Wie sinnvoll sind Schulöffnungen kurz vor Ferienbeginn? Ministerin rät zu Exkursionen

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POTSDAM. Zweieinhalb Wochen vor den Sommerferien haben die weiterführenden Schulen in Brandenburg wieder geöffnet. Die Bildungsministerin sieht den sozialen Aspekt im Vordergrund – und rät zu Exkursionen. Die Lehrerschaft ist aber mit Nachprüfungen und Notenkonferenzen beschäftigt. Für weiteren Unmut sorgt die Tatsache, dass längst noch nicht alle Lehrerinnen und Lehrer im Land geimpft wurden. Das Bildungsministerium erweckt aber einen anderen Eindruck.

Mal eben eine Exkursion organisieren? Foto: Shutterstock

Zwei Wochen nach den Grundschulen sind angesichts niedriger Corona-Infektionszahlen am Montag auch die weiterführenden Schulen in Brandenburg wieder in den kompletten Präsenzunterricht gestartet. Bereits am 24. Juni beginnen allerdings im Land die Sommerferien. Der Start verlief nach Einschätzung des Pädagogenverbands heute gut – dennoch kamen aus der Lehrerschaft kritische Töne.

Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) hatte vergangene Woche erklärt: «Die verbleibenden Wochen vor den Sommerferien sollen insbesondere für den sozialen Zusammenhalt der gesamten Klassengemeinschaft genutzt werden. Das ist ganz wichtig, denn viele haben unter den Beschränkungen enorm gelitten.» Daher seien eintägige Ausflüge und Exkursionen wieder erlaubt und außerschulische Lernorte könnten verstärkt besucht werden.

Teilweise haben Lehrer Angst, dass ihre Noten angreifbar sind – es gibt wenige Vorgaben für den Distanzunterricht

Dass der Präsenzunterricht so kurz vor den Ferien kommt und die Bildungsministerin Vorschläge zu Exkursionen machte, habe die Lehrer «erbost», sagte die Vizepräsidentin des Pädagogenverbandes (BPV) in Brandenburg, Dagmar Graefe. Die Kolleginnen und Kollegen seien derzeit intensiv mit Nachprüfungen und Notenkonferenzen befasst. Ein Problem dabei sei, meinte Graefe, dass es für die Bewertung von Distanzunterricht nur schmale Vorgaben gebe. Teilweise hätten Lehrer Angst, dass ihre Noten angreifbar seien. Zusätzlich noch fachliche Exkursionen zum Unterrichtsinhalt kurzfristig zu organisieren, sei schwierig.

Ein weiterer Grund für Unmut in der Lehrerschaft: Noch immer sind nicht alle Lehrerinnen und Lehrer geimpft. Sie erhielten eher zufällig einen Impftermin. Insbesondere im ländlichen Raum gebe es Landkreise, in denen noch nicht einmal die Grundschullehrer vollständig geimpft seien, sagte die BPV-Vizechefin.

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«Die Lehrkräfte fühlen sich von den Äußerungen verkohlt und im Stich gelassen»

Das Bildungsministerium hatte behauptet, dass bereits alle Lehrkräfte und das gesamte Personal an den Schulen ein Impfangebot erhalten hätten. Es bestehe allerdings ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Ausgabe der Berechtigungsscheine, dem Bemühen um einen Termin und einer tatsächlichen Impfung, so erklärte die GEW daraufhin. «Die Lehrkräfte fühlen sich von den Äußerungen verkohlt und im Stich gelassen», sagte der Landesvorsitzende swe Gewerkschaft Günther Fuchs.

Der Pädagogenverband schlägt nun in die gleiche Kerbe. Dazu komme, so Graefe, dass sich am baulichen und hygienischen Zustand der Schulen in vielen Regionen nichts geändert habe. In den Schulen gebe es viel zu kleine Räume, das Risiko von vollen Klassen sei insbesondere so kurz vor den Ferien kaum zu verantworten.

