Künstliche Intelligenz in der Bildung: Wenn das Schulbuch per „eye tracking“ die Aufmerksamkeit des Schülers misst – ein Albtraum!

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MAINZ. Die Digitalisierung in der Bildung wird mit Macht vorangetrieben. Doch nicht alles, was auf dem Bildschirm funkelt, ist pädagogisch sinnvoll. Cornelia Schwartz, Vorsitzende des Philologenverbands in Rheinland-Pfalz, beschäftigt sich im folgenden Gastbeitrag mit einem Zukunftsprojekt, das nicht so utopisch ist, wie es vielleicht klingt: künstliche Intelligenz in der Bildung. Wie wäre es denn, wenn das „Schulbuch“ nicht nur Informationen liefern könnte – sondern gleich auch das Rezeptionsverhalten des Schülers erfasst und Lehrkräften Analysen dazu bietet? Dazu laufen tatsächlich schon Versuche. Für Schwartz ist die Sache klar: Das wäre ein Albtraum.

Big teacher is watching you? Antizipierende Schulbücher messen die Aufmerksamkeit des Lesenden mittels „eye tracking“. Illustration: Shutterstock

Schöne neue Welt: Ein Quantensprung für die Bildung?

Allein die Terminologie, die verwendet wird, wenn es um antizipierende Schulbücher geht, scheint eine ganz neue Welt zu eröffnen. Für Vieles gibt es ausschließlich englische Begriffe, vielleicht, weil sie moderner erscheinen, vielleicht aber auch, weil man die Studien möglichst auf ein internationales Publikum hin anlegen möchte.

Schließlich handelt es sich bei diesen Schulbüchern, glaubt man den Verheißungen der Forschungseinrichtungen, um nichts weniger als um einen Quantensprung für Bildung weltweit: mühelose Individualisierung, adaptive Lernsysteme, die Veränderung der Rolle des Lehrers hin zum Lernbegleiter, während Schülerinnen und Schüler immer mehr vom Gegenüber zum Beobachtungsobjekt werden …

An der Technischen Universität Kaiserslautern forscht Prof. Dr. Jochen Kuhn im Fachbereich Didaktik an seinem Projekt HyperMind. Entwickelt wird dabei ein sogenanntes antizipierendes Schulbuch für das Fach Physik (https://www.uni-kl.de/uedu/arbeitsfelder/unterrichtskonzepte-af1/hypermind/).

Abgestimmt auf das Schulbuch sollen Lehrkräfte außerdem die Möglichkeit erhalten, mit dem sogenannten HyperMindBuilder passend zum Lehrwerk eigenes Material zu erstellen – in der dann sicherlich bald schon üppig bemessenen Vorbereitungszeit für den Unterricht …

Was genau macht ein antizipierendes Schulbuch – und wozu?

Ein antizipierendes Schulbuch ist nicht einfach nur ein Schulbuch in digitaler Form. Während Schülerinnen und Schüler damit arbeiten, misst der Computer verschiedene Details des Rezeptionsvorgangs, wertet sie individuell für jeden einzelnen aus und stellt sie der Lehrkraft zur Verfügung. Wer alles Zugriff auf diese Daten hat und zu welchem Zweck, ist unklar. Folgende Daten werden gesammelt und verarbeitet:

  • Mithilfe von Infrarotstrahlen wird die Augenbewegung beim Lesen gemessen; diese Blickerfassung nennt man auch Eye-Tracking: Gehen die Augen im Text zurück? Wie häufig? Wie weit? Wo bleibt das Auge hängen? Wo überfliegt es nur?
  • Mithilfe einer Wärmebildkamera wird die unterschiedliche Temperatur überall im Gesicht erfasst und auf einer Art Temperaturkarte dargestellt: Ist die Nasenspitze kalt, die Stirn aber heiß, bedeutet das, dass man sich mit etwas schwertut – ja vielleicht gar intensiv nachdenkt –, an sich nicht unbedingt ein negativer Vorgang während des Lernprozesses.
  • Ein smartes Armband misst den Puls, und Sensoren im Sitzkissen (kein Witz!) erfassen, was auch immer an Schwierigkeiten dort erfasst werden kann.

