Internationaler Vergleich: Sortiert werden Schüler immer – unabhängig vom Schulsystem

17

BAMBERG. Ein internationales Forschungsteam hat Bildungswege in verschiedenen Ländern untersucht. In allen Ländern gebe es bereits früh Aufteilungen von Schülerinnen und Schülern, die sich deutlich auf den späteren beruflichen Erfolg auswirkten.

Durch die Wahl der weiterführenden Schule werden in Deutschland bereits frühzeitig Lebensverläufe vorherbestimmt. Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen finden sich im späteren Leben häufiger in Berufen mit niedrigerem Einkommen wieder als Schülerinnen und Schüler auf dem Gymnasium. Dass durch das deutsche Schulsystem solche sogenannten Pfadabhängigkeiten besonders früh angelegt werden, führt in der öffentlichen Debatte häufig zu heftigen Auseinandersetzungen. Als alternatives Vorbild werden dann oft Bildungssysteme angeführt, die längere Zeiten gemeinsamen Lernens in der Sekundarstufe vorsehen.

In allen untersuchten Bildungssystemen findet auf die eine oder andere Weise eine Sortierung statt. Foto Shutterstock

Ob sich unterschiedliche Bildungssysteme tatsächlich darin unterscheiden, inwieweit sie den späteren beruflichen Erfolg vorherbestimmen, hat nun ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Steffen Schindler untersucht. Die Wissenschaftler untersuchten dazu die Bildungssysteme aus sieben Ländern. Kernergebnis: „In allen Bildungssystemen findet eine Sortierung der Schülerinnen und Schüler statt, durch die der spätere Arbeitsmarkterfolg vorherbestimmt wird“, wie der Bamberger Soziologie zusammenfasst.

Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in allen Bildungssystemen

Anzeige

Soziologinnen und Soziologen aus Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Israel und Italien hatten für das Projekt ihre Bildungssysteme verglichen. Ihr Augenmerk richteten sie besonders auf die Sekundarstufe, die typischerweise Schülerinnen und Schüler zwischen 10 und 18 Jahren umfasst.

Je nach Land ist die Sekundarstufe unterschiedlich gestaltet. In Deutschland werden Schülerinnen und Schüler in der Regel bereits im Alter von 10 Jahren auf unterschiedliche Schulformen aufgeteilt. In anderen Ländern besuchen Heranwachsende bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren eine Gesamtschule. Dennoch fanden sich auch in solchen Schulsystemen Aufteilungen der Schülerinnen und Schüler, die aber nicht immer offensichtlich seien. „Alle Forschungsteams haben in ihrem Land eine Form der Aufteilung von Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe festgestellt – unabhängig vom Bildungssystem“, so Steffen Schindler. Sichtbar werde diese Differenzierung etwa, wenn Kinder je nach Leistung in unterschiedliche Lerngruppen aufgeteilt würden. Insbesondere in England fand die Aufteilung noch unauffälliger statt, zum Beispiel durch die Wahl bestimmter Fächer oder die Teilnahme an bestimmten Prüfungen.

Akademische Bildung bringt in jedem Bildungssystem Vorteile

Die sieben Länderstudien stimmen in einer Erkenntnis überein: Akademische Bildungswege führten tendenziell zu günstigeren Ergebnissen auf dem Arbeitsmarkt als berufliche Bildungswege. „Und die Frage, ob jemand später ein Studium aufnimmt oder nicht, wird in fast allen Ländern sehr häufig bereits durch die Sortierung in der Sekundarstufe entschieden“, betont Schindler. Die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler trage in allen Ländern zur Entstehung sozialer Ungleichheit bei. So sind beispielsweise Kinder aus benachteiligter sozialer Herkunft in allen untersuchten Ländern häufiger in den nicht-akademischen Bildungsgängen vorzufinden als Kinder aus privilegierter sozialer Herkunft. News4teachers

Philologen fordern: Zurück zum stark gegliederten Schulsystem (ohne freie Schulwahl)!

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

17 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
dickebank
2 Jahre zuvor

Das Problem setzt ja deshalb auch an anderer Stelle ein.

