Corona-Studie: Kinder verbreiten weniger Aerosole als Erwachsene – Drosten warnt aber

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BERLIN. Kinder verbreiten beim Sprechen und Singen offenbar deutlich weniger der für eine Übertragung von Coronaviren relevanten Aerosole als Erwachsene. Das hat eine Untersuchung der Charité und der TU Berlin unter Federführung des Phoniaters Prof. Dr. med. Dirk Mürbe ergeben. «Kinder im Grundschulalter emittierten beim Sprechen eine Anzahl von Partikeln in der Größenordnung wie Erwachsene beim Atmen, und beim Singen emittierten sie ähnlich viele Partikel wie Erwachsene beim Sprechen», sagte Mürbe, Direktor der Klinik für Audiologie und Phoniatrie an der Charité. Unterdessen erschien im Fachmagazin „Science“ eine Studie der Charité unter Leitung des Virologen Prof. Christian Drosten – die Kindern grundsätzlich die gleiche Infektiosität wie Erwachsenen bescheinigt.

Offenbar stoßen Kinder weniger Aerosole aus, die bei einer Corona-Infektion zum Problem werden. Das Virus verbreiten Kinder trotzdem. Symbolfoto: Shutterstock

Die Anzahl der Aerosole hänge dabei stark von der Lautstärke ab, so Mürbe. Der Befund könne nicht nur bei der Entscheidung für Präsenzunterricht an Schulen eine Rolle spielen, sondern auch für die Arbeit von Kinderchören. Mürbe zufolge bedeutet das aber nicht, dass Schulunterricht oder Chorproben und -konzerte unabhängig von der Infektionslage und ohne Beschränkungen stattfinden können. Allerdings sei je nach äußeren Umständen wie Größe des Raumes, Anzahl und Aufenthaltsdauer der Kinder sowie den Lüftungskonzepten mehr möglich als bisher praktiziert: «Die geringere Anzahl der ausgestoßenen Aerosole und die Verfügbarkeit von Testkonzepten führen zu einer differenzierteren Bewertung der Infektionsgefahr und zu besseren Rahmenbedingungen im Unterricht und im außerschulischen Bereich.»

«Wir beobachten, dass Singen seit dem Verbot in der Gesellschaft mehr und mehr sein positives und gesundes Image verliert»

Bislang fokussierten sich Untersuchungen zum Ausstoß von Aerosolen vor allem auf Erwachsene. Mürbe zufolge wurden sie nun erstmals bei acht- bis zehnjährigen Grundschülern mittels Laserpartikelzähler in einem Reinraum gemessen. Konkret ging es um 15 Mädchen und Jungen des Staats- und Domchores Berlin und des Mädchenchores der Sing-Akademie Berlin. Für diese Altersgruppe ist vorerst kein Impfschutz absehbar. Bei den Kindern wurden Emissionsstärken unter anderem bei Ruheatmung, Sprechen, Singen und Rufen bestimmt und mit den Werten von 15 Erwachsenen verglichen.

Die Ergebnisse der bislang noch nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Untersuchung sollen auch dem Kinderchor der Dresdner Philharmonie zugutekommen und dort in ein neues Hygienekonzept einfließen. Die Deutsche Chorjugend macht seit geraumer Zeit auf die schwierige Situation ihrer Mitgliederensembles aufmerksam.

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«Obwohl wir uns in einer Phase der Lockerung der bundesweiten Einschränkungen zur Prävention der Corona-Pandemie befinden, werden die Beschränkungen und ihre Folgen in den Kinder- und Jugendchören noch lange wirken», heißt es auf der Internetseite des Verbandes. «Wir beobachten, dass Singen seit dem Verbot in der Gesellschaft mehr und mehr sein positives und gesundes Image verliert.» Dabei sei längst bekannt, wie wichtig Singen für die sprachliche, soziale und emotionale Entwicklung von Kindern ist.