Der Computer kann dann individuelle Hilfen, Zusatzmaterial zum besseren oder tieferen Verständnis bieten, kann die Hürden höher oder niedriger hängen, den Lernenden einen möglichst barrierefreien Zugang zu den zu vermittelnden Inhalten bieten.

Er interagiert mit den Lernenden, lernt aus deren Zögern, deren Verhaltensweisen, antizipiert so im weiteren Verlauf Schwierigkeiten, passt das Schulbuch an und baut Hindernisse so weit wie notwendig ab. Ist doch perfekt, könnte man denken.

Künstliche Intelligenz als „dauerkontrollierender Einmischer“

Das Fernsehmagazin „[W] wie Wissen“ berichtet über das antizipierende Schulbuch aus Kaiserslautern und lässt in der Folge mit dem Titel „Das Schulbuch der Zukunft“ vom 9. November 2019 am Ende des Beitrages auch kritische Töne anklingen.

Junior-Professor Pascal Klein von der Technischen Universität Kaiserslautern nennt eine der Problemstellen: „Man muss aufpassen, dass der Schüler nicht entmündigt wird“. Um gleich darauf zu beschwichtigen: „Das heißt, natürlich kann das System Vorschläge machen, welche Lerninhalte er sich aneignen soll, welchen Lernweg er einschlagen soll, aber die Entscheidung, letztlich, muss doch noch beim Schüler selbst liegen.“

Bezüglich eines ähnlichen Forschungsvorhabens der Fernuniversität Hagen findet die dortige Projektleiterin, Prof. Claudia de Witt, deutlichere Worte: „Ein großes Risiko, dessen sind wir uns bewusst, kann natürlich sein, dass die künstliche Intelligenz ein dauerkontrollierender Einmischer wird. Daher ist es unbedingt notwendig, gerade zu Beginn, bei der Entwicklung, eine Balance herzustellen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung.“

Das antizipierende Schulbuch: Nomen est omen

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Und genau darin liegt ein möglicher Konstruktionsfehler des antizipierenden Schulbuches, der schon in der Etymologie des Wortes antizipieren sichtbar wird: Antizipieren setzt sich aus den lateinischen Wörtern ante und capere zusammen und bedeutet, wörtlich übersetzt, „vorwegnehmen“.

Und tatsächlich: Das Schulbuch nimmt etwas vorweg. Besonders deutlich lässt sich das in einem Werbevideo erkennen, welches die Technische Universität Kaiserslautern als Beispiel für den Einsatz der neuen Technologie der Blickerfassung, des Eye-Tracking, aufführt. Dabei geht es um einen aufbereiteten englischen Text, der denen, die ihn lesen, alle möglichen Krücken bietet.

Vokabelhilfen: Faul und träge im Schlaraffenland

Im genannten Videobeispiel verfolgt der Computer die Augenbewegung beim Lesen und blendet jeweils „gerade rechtzeitig“, wie es heißt, Hilfen ein. Zu einzelnen Wörtern werden Übersetzungen geliefert, sobald das Auge zu lange zögert. Eine weitere Art der Hilfestellung betrifft Komposita: Um Hürden zu senken, werden zusammengesetzte Wörter in ihre Einzelbestandteile unterteilt. Auf den ersten Blick wirkt das alles sehr schick und komfortabel.

„Automatisch“ ist das Zauberwort: Jede Anstrengung wird dem, der konsumiert, abgenommen. Man befindet sich gleichsam in einem Schlaraffenland, in dem einem die Brathähnchen einfach in den Mund fliegen. Allerdings: In einem solchen Schlaraffenland wird man faul, schlaff und träge. Dem Gehirn wird Denkleistung abgenommen, weil sie eben nicht notwendig ist. Neue Wörter zu lernen, ist überflüssig, denn die Übersetzung wird ja sofort eingeblendet, wann immer man hängenbleibt.

Wie Prothesen an gesunden Beinen

Lässt einem der Computer überhaupt eine Chance, sich die Bedeutung eines Wortes herzuleiten, ohne dass er gleich helfend eingreift? Wozu sich überhaupt neue Wörter einprägen oder sich selbst etwas erschließen? Es ist, als würde man sich Prothesen an gesunde Beine anziehen oder als würde man sich ohne eine erkennbare Notwendigkeit im Rollstuhl schieben lassen, bis allmählich die Beinmuskulatur ganz erschlafft.

