Krach um Ditib: Entscheidet Erdogan bald mit, wer an NRW-Schulen unterrichtet?

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DÜSSELDORF. Nach längerer Eiszeit wird die umstrittene Ditib wieder Partner beim islamischen Religionsunterricht in NRW. Prompt hagelt es Kritik. Armin Laschets Regierung gerät weiter unter Druck. Und Ditib wehrt sich.

Regiert der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan über Ditib bald in deutsche Schulen hinein? Foto: Shutterstock / Sasa Dzambic Photography

Auf den ersten Blick ist es nur ein Sitz in einem neuen Gremium, doch tatsächlich handelt es sich um eine bedeutsame Entscheidung, die hohe Wellen schlägt. Die Türkisch Islamische Union Ditib ist in Nordrhein-Westfalen nach jahrelang ausgesetzter Zusammenarbeit wieder beim islamischen Religionsunterricht (IRU) an Bord. Schulministerin Gebauer (FDP) hatte vor einigen Tagen eine Kooperation mit sechs islamischen Organisationen in einem bundesweit neuartigen Kommissionsmodell angekündigt. Der größte Moscheeverband in Deutschland ist mit von der Partie. Seitdem hagelt es Kritik, die schwarz-gelbe Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gerät unter Druck. Die Ditib wehrt sich gegen «polarisierende Stimmungsmache».

Das Gremium ist nun Ansprechpartner des Landes bei dem bekenntnisorientierten Unterricht, analog zur Beteiligung der Kirchen bei katholischer und evangelischer Religion. Vor einigen Jahren hatten NRW und auch der Bund von der Ditib gefordert, sie müsse sich von Ankara lösen. Der Verband ist wegen seiner Abhängigkeit von der türkischen Religionsbehörde Diyanet umstritten, die dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan untersteht. Aufgeschreckt hatte unter anderem eine Spitzelaffäre: Laut Verfassungsschutz NRW hatten gut ein Dutzend Ditib-Imame die Namen von Personen und Institutionen auch aus dem Bildungsbereich an die Diyanet gemeldet.

Das Schulministerium sieht nun aber «substanzielle Veränderungen». Die Ditib NRW habe eigens eine Kommission innerhalb des Landesverbands für den IRU gebildet, der «weder Amtsträger eines Staates noch Angestellte der Ditib angehören» dürften, heißt es aus dem Ministerium. Eine Satzungsänderung sei für das Land «entscheidender Faktor» für die Zusammenarbeit gewesen. Ob diese Satzung auch «gelebt» werde, behalte man strikt im Auge. Sollte es zu einer Einflussnahme seitens des türkischen Staates, der Diyanet oder des Ditib-Bundesverbands kommen, werde das Land den Vertrag wieder kündigen. Nach intensiver Prüfung gehe man davon aus, dass die Ditib NRW bei der IRU-Kooperation «eigenständig und staatsunabhängig» sei.

«Wer nicht Partei für Erdogans AKP Partei ergreift, soll möglichst nicht zugelassen werden»

Ganz anders sieht das Volker Beck vom Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Uni Bochum. Es sei naiv, aus punktuellen Satzungsänderungen zu schließen, dass Ditib-Mitglieder in der IRU-Kommission unabhängig agierten. «Das macht mich sprachlos. Die zeigen der Politik eine lange Nase.» Er befürchtet: «Die versuchen ihre Hand drauf zu halten, wer unter den islamischen Religionslehrern die Lehrerlaubnis erhält. Wer nicht Partei für Erdogans AKP Partei ergreift, soll möglichst nicht zugelassen werden.»

Der Religionsunterricht wird von nach deutschen staatlichen Lehrplänen ausgebildeten Religionslehrern erteilt. Sie brauchen aber auch eine religiöse Lehrerlaubnis – und die «Idschaza» erteilt die neue Kommission. Diese wird aber nicht von der Ditib dominiert, wie das Schulministerium klarstellt. Beteiligt sind auch etwa der Verband der Islamischen Kulturzentren oder die Islamische Religionsgemeinschaft NRW.

