüler.

Bund und Länder hatten am 3. März vereinbart: «Steigt die 7-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner an drei aufeinanderfolgenden Tagen in einem Bundesland oder einer Region auf über 100, treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft (Notbremse).»

«Es gibt gute Gründe dafür, dass wir uns an der 100 orientieren»

Einen Automatismus werde es bei diesen Fragen indes nicht geben, teilte die Gesundheitsverwaltung am Mittwoch auf Anfrage mit. Über Änderungen der Corona-Strategie befinde immer der Senat. Dieser will sich voraussichtlich am Freitag oder am Wochenende zu einer Sondersitzung zusammenschalten; noch ist kein Termin bestätigt. Offen ist auch, ob vor der nächsten Schalte der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am kommenden Montag Entscheidungen fallen.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich zuletzt mehrfach dafür ausgesprochen, bundesweit einheitlich vorzugehen. «Es gibt gute Gründe dafür, dass wir uns an der 100 orientieren. Das ist ein guter und nachvollziehbarer Richtwert», sagte er am Dienstag. Berlin verzeichnete am Mittwoch laut Gesundheitsverwaltung 94,8 Infektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche, nach 91,3 am Dienstag und 75,1 am Montag. Vor einer Woche hatte diese sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz noch bei 57,9 gelegen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hatte der Senat am Dienstag zunächst entschieden, weitere Lockerungen zu verschieben. Sollte bei konstanten Werten über 100 eine «Notbremse» zum Tragen kommen, könnte sie neben Kitas und Schulen auch andere Bereiche betreffen, in denen es in den vergangenen Tagen und Wochen nach monatelangem Lockdown vorsichtige Öffnungen gab.

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Es handelt sich etwa um die Regeln für private Zusammenkünfte, die im Lockdown nur mit einer haushaltsfremden Person möglich waren und seit 4. März wieder mit 5 Personen aus zwei Haushalten – jeweils plus Kinder unter 14 Jahren. Betreffen könnte das auch zwischenzeitlich geöffnete Einzelhändler, Museen, Galerien, Zoos und Gedenkstätten sowie den Sport im Freien, der seit zwei Wochen mit bis zu 5 Erwachsen aus zwei Haushalten oder bis zu 20 Kindern erlaubt ist.

«Viele Kinder und Jugendliche können zu Hause nicht richtig lernen»

Die schrittweise Öffnung der Schulen für den sogenannten Wechselunterricht begann am 22. Februar für Schüler der Klassen 1 bis 3. Am 9. März folgen die Klassen 4 bis 6 und am Mittwoch nun die Klassen 10 bis 12. Die Schüler werden in kleineren Lerngruppen abwechselnd in der Schule und mit Hilfe digitaler Lösungen zu Hause unterrichtet.

Aus Sicht der GEW muss es bei Rückkehr zum Distanzunterricht, bei dem Schüler angeleitet von ihren Lehrern und möglichst mit Unterstützung ihrer Eltern zu Hause mittels digitaler Technik lernen, auch mehr Betreuungsangebote an den Schulen selbst geben. «Viele Kinder und Jugendliche können zu Hause nicht richtig lernen», so Hanisch. Für diese müssten kreative Lösungen an den Schulen gefunden werden.

Lernprobleme zu Hause haben etwa Schüler, die in sozial schwierigen Familien oder in kleinen Wohnungen leben. Manch einer hat nicht die technische Ausstattung. Vor diesem Hintergrund plädiert die GEW dafür, von der «Fokussierung» auf Jahrgänge» wegzukommen. Wichtig müsse vielmehr sein, bei Angeboten für Betreuung in der Schule trotz Distanzunterricht den individuellen Förderbedarf der Schüler unabhängig von der Klassenstufe zugrunde zu legen.

Um die Schulen in Pandemie-Zeiten sicherer zu machen, können sich Lehrer und andere Beschäftigte seit geraumer Zeit zweimal die Woche am Arbeitsplatz kostenlos auf Corona testen lassen. Seit Mittwoch sollen sich nun auch Schüler testen lassen können, und zwar zweimal in der Woche freiwillig zu Hause mit einem Schnelltest. Zunächst wurden die Tests laut Bildungsverwaltung an ältere Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe und der Oberstufenzentren ausgegeben. Schrittweise sollen anschließend die jüngeren Jahrgangsstufen einbezogen werden. News4teachers / mit Material der dpa

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Honigkuchenpferd
3 Jahre zuvor

Der Anstieg der „Coronazahlen“ liegt auch an den Schnelltests, denn jetzt werden viele gefunden, die vorher nicht gefunden worden wären, weil sie symptomlos waren, d.h., die Coronaquote war vorher auch nicht anders. Es ist unverantwortlich, die Schulen ständig zu schließen, zu öffnen, zu schließen … Viele Kinder gehen uns im Heimunterricht verloren, echten Lehrern mit Herzblut für ihren Beruf kann das nicht egal sein. Lehrer müssen deshalb rasch geimpft werden und wenn AstraZeneca nicht zur Verfügung steht, dann eben mit einem anderen Impfstoff !