Neben Übersetzungen von Vokabeln werden auch Sacherklärungen im Vorbeigehen geliefert, wenn man zu lange verharrt, und ebenso rasch und mühelos, wie sie erschienen sind, wird man sie möglicherweise auch wieder vergessen: Wie gewonnen, so zerronnen.

Ein Bombardement mit Informationen und völlige Überwachung

Zusätzlich öffnen sich im Text an manchen Stellen noch weitergehende Erläuterungen. Angenommen, das Auge stolpert über einen Begriff – im Video findet sich das Beispiel der Boa constrictor –, so ploppen automatisch Zusatzinformationen auf. Eine Horrorvorstellung: Nirgendwo kann man innehalten, ohne dass man bombardiert wird mit Informationen, ohne dass man vom Stöckchen aufs Steinchen kommt. Irgendwie erinnert das schöne neue Schulbuch an Internettexte, in denen sich ein Link oder Querverweis an den anderen reiht. Geht man jedem dieser Querverweise nach, kann man sich im dargebotenen Übermaß an Informationen leicht verlieren. Man müsste das Auge beständig weiterzwingen, um den Text überhaupt ungestört und ohne Unterbrechung lesen zu können.

Um der ständigen Bereitstellung von Zusatzinformationen zu entkommen, wird man daher eher dazu angespornt, den Text zügiger zu lesen, als man das eigentlich will – ohne die Gelegenheit, etwas tiefer wirken lassen zu können. Dabei wäre eigentlich das die Aufgabe der Didaktik: Lernende zum Verharren einzuladen, zum Entschleunigen, nicht aber sie dazu zu zwingen, beständig auf eine Kaskade neuer Informationen zu reagieren, vielleicht sogar in der Angst vor dem Überwachtwerden, in dem Bewusstsein, ständig durchleuchtet zu werden. Die Welt des neuen Schulbuches, sie scheint vor allem eines zu sein: ein Albtraum.

Fazit: Didaktik auf Irrwegen

Die derzeitige Konzeption des antizipierenden Schulbuches, in der einem der Löffel beim kleinsten Anzeichen einer Wissenslücke in den Mund geschoben wird, scheint wenig attraktiv. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung des englischen Begriffs für das Füttern mit einem Löffel: Spoon-feeding bedeutet nämlich im übertragenen Sinne „jemanden bevormunden“, eine Person daran hindern, eigene Gedanken oder Handlungen zu entwickeln. Das kann wohl kaum unser Ziel sein und offenbart vor allem eines: Nicht alles, was technisch machbar ist, ist sinnvoll oder erwünscht. In diesem Fall hat sich die Didaktik auf Irrwege begeben.

Dieser Beitrag ist zunächst in der Philologen-Mitgliederzeitschrift „Blick ins Gymnasium in Rheinland-Pfalz“ erschienen.

Ein Plädoyer aus der Praxis: Warum auch Grundschulen (und Montessorischulen) sich auf digitales Lernen einlassen sollten

 

 

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33 Kommentare
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Heinz
2 Jahre zuvor

Kein Problem, vorher müsse die Overheadprojektoren kaputt gehen.

Quacksalber
2 Jahre zuvor

„eye tracking“? Was soll das denn wieder sein? Kann man sich hier nicht mal bitte verständlich ausdrücken?!

Quacksalber
2 Jahre zuvor
Antwortet  Redaktion

Na, dann kann man ja gleich alles auf Englisch schreiben und im Text dann hinterher erklären.

Trollbuster
2 Jahre zuvor
Antwortet  Quacksalber

alles = everything
„hinterher“ bedeutet, dass etwas in zeitlicher Nachfolge zu einem vorigen Ereignis steht.

Trollbuster
2 Jahre zuvor
Antwortet  Quacksalber

eye tracking = Ostereiersuche

Andre Hog
2 Jahre zuvor

Mhhhm, wenn die OHPs nicht mehr gewartet werden, dann könnte das schneller der Fall sein als einem lieb ist. 😉 …. nein, im Ernst.
Das Problem ist doch, dass diese Forschungen gemacht werden, um zu sehen, was gesamt besehen alles möglich ist…und bei den Vollspacken in den KMs muss man leider befürchten, dass diese – wenn man diesen Weg gehen will und das Geld in die Hand nimmt – die maximale Lösung anstreben werden….das dauert vielleicht noch 20 bis 25 Jahre – aber auch in der Zukunft ist dieses Modell noch gruselig.

