Sorgen wegen Lernlücken: Corona beschert Internaten einen Nachfrage-Boom

6

WIESBADEN. Seit die öffentlichen Schulen für den Präsenzbetrieb geschlossen sind, steigt die Nachfrage nach Internatsplätzen. Auch nach der Pandemie könnte sich der Trend fortsetzen.

Das Internat Schloss Salem ist die wohl bekannteste Privatschule in Deutschland. Foto: Janobi / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

In der Corona-Pandemie interessieren sich mehr Familien für Internate. «Die Nachfrage ist höher als in den Jahren zuvor», sagte Falk Raschke, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Privatschulen. Auch Schulleiter berichten von steigendem Interesse. Schwieriger geworden ist die Lage für Internate mit überwiegend ausländischen Schülern.

«Internatsschulen oder deren Klassenverbände wurden als Haushalte eingestuft, so dass sie während des Lockdowns weiter zusammenbleiben und zusammen lernen konnten», erklärte Raschke. «Daher mussten die Internate in der Regel nicht schließen und konnten den Unterricht weiter anbieten.» Die Hygienemaßnahmen seien sehr ernst genommen worden, Rückkehrer seien getestet worden. Der Verband weiß von keinem Corona-Ausbruch in einem hessischen Internat.

23 Internate gibt es im Bundesland. Auch während des laufenden Schuljahres konnten Schüler dazukommen, denn viele Internate hatten zuletzt mehr Angebot als Nachfrage, wie Raschke berichtete. Auch wenn die Pandemie vorbei ist, rechnet der Verband mit weiter steigender Nachfrage. Es gebe viele Kinder, die durch Corona Probleme in der Schule hätten. «Für diese Kinder können Internate eine Lösung sein.» Die Betreuung sei eng, die Schulgemeinschaft motiviere, das könne mögliche Defizite ausgleichen.

Auch das Schulzentrum Marienhöhe in Darmstadt hat «in diesem Schuljahr mehr Anfragen erhalten als in den beiden Jahren davor», wie Schulleiter Christian Noack berichtete. Ob das an Corona liegt, «ist final schwer zu beantworten. Aber es war durchaus ab und an Thema in Gesprächen mit Interessentinnen und Interessenten.»

„Wir haben eine Vollversorgung nach Stundenplan, und das wird durchaus geschätzt“

Da auf der Marienhöhe auch viele Kinder unterrichtet werden, die täglich nach Hause fahren, gelten hier die gleichen Beschränkungen wie für andere Schulen: Je nach Lage Distanzunterricht, Wechselunterricht, Hybridunterricht. «Aber die Qualität des Unterrichts leidet weniger, wir haben eine Vollversorgung nach Stundenplan, und das wird durchaus geschätzt», sagte Noack.

Dass Eltern Internate suchen, um nach zermürbenden Monaten des Homeschoolings ihre Kinder aus dem Haus zu bekommen, glaubt Noack nicht: Eltern suchten vor allem nach besseren Schulen. Dass es durch die Pandemie zu einem Internats-Boom kommt, hält er für unwahrscheinlich: «Internate kosten auch Geld und in manchen Familien ist nach Corona weniger Geld da.»

Auch Michael Meister, der das Lietz Internat Schloss Bieberstein in der Rhön leitet, spürt das wachsende Interesse: «Seit März ist eine steigende Nachfrage zu verzeichnen.» Besonders stark sei das Interesse an dem Programm «E-International» gestiegen, «indirekt bedingt vielleicht dadurch, dass im letzten Jahr das Reisen ja sehr erschwert war».

Die gegenteilige Erfahrung hat ein Internat gemacht, das überwiegend Schüler aus dem Ausland hat: Die unsichere Lage mit Grenzschließungen und Quarantäne habe dazu geführt, dass Eltern ihre Kinder «nur zögerlich» für das nächste Schuljahr anmelden, hieß es dort. dpa

Erstmals mehr als eine Million Privatschüler in Deutschland: Wird die Flucht aus dem staatlichen Schulwesen zum sozialen Problem?

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

6 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Johannes
2 Jahre zuvor

Hauptsache, man kann seine Kinder wegorganisieren…..und sich aus der Verantwortung nehmen. Sollen andere die lästigen Aufgaben übernehmen und verantworten.

G.B.
2 Jahre zuvor

Da haben welche jetzt aber ganz große Angst, dass sie die Kinder nochmal zu lange um sich rum haben müssen!

Lakon
2 Jahre zuvor

Das passt zu anderen soziologischen Erkenntnissen: die Corona-Maßnahmen schaden den Reichen wesentlich weniger als den Armen.
… was eigentlich niemand überraschen sollte, weil es bisher in jeder Gesellschaft so war.
„Geld macht nicht glücklich, aber man kann sich damit gut helfen“ war einer der Kalauer aus den 80ern.

lehrer002
2 Jahre zuvor

Sehr interessanter Artikel. Habe ich heute morgen schon gesehen und hatte damit nicht gerechnet. Frage an die Redaktion: Hat sich der Titel geändert, oder bilde ich mir das ein?

lehrer002
2 Jahre zuvor
Antwortet  Redaktion

Ah, danke für die Auskunft. Ich war nur etwas irritiert und dachte, mein Gehirn spielt mir einen Streich.