Erzieherinnen und Erzieher kritisieren zu lockere Regeln für die Notbetreuung

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STUTTGART. Dass Baden-Württemberg auch nach der Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes bei seinen Regeln zur Notbetreuung in Kitas und Schulen bleibt, stößt laut «Stuttgarter Nachrichten» bei Eltern und Erziehern auf geteiltes Echo. Erzieher halten sie für zu locker – Eltern freuen sich.

In den Kitas gilt wieder: Notbetrieb. Foto: Shutterstock

Derzeit haben alle Eltern, die berufstätig sind und glaubhaft versichern können, «unabkömmlich» zu sein, einen Anspruch auf einen Notbetreuungsplatz, wenn eine Kita oder Schule geschlossen wird. Dabei ist es unerheblich, ob sie im Büro oder daheim arbeiten. Eine Bescheinigung des Arbeitgebers schreibt das Land nicht vor. Laut einem Sprecher des Kultusministeriums wolle man an diesen «bekannten und etablierten Kriterien» vorerst nichts ändern. In den Notbremse-Regelungen lässt der Bund den Ländern dafür Spielraum.

Kritik kommt vom Verband der Kita-Fachkräfte: «Wir würden uns wünschen, dass die Notbetreuung im Land wieder nur für Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen offen stehen würde», sagte Bärbel Baumgärtner vom Verband der Zeitung zufolge. So drohe eine ähnliche Situation wie im Januar und Februar, als viele Kitas nahezu voll waren und zwischen Eltern und Erzieherinnen «ungute Diskussionen» aufkamen, wer kommen kann und wer nicht.

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Die Gewerkschaft Verdi monierte das Vorgehen im Land. Vize-Landeschefin Hanna Binder meinte: «Das Infektionsgeschehen gebietet mindestens einen Gleichklang der Regelungen in Kitas und Schulen. Davon sind wir immer noch meilenweit entfernt.» Würden die Schulregeln gelten, müssten die Gruppengrößen in den Kitas bei einer Inzidenz zwischen 100 und nun 165 auf 50 Prozent reduziert werden. Bei einer Inzidenz von über 165 dürfte die Notbetreuung nur noch für absolute Ausnahmen erlaubt werden.

Die Landeselternvertretung baden-württembergischer Kindertageseinrichtungen (LEBK-BW) hingegen begrüßte, dass viele Familien von der Notbetreuung profitieren können. «Eltern gehen arbeiten. Homeoffice ist nicht verpflichtend», so Claus Mellinger vom LEBK. Viele Eltern hätten Vorbehalte, die Kinderkrankentage, die der Gesetzgeber für Kita- und Schulschließungen erhöht hat, einzufordern, oder könnten es schlicht nicht. Sie seien auf die Notbetreuung angewiesen.

Dass manche Kommunen wie etwa Stuttgart nun striktere Regeln erlassen, finden sowohl Eltern- als auch Personalvertreter nicht gut. So entstehe ein Flickenteppich ohne Verlässlichkeit für die Familien. News4teachers / mit Material der dpa

Notbetreuung „nach Bedarf“, 4. Klassen als „Abschlussklassen“: Wie Länder versuchen, den Bund bei Kitas und Schulen auszutricksen

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ErzieherinBW
2 Jahre zuvor

Ich arbeite in einer Kita in BW, 4 Gruppig. Während der letzten“Notbetreuung“ waren wir fast voll! Nur wenige Eltern lassen ihre Kinder tatsächlich zu Hause. Das war im 1.Lockdown anders, als noch die „systemrelevanz“ galt. Da hatten wir sage u.schreibe 8 Kinder im gesamten Kindergarten.

Smo
2 Jahre zuvor

Welche striktere regeln hat Stuttgart bitte ? In Stuttgart hat jedes Kind das Recht auf notbetreuung wo beide Elternteile arbeiten. Sei es im Homeoffice oder in Präsenz. Die einzigen die man wirklich ausschließt sind Hartz4 Familien. Das nenn ich keine notbetreuung… Und die Organisation dieser „notbetreuung“ war ein Unding Informationsfluss gleich null..