Herzlich willkommen in „Qualityland (Marc Uwe Kling lässt grüßen), wo die Wünsche bereits erfüllt werden (du etwas kaufst) bevor dir bewusst wird, was du ebtl haben möchtest—und sei es ein „rosafarbener Delfin-Vibrator“

KARIN
2 Jahre zuvor

Wir haben noch genau 5 Stück!
Die stehen in 4 Küchen und dem Werkraum.
Falls einer kaputt geht, tauschen wir, soweit möglich, in Absprache hin und her!
Angeschafft wird keiner mehr.
Wenn ein Tausch nicht möglich ist, wird an die Tafel geschrieben! Steinzeitalter!
Eine moderne Lösung wird gesucht, stellt aber ein Platzproblem oft dar und auch die teilweise hohe Luftfeuchtigkeit und der fettreiche Dunst sind noch zu beachten.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  KARIN

Ich liebe die Dinger!

Sie haben ihre Vorteile, die mir das Smartboard nicht gibt.

Ich hege und pflege meinen

Pit 2020
2 Jahre zuvor

https://twitter.com/ralphruthe/status/1370276190330757121/photo/1

„Man“ (= Politik/Bildungspolitik) müsste langsam – nee, besser ganz schnell – mal ernsthaft nachdenken (Mörder-Gag, sorry.) und kluge (Oh, schon der nächste Gag!) Entscheidungen treffen.
Könnte leichter fallen, wäre man vom Fach (= Bildung, Lernen und „soziales Gedöns“, wie es in Politikerkreisen so schön heißt).

Fakten-Check „Politiker“ … warte, warte, läuft noch …
Fertig.
Also dann, weiter wie gehabt. 🙁

potschemutschka
2 Jahre zuvor

Literaturempfehlung zum Thema: „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley, „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury und „1984“ von George Orwell. Mir wird Angst vor der Zukunft meiner Enkel!

Pit 2020
2 Jahre zuvor
Antwortet  potschemutschka

@potschemutschka

Genau diese drei Bücher fallen mir da auch immer wieder ein.

Noch mehr „schöne?“ neue Welt in Form von Filmen, die jetzt zwar über „eye-tracking“ in Schulbüchern hinausgeht, aber letztlich die Möglichkeit unschöner Folgen zeigt (plus „Menschlichkeit“ in der Gesellschaft):
„It begins where imagination ends …“
https://www.youtube.com/watch?v=USADM5Gk9Gs
und
https://www.youtube.com/watch?v=eogpIG53Cis
und
https://www.youtube.com/watch?v=3TGqLsnao5o
und sehr frühe Ideen mit Bezug zu moderner Technik und Gesellschaft (vielleicht nicht mehr ganz so bekannt, darum – und wegen der sehr komplexen Handlung – als Inhaltsangabe in Textform)
https://de.wikipedia.org/wiki/Metropolis_(Film)
https://de.wikipedia.org/wiki/Moderne_Zeiten

Als Fiktion (!) kann man sich damit beschäftigen …

potschemutschka
2 Jahre zuvor
Antwortet  Pit 2020

Danke für diese Filmtipps. Aber meine Zukunftsängste werden dadurch nicht geringer, im Gegenteil. Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der jeder Wunsch erfüllt wird? Was ist das für ein Leben? Aber, wenn ich mich so in der Gegenwart umschaue, wollen zu viele genau das: „Alles für mich, sofort und ohne mich anstrengen zu müssen.“ Das jetzige Bildungssystem befördert das in meinen Augen auch noch. Das selbständige Denken wird den Kindern schon von klein auf abgenommen und anstrengen müssen für etwas, oder abwarten, grenzt schon oft an Kindeswohlgefährdung. Wie haben bloß die Generationen vorher überlebt?