Nach der Veröffentlichung seiner Corona-Studie zu sogenannten Viruslasten im namhaften Fachblatt „Science“ am Dienstag zeigte sich der Virologe Drosten in seinen Einschätzungen zur Ansteckungsfähigkeit auch von Kindern bestätigt. Schon anhand erster Daten habe man als klinischer Virologe gesehen, dass alle Altersgruppen ungefähr gleich viele Virus-Erbgutkopien aufwiesen. Dieser Eindruck habe sich gehalten. Über eine vorläufige Auswertung von vor über einem Jahr war viel diskutiert worden – vor allem wegen der Schlussfolgerung, dass Kinder so ansteckend sein könnten wie Erwachsene. Die „Bild“-Zeitung hatte eine Schmutzkampagne gegen Drosten gestartet, wie News4teachers berichtete. 

„Das Maximum der Virus-Ausscheidung liegt ein bis drei Tage vor dem Symptombeginn“

Die Studie untermauert auch die Annahme, dass ein relativ kleiner Teil der Infizierten für besonders viele Ansteckungen sorgt. Wie Drosten schilderte, gibt es in allen Altersgruppen, auch bei Kindern, Infizierte mit außergewöhnlich hohen Viruslasten. In der Studie betraf dies etwa neun Prozent der untersuchten Fälle. In „erheblichem Umfang“ befinden sich darunter laut dem Virologen Menschen, die im gesamten Krankheitsverlauf maximal milde Symptome bekommen. Auch Menschen ohne Krankheitsanzeichen seien darunter.

In Anbetracht der Ansteckungsgefahr durch gesund wirkende Infizierte betonen die Wissenschaftler in ihrem Fazit zur Studie die Bedeutung von Maßnahmen wie Abstandhalten und Maskentragen. „Das Maximum der Virus-Ausscheidung liegt ein bis drei Tage vor dem Symptombeginn“, sagte Drosten über ein weiteres Ergebnis der Arbeit. Darum sei das Virus so schwer zu kontrollieren. News4teachers / mit Material der dpa

Drosten nimmt die Kultusminister in die Verantwortung: „Man hat die Infektiosität von Kindern so lange negiert und nichts gemacht…“

 

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Georg
2 Jahre zuvor

Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass die Menge emittierter Aerosole mit dem Lungenvolumen korreliert. Habe ich damit die Studie hinfällig gemacht?

Besorgte Mutter
2 Jahre zuvor

Sorry, das ist wieder einmal eine „in Auftrag“ gegebene Studie!!!

Die einigen „Institutionen“ sehr gelegen kommen wird, nach dem o. g. Inhalt….

Maren
2 Jahre zuvor

Und immer wieder irgendwelche Studien,die -passend zu Schulöffnungen-bescheinigen,dass unter Kindern alles ja gar nicht so schlimm sei (auch wenn Virologen zu anderen Schlussfolgerungen kommen).Irgendwie wird sich immer was rauspepickt,um die Eltern zu beruhigen.Man kann ruhig 20 bis 30 ungeimpfte Grundschüler im Herbst in eine Klasse setzen,alles nicht so wild.Ubd wieder werden keine Luftfilter angebracht werden.Ich bin es so leid.

Fragezeichen
2 Jahre zuvor

Zitat: „Mürbe zufolge wurden sie nun erstmals bei acht- bis zehnjährigen Grundschülern mittels Laserpartikelzähler in einem Reinraum gemessen.“

Laserpartikelzähler erfassen keine Partikel <300 nm. Coronaviren sind ca. 100 nm groß. Das ist ein grundsätzlicher handwerklicher Fehler, der leider sehr häufig gemacht wird. In der Regel wird dann argumentiert: Das sind doch alles Tropfen, die größer sind. Nein! Die Tröpfchen trocknen sehr schnell ein und die Aerosole bleiben in der Luft. (Siehe Veröffentlichung der Gesellschaft für Aerosolforschung.)

Es wäre erstaunlich, wenn die "Studie" das Review in dieser Form durchläuft.

TAD
2 Jahre zuvor

Und wenn meine Schüler 30cm größer und 20kg schwerer sind als ich? Vermutlich sind 13 – 20jährige ausgewachsene Schüler genauso ansteckend wie Erwachsene. Warum verallgemeinern diese Studien so sehr?

Tina+2
2 Jahre zuvor

„… hänge dabei stark von der Lautstärke ab.“

Puh, dann ist ja alles gut. Warum rege ich doofe Kuh mich nur seit 14 Monaten so auf um meine Familie zu schützen. Wir brauchen auch keine Luftfilter, Masken oder offene Fenster. Alle Blagen rein in die Schulen, Busse und Turnhallen, los los los, Tempo. Wo kein Schnee liegt, kann gelaufen werden.

