Luftnummer: Der Bund fördert Luftfilter für Schulräume, die auch mit Luftfiltern gar nicht für Unterricht geeignet sind

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BERLIN. Die Bundesregierung hat – nach großem öffentlichem Druck – Mitte Juli ein Förderprogramm für mobile Luftfilter in Schulen und Kitas aufgelegt. So weit, so gut. Das Kleingedruckte in den Förderbedingungen aber offenbart nun: Das Programm ist weitgehend sinnlos. Gefördert werden Luftreiniger nur für Räume, die auch mit den Geräten kaum für den Aufenthalt von Kindergruppen geeignet sind. Die GEW benennt als Konsequenzen dieser Förderbedingungen: In den allermeisten Klassenräumen wird gar nichts passieren; Lehrer und Schüler werden im Winter wieder bei weit offenen Fenstern frieren müssen.

Räume ohne zu öffnende Fenster sind für den Schul- und Kitabetrieb ungeeignet – auch mit mobilen Luftfiltern. Für solche Räume aber will das Bundeswirtschaftsministerium mobile Luftfilter fördern. Foto: Shutterstock

Was macht ein Schulträger, wenn sich in einem Klassenraum die Fenster nicht öffnen lassen? „Lassen sich in Unterrichtsräumen die Fenster nicht öffnen, ist zu prüfen, inwieweit die Lüftungssituation verbessert werden kann“, so beantwortet das Umweltbundesamt (UBA) die Frage auf seiner Homepage. „Neben Maßnahmen mit dem Ziel, Fenster (wieder) öffnen zu können (wie z. B. Wiederanbringen von abgenommen Griffen), sind stationäre, in die Fensterbereiche eingebaute Zu- bzw. Abluftanlagen als baulich schnell realisierbare Option denkbar.“ Dann kommt der entscheidende Punkt: „Sind solche Maßnahmen nicht möglich, sind solche Räume aus innenraumhygienischer Sicht nicht für den Unterricht geeignet.“

„Mobile Geräte zur Luftreinigung dienen der Reduzierung von in Raumluft enthaltenen Partikeln bzw. Mikroorganismen“

Welchen Sinn macht es, mobile Luftfilter für genau solche Räume anzuschaffen? Doch wohl keinen. „Mobile Geräte zur Luftreinigung dienen der Reduzierung von in Raumluft enthaltenen Partikeln bzw. Mikroorganismen. Je nach technischer Auslegung sind sie in der Lage, Viren aus der angesaugten Luft zu entfernen bzw. zu inaktivieren. (…) Da mobile Luftreinigungsgeräte kein anfallendes Kohlendioxid (CO2) und keine anfallende Luftfeuchte aus der Raumluft entfernen, können sie Lüftungsmaßnahmen nicht komplett ersetzen“, so heißt es denn auch beim UBA unter der Überschrift „Richtig Lüften in Schulen“ – und einer Illustration vom Coronavirus, die den inhaltlichen Kontext herstellt.

Offenbar hat sich niemand beim Bundeswirtschaftsministerium die Seite jemals angeschaut. Wie sonst ist es zu erklären, dass das beim BMWi angesiedelte Förderprogramm für mobile Luftfilter in Schulen und Kitas, das die Bundesregierung mit einem Volumen von 200 Millionen Euro Mitte Juli auf den Weg gebracht hat, die Förderung auf eben jene Räume begrenzt, die auch mit Luftfiltern gar nicht genutzt werden sollen?

„Die Förderung mobiler Luftfilter gilt für Räume mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit in Einrichtungen für Kinder unter zwölf Jahren, das heißt vor allem in Kindergärten und Grundschulen“, so heißt es tatsächlich im Kleingedruckten zum Förderprogramm. „Zum Hintergrund: Kindern unter zwölf kann bis auf Weiteres kein Impfangebot gemacht werden. Gleichzeitig besteht die Gefahr eines erhöhten Infektionsrisikos dann, wenn Klassen- oder Gruppenräume nicht oder nicht ausreichend belüftet werden können.“

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Dabei gilt grundsätzlich, wie das Umweltbundesamt ausführt: „Klassenzimmer (das gilt selbstverständlich auch für Kita-Gruppenräume, d. Red.) sollten grundsätzlich regelmäßig gelüftet werden. Beim Lüften strömt frische Luft in den Raum und ersetzt die verbrauchte. So wird Feuchtigkeit aus dem Raum abtransportiert, was das Risiko von Schimmelbildung reduziert. Zudem werden Feinstaub, Gerüche und Ausdünstungen aus z. B. Möbeln oder von Kosmetika entfernt. Nicht zuletzt wird CO2 nach außen abgeführt, welches müde machen und die Konzentration verringern kann.“ Schon deshalb sind schlecht zu lüftende Räume für den Schul- und Kitabetrieb ungeeignet. Eine dauerhaft zu hohe CO2-Konzentration in der Atemluft gilt als gesundheitsgefährdend.