Pit 2020
2 Jahre zuvor
Antwortet  potschemutschka

@potschemutschka

„„Alles für mich, sofort und ohne mich anstrengen zu müssen.“ Das jetzige Bildungssystem befördert das in meinen Augen auch noch. …“

Diese Haltung wird leider immer häufiger.
Wie gesagt: Als Fiktion (!) kann man sich damit beschäftigen …
Im „echten“ Leben wünscht man sich in solchen Momenten die Stopp-Taste.

kanndochnichtwahrsein
2 Jahre zuvor

Nee, das wäre nicht meine Schul-Welt!
Wer will das wirklich?
Können wir uns dann genauso wenig dagegen wehren wie gegen all die anderen Säue, die in den letzten Jahren durchs (Schul-)Dorf getrieben wurden und werden?
Genauso wenig wie gegen die absurden Corona-(Nicht-)Maßnahmen?

Na dann, gute Nacht Bildung!

Den Kindern wird auch die letzte Möglichkeit, selbst denken zu lernen, abgenommen.
Sie müssen nicht einmal mehr selbst merken, dass sie etwas nicht merken!
Irgendwann werden die Systeme total überlastet auf Notfall-Rotlicht-Modus umschalten, weil die Kids an jedem Wort stottern, nicht weiter wissen, nicht verstehen, Zusammenhänge nicht erfassen, sich nicht selbst kontrollieren können und auf die Reaktion des Systems warten, um reagieren zu können. Oder sie lernen, nur ja nicht mit den Augen zu stottern, damit das System nicht merkt, dass sie nichts verstehen. Mit Lehrern gelingt einigen das heute schon ganz gut!

Ich empfehle alternativ z.B. Waldspaziergänge, Kletterwald, pädagische Arbeit mit Tieren, dazu ordentliche Grundlagen in den Kulturtechniken und gefestigtes Grundwissen (ja, Wissen, und zwar aktives, wiederverwertbares, weiterentwickelbares Grundlagenwissen), damit die Kinder in erster Linie Empathie entwickeln, Umwelt und Mitgeschöpfe kennen und schätzen lernen und am Ende einschätzen können, was da digital mit/aus ihnen gemacht werden soll.
Digital unterstützes Lernen ist sicher nicht grundlegend falsch – aber es sollte gewisse Grenzen nicht überschreiten und vor allem nicht als Ersatz für eigenes Können und unmittelbares Lernen durch Anfassen und Erleben dienen.
Wenn digitales Lernen ausgeweitet werden soll, muss m.E. ethisch geklärt werden, wie weit das gehen darf!

Pit 2020
2 Jahre zuvor

@kanndochnichtwahrsein

Volle Zustimmung, besonders klar hier:
„Wenn digitales Lernen ausgeweitet werden soll, muss m.E. ethisch geklärt werden, wie weit das gehen darf!“

So eine Klärung funktioniert nicht in der Pipi-Pause zwischen zwei Sitzungen, auch nicht mit der informellen Absprache am Kaffeeautomaten, auch nicht in einem Über-Nacht-Sitzungsmarathon.
Demzufolge braucht es mehr Zeit, während es gleichzeitig eilt – denn „im Nachhinein“ läuft da nix mehr!
Was einmal beschlossen oder versäumt wurde, kann nicht nachgeholt oder – ganz naiv: „zurückgeholt“ werden!

Aber wie sollen unsere Polit-Sternchen DAS hinbekommen? (Von mir aus auch mit Ethik-Kommission usw., aber die Entscheidung liegt hat bei der Politik.)

Da ist innerhalb einer Legislaturperiode immer soooo vieeel zu tun, was wichtiger ist!
Man denke an den ganzen Trouble mit Doktorarbeiten, den eigenen Abrechnungen und Steuererklärungen.
Dann muss – nein „soll“ (!) – man sich wohl noch merken, was man wo (nicht?) gesagt hat oder gesagt haben will oder vielleicht besser doch nicht?! – Wer weiß das schon und wer kann oder will das wissen?
Dann endet man vor irgendeinem Untersuchungsausschuss und weiß das alles nicht mehr, weil es schon so lange her ist und überhaupt.
Man erinnert dann nur noch die Sache mit den Autobahnen und … der Maut? War das die Maut? – Ach so, da war ohnehin jemand anderes zuständig. Jaaaa, dann erinnere ich das leider nicht und der Rest ist mir entfallen. Damals war so Zeitdruck, genau wie jetzt und unter Zeitdruck läuft es halt generell nicht so gut …

Und ganz wichtig: Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf! … Wie schnell doch die Zeit vergeht!