Der „Schrauber“ aka Kfz-Sevicemechaniker mit zweijähriger Berufsausbildung ist eine angelernte Kraft, während der „Backelohr of indschiniering“ per Definition ein Akadämlicher ist.

Europäischer Referenzrahmen – finde den Fehler.

Carsten60
2 Jahre zuvor

Hier ist ein Link zu dieser Untersuchung:
https://idw-online.de/de/news774189
Die Behauptung „Akademische Bildung bringt in jedem Bildungssystem Vorteile“ sollte man mit einem dicken Fragezeichen versehen: Erstens ist es durchaus unterschiedlich in den Ländern, was „akademisch“ jeweils genau bedeutet, und zweitens heben sich solche Vorteile am Ende auf: Wenn alle einen Bachelor haben, ist das eben KEIN Vorteil mehr, wenn alle einen Master haben, ebenso. Dann geht’s am Ende nach Noten oder anderen Unterscheidungsmerkmalen (auch „Vitamin B“) oder schlicht nach Angebot und Nachfrage, und das hängt stark vom jeweiligen Studienfach ab. Der grundsätzliche Wettbewerb um die besten Plätze wird dadurch nicht aufgehoben. Und in „sozialistischen“ Systemen galt ebenso der Satz: „Die Mitgliedschaft in der Einheitspartei bringt immer Vorteile.“ Politisch oppositionelle Leute wurden dann schon mal von der akademischen Bildung ferngehalten.

Palim
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Es ist also wichtig, möglichst frühzeitig viele SchülerInnen abzuschulen, damit die wenigen mit den besten familiären Bedingungen in akademischen Kreisen unter sich bleiben?

Man ruft nach „Leistung“ und meint „soziale Selektion“,
wenn schon Leistung zählen soll, dann doch bitte mit Bedingungen, die die sozial Benachteiligten auffangen, damit sie nicht frühzeitig zu Verlierenden werden und bleiben müssen.

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Palim: „möglichst viele abschulen“
Nein, überhaupt nicht, in der Grundschule wird sowieso nicht abgeschult. Man muss eine Atmosphäre schaffen, dass ALLE sich anstrengen, auch und gerade die „sozial Benachteiligten“. Es geht nicht an, den „sozial benachteiligten Eltern“ unbegrenzte Narrenfreiheit zuzugestehen, sie haben auch VERANTWORTUNG für ihre Kinder. Warum können Eltern, die Hartz IV beziehen, sich nicht um ihre Kinder kümmern? Sie haben Zeit dafür und werden von der Gemeinschaft alimentiert, Geld ist nicht primär das, was kleinere Kinder brauchen. Warum tritt man nicht solchen Eltern auf die Füße, sondern schimpft immer auf die bösen Bildungsbürgereltern, die sich um ihre Kinder bemühen (auch wenn das Unbequemlichkeiten mit sich bringt) und nicht Ausputzer für eine verfehlte Sozialpolitik sein wollen? Das Problem ist doch offenbar die Einstellung, die die Eltern ihren Kindern gegenüber haben. Ständig wird jetzt von den „bildungsfernen“ Eltern geredet wie von schlechtem Wetter, seit wann eigentlich? Schon zur Zeit der „Bildungskatastrophe“ um 1965 herum? Galten Arbeiter automatisch als „bildungsfern“ ?
Mein Beitrag um 12.29 sollte eigentlich nur besagen, dass ein Abitur, ein Bachelor, ein Master für JEDEN nichts an der Konkurrenzsituation ändert, die früher oder später eintritt und bei der die soziale Herkunft doch wieder durchschlagen kann. Die Kinder von reichen bzw. gebildeten Leuten sind immer im Vorteil gegenüber den Kinder der armen bzw. ungebildeten Leute. Das gilt auch im kommunistischen China und sogar in Nordkorea, nur keine Illusionen! Statt Bildungsbürger hat man dort die Parteibonzen.

