Und wenn sie nicht (an Corona) gestorben ist… Ein wahres Lehrerinnen-Märchen

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BERLIN. News4teachers berichtet aktuell, dass eine Corona-Erkrankung eines Erziehers oder eines Lehrers sowie mögliche Spätfolgen nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Die Folge: Betroffene müssen nachweisen, dass sie sich im Dienst angesteckt haben, um Ansprüche geltend machen zu können – ein schwieriges bis aussichtsloses Unterfangen (hier geht es zu dem Beitrag). News4teachers-LeserIn und Lehrkraft „MeinSenf“ hat unser Bericht zu einer bitter-ironischen Abrechnung inspiriert – in Märchenform. Wir möchten den überaus lesenswerten Beitrag, der im Leserforum veröffentlicht wurde, gerne noch einmal an dieser Stelle einem größeren Publikum vorgestellen.

Ein Impftermin? Oder doch nur ein leeres Versprechen? Illustration: Shutterstock

MeinSenf 9. Juni 2021 um 01:29

Ein wahres Märchen aus Absurdistan

Es war einmal eine kleine Wissensvermittlerin, die in einem weit entfernten Land, das wenige Hügel und viele Wälder sein Eigen nannte, an einer ländlichen Schule versuchte, der örtlichen Jugend geduldig und freundlich Wissen zu vermitteln. Die Schule war, obwohl so ländlich gelegen, durchaus groß und wurde von der gütigen Fürstin Direktorina regiert, die immer darauf bedacht war, ihre Untertanen bestmöglich zu leiten.

So durften sich die Untertanen einander nicht mehr nähern und mussten sich Masken vors Gesicht binden

Nun geschah es, dass eine schreckliche und unberechenbare Krankheit das weit entfernte Land erreichte und dort tobte. Die diversen Königinnen und Könige des Landes waren ratlos, was zu tun sei. Sie ersannen ausgeklügelte Maßnahmen, um ihre Bürgerinnen und Bürger vor dieser Krankheit zu schützen, bis ein wirksames Mittel dagegen zur Verfügung stünde. So durften sich die Untertanen einander nicht mehr nähern, mussten sich Masken vors Gesicht binden und als die Krankheit immer schlimmer tobte auch das Haus zu bestimmten Zeiten nicht mehr verlassen.

Lange, lange berieten die hohen Leute, um Lösungen zu finden, wie mit den Schulen ihres Landes zu verfahren sei und schließlich kamen sie zu dem glorreichen Schluss, dass Kinder diese Krankheit nicht befallen könne und sie diese nicht weitergeben könnten. Dabei hörten sie nicht auf ihre weisen Berater, die intensiv forschten. Sie meinten es besser zu wissen, ließen sich aber gnädigerweise dazu herab, auch für die Schulen wenigstens rudimentär erste Schutzmaßnahmen vorzugeben. Dabei dachten sie sich immer neue und schlaue Weisungen aus, diese ließen sie den Schulen schicken, damit diese sie übers Wochenende umsetzen sollten. Auch wenn die Wissensvermittler durchaus darüber klagten, so war doch klar, dass sich diese nur aus Faul- und Dummheit beschwerten. So schickten die Obersten des Landes huldvolle Briefe oder neue Vorgaben, um die Wogen zu glätten.

Nachdem die Krankheitsfälle in der Bevölkerung Überhand gewannen, mussten auch die Königinnen und Könige zunächst einsehen, dass es besser wäre die Orte der Wissensvermittlung vorerst zu schließen, dies taten sie aber nur zähneknirschend. Denn, wenn die Kinder nicht betreut würden, so könnten ihre Eltern ja schließlich nicht mehr auf den Feldern arbeiten. So wurden strengere Maßnahmen ergriffen, um die Krankheit zu bändigen. Schließlich gelang dies auch und die Schulen wurden wieder aufgerissen. Zwar gab es dort nun noch eine weitere Maßnahme, die aber eher der Beruhigung diente, nun konnte man auch schnell auf die ominöse Krankheit hin testen. Dass die verwendeten Tests nicht unbedingt zuverlässig waren, interessierte unsere hochgeschätzten Landesführer nicht.