Zudem sei nicht zu sehen, dass nach einem Jahr Planungen für eine Corona-gerechte Ausstattung von Schulen vorankämen. «Das Bundesprogramm für ein paar Lüftungsgeräte ist da bei Weitem nicht ausreichend», erklärte Graefe mit Blick auf die unlängst erfolgte Ankündigung von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), dass der Bund den Einbau von Luftfiltern in Klassenräumen jüngerer Schüler fördern will, was dann „über den Sommer“ erfolgen soll. Weitere Details des Programms sind bislang nicht bekannt, wie News4teachers berichtet. 

«Da man sich nicht umarmen soll und auf dem Schulhof Abstand halten soll, wird das ein bisschen schwierig mit der Sozialkompetenz»

Skeptisch gegenüber den Schulöffnungen sowie den Vorschlägen von Bildungsministerin Ernst äußerte sich auch die Vorsitzende des Landesschülerrats, Katharina Swinka. Der gemeinsame Unterricht und Tagesausflüge brächten auf jeden Fall einen Ausgleich für die lange Zeit allein zuhause. Doch: «In diesen zwei Wochen, die uns jetzt noch bleiben, wird keine Stoffvermittlung mehr stattfinden können», sagte Swinka. Daher liege der Fokus wohl auf der Verbesserung der Sozialkompetenz. «Aber da man sich nicht umarmen soll und auf dem Schulhof Abstand halten soll, wird das ein bisschen schwierig mit der Sozialkompetenz», meinte sie.

Hinzu komme die Angst vor einer Corona-Infektion. «Und das betrifft einen ja nicht nur selbst, sondern auch die Familie, Eltern, Großeltern und so weiter», sagte Swinka. «Meine persönliche Angst ist, dass ich mich in den zwei Wochen vor den Ferien irgendwo infiziere und dann in den Sommerferien erstmal zuhause sitze.» News4teachers / mit Material der dpa

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7 Kommentare
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lehrer002
2 Jahre zuvor

„Daher seien eintägige Ausflüge und Exkursionen wieder erlaubt und außerschulische Lernorte könnten verstärkt besucht werden.“
Eine gute Idee, wenngleich nicht an allen Schulstandorten und -formen gleich gut realisierbar. Gerade in freier Natur bieten sich nicht nur für den SU so tolle Lerngelegenheiten. Pflanzenbestimmung, Überschlagrechnung bei Baumreihen, Wegelängen, Baumhöhen etc., Beschreibungstexte zu Pflanzen, Tieren und der Landschaft, Joggingrunden und Felderpicknicks. Dort, wo es möglich ist – in BB dürfte es angesichts der ländlichen Umgebung vielerorts möglich sein – sind das tolle und wichtige Aktionen, zumal viele Kinder in den letzten Wochen viel zu wenig in der Natur unterwegs waren.

Andre Hog
2 Jahre zuvor
Antwortet  lehrer002

@lehrer002:
habe das bereits öfter bei Ihren Beiträgen gedacht / befürchtet:

„Sie wollen uns auf den Arm nehmen!!“

Aber nun bin ich mir sicher!!
Fast wäre ich auf Ihre zuweilen sehr seltsamen Vorschläge und der dahinter zu vermutenden Grundhaltung hereingefallen – aber mit diesem Post oben wird klar, dass Sie sich zumeist einen großen Spaß mit uns machen…hab ich Sie erwischt, Sie Schlingel!! 😉

Chorleiterin
2 Jahre zuvor

Da wird ständig über den Ausfall von Unterrichtszeit gejammert, Nacholprogramme, zusätzliche Förderung angestrebt, und wenn die Kinder endlich wieder in der Schule sind, lässt man das alles sein, soll normaler Unterricht angeblich unmenschlich und nicht machbar sein.
Ich halte nichts von der Praxis, die letzten Wochen die so nötig gebrauchte Unterrichtszeit immer mehr auszuhebeln.Das ist eine Unsitte, die die letzten Jahre immer mehr zugenommen hat.Natürlich ist das für einige nicht machbar, wenn manche nur noch mit den Kindern Filme kucken, Spiele machen, “ außerschulisches Lernen“ veranstalten, und damit meine ich ausdrücklich nicht Filme oder Spiele, die wenigstens entfernt etwas mit dem Unterrichtsstoff zu tun haben.