„Das Lüften über die Fenster ist oft die einzige Möglichkeit, frische Luft ins Klassenzimmer zu bekommen“

Möglicherweise Corona-belastete Aerosole, also Schwebeteilchen in der Atemluft, verschärfen das Problem noch. So stellt das UBA fest: „Wegen des vergleichsweise geringen Luftvolumens im Klassenzimmer mit vielen anwesenden Schülerinnen und Schülern ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich infektiöse Partikel im Raum anreichern, vergleichsweise hoch. Wie wahrscheinlich eine Ansteckung ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wie viele Personen befinden sich im Raum und wie aktiv sind diese, wie groß ist der Raum, wie oft wird die Luft im Raum ausgetauscht, welche Lüftung ist vorhanden. Da die allermeisten Schulen in Deutschland keine zentralen Lüftungsanlagen haben, ist das Lüften über die Fenster die beste und oft die einzige Möglichkeit, frische Luft ins Klassenzimmer zu bekommen.“

Dass mobile Luftfilter nicht für frische Luft sorgen können, dazu genügt ein Blick auf ein solches Gerät: Es verfügt über keinen Außenanschluss.

Die Einschränkung der Förderung auf nicht ausreichend belüftbare Räume sei eine «schädliche Engführung» des Programm, so heißt es denn auch bei der GEW. Der stellvertretende NRW-Landesvorsitzende Sebastian Krebs stellt fest: Es laufe wieder darauf hinaus, dass viele Kinder, Jugendliche sowie Lehrerinnen und Lehrer im Winter bei offenen Fenstern werden frieren müssen. Auch in belüftbaren Räumen seien Luftfilteranlagen sinnvoll. Und das sind nunmal die weitaus meisten. Das auf 200 Millionen Euro begrenzte Fördervolumen würde dafür ohnehin nicht reichen. Experten schätzen, dass für die Ausstattung aller Klassenräume in Deutschland 1,5 Milliarden Euro notwendig wären.

Bereits das Vorgängerprogramm des Bundeswirtschaftsmínisteriums war grandios gefloppt – es gab kaum Förderanträge. Kein Wunder: Damit sollte der Einbau von fest installierten Lüftungsanlagen in Schulen und Kitas gefördert werden, die sich auf die Schnelle aber gar nicht einbauen lassen, wie News4teachers  berichtete. News4teachers / mit Material der dpa

Sie haben uns ein Jahr lang hinters Licht geführt! Umweltbundesamt räumt plötzlich ein: Mobile Luftfilter in Klassenräumen helfen doch

 

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Rabe (aus NRW)
2 Jahre zuvor

Willkommen in der Republik Schilda!

Pit 2020
2 Jahre zuvor

Unterrichts- oder Betreuungsräume (Schule/Kita) ohne Fenster und/oder im (feuchten) Keller?

Wo ist das Problem?
Wenn das Personal (Lehrer/Erzieher) schon – wie von den 16 Weisen (KMK) und ihren Gehilfen behauptet – die Covid19-Viren in Schulen und Kitas „hereingetragen“ haben, dann können diese dummen Büttel das doch wohl auch mit Frischluft/Sauerstoff?
Haben diese „Deppen der Nation“ (Lehrer/Erzieher) etwa NICHT auch 2 Hände?
Wo ist jetzt schon wieder das Problem???
Die 16 Weisen und Gehilfen haben sogar 2 „linke Hände“ und die sind scheinbar direkt mit dem Hirn verbunden …
(Ironie? Könnt ihr euch selber aussuchen, ich habe hier und da und dort was versteckt.)

Pit 2020
2 Jahre zuvor
Antwortet  Pit 2020

Kleine Ergänzung, falls sich jemand fragt, warum ich die 16 Weisen und das Wort „Hirn“ in 1 Satz genannt habe:

„Letztlich gibt es aber kein ethisches oder moralisches Zentrum im Gehirn. „Bei moralischen Entscheidungen ist ein sehr großes, weit verteiltes Netzwerk beteiligt“, sagt Monika Sommer von der Universität Regensburg. „Die entsprechenden cortikalen Areale sind bei fast allen moralischen Beschlüssen aktiv“, so die Psychologin. „Limbische Strukturen wie die Amygdala regen sich hingegen nur dann verstärkt, wenn uns die moralische Aufgabe emotional berührt.“ Viele Forscher wundert die rege neuronale Beteiligung nicht. Sind doch ethische Entscheidungen eine hochkomplexe Angelegenheit, bei der man unter anderem soziale Regeln aufrufen und Handlungsalternativen im Arbeitsgedächtnis halten muss.“
https://www.dasgehirn.info/entdecken/moral-und-schuld/das-amoralische-gehirn