Shelly
2 Jahre zuvor

Wenn alle arbeitenden Eltern ein Anrecht auf Notbetreuung haben, sind die Kitas im Osten voll ausgelastet. Da gibt es keine Hausfrauen. Während der Schulhort seit Dez. tatsächlich nur Notbetreuung für Systemrelevante anbietet, sind die Kitas in BB auf Mithilfe der Eltern angewiesen. Da Kitas seit Juni nie geschlossen wurden, können die in Aussicht gestellten zusätzlichen Tage beim Arbeitgeber nicht geltend gemacht werden. Also bleibt es,wie es ist: Shopping nur mit Termin und Test, ab 22 Uhr am besten Nachtruhe, keine Besuche empfangen oder tätigen ( außer Single),Maskenpflicht…contra voller Bildungskurs mit Präsenzpflicht, Pflicht zum Kitzeltest und Kitabesuch.Läuft doch…

Oldscoop
2 Jahre zuvor

Auch ich arbeite als Erzieher und bin gleichzeitig stellvertretender Leiter einer fünfgruppigen Einrichtung. Das was uns unter dem Begriff „bedarfsorientierte Notbetreuung“ untergejubelt wird, ist schlichtweg Schwachsinn. Eltern dürfen sich eigenverantwortlich einen Freifahrtsschein ausstellen, um die Notbetreuung in Anspruch nehmen zu können. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Natürlich gibt es Eltern die sich solidarisch zeigen und denen das Wohl und die Gesundheit von Beschäftigen in den Kitas wichtig ist. Dennoch denke ich nicht, dass wir so die Pandemie eindämmen können. Das haben uns die vollen Kitas während der zweiten Welle gezeigt. Da gab es lediglich einen Appell an die Eltern. Jetzt lassen wir uns das auch noch schriftlich und unterschrieben geben, dass es vollkommen in Ordnung ist, die Kinder in die Notbetreuung zu schicken. So hatte ich mir und meine Mitarbeiter*innen die einheitliche bundesweite Notbremse wirklich nicht vorgestellt.

FrustrierteErzieherin
2 Jahre zuvor

Alles nur Inzidenz Geplänkel. Für uns wird sich die offizielle Notbremsen Schließung kaum auf die Auslastung im Kindergarten auswirken. Aber ich habe nix anderes erwartet. Hört sich halt besser an in den Medien, dass Einrichtungen schließen wegen der steigenden Infektionen. Dann erwarten dann auch noch alle Eltern,dass man die Anmeldungen zur Notbetreuung wohlwollend entgegen nimmt, während sich das Personal nur noch betrogen und erniedrigt vorkommt. Nicht falsch verstehen, die Notwendigkeit bei einigen Eltern, können wir sehr wohl nachvollziehen und für diese Kinder sind wir auch gerne da. Aber keine Obergrenze, keine strengeren Vorgaben das ist Wahn- und Schwachsinn gleichzeitig! Manchmal denke ich ich stecke in einem Experiment, in welchem getestet wird, was man uns zumuten kann, bis wir eins an der Klatsche haben. Ihr könnt das Experiment beenden- es ist soweit.

Irinja
2 Jahre zuvor

Falls ich etwas falsch verstanden habe, lasse ich mich gerne belehren….aber das Virus verbreitet sich durch menschliche Kontakte. Ergo müssen diese soweit als möglich eingeschränkt werden, oder?? Alle hier hätten gern ihr “ altes Leben “ zurück!! …aber diesen Kraftakt müssen wir jetzt hinkriegen, sonst kommen wir aus dieser SCH…. nicht mehr raus!! Kontakt -Beschränkungen beziehen sich auch auf das Geschehen in Kitas….gerade jetzt!!!…und dann noch: impfen, impfen, impfen, impfen…!!!! Herr Stamp scheint sich der Verantwortung immer noch nicht bewußt zu sein??! Aber im Endeffekt haben doch hier alle recht klugen Menschenverstand…also dürfen wir uns nicht verheizen lassen!!!

Leseratte
2 Jahre zuvor

In Thüringen sind bis zu 85% der Kinder in der Notbetreuung. So wird das nichts. So kommen wir nicht wirklich runter mit den Infektionszahlen.

https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/bis-zu-85-prozent-der-kinder-in-der-notbetreuung-id232160717.html

Susanne
2 Jahre zuvor

Scheint in mehreren Bundesländern so zu laufen. Auch in RLP kann praktisch jeder die Notbetreuung nutzen. Von Schließung der Kitas ab 165 mal völlig abgesehen. Dies wird, warum auch immer, immer noch in den Medien verbreitet. Der SWR hat aber zum Glück auf Zuschriften reagiert und heute einen erneuten Artikel zum Thema Kitaschliessung und Notbetreuung veröffentlicht: https://www.swr.de/swraktuell/index.html
Ich bin froh darüber, dass zumindest einige Medien das Dilemma in den Kitas inzwischen aufgegriffen haben, auch wenn ich nicht mehr glaube, dass die Kultusminister noch in unserem Interesse handeln werden. Bisher lief unsere Kita im Regelbetrieb bei dringendem Bedarf. Seit am Montag das neue Gesetz in Kraft trat, arbeitet wir im Regelbetrieb. Die Zahlen lagern Anfang der Woche immer noch bei über 150, Hauptsache wir machen dank der magischen 165 nun alles auf…Und nein, es hat noch kein Erzieher bei uns einen vollständigen Impfschutz, von Eltern und Kindern ganz zu schweigen.