Die Kinder reden einfach nur noch flüsternd bis ganz leise und alles ist bestens. Ab sofort wird jeder als Covidiot bezeichnet, der das kafkaesk findet.

Mary-Ellen
2 Jahre zuvor

Ich bitte zu bedenken, dass Grundschulkinder, solange sie sich nicht gerade in einer Unterrichtssituation befinden, also z.B. auf dem Weg durch die Flure, beim Essen in der Mensa, beim Spielen in Regenpausen (also drinnen) sowie in diversen AGen
(Werken, Spiele-Agen etc.) sich nicht in normaler Redelautstärke verständigen, sondern sich eher anschreien/ etwas zurufen, selbst, wenn sie einen geringen Abstand zueinander haben. Nicht umsonst herrscht in diesen Situationen ein stetiger erhöhter Geräuschpegel.
Daher müsste meines Erachtens nach die Wahrscheinlichkeit der Virenverteilung untereinander nach wie vor sehr hoch sein!

MeinSenf
2 Jahre zuvor

(Singend, dabei heftig ein- und ausatmend)
SCHULEN SIND SICHER, SCHULEN SIND SICHER,
KINDER SIND KEINE TREIBER DER PANDEMIE!
(Die Melodie darf sich jeder dazu denken…)

Den Text dieses Schlagers kann ja auch jeder von uns schon lange auswendig.

Also noch einmal alle zusammen…

(Ich bin sooooo müde… Ich habe schon lange keine Kraft mehr zum Singen.)

Susi
2 Jahre zuvor

«Die geringere Anzahl der ausgestoßenen Aerosole und die Verfügbarkeit von Testkonzepten führen zu einer differenzierteren Bewertung der Infektionsgefahr und zu besseren Rahmenbedingungen im Unterricht und im außerschulischen Bereich.»

Eine differenzierte Bewertung hat im Kontext von Rahmenbedingungen bisher noch nicht stattgefunden, demnach kann es auch nicht zu einer verbalen, in der Folge handlungsbasierten Steigerung kommen. Oder habe ich da etwas verpasst?

Warum wird hier auf etwas aufgebaut, das de facto nicht vorhanden ist?

Zum Thema: Die Erkenntnis über die Aerosole und damit die potentielle Viruslast von Kindern ist kein hinreichender Grund dafür, dass Schulen sicherere Orte sind. Drosten stellt in seiner neuesten Studie in Science die Infektiösität von Kindern fest. Schulen weisen durch ihre Nutzungsweisen bestimmende Parameter auf, die auch aus einer geringen Viruslast der einzelnen Menschen im Handumdrehen eine virale Brutstätte werden lassen.

Die Lösung scheint also in einer differenzierten Betrachtung hinsichtlich der Rahmenbedingungen zu liegen. Aber das ist teuer, braucht kreatives und nachhaltig ausgelegtes Gedankengut und Entscheidungsträger*innen mit Verantwortungsgefühl. Und das hatten wir ja schon hier zig Mal gefordert … ja, der Kreis ist augenscheinlich rund … und manchmal auch bunt … 😉

Juli
2 Jahre zuvor

Es wird zwar kein direkter Vergleich gezogen. Doch die Ergebnisse von Herrn Drosten werden runtergespielt. Er hat mit 25.000 Menschen gearbeitet. Die andere Studie wurde wahrscheinlich mit weniger als 100 Teilnehmern durchgeführt. Ist das repräsentativ? Warum dürfen Kinder nicht so eine Rolle spielen, wie Erwachsene? Ich verstehe das nicht.

Sina
2 Jahre zuvor
Antwortet  Juli

Damit die Eltern arbeitem gehen und ihre Kinder nicht selbst zuhause betreuen wollen. Hier würde sonst Panik ausbrechen. Das ist der einzige Grund, der mir einfällt.

S.
2 Jahre zuvor
Antwortet  Sina

So ist wohl. Ganz banal. Hauptsache „Arbeit“ läuft und die Bevölkerung verhält sich still.