Lametta
2 Jahre zuvor
Antwortet  Pit 2020

Vielen Dank für den Nachtrag, tatsächlich war ich zunächst komplett irritiert. KMK und Hirn, hä? So wie ich die Psychologin verstehe, wird mir wieder alles klar. Da die KMK sich der Komplexität von Sachverhalten grundsätzlich verweigert, kommt sie nie in die Verlegenheit, mit Aspekten der Moral und Verantwortung in Berührung zu kommen. Für soziale Regeln und die Berücksichtigung von Handlungsalternativen haben die Köpfe der KMK einfach nicht die geringste Kapazität.

Jan aus H
2 Jahre zuvor

Im Grunde sollte man all diese Räume erfassen und dann konsequent diejenigen bestrafen, die zu verantworten haben, dass diese Räume als Unterrichtsräume verwendet wurden (leider scheinen nur Strafen für Besserung zu sorgen). Das war auch vor Corona menschenverachtend. Räume, in denen sich mehrere Menschen längere Zeit aufhalten, MÜSSEN gelüftet werden. Das sagte einem schon der gesunde Menschenverstand.

In Sorge
2 Jahre zuvor
Antwortet  Jan aus H

Bei uns sind die einzigen Räume, die keine Fenster haben, die Toiletten und die Umkleideräume in der Turnhalle.
Diese werden, da nur kurzzeitig genutzt, auch nicht mit Luftfiltern ausgestattet.
Da diese Räume auch zum Hände waschen genutzt werden, mangels Waschbecken in den Klässenräumen, wird jetzt überlegt, ob man dort die Oberlichter so umbauen kann, dass diese sich öffnen lassen. Allerdings sei dabei zu bedenken, dass sie bei Regen geschlossen werden müssten, um Überschwemmungen zu vermeiden.
Bis jetzt sorgen Lufterfrischer für geringere Geruchsbelästigung. Der Einbau einer Abluftanlage sei aber zur Zeit nicht möglich, da solche Umbaumaßnahmen erst europaweit ausgeschrieben werden müssen.
Delta wird’s freuen!

S. Weiß
2 Jahre zuvor

Mal ein Beispiel aus Essen:
35 Luftfilter für das gesamte Stadtgebiet, unklar, ob die Geräte gefördert werden. In der Regel gehen Schulen was Luftfilter angeht also hier leer aus.
Quelle: https://www.radioessen.de/artikel/stadt-essen-kauft-jetzt-doch-einige-luftfilter-fuer-schulen-1029317.html

Mich wundert es überhaupt nicht, dass da nichts beschafft wurde. Jedes Förderprogramm kommt mit nem dicken Pferdefuß und letztlich kommt kaum etwas bei den Schulen an. Besonders bei Kommunen die hoch verschultet sind. Die digitale Ausstattung kann man jetzt schon völlig vergessen – nichtmal Beamerlampen werden noch ersetzt. Begründung: Es kommt ja bald die Förderung aus dem Digitalpakt. Eine der zwei Steckdosen im Klassenraum ist kaputt? Wird nicht repariert, Asbestbeprobung und Wand öffnen steht nicht im Verhältnis zum Nutzen. Hallo, geht’s noch? Aber hey, Stadt hat erstmal Geld gespart. Zeitgemäßen Unterricht kann man dann aber auch nicht erwarten, was sich dann bei den ohnehin schon sozial benachteiligten Jugendlichen spätestens dann rächt, wenn sie der Stadt als Erwachsene auf der Sozialtasche liegen.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  S. Weiß

Der Bund, die Länder und die Kommunen wissen ganz genau, dass diese Luftfiltergeschichte nur so lange relevant ist, bis die Impfungen auch bei Kindern möglich sind, und die Impfquote bei Erwachsenen so hoch ist, dass sie trotz Ansteckung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht schwer erkranken oder sogar symptomlos bleiben oder es wirksame Medikamente gegen eine Erkrankung gibt. Das werden sie aber niemals öffentlich zugeben.

Jan aus H
2 Jahre zuvor
Antwortet  S. Weiß

„Mal ein Beispiel aus Essen:
35 Luftfilter für das gesamte Stadtgebiet,“

Gab es nicht alleine über 40 für die Landesregierung NRW? Das demonstriert doch mehr als deutlich, welchen Stellenwert die SuS und deren Familien für diese Politiker haben.

Auf der anderen Seite profilieren sie sich aber mit markigen Sprüchen ala „es darf keine Schulschließungen mehr geben“. Nur zögern sie dann, dazu auch wirksame Mittel bereitzustellen – statt dessen sollen die Kinder anderer ihre Gesundheit riskieren.