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Der Bonner Staatsrechtler Josef Isensee hält die Satzungsänderung für unwirksam. Der Landesverband könne «sich nicht selber unabhängig machen», sagte er im WDR-Magazin «Westpol». Die Gewähr einer Staatsferne sei nicht gegeben. «Und damit erfüllt diese Satzung nicht die Voraussetzung, von der das nordrhein-westfälische Schulgesetz ausgeht.» Laut WDR hatte Isensee bereits eine ähnliche Satzungsänderung der Ditib in Hessen als unwirksam bezeichnet. Hessen hatte die Zusammenarbeit mit der Ditib 2020 gestoppt.

«Wir brauchen Ansprechpartner in der muslimischen Welt, wenn wir Islamunterricht organisieren wollen»

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) verteidigte die Landesentscheidung jüngst in der «Bild». Die Ditib sei zwar «alles andere als eine Organisation, die ich positiv finde», aber die größte. Man brauche Ansprechpartner in der muslimischen Welt, «wenn wir Islamunterricht organisieren wollen». In NRW erhalten fast 22 000 Schüler IRU an 260 Schulen, von 300 Lehrkräften. Tendenz steigend. Auch viele weitere Bundesländer bieten ihn an.

Islamwissenschaftler Jörn Thielmann sagt: «Der türkische Staat hat über Diyanet auf die Ditib in vielen Punkten und auf allen Ebenen direkte Zugriffsmöglichkeiten, wenn er es will.» Problematisch bleibe: Ein Beirat aus Diyanet-Beamten habe weit reichende Vollmachten über die Ditib-Bundesspitze und «entscheidet auch über alle Satzungsänderungen, egal auf welcher Ebene». Ein möglicher Diyanet-Einfluss solle angesichts nur einer Ditib-Stimme dennoch nicht überbewertet werden.

Der Islamverband sieht sich pauschal diffamiert. Es sei eine «abwegige Begründungslogik», immer wieder auf die «politische Großwetterlage» und Kooperation mit der Diyanet zu verweisen, die eine «Institution der religiös-theologischen Orientierung» sei. Kritiker «beschwören vermeintliche Einflussnahme von ausländischen Staaten herbei, die es zu keinem Zeitpunkt gab und auch nicht geben wird.» Die Ditib nehme in der Kommission ihre «verfassungsgemäßen Rechte» wahr.

Das Gremium hat auch über die Schulbuchgenehmigung einen indirekten Einfluss auf den Unterricht, erläutert Musa Bagrac, Vorsitzender des Islamlehrerverbands. Um «Willkürentscheidungen» vorzubeugen, fordert er eine unabhängige Schiedsstelle in der IRU-Kommission. Diese bilde keinen Querschnitt der muslimischen Community in NRW, bedauert er. «Wir hätten uns eine viel breitere Beteiligung gewünscht.» (Yuriko Wahl-Immel, dpa)

Islamunterricht: Ditib entscheidet wieder mit. Regiert Erdogan in deutsche Schulen hinein?

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Ich muss da mal was loswerden
2 Jahre zuvor

Hat Deutschland irgendwelchen Einfluss an türkischen Schulen? Nein, also braucht es andersherum auch niemand.

Gebauer zeigt erneut Inkompetenz in ihrem Job, und Laschet darf niemals Bundeskanzler werden.

Susi
2 Jahre zuvor

Furchtbar.
Bitte jeglichen getrennten Religionsunterricht auflösen und durch ‚Religion‘ ersetzten. In dem Fach lernen ALLE ALLES, tauschen sich miteinander aus und lernen, sich mit fremden Religionen und auch Kultur auseinanderzusetzen. ZUSAMMEN MITeinander reden, nicht übereinander in getrennten Räumen.
Alles weitere ist Privatsache und gehört nicht in eine deutsche, staatliche Institution des 21. Jahrhunderts.
Meine Meinung.

Ich muss da mal was loswerden
2 Jahre zuvor
Antwortet  Susi

Gute Meinung! Bin ich voll dabei.
Kann von mir aus auch Ethik für alle geben.