Viva
2 Jahre zuvor

Weniger Aerosole also mit viel Viruslast. Und nun? Gibt es nun Entwarnung? – Ist das nun der Versuch einer gezielten Volksverdummung? Oder doch nur ein recht hilflos wirkender Rettungsversuch für das singende Kulturerbe? Wenn gar nichts mehr geht, nimmt man eben 15 Kinder im Alter von 8 bis 10 Jahren und beweist damit Bahnbrechendes in einer Pandemie mit bis dato knapp 3,5 Millionen Toten. Versuchen kann man es ja mal. – Wenn die Chorfreunde nun auch noch die hohen Inzidenzwerte unter Kindern erklären könnten … achso, ja, die böööösen Lehrer(innen) und die böööösen Eltern. Alles wahre Virenschleudern. 😉

Geschmackloser geht es eigentlich nicht.

Ist das echt echt?

Koogle
2 Jahre zuvor

Dafür pfercht man 30 Grundschulkinder in kleine Klassenzimmer ohne Luftfiltergeräte.

Würde man 30 Erwachsene in die Klassenzimmer packen, wäre nur noch halb soviel Luft übrig.

Natürlich wäre dann die Aerosolbelastung pro Liter verbliebenener Luft höher.

Die Arbeitsstättenverordnung würde das aber niemals erlauben.
Sie schreibt 12 – 15 Quadratmeter pro Mitarbeiter vor.

Dagegen gibt es Klassenzimmer mit geschätzt ca 1,5 m² pro Schüler.

Riesenzwerg
2 Jahre zuvor

„Die Anzahl der Aerosole hänge dabei stark von der Lautstärke ab, so Mürbe.“

Da überwiegend geschrien, gekreischt, geheult, lautstark dramatisiert, gebrüllt und getobt wird, sind vor allem KiTas und GS „sicher“.

Vielleicht kann man sie ja zu Zimmerlautstärke und Flüstern motivieren. Das würde alle Nichtbrüller und Zuhörmüsser auditiv und psychisch (das mein ich ernst) entlasten.

Ruhe gegen Aerosole, Ruhe gegen Burnout, Ruhe gegen Stress….. traumhaft.

„Der Befund könne nicht nur bei der Entscheidung für Präsenzunterricht an Schulen eine Rolle spielen, sondern auch für die Arbeit von Kinderchören.“

Genau. Aber mit konsequenter Umsetzung zu Ruhe in den Klassenräumen.

Auch Lärm macht krank – weiß jeder (bis auf KuMis oder ist denen peng).

Zwei Fliegen mit Stille! Bin sofort dabei.

Viva
2 Jahre zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Uuups, ich kann noch lachen. Danke Riesenzwerg.

BK-Lehrkraft
2 Jahre zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Auch eine Handvoll Halbstarker, die durch Schulflure flanieren, haben oft die Lautstärke eines startenden Kampfgeschwaders.
Machmal auch in Klassen.

Mary-Ellen
2 Jahre zuvor

@Riesenzwerg:

Jawoll! Einfach still lüften! 😉

Ursula
2 Jahre zuvor

Ruhe in den Klassenräumen würde auch den Lernerfolg nachhaltig verbessern. Gerade in der Grundschule wäre der gute alte Frontalunterricht gerade für lärmempfindliche und sensible Kinder eine Option. Die moderne Pädagogik mit Lernen an Stationen, Gruppenarbeit und ähnlichen Dingen wirkt sich meines Erachtens sehr auf den Geräuschpegel und die Konzentration aus. Das System früher hatte ganz bestimmt viele Vorteile und wenn immer nur einer redet, gibt es auch wenige Aerosole.

Jan aus H
2 Jahre zuvor

Wiie üblich findet sich jemand, der eine brauchbare und durchdachte Studie von Herrn Drosten sofort mit irgendwelchen anderen Aussagen relativiert und versucht, sie damit in ihrer Aussage abzumildern. Haben drei Wellen nicht gereicht? Reicht es nicht, dass wir bald in die vierte laufen? Müssen wir wirklich im Herbst noch eine Riesenwelle unter den Kindern schüren?

Wenn es am Ende dann eine heftige „Triage“ beim Zugang zu Reha-Plätzen für die ganzen LongCovid-Fälle gibt, will es wieder niemand gewesen sein.