Und jetzt sollen die sich noch mit dem ganzen „Bildungsgedöns“ beschäftigen?

Moment, da gibt es doch so Leute die sich darum kümmern? – Ja sicher, Lehrer! Herrgott noch eins, wer denn sonst?!!!
Wie bitte? Schul- und Kultusminister? Ehrlich? Für so was lässt sich ernsthaft ein Mandatsträger irgendwo „parken“? Aaaah, wird bezahlt, jaja soso schon klar und so.
Aber trotzdem …! (Grins. Kopfschüttel.)

„Wer will das wirklich?
Können wir uns dann genauso wenig dagegen wehren wie gegen all die anderen Säue, die in den letzten Jahren durchs (Schul-)Dorf getrieben wurden und werden?
Genauso wenig wie gegen die absurden Corona-(Nicht-)Maßnahmen?
Na dann, gute Nacht Bildung!“
Wie gesagt: Volle Zustimmung.
🙁

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass „Den Kindern (…) auch die letzte Möglichkeit, selbst denken zu lernen,“ verweigert und vorenthalten (wird).

Das macht sie fügsam und steuerbar über alle Stromfresser – brave new world?!

Andreas
2 Jahre zuvor

Wenn sich jetzt wieder gegen alles neue gesträubt wird, dann heißt es in 10 Jahren: Es wurde verschlafen. Und zwar von denen, die diese tolle Technik heute ablehnen. Kennen wir ja jetzt zugenüge.

potschemutschka
2 Jahre zuvor
Antwortet  Andreas

Welchen Mehrwert sehen Sie in diesem Programm? Ich bin nicht grundsätzlich gegen Digitalisierung, aber ich bin dagegen, dass Kinder zur Faulheit, vor allem beim Denken erzogen werden.

kanndochnichtwahrsein
2 Jahre zuvor
Antwortet  Andreas

Zwischen „machen, weil man es kann“ und “ machen, weil es Sinn macht und wie es Sinn macht“ ist doch ein Unterschied.
Man muss nicht alles, was neu ist, grundsätzlich ablehnen, kann aber trotzdem erwarten, dass es einen gesellaschftlichen Konsenz gibt, was gut, richtig, nützlich (für wen?) und auch erlaubt sein sollte.
Sonst heißt es in 10 Jahren: „Solche Auswirkkungen konnte ja keiner ahnen…“

Wie war das doch gleich: „Dass eine Pandemie tatsächlich eine Pandemie ist und Leute gefährdet, das konnte doch keiner ahnen…“

Unkritische und unreflektierte Anwendung neuer Techniken hatten wir in der Geschichte leider zu oft. Das bringt nicht immer nur Vorteile mit sich. Man denke an immer neue, immer „effektivere“ (vs. nachhaltig zerstörerische) Technologien zur Abholzung der Wälder, Nutzung von Bodenschätzen, landwirtschaftlichen Flächen, menschlicher Arbeitskraft an Fließbändern, an Techniken der Energiegewinnung, Siedlungsbau, Tiernutzung…

Wenn man sich bewusst dafür entscheidet, kann man das tun. Dann trägt man auch bewusst die Risiken und kann sich nicht beschweren.
Wenn man sich bewusst für Vorsicht entscheidet, gewinnt man vielleicht am Ende des Tages mehr – z.B. Lebensqualität, Nachhaltigkeit, Respekt vor dem Leben…

potschemutschka
2 Jahre zuvor

Volle Zustimmung!

Andreas
2 Jahre zuvor

Klar, wer braucht denn PCs, Handys oder gar Autos? Selbst Satelliten werden tagtäglich von JEDEM genutzt. Mein Gefühl ist eher, dass die Technologiebremsen in der Schule gerade an der Basis sitzen. Wenn ich schon höre Handyverbot in der Schule. Verbieten statt nutzen, wenn die Lehrer sich nur selbst daran halten würden. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. China hat uns schon längst abgehängt und bei uns wird den Schülern von den Lehrern gesagt: In China pflanzen alle Reis an, fahren Rikscha und haben grosse runde Hüte auf. Schulen sind totale Fortschrittsverweigerer, sagen auch schon Azubis, dort werden Sachen gelehrt, das gehört heute ins Museum.

potschemutschka
2 Jahre zuvor
Antwortet  Andreas

Bitte lesen Sie sich den Kommentar von „kanndochnichtwahrsein“ noch einmal aufmerksam durch („nicht alles was machbar ist, ist gut“). Die meisten LuL sind nicht technologiefeindlich. Um die „Ängste“ vieler Kollegen vor gewissen Tendenzen zu verstehen, sollten Sie vielleicht doch mal einen Blick in die, von mir weiter oben empfohlenen, Bücher werfen. Leider weiß ich nicht, ob es diese in digitalisierter Form oder als Hörbücher gibt.