Ju
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

@carsten60 Ihre Meinung trifft auch absolut auf meine Beobachtungen zu: Pauschal werden „die armen Kinder aus bildungsfernen Haushalten“ bemitleidet, ohne genauer hinter die Fassade zu blicken. Als Lehrer kann man sich sprichwörtlich einen Fuß ausreißen und scheitert dennoch an der oft ablehnenden oder schlichtweg uninteressierten Haltung der Eltern und Schüler:innen. Wieso sollten sich die anderen Eltern für ihr Bemühen um den Lernerfolg schämen? Meine Erfahrung ist, dass jedes Kind, das Einsatz und Wille zeigt, auch individuelle Erfolge verbuchen kann. Aber das Gras wächst nicht schneller, nur weil man daran zieht.

Tina+2
2 Jahre zuvor

Und wieder sollen die intelligenten Kinder in ihrer eigenen Lerngeschwindigkeit ausgebremst, ihre Lernwilligkeit gestutzt und sie als kostenlose Nachhilfelehrer eingesetzt werden damit anderleuts Kinder (vielleicht) mal besser im Leben klarkommen. Eine intelligente(re) Schicht innerhalb einer breitgefächerten Gesellschaft soll offenbar schon in den Schulen verhindert werden.

Schenken wir doch einfach jedem Kind zum 18. Geburtstag ein bedingungsloses Abitur, damit auch der dümmste Depp und faulste Schulschwänzer studieren kann und niemand mehr ein Handwerk lernt – dann wird bestimmt alles gut.

Meine Stimme bekommen links-kommunistische Spinnereien nicht.

Palim
2 Jahre zuvor
Antwortet  Tina+2

Wo lesen Sie denn, dass Kinder ausgebremst werden und nicht lernen dürfen?

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Schauen Sie am besten auf den langen Beitrag von S. gestern um 23:55 zu Winterhoff und die Tyrannen. Da wird genau das thematisiert. Können Sie das schlüssig widerlegen?

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Tina+2

Es gibt neben vielleicht der FDP, deren Bildungsprogramm ich nicht kenne, aktuell nur eine einzige Partei mit Chancen auf Einzug in den Bundestag, die sich klar gegen die „links-kommunistische Spinnerei“ positioniert. Allerdings hat die diverse andere Standpunkte, bei denen man ernsthaft nachdenken muss, ob die die Stimme rechtfertigen.

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Die FDP fordert u.a., einen Prozentpunkt des bestehenden Mehrwertsteueraufkommens zusätzlich in Bildung zu investieren. Außerdem sollen die MINT-Fächer gestärkt werden

fabianBLN
2 Jahre zuvor

Ich glaube, wir sollten über die Gliederung/Sortierung neu nachdenken! Das gegliederte Schulsystem entspräche, wenn es gut gemacht wird, eigentlich der viel geforderten Differenzierung, die ja innerhalb einer (gegliederten) Schulart weiter fortgesetzt werden könnte. Natürlich stimmt auch, dass dabei auch „sozial selektiert“ wird und das ist nicht im Interesse unserer Gesellschaft, weil dadurch „Standesdünkel“ entstehen kann. Ich denke, Mischformen, wie die kooperative Gesamtschule bildeten einen Kompromiss, wo alle „Schularten“ an einer Schule, also in einem Gebäude „stattfinden“ und sich die Schüler unterschiedlicher Bildungsgänge dann in bestimmten Fächern und Kursen doch „begegnen“ und dort dann gemeinsam lernen.

Ed840
2 Jahre zuvor

Für mich wenig überraschend, dass Kinder aus benachteiligter sozialer Herkunft weniger oft in akademischen Bildungsgängen vertreten sind.

Ungerecht wäre es bei solchen Kindern, denen wegen ihrer Herkunft trotz gleicher oder besserer Begabung und Leistungsfähigkeit der Zugang zu akademischer Bildung erschwert würde. Ob und ggf. in welchem Ausmaß das heutzutage noch der Fall ist, werden evtl. die Pädagogen hier besser beurteilen können.

Eine abgeschlossene, mindestens 3-jährige Berufsausbildung wird ja mit Niveaustufe 4 gewertet, wie auch z.B. Fachabi oder Abitur, ein Meister oder Fachwirt dann Niveau 6 wie z.B. ein Bachelor. Ob man beruflich erfolgreich ist, hängt aber natürlich nicht allein von der Bildung ab.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Ed840

In den USA wird das mit der Ungerechtigkeit mittlerweile praktiziert:

https://quillette.com/2021/08/19/as-us-schools-prioritize-diversity-over-merit-china-is-becoming-the-worlds-stem-leader/

Allerdings leiden darunter eher die Ostasiaten.