Karin Nolte
2 Jahre zuvor

Die Kultusministerin von NRW ist wohl außer Rand und Band.
Laschets Regierung in NRW am Ende. Jetzt fehlt nur noch, dass die Evangelikalen auch
einen separaten Religionsunterricht verlangen.
M.E. hat Religion gar nichts an den Schulen verloren. Ist Privatsache.
Bin Jahrgang 1943, musste zwangsweise auch in den Ev. Religionsunterricht.
Konnte man nicht abwählen.
Da gabs einen Pfarrer in heute einem zu Frankfurt gehörenden Stadtteil, früher
Kreis Hanau, der warf seine Hausschlüssel nach einem.
Gruß aus Bad Homburg

No
2 Jahre zuvor

Sie sind alles sehr dumm.Laschet brauchen die Tuerken, um Kanzler zu werden. Learn about Ms Gueler

Anne Pipapo
2 Jahre zuvor
Antwortet  No

Ja, es ist tatsächlich interessant sich mal näher mit der Personalie Güler zu beschäftigen, gerne auf Wikipedia. Man sollte öfters mal hinter die Fassaden blicken. Es ist erschreckend, wen Herr Laschet so alles um sich schart. Warum sehe ich dauernd die Weimarer Republik vor meinem inneren Auge? Sein dröhnendes Schweigen zu den massiven Rechtstendenzen in der CDU bereitet den Nährboden für Schlimmeres, und Ditib an den Schulen und die grauen Wölfe in öffentlichen Ämtern in NRW sind erst der Anfang. Was danach kommt, bereiten Herr Maaßen, Herr Otte & Co. gerade in den Hinterzimmern der Werteunion vor.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Anne Pipapo

Rechtstendenzen in der CDU? Nicht wirklich. Eher meinungspolizei a la Cancel Culture wegen politischer Korrektheit. Die kommt aber von der (extrem lauten) linken Seite.

No
2 Jahre zuvor

Es ist verwunderlich:
1. 2015 koennen ca. einen Million „Fluechtlinge“ zu uns, die weder English nicht Franzoesisch sprechen. Dafuer wussten sie aber recht schnell, wo man H4 und aehnliches bekommt. Woher hatten die die notwendigen Infos?
2. Woher wussten sie, dass sich auf Sylvester huebschen europaeische Maedchen zum Tanzen treffen?
Woher hatten semi and completely analphabetic men die Info?
3.Und wenn wir hier von Antisemitismus reden:
Die Ditib ist auch in der Pfalz religionstechnisch aktiv.Um den Job zu bekommen hat sie einen Render ausgeladen, der fuer seinen antisemitischen Ritz bekannt ist. Ausserdem ist der dortige Ditib-Vorsitzende zurueckgetreten, der den Type eingeladen hatte.
4. Aehnliche Merkwuerdigkeiten in Goettingen :
Grosser Bahnhof -Tisch der Religionen und so.
NETTER Type von der Ditib. Machten aber viel Werbung fuer… genau.Daraufhin haben sich ein paar Leute mal seinen Facebook aAccount angeshen –und raten Sie mal: Der better Ditib-Mann war weder nett nicht grosszuegig…. Natuerlich auch zurueckgetreten. Es ist nachvollziebar, dass man diesem Leute nicht mehr traut. Es ist komisch

Nana
1 Jahr zuvor

Ich denke , das Thema Religion die einzelnen Glaubensrichtungen sollten privat sein und an Schulen nicht seperat behandelt werden. Das führt nur zu Konflikten.
Wer interessiert sich für meinen Glauben, wenn ich im Ausland leben möchte?
Die Religion, der Glaube das hat doch etwas gemeinsames.
Es ist wichtiger Gemeinsamkeiten aller Religionen herauszufinden und nicht die Unterschiede. Das sollten wir unseren Kindern vermitteln.
Wenn der Islamunterricht auch noch in die Schulen kommt, entstehen noch mehr Konlikte. Es wird Zeit, dass wir damit aufhören „Öl ins Feuer zu schütteln „.