Kai Loebbert
2 Jahre zuvor
Antwortet  Chorleiterin

Aber der Exkursionsvorschlag stammt doch von einer der Bildungsminister*innenkarikaturen höchstpersönlich! So viel fällt da ja auch gar nicht aus im Vergleich zu sonst. Die 10er-Abschlussfahrten sind ja zum Beispiel gestrichen, genauso wie die Sportfeste.

Und unmenschlich? Ist es sicher nicht, wenn morgens 30 Kinder in einem viel zu kleinen Klassenraum ohne Mindestabstand zum Test gezwungen werden (Präsenzpflicht in NRW übrigens). In der normalen Welt da draußen würde für so ein Verhalten im öffentlichen Raum ein bemerkenswertes Bußgeld fällig werden. Leider fällt dadurch dann zwar doch regelmäßig Unterricht aus, das muss ich zugeben. Aber zum Glück nur jeden zweiten Tag.

Das sechststündige Maskentragen bei steigenden Temperaturen ist sicher auch nicht unmenschlich und regt bestimmt die Konzentrationsfähigkeit aller Beteiligten an. (Nicht, dass ich das Tragen der Masken damit kritisieren will. Anderen Schutz gibt‘s ja nicht, von der ersten Impfung für Lehrkräfte in einigen Fällen mal angesehen.)

Das, was in den letzten Monaten von den KMK-Idiot*innen befohlen worden ist, war so wissenschaftsfeindlich und menschenverachtend, dass das Filmegucken in den letzten ein oder zwei Wochen im Gesamtkontext das kleinste Problem von allen ist (so es denn überhaupt stattfindet). Das sorgt zumindest nicht dafür, dass die Lehrkräfte nach dieser nicht enden wollenden Dystopie noch mehr auf dem Zahnfleisch kriechen müssen, was beim Übers-Knie-Brechen einer Exkursion nicht garantiert wäre, ums mal vorsichtig zu formulieren.

Ich drücke auf jeden Fall allen SuS und allen LuL (bzw. KuK) ganz fest die Daumen, dass sie sich auf den letzten Metern nicht doch noch was einfangen. Und sei‘s auch „nur“ eine Quarantäne zum Ferienstart.

Maja
2 Jahre zuvor

Das Erste, was der Klassenlehrer meines Sohnes (8. Klasse) gemacht hat, war ein Waldtag. Ohne viel Aufwand. Sie haben einfach gemeinsam einen Shelter gebaut, Spaß zusammen gehabt, sich nach über 7 Monaten mal wieder als ganze Klasse getroffen, zusammen gegessen und das hat allen Teens extrem gut getan.
Man muss aber auch dazu sagen, dass der komplette Unterricht (außer Sport) per Videokonferenz stattgefunden hat und sie keinen großen Lernrückstand haben

Kai Loebbert
2 Jahre zuvor
Antwortet  Maja

Wenn die Schulleitung das schnell absegnet und der Wald zu Fuß erreichbar ist, ist das sicherlich eine schöne Möglichkeit. Wird mitten im Ruhrgebiet allerdings für die meisten Schulen schwierig. (Aber gut, die Empfehlung gilt ja nicht für NRW. :-D)

Ich muss da mal was loswerden
2 Jahre zuvor

Und wieder erklärt ein Kultusminister die Pandemie zwischen den Zeilen für beendet.

Ist das ihr Ernst, Frau Ernst?

Was für ein Zirkus mit diesen KuMis…..