MK
3 Jahre zuvor
Antwortet  Honigkuchenpferd

Wäre es einem echten Lehrer mit Herzblut für den Beruf denn egal, dass die Schüler*innen dann immer noch nicht geimpft sind und sich in den offenen Schulen munter infizieren dürfen????

Schade, dass einige Lehrkräfte nach der eigenen Impfung aufhören zu denken. Auch dann sind offene Schulen bei hohen Inzidenzien, egal ob mit einem Test nachgewiesen oder als Dunkelziffer, immer noch gefährlich für die Schüler*innen!

Was jetzt für die Schüler*innen schwerer wiegt, eine Infektion oder das Homeschooling, das ist wohl eine Einzelfallentscheidung. Für zu Hause unterstützte Kinder die Infektion, für in der Schule gut unterstützte Kinder die Schulschließung.

Und für *alle* Beteiligten, Lehrkräfte *und* Schüler*innen, ist ein konstanter Schulbetrieb wohl nur mit flächendeckenden Impfungen für alle möglich (auch wenn es für die Kinder noch etwas dauert, bis es einen Impfstoff gibt).

teachinginberlin
3 Jahre zuvor
Antwortet  Honigkuchenpferd

In Berlin gibt es an den Schulen gerade erst entstehende Infrastrukturen für den Schnelltest – und dieser auch ausschließlich für die Lehrer*innen. Daran liegt es also nicht. (Quelle: https://www.berlin.de/sen/bjf/corona/briefe-an-schulen/)

Die Inzidenz der 5-9 Jährigen (das sind also die Klassen 1 bis 3) ist innerhalb von 2 Wochen von 48 auf 106 gestiegen.

Die Inzidenz der 15 – 19 jährigen (das sind Klasse 10 und 13, die bereits an immer mehr Schulen sewit 2 Wochen wieder kommen) ist von 66 auf 126 gestiegen.

Die Elterngeneration 30 – 39 und 40 – 49 ist zeigt um eine Woche verzögert gegenwärtig ein Wachstum, das ähnlich dem der Schüler*innen ist. (mittlerweile auch über 100)

(Quelle: https://www.berlin.de/corona/lagebericht/desktop/corona.html#altersgruppen)

Insgesamt sind die Zahlen in Berlin in den letzten 7 Tagen um 55% gestiegen! Die Testpositivrate bei den PCR Tests steigt auch wieder.

(Quelle: https://www.berlin.de/corona/lagebericht/desktop/corona.html#labordaten und https://www.rbb24.de/panorama/thema/2020/coronavirus/service/faelle-berlin-brandenburg-verdopplungszeit-fallzahlen-entwicklung.html)

Die mir bekannten Fälle bei Freunden an der Grundschule und den weiterführenden Schule sind vor allem durch starke Krankheitssymptome bei den Schüler*innen gezeichnet.

Die erste Grundschule in Berlin hat komplett geschlossen, da in mehreren Klassen nachweislich Infektionen stattfanden und ein difuses Infektionsgeschehen mittlerweile entstand. (Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/zu-viele-infektionsfaelle-berliner-grundschule-schliesst-bis-nach-den-osterferien/27015768.html)

Daraus folgt also:
1. Schule ist auch mit Impfung der Lehrkräfte und Erzieher*innen nicht sicher zu gestalten, so wie es gegenwärtig läuft.
2. Die Schnelltests haben gegenwärtig noch keinen Einfluss auf die Positivrate und Funde, da diese erst in den Einsatz kommen müssen.
3. Lehrkräfte haben mittlerweile freie Impfstoffwahl.
4. Eine Schutzfunktion entfalltet der Impfstoff erst nach einiger Zeit, erst Öffnen und dann Impfen ist die falsche Reihenfolge.
5. Niemand stellt infrage, dass Präsenz wichtig ist. Doch muss eine sinnvolle Gesundheitsschutzmaßnahme für alle gewährleistet werden.
6. Jede Schule in Berlin hat ein Notbetreuungssystem, dieses wird durch die halben Öffnungen immer schlechter in der Organisation. Bei uns blieb keiner auf der Strecke, da die Sonderpädagoginnen sich die Kinder mit Förderbedarf einluden, die Klassenleitungen die SuS mit Schwierigkeiten in die Notbetreuung holten und alle anderen von zu Hause den Kontakt suchen. Seitdem die 10. und 13. Klasse wiederkommen (zwei Wochen) hatten wir jetzt 2 Infektionen im Kollegium und 5 bei den Schüler*innen. Alle mit Krankheitssymptome zu Hause per PCR. Die Notbetreuung funktioniert nicht mehr und der Fernunterricht für die 7 – 9 scheitert auch, da die Schule keine Ausstattung hat.