Pit 2020
2 Jahre zuvor
Antwortet  potschemutschka

@potschemutschka

„nicht alles was machbar ist, ist gut“
Genau das ist der Punkt.

Außerdem wusste die Omma früher schon: „Kind, jedes Ding hat zwei Seiten!“ … Und seit Ommas Zeiten sind die Dinge ja nicht einfacher geworden, nur weil das „Denken“ mancher Zeitgenossen immer einfacher – sprich: eindimensionaler und oberflächlicher – wird!

Ein kurzer (15 Minuten) und sehr anschaulicher Beitrag ist das hier:
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/xplore-koennen-computer-unsere-gedanken-lesen-100.html

(Ab Minute 12:50 äußert sich auch ein Wissenschaftler (Ooooch, kein doofer ewig gestriger Lehrer, der sich am liebsten mit ner Rikscha zur Schule fahren lassen würde, weil er nichts anderes kennt? 😉 ) und eben dieser Wissenschaftler sagt er hielte es nicht für ausgeschlossen, Gedanken auszuspionieren.

Außerdem sagt dieser Wissenschaftler (13:12):
„Viele Technologien entwickeln sich so schnell, dass wir JETZT darüber nachdenken müssen, wie sollen diese Technologien überhaupt eingesetzt werden? Gibt es Anwendungen, die wir verbieten möchten?“
Reporterin:“Also Datenschutz auf ganz neuem Level: Gedankenschutz!“
Wissenschaftler: „Genau.“

„Das Prinzip ist entstanden und Forschung geht schnell. Also irgendwann wird das unseren Alltag überfluten. Und ich finde, da sollten wir doch lieber heute schon drüber diskutieren, wo die Reise da hingehen soll.“ sind noch abschließende Gedanken der Reporterin.

Und genau darum geht es.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andreas

Ich halte ein Handyverbot in Schulen für sehr sinnvoll.

Schließlich braucht der Lehrinhalt Zeit zum Sacken. Das passiert aber bei CandyCrush nicht….

Ich bringe ja auch nicht meinen Hund mit!

Das ist ein Privatgerät, das süchtig macht, die verbale Kommunikation unterbindet und sich leider nicht die Eltern mit der Nutzung auseinandersetzen.

Ich nutze meins im Unterricht – für die Uhrzeit, zum Lüften und Klatschen und um Hilfe zu holen, wenn ein Schüler hinausstürzt, massiv stört und eine Auszeit braucht.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andreas

Da kann ich mit leben.

Mit der immer mehr umsichgreifenden digitalen Überwachung nicht.

kanndochnichtwahrsein
2 Jahre zuvor

Der berühmte Geist aus der Flasche…
Nutze selbst gern digitale Möglichkeiten, seit sie da sind (nicht seit sie existieren, sondern seit sie für Otto-Normal-Lehrer verfügbar und erlaubt sind in meiner Schule… also seit knapp eineinhalb Jahren, erst funktionierend, aber halblegal, dann genehmigt, aber nur halbfunktinonierend).

Minimalvoraussetzung für neue Techniken aus meiner Sicht:
Eine neutrale und auch ethisch orientierte Beleuchtung möglicher Nachteile und Folgen.
Wenn man die dann bewusst in Kauf nehmen kann, muss man nur noch den Lehrern die Möglichkeit geben, den Umgang damit erstmal zu erlernen und sinnvollen Einsatz zu konzipieren.

