MÜNCHEN. Mit deutlichen Worten hat sich eine in München ansässige “Stiftung Kindergesundheit” für den Präsenzbetrieb an Kitas und Schulen ausgesprochen – gegen die unlängst vom Bundestag beschlossene Notbremse. Die Schließungen von Bildungseinrichtungen bedeuteten erheblichen Stress für Kinder und Eltern. Erstaunlich dabei: Eine Stiftung, die sich angeblich der Gesundheit von Kindern widmet, erwähnt die Gesundheitsrisiken für Familien durch Corona-Infektionen nicht.
Seit mehr als einem Jahr krempeln Heimunterricht und Isolation das Leben der Familien in Deutschland völlig um, so die Stiftung in einer Pressemitteilung (ungeachtet der Tatsache, dass die Pandemie – nicht die Schutzmaßnahmen – am Anfang der Kausalkette stehen). Die über elf Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland gehörten immer deutlicher zu den großen Verlierern der Pandemie.
Die in der bundesweiten Corona-Notbremse beschlossenen erneuten Schulschließungen dürften den Stress der Familien weiter erhöhen, befürchtet die Stiftung. Sie fordert deshalb die möglichst baldige Rückkehr zum regulären Schulbetrieb – offenbar unabhängig von jeglichen Inzidenzen -, sonst drohten sowohl negative Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit der Kinder als auch eine Verschlechterung ihrer künftigen Bildungs- und Berufschancen.
„Kinder sind keine Motoren der Pandemie“ – behauptet die “Stiftung Kindergesundheit”
„Kinder sind keine Motoren der Pandemie“, formuliert Stiftungsvorstand Prof. Berthold Koletzko – was allerdings auch niemand behauptet. Tatsache ist allerdings (und darauf geht Koletzko mit keiner Silbe ein): Die wöchentliche Inzidenz liegt bei den Allerjüngsten bis vier Jahre in Deutschland aktuell bei 141 Fällen und bei den 15- bis 19-Jährigen bei 260, jeweils gerechnet auf 100.000 Einwohner. Bei den älteren Teenagern sind das die höchsten Inzidenzwerte überhaupt in einer Altersgruppe. Bei Zehn- bis 14-Jährigen liegen sie aktuell laut RKI bei 234 pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Die Gesamt-Inzidenz für Deutschland liegt bei 149.
„Für die Öffnung von Kitas und Schulen gibt es wissenschaftlich erarbeitete Schutzkonzepte. Sie ermöglichen unter Berücksichtigung der jeweiligen Infektionslage und Beachtung von Hygieneregeln ein Angebot mit möglichst geringen Einschränkungen.“ Dass das Infektionsgeschehen unter Kindern und Jugendlichen sich seit Wochen trotz dieser angeblichen Schutzkonzepte in immer neue Rekordhöhen schreibt, erwähnt Koletzka nicht. Er bezieht sich in seiner Stellungnahme auf die Deutsche Gesellschaft für Kinder– und Jugendmedizin (DGKJ), die immer wieder mit Stellungnahmen polarisiert, in denen die Corona-Risiken für Kinder und ihre Familien heruntergespielt werden.
Auch die DGKJ protestiert – natürlich – gegen die Notbremse des Bundes: „Wir Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte sehen durch die Entscheidung der Koalition, die Ausgangssperren zu lockern, die Grenzwerte für Schulöffnungen aber zu verschärfen, eine Diskriminierung dieser Altersgruppe mit hohem Gefährdungspotenzial für das Kindeswohl!“, so meint Präsident Prof. Jörg Dötsch. Ähnlich klingt es nun bei der “Stiftung Kindergesundheit”: „Schulschließungen wirken sich nachweislich nachteilig auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und ihre Bildungsergebnisse aus.“ Angesichts dessen sollten Schulschließungen nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden. Auch das bestreitet niemand.
Mit steigenden Covid-19-Fallzahlen treten auch vermehrt Komplikationen bei jungen Menschen selbst auf
Hinter der “Stiftung Kindergesundheit” steckt Koletzko selbst. Der “Herr Univ.-Prof. Prof. h.c. Dr. med. habil. Dr. h.c.”, Leiter der Abteilung für Stoffwechsel und Ernährung am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München, hatte die Einrichtung 1997 gegründet. Koletzko ist seit Beginn ehrenamtlicher erster (und bislang einziger) Vorstandsvorsitzender der Stiftung.
Hintergrund: Kinder erkranken zwar nur selten schwer am Coronavirus, können es aber an Ungeimpfte weitergeben, also Familienmitglieder anstecken. Und: Mit steigenden Covid-19-Fallzahlen treten auch vermehrt Komplikationen bei jungen Menschen selbst auf. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach twitterte unlängst: „Mindestens 10% Covid Infizierten entwickeln LongCovid. Die meisten sind 6 Monate später nicht symptomfrei. Jetzt wird von Reha Spezialisten auch LongCovid bei Kindern berichtet. Wäre Wahnsinn, wenn wir nach Impfung Erwachsener Kinder ungeschützt ließen“.
Betroffen sind keineswegs nur Kinder mit Vorerkrankungen und/oder Beeinträchtigungen des Immunsystems. So beobachten Kinderärzte verstärkt ein „Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome“, kurz PIMS, das einem Bericht von tagesschau.de zufolge vier bis sechs Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auftritt und plötzlich schwere Symptome bei zuvor kerngesunden Kindern verursacht. Immerhin 245 Kinder in Deutschland – Tendenz: steigend – waren davon bislang betroffen, nicht selten so stark, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Die Folgeschäden der Erkrankung sind nicht absehbar.
Der “Stiftung Kindergesundheit” sind diese Folgen keine Erwähnung wert. News4teachers
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