Ein „echten Lehrer mit Herzblut“ ist es nicht egal und ich habe alle meine Schüler*innen im Blick! Und zwar von zu Hause! Das ist alles eine Frage der Organisation.

Sehe gerade, dass Berlin wahrscheinlich heute die 100 knackt. Aber wir machen die Schulen weiter auf. Seit gestern sind die 11. und 12. Klassen da. Frau Brinkmann brachte es für mich auf den Punkt: es handelt sich um eine intellektuelle Beleidigung was hier passiert.

Jan aus H
3 Jahre zuvor
Antwortet  Honigkuchenpferd

Wie genau verhindern Impfungen der Lehrkräfte Infektionen der SuS und deren Familien?

Wer Präsenzunterricht will und das zur Pflicht macht, muss MAXIMALEN Schutz bieten. Unter Luftfilter + Plexiglaswände + Abstand + Masken braucht man da gar nicht anfangen.

Zu teuer? Dann ist es wohl doch nicht wichtig (die Rettung einer Fluggesellschaft hat mehr gekostet als diese Ausstattung für alle Schulen in Deutschland)

C K
3 Jahre zuvor
Antwortet  Jan aus H

@Jan aus H
Nicht zu vergessen, wieviel Geld Herr Spahn bei den FFP2 Masken verplempert hat….
Schnelltests als Präventionsmaßnahme zu bezeichnen, ist ein Witz! Maximal Sekundärprävention, aber dann ist es bei positiven Ergebnissen zu spät!
Ich vermisse die energische Förderung der GEW nach echter Primärprävention!
Also Luftfilter plus Plexiglaswände für ALLE Klassenräume.
Dann könnten wir alle etwas sicherer in die Schule gehen! Ein Schnelltest pro Woche ist eine kurze Momentaugnahme und keinerlei Schutz!

MeineMeinung
3 Jahre zuvor

Ich denke, dass es sinnvoll wäre die SuS nicht vor den Ferien zurückzuholen und nach den Ferien geordnet neu anzufangen. Dann wird es auch wieder wärmer sein und die Tests werden flächendeckend in den Schulen vorhanden sein. Außerdem denke ich, dass die Anwesenheit von Halbklassen die Geschwindigkeit des Kompetenzerwerbs um ca. 1/3 verringern wird.

Daher wäre es wünschenswert und schülerentlastend, wenn die Lehrpläne, welche Voraussetzungen für einheitlich gestellte Abschlussprüfungen sind, angepasst werden würden.

Des Weiteren wäre ich für Ausflugstage zur Förderung der Teamfähigkeit und der psychischen Entlastung der SuS, z.B. Klassenausflüge in den Klettergarten, Anlegen von Beeten im Schulgarten, malen von großen Bildern auf dem Schulhof mit Kreide. Ansonsten werden jetzt erstmal die nächsten 6 Wochen Klassenarbeiten bis zum Abwinken geschrieben.

Shelly
3 Jahre zuvor

An unserer Schule wurden die gelieferten Schnelltest zurückgenommen. Wie es nun weitergeht, bleibt offen. Schnelltests werden in der Statistik nicht aufgeführt, sie sind nur Versuche, Sicherheit zu vermitteln. Sie sind nicht sicher.In BB geht es mit dem Impfen gar nicht voran, da gibt es für Lehrer/Erzieher ausschliesslich AZ und das liegt auf Eis. Und alle, die an Covid erkrankt sind bekommen die Impfung erst frühstens 6 Monate später, so lange ist man gesperrt.Das wird noch lange Zeit brauchen…

Kritischer Dad*NRW
3 Jahre zuvor

Notbremse! Motor und Treiber kann man ab Inzidenzwert <50 einfach nicht mehr (ausblenden) ignorieren.

NRW-Stadt: (Fälle seit 01.01.) und davon Anteil Mutationen (in %)
0 bis 9 Jahre: (162), 33,3 % (!)
10 bis 19 Jahre: (187), 40,1 % (!)
20 bis 29 Jahre: (291), 32,2 %
30 bis 39 Jahre: (249), 31,7 %
40 bis 49 Jahre: (223), 32,7 %
50 bis 59 Jahre: (307), 25,7 %
60 bis 69 Jahre: (141), 25,5 %
70 bis 79 Jahre: (85), 29,4 %
80 bis 89 Jahre: (60), 18,3 %
älter 90 Jahre: (17), 11,8 %

Tatsächlich ist von 27,3 Prozent der positiven Testergebnisse insgesamt der Ansteckungsort unbekannt.
Bekannten Orte:
71,3 Prozent privaten Haushalte
19,9 Prozent Schulen und Kitas
4,4 Prozent entfielen auf den Arbeitsplatz.
Der Erhebungszeitraum hat für mich sehr lange "präsenzfreie Zeiten" in Schulen und in Kita, also kaum belegbare Aussagekraft zum wahren Ansteckungsort "private Haushalte".