Ansonsten passiert das gleiche wie mit anderen, bereits angesprochenen technischen „Fortschritten“: Dampfmaschine für Sägemühlen (upps, dass dann der Wald verschwindet, konnte wohl keiner ahnen…), fossile Brennstoffe (oh, Abgase, konnte doch keiner ahnen), grenzenlose Jagd (och, Tiere weg; konnte doch keiner ahnen), Monokulturen (ja wo sind sie denn, all die Arten… konnte man ja nicht wissen…) usf

In der Schule sollen wir den Kids vorausschauendes und mitgeschöpfliches Verhalten nahebringen – und dann sollen wir Lehrer nicht erstmal selbst reflektieren, was neue Technologien bewirken, sollen selbst unkritisch einfach alles machen, nur weil es geht???
Vielleicht geht’s auch nur, weil jemand dran verdient? (Ich natürlich nicht…)

Nee, so verstehe ich Pädagogik nicht!

potschemutschka
2 Jahre zuvor

Schön auf den Punkt gebracht! Danke!

Heinz
2 Jahre zuvor

Also ich seh das wie gesagt ziemlich entspannt. Schon jetzt wäre so viel bzgl. Überwachung möglich, was wir auch nicht haben wollen und auch bisher nicht umgesetzt wurde.

Schon jetzt könnte ich jeden Lehrer und jeden Schüler ohne Unterbrechung überwachen mit Kameras, Tonaufzeichnungen und allem Schnickschnack. Ich könnte theoretisch auch Hirnströme messen und so feststellen, ob ein Schüler viel geistig arbeitet oder wenig. Theoretisch könnte ich lückenlos jeden Schritt eines Schülers aufzeichnen und wieviel wird davon heute gemacht? Weniger als in jedem anderen Lebensbereich, von daher sehe ich das total entspannt. Bis jetzt handelt es sich bei der einzigen Überwachung, die in Klassen stattfindet in der Regel und Schülergeräte.

potschemutschka
2 Jahre zuvor

Da fällt mir der „Zauberlehrling“ ein -„…die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht los …“ – Wenn wir jetzt nicht aufpassen und einfach alles abnicken (wird schon nicht so schlimm werden), haben wir bald eine „Schöne neue Welt“. Ich will das nicht!

Erich Pammer
2 Jahre zuvor

Immer nur Warnung vor den Gefahren der Digitalisierung? Könnte man nicht einmal auch die Chancen sehen? Inzwischen können beinahe 30% unserer Schulabgänger/innen (mit 15) nicht mehr sinnerfassend lesen. Ein individualisiertes Vorgehen mit Unterstützung durch KI, Erfassen des Lernstandes, des Lerntypus, Einbeziehen aller Sinne (dazu muss vorher diagnostiziert werden) würde diesen immer mehr chancenlosen Kindern große Chancen wieder eröffnen.
Meist wird aber vertrauensvoll in die Vergangenheit geblickt, statt zu schauen, ob solche Methoden nicht mehr bringen könnten für Lernende.
Wir sollten berücksichtigen, dass unsere Jugendliche längst fast nur mehr durch (digitale) Medien, Film, tV… enkulturiert werden. Erwachsene Schielen noch immer nach der Buchkultur, obwohl sich die Welt längst weitergedreht hat und ohnedies schon völlig durchdigitalisiert ist.
KI hat zumindest die Chance (die derzeitige KI ist ja ohnedies nur ein Produkt der menschlichen Intelligenz. … und ein Blick in die Geschichte zeigt, was menschliche Intelligenz immer wieder angestellt ha, gegenseitiges Umbringen, Zufügen von Leid, wir stehen klimatologisch vermutlich vor einem Abgrund.
Wir sollten diese „Durchdigitalisierung“ als Chance sehen, statt sofort reflexartig vor Gefahren und Albträumen zu reden, was noch nicht einmal in der Bildung .eingesetzt wird.
Wer etwas nicht will, sucht Gründe, wer etwas will, sucht Wege..

Riesenzwerg
9 Monate zuvor

Absolut kein Alptraum!

Realistisches Feedback zu dem, was wir seit Jahren sehen.

Und – wieder können die kranken Kassen bemüht werden, das die Aufmerksamkeitsspanne erhöht werden muss.

Vielleicht zuviel Realität für die Eltern.

Aber da stecken doch wirtschaftliche Chancen drin!

Unser kleiner Christian hat die bestimmt schon gesehen.

Wir müssen ihm nur vertrauen….