Küstenfuchs
2 Jahre zuvor

Das Problem solcher Studien sind die Wissenschaftler, die sie durchführen. In aller Regel haben sie eine vorgefertigte Meinung.
Hier sind es Soziologen, die sich mal wieder über Schule auslassen, wovon sie kaum eine Ahnung haben.

S. Weiß
2 Jahre zuvor

Die Schule bietet für alle Schülerinnen und Schüler die gleichen Voraussetzungen. Jeder kann das Abitur machen.
Die Erklärung ist ganz klar innerhalb der Familien, sowie beim Individuum zu suchen. In bildungsfernen Schichten sind häufig Vorerfahrungen (die z.B. durch Erlebnisse, Unterhaltungen, Vorlesen usw. entstehen) und sprachliche Kompetenzen weniger gut entwickelt. Hinzu kommt, dass Intelligenz zu etwa 50% erblich ist. Häufig ziehen sich schlechte Leistungen weiter durch. Es fehlt die Unterstützung zu Hause (z.B. die Wertschätzung von guten Leistungen, die Hilfestellung bei schulischen Fragen, usw.). Kinder eifern ihren Eltern nach und kopieren deren Verhalten. Es entwickeln sich Rollenvorbilder. Warum soll ich als Kind studieren, meine Eltern haben es auch nicht und uns geht es ja trotzdem gut.
Die soziale Ungleichheit entsteht also nicht erst als Ursache durch die Aufteilung der Lernenden. Die Aufteilung der Lernenden ist die Folge von unterschiedlichen Voraussetzungen. Inklusiver Unterricht stößt mit zunehmender Heterogenität irgendwann an seine Grenzen. Spezialisierung führt überall zu größerer Effizienz. Nur in der Schule soll das anders sein. Da will man gemeinsames Lernen möglichst bis zum Abitur mit durchschnittlich höheren Leistungen und mehr Gerechtigkeit. Passen die Leistungen nicht, dann dreht man einfach an der Lehrplanschraube und macht die zentralen Aufgaben leichter und schon heißt es, die Schüler sind schlauer als vor 10 Jahren.
Unterschiede sind erst einmal nichts schlechtes. Nicht jeder kann und soll Wissenschaftler werden, aber auch nicht jeder Müllwerker. Es muss von der Politik aber darauf geschaut werden, dass es zu jedem Zeitpunkt möglich ist, Schulabschluss und Studium nachzuholen / fortzusetzen.

potschemutschka
2 Jahre zuvor
Antwortet  S. Weiß

@S. Weiß
Es ist richtig, was Sie schreiben. „Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber trinken muss es von allein.“ D. h., die Gesellschaft muss die Voraussetzung schaffen, dass jeder, der kann und auch will, die gleichen Chancen bekommt. Nutzen muss er sie selbst. Und genau da werden viele Kinder durch ihre bildungsfernen Elternhäuser ausgebremst. Da kann Schule allein leider nicht viel ausrichten. Es darf andererseits aber auch nicht sein, dass lernwillige Kinder durch permanente Störenfriede (die nicht wollen) ausgebremst werden. Kinder, die wollen, aber nicht können, sollten allerdings auch mehr Hilfe (Zwei-Lehrer-Prinzip) bekommen. Inklusiver Unterricht unter den jetzigen Bedingungen (Lehrer- und Erziehermangel) kann nicht funktionieren.

Reiner Wadel
2 Jahre zuvor

Ich hoffe doch sehr, dass die Studie tiefschürfendere Ergebnisse gebtacht hat als die banale Erkenntnis:
„Die sieben Länderstudien stimmen in einer Erkenntnis überein: Akademische Bildungswege führten tendenziell zu günstigeren Ergebnissen auf dem Arbeitsmarkt als berufliche Bildungswege. „Und die Frage, ob jemand später ein Studium aufnimmt oder nicht, wird in fast allen Ländern sehr häufig bereits durch die Sortierung in der Sekundarstufe entschieden.“