Inzwischen hatten die Weisen des Landes verschiedene Mittel, die vor der Krankheit schützen konnten, ersonnen und begannen damit die Bevölkerung des Landes zu impfen. Leider stand nie genug des kostbaren Stoffs zur Verfügung, sodass Fortschritte nur langsam zu erkennen waren und zunächst nur einzelne Gruppen geimpft werden konnten. Doch schließlich sollten auch die Wissensvermittler an die Reihe kommen. Leider begab es sich ausgerechnet zu dieser Zeit, dass ein Mittel unerwünschte Nebenwirkungen insbesondere bei weiblichen Mitgliedern der Gesellschaft eines bestimmten Alters zeigte.

Vollmundig versprachen die Königinnen und Könige trotzdem den Untertanen ein Impfangebot mit einem für sie passenden Mittel

Also gab es zunächst eine Impfpause mit diesem Mittel, um die Vorgänge genauer zu untersuchen. Das verlangsamte die Verteilung der Mittel an die Bevölkerung noch zusätzlich. Schließlich wurde dieses eine Mittel nur noch für Menschen über 60 empfohlen, was, da es inzwischen noch andere Mittel gab, eigentlich kein Problem gewesen wäre, wenn nicht ausgerechnet dieses Mittel am häufigsten bestellt worden wäre. Nun wollten natürlich viele Bürger und Bürgerinnen das Risiko die schwere Nebenwirkungen zu bekommen nicht mehr eingehen.

Vollmundig versprachen die Königinnen und Könige trotzdem den Untertanen ein Impfangebot mit einem für sie passenden Mittel. Auch die kleine Wissensvermittlerin vom Anfang unseres Märchens hatte wieder Hoffnung, dass sie bald zumindest ein bisschen mehr vor der unberechenbaren Krankheit geschützt würde und machte sich sogar Hoffnungen auf ein Impfangebot, mit einem für sie empfohlenen Mittel. Nachdem sie großspurig von ihrem Dienstherren Unterlagen zur Information über die passenden Mittel erhalten hatte, stieg die Hoffnung sogar fast ins Unermessliche. Denn inzwischen musste sie wieder quasi ungeschützt ihren kleinen Schützlingen beistehen, was sie zwar gerne tat, aber sich doch auch um ihre Gesundheit sorgte, denn auch sie hatte Kinder, die sie allein versorgen musste.

Tage, Wochen und schließlich Monate gingen ins Land, ohne dass tatsächlich noch etwas zu einem Termin verlautbart worden wäre. Auch andere Wissensvermittler an der Schule machten sich Sorgen und gemeinsam versuchten sie immer wieder Kontakt aufzunehmen oder Termine zu bekommen. Leider erwies sich das als fast unmöglich, obwohl rundherum in den meisten Stätten des Wissens die passenden Mittel verteilt wurden. Schließlich kam ein Schreiben, in dem mitgeteilt wurde, dass nichts mehr übrig sei. Frustriert wurden andere Wege gesucht, um an begehrte Termine zu kommen, was sich allerdings als unmöglich herausstellte.

Jetzt geschah es aber, dass die Krankheitszahlen auf wundersame Weise zurückgingen und freudig wurde verkündet, dass nun alle Kinderlein in die sichere Obhut der Schulen zurückkehren dürften, damit ihre Eltern (häufig auch noch ungeschützt) wieder ungestört arbeiten gehen könnten. Wieder wurde die Mär verbreitet, dass Schulen sicher seien, schließlich hätte man ja absolut sichere Maßnahmen ergriffen. Dabei achteten die hohen Herrschaften sorgsam darauf, nur keine dauerhaften Lösungen anzuschaffen, denn diese würden ja Folgekosten nach sich ziehen. Sie waren aber der Meinung, das Bildung nichts kosten dürfe und das System, dass sie schon vorher mehr oder weniger kaputt gespart hatten, am besten weiter so laufen müsse.

