Künstliche Intelligenz im Klassenraum: Warum ein Roboter eine menschliche Lehrkraft niemals ersetzt 

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DÜSSELDORF. Kann künstliche Intelligenz Lehrerinnen und Lehrer beim Unterrichten unterstützen und das individuelle Lernen der Schülerinnen und Schüler ermöglichen? Antworten auf diese Fragen werden derzeit im Auftrag der Kultusministerkonferenz an Modellschulen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern gesucht. Wir warnen davor, menschliche Lehrkräfte perspektivisch durch Maschinen ersetzen zu wollen – fünf Experten, fünf Argumente.

Schöne neue Welt? Illustration: Shutterstock

1. Der neuseeländische Bildungsforscher Prof. John Hattie hat mit seinen Meta-Studien die Bildungsforschung revolutioniert. Er sagt in einem Interview mit dem Schweizer „Tagblatt“ über Lehrkräfte: „Gut sind jene, welche die Freude der Kinder für ein Fach wecken können. Und jene, die ein Talent in den Kindern sehen, von dem die Schüler nicht einmal selber wussten, dass sie es haben. Es geht letztlich darum, Freude am Lernen zu vermitteln.“ Das ist ein zutiefst menschlicher Ansatz.

2. Holger Kellmeyer, Pädagoge aus der Pfalz, wurde nun – neben neun anderen aus ganz Deutschland – mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet. Seine Schülerinnen und Schüler hatten ihn dafür vorgeschlagen. Was ist für ihn das Geheimnis erfolgreicher pädagogischer Arbeit? Kellmeyer selbst spricht auf News4teachers von einem „Funken“, der zwischen Lehrkraft und Klasse entstehen sollte. Wenn bei einer Maschine Funken fliegen, dann handelt es sich nur um einen Kurzschluss.

3. Dirk Richter, Professor für Erziehungswissenschaftliche Bildungsforschung an der Universität Potsdam, nennt im Deutschlandfunk Kultur mehrere Schlüsselkompetenzen, die ein Lehrer mitbringen sollte: „Er muss vor allen Dingen gut erklären können, er muss sich in seinem Fach gut auskennen, er muss pädagogische und psychologische Kenntnisse, aber auch Spaß am Unterricht haben, und sich aktiv in die Schule einbringen. Und zu guter Letzt gehört natürlich auch Respekt und Wertschätzung gegenüber den Schülerinnen und Schülern dazu.“ Respekt und Wertschätzung? Kann eine Maschine nicht geben.

4. „Selbstsicheres Auftreten, keine Scheu vor Konflikten, kommunikative Fähigkeiten“, so zählt Prof. Elsbeth Stern, Lernforscherin an der TH Zürich, in der Zeitschrift „Gehirn & Geist“ die Charaktereigenschaften auf, die für einen Lehrer wichtig sind. Eine „ideale Lehrerpersönlichkeit“ gebe es zwar nicht. Pädagogische Fähigkeiten könnten (und müssten) gelernt werden. Aber: „Ein guter Lehrer macht glaubhaft, dass er selbst hinter den Lehrinhalten steht.“ Vorbild sein? Das kann ein Roboter nicht.

5. Ein erfolgreicher Lehrer sei „ein kontinuierlicher Diagnostiker, ein aktiver Lenker von Lernprozessen, ein Regisseur – der aber genau weiß, wann er schweigen und den Schülern das Feld überlassen muss“, sagt der Unterrichtsforscher Prof. Andreas Helmke laut News4teachers. Sensible Menschenführung? Ist von einer Maschine kaum zu erwarten. Die ist übrigens auch von Schulleitungen gefordert (weshalb auch Sie nicht fürchten müssen, irgendwann durch einen Roboter ersetzt zu werden). Helmke: „Schaut man sich die Ergebnisse zur Rolle der Schulleitung bei Hattie differenziert an, dann zeigt sich, dass eine unterrichtsbezogene Führung, verbunden mit starken Bemühungen um ein störungsfreies Lernklima, hohe Erwartungen an Lehrpersonen und herausfordernde Ziele für Lernende, besonders lernwirksam sind.“ News4teachers

KI in Schulen

Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die beiden Bundesländer, die im Auftrag der Kultusministerkonferenz den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Schulen testen. Gemeint ist das Intelligente Tutorielle System (ITS) Area9 Rhapsode, entwickelt vom dänischen Unternehmen Area9 Lyceum. Genutzt wird das System bereits von Kindern in Dänemark und Großbritannien.

Area9 soll den Präsenzunterricht nicht ersetzen, so heißt es beim sächsischen Kultusministerium. Untersucht wird vielmehr, ob das Programm den Unterricht sinnvoll ergänzen kann. Während der Testphase an sechs Schulen in Sachsen soll herausgefunden werden, ob das tutorielle System auch an Schulen in Deutschland eingesetzt werden kann. Speziell wird getestet, ob das System:

  • den Schülerinnen und Schülern, entsprechend ihren Bedürfnissen, unterschiedliche Lernwege anbietet,
  • die Lehrkräfte dabei unterstützt, den Lernstand ihrer Schülerinnen und Schüler jeweils zu erfassen,
  • es ermöglicht, dass nach dem Durchlaufen der jeweiligen Module, alle Schülerinnen und Schüler möglichst denselben Kompetenzstand erreicht haben.

Hinter dem eingesetzten ITS steht ein Algorithmus, der speziell zur Unterstützung beim Lernen entwickelt wurde. Dadurch passt das Programm für jede Schülerin und jeden Schüler vollautomatisiert den individuellen Lernweg an. Jeder Schüler erlebt damit eine Eins-zu-Eins-Betreuung. Dabei erkennt das KI-System selbstständig, wann der Schüler einen Lernbereich verstanden hat.