Nach Beschwerden über diese Behandlung kam wieder einer der gern gesehen Briefe an

Erneut versuchten die Wissensvermittler an der besagten Schule einen Impftermin zu bekommen und die gütige Fürstin Direktorina legte sich mächtig ins Zeug. Sie stellte sich gar schützend vor die ihr Untergebenen und weigerte sich die angesagte Vollpräsenz umzusetzen. Dies zeigte Wirkung und plötzlich bekam die Schule ein Angebot! Der Jubel war groß, allerdings nur bis sich herausstellte, dass ausschließlich das Mittel mit der gefährlichen Nebenwirkung zur Verfügung gestellt würde, denn die meisten Ungeimpften hatten genau das passende Alter und Geschlecht, so dass sie das Mittel laut der Empfehlung der sogenannten STIKO (eine ominöse Organisation) gar nicht erhalten sollten.

Nach Beschwerden über diese Behandlung kam wieder einer der gern gesehen Briefe an, der deutlich machte, dass man nichts weiter zu erwarten hätte, ein Angebot sei ja schließlich gemacht worden! Außerdem käme ein anderer Weg, als die Schule komplett aufzureißen, gar nicht in Frage, sonst würde man harte Strafen zu erwarten haben. Zu der Tatsache, dass selbst bei der Einnahme des fraglichen Mittels am letzten Tag vor Eintreffen aller Kinderchen noch überhaupt kein Impfschutz vorhanden ist, wurde überhaupt nichts gesagt.

Einige Wissensvermittler beugten sich dem Friss-oder-stirb-Angebot, viele trauten sich aber nicht. Unsere kleine Wissensvermittlerrin zog in ihrer Verzweiflung eine weise alte Hexe zu Rate, die ihr schließlich doch noch zu einem der empfohlenen Mittel verhelfen konnte. Dafür musste sie allerdings Schneewittchen hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen besuchen und eine Reise quer durch ganz Absurdistan auf sich nehmen. Denn in dieser Region gab es noch etwas von diesem Mittel.

Nun hatte sie doch noch die Hoffnung, dass sie die Krankheit nicht so schlimm treffen würde, dass sie nicht auch noch vor Gericht ziehen müsste, wenn sie Schäden davon trüge und wahrscheinlich keinerlei Unterstützung durch ihren Dienstherren erwarten könnte. Denn zu beweisen, dass sie sich im Dienst mit der ominösen Krankheit infiziert habe, wäre aufgrund der neuesten, absurden Vorgaben, fast unmöglich! Da in vielen Stätten der Wissensvermittlung die Nachprüfung von Infektionsketten kaum bis gar nicht erfolgte, selbst Geschwister oder Kinder von Infizierten nicht in Quarantäne geschickt wurden und auch Lehrkräfte ab und zu mal einkaufen mussten, konnten die weisen Lenker des Landes, ziemlich sicher sein, dass es ihnen gelingen würde, Ansprüche abzublocken. Sie freuten sich darüber, indem sie weitere salbungsvolle Briefe mit neuen Vorgaben verschickten.

Und wenn sie nicht gestorben ist, dann wird sie sich aufgrund der unglaublichen Absurditäten, die sich die Könige und Königinnen genannt KuMi immer wieder einfallen lassen und Schlägen in die Magengrube durch die Obrigkeit wahrscheinlich bald die Kugel geben!

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S.
2 Jahre zuvor

Wie ich schon an anderer Stelle sagte: ein „Märchen“, das subversive Kraft besitzt!!! Danke an „Mein Senf“! Ich habe es mir kopiert, um es aufzubewahren.

MeinSenf
2 Jahre zuvor
Antwortet  S.

Vielen Dank S.!

Auch, wenn es manchen zu lang ist ;), habe ich mir einiges von der Seele schreiben können und damit hat es sich für mich schon gelohnt… Das alles mal rauszulassen, hat soooo gut getan!

Dass es einigen geneigten Lesern hier gefällt ist ein schöner Nebeneffekt!

Ich komme mir sowieso vor wie im Märchen, denn was seit über einem Jahr mit allen an den Schulen gemacht wird, kann einfach nicht wahr sein und die neusten Beschlüsse und Verlautbarungen zeigen,dass es noch weitergeht, dass sich nichts verändert hat.

Dil Uhlenspiegel
2 Jahre zuvor
Antwortet  MeinSenf

Ich kann immer noch nicht gut einschlafen bei dem Märchen – Danke dafür ;o)