Künstliche Intelligenz in der Bildung: Wenn das Schulbuch per „eye tracking“ die Aufmerksamkeit des Schülers misst – ein Albtraum!

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Andre Hog
2 Jahre zuvor

Area51 im Klassenzimmer.
Die angeführten Argumente sind aus der Sicht von Lehre den, SuS und auch vielen Eltern starke Gründe für das festhalten am Mensch-Lehrer* ….
Aus der Sicht der KMK liegt hier aber auch das entscheidende Risiko begründet. Lehrer* meckern, werden krank, arbeiten nicht im curricular gewünschten Gleichtakt, bringen zuviel Persönlichkeit mit ein, haben auch mal schlechte Laune, sind fehlbar (uppss…jetzt habe ich gerade zugegeben, dass wir dich nicht immer recht haben 😉 ), wollen gewertschätzt und befürsorgt werden, stellen Ansprüche bzgl ihrer Arbeitsplatzsituation usw usf.

Wie viel einfacher wäre da ein Lehrroboter, den man nach Belieben (der KMK) programmieren könnte, der bei jeder Zimmertemperatur klaglos arbeitet, der keine Angst vor Erkrankungen im Dienst hat, der unempfindlich gegen Weisungen aus dem Ministerium ist, der sich von helikopternden Eltern und Rechthabern nicht aus dem Konzept bringen lässt, der nicht krank wird, der keine Arbeitszeitbegrenzung fordert und quasi rund um die Uhr unterrichten und v.a. beaufsichtigen kann.

SCHULE 24/7….der feuchte Traum der Wirtschaft und der FDP….niemand wird zurückgelassen…alle können jederzeit in der Schule sein….welcher Roboter fordert seinen freien Tag, möchte Weihnachts- oder Osterferien oder mal an die See oder in die Berge fahren??

Wenn sie ( die KuMis und die Politik insgesamt ) so könnten, wie sie es – laut Vorgaben aus den Lobbyverbänden – sollen, dann würden die nächste Woche die Kohle lockermachen, die sie zur Umsetzung dieses „Bildungs- und Betreuungsideals“ benötigen.

Deshalb sparen die auch an der Anschaffung der Luftfilter…sie Sammeln Startkapital für die ultimative Digitalisierung von Schulen.

So….Glosse beendet!! Schönes Wochenende!!!

Bavarianteachy
2 Jahre zuvor
Antwortet  Andre Hog

In vielen Teilen wahr, aber ich sehe das Problem eher darin, dass die Schüler einen Roboter, wie bisher alle technischen Geräte, in zwei Wochen durch unsachgemäße Behandlung und „Belastungstests“ kaputt gekriegt haben.

Und für Ersatz fehlt dann wieder, wie bisher, das Geld.

Und wenn bei der Zerstörung kein Lehrer anwesend war, kann man auch niemanden wegen unzureichend erfüllter Aufsichtspflicht haftbar machen.

Und Bodycams an den Robotern gehen aus Datenschutzgründen schon mal gar nicht.

Riesenzwerg
10 Monate zuvor
Antwortet  Andre Hog

Glosse oder …. 2027? 😉

Riesenzwerg
10 Monate zuvor
Antwortet  Andre Hog

Aber ehrlich – das wird nie passieren. Dann müsste ja jemand aus dem KuMi den Programmierungsbefehl geben…

… und es ist dann kein Lehry mehr da, dem KuMi die Verantwortung in die Schuhe schieben kann…

Pensionist
2 Jahre zuvor

Wir sind schon toll, wir Lehrer aus Fleisch und Blut!

Bavarianteachy
2 Jahre zuvor
Antwortet  Pensionist

Und vor allem kann man uns aufsichtsrechtlich haftbar machen.

Lanayah
2 Jahre zuvor

Wäre spannend, auf was so ein Roboter programmiert werden muss. Für das viele Multitasking und die verschiedenen zu berücksichtigenden Optionen müsste schon eine beachtliche Rechenleistung installiert sein.

Mary-Ellen
2 Jahre zuvor
Antwortet  Lanayah

@Lanayah:

Oder schmort durch…

kanndochnichtwahrsein
2 Jahre zuvor

So, wie man unser Bildungsssystem kennt, wird sogar das mit dem digitalen Lehrerautomaten verbockt:

Die „vergessen“, dass Automaten heutzutage nicht mehr mit 10 Pfennig in Gang gesetzt werden, wittern ein Geschäft, rücken noch ein Stückchen weiter in die Vergangenheit des Bildungssystems und nehmen sich die Zeit zum Vorbild, in der Kinder dem Herrn Lehrer und seiner Frau Holzstücke oder Kartoffeln mitbringen mussten.
Sollen sie doch den Lehrercomputer vor Unterrichtsbeginn mit ein paar Euro füttern, damit er im Gleichklang arbeitet – und sich vor allem rentiert!
Damit gelingt es dann perfekt, die Mehrklassenbildungsgesellschaft weiter zu zementieren, denn bis man auf einem BuT-Antrag ankreuzen kann, dass man Geld für den Betrieb des Lehrerautomaten (vs. des Lerncomputers) bewilligt bekommen möchte und bis dann das Geld vielleicht ausgezahlt, leider aber für andere Bedürfnisse der Familie dringender benötigt wird, bis dahin sind genau die Kinder kurzerhand wieder zu Bildungsverlierern geworden, für deren Lehrer man schon heute kein Geld hat oder ausgeben möchte…

So ähnlich ist es jedenfalls jetzt mit den Leihcomputern gelaufen. Als sie endlich da waren, waren sie zu schade für die, die sie bei Beschädigung nicht hätten ersetzen können, die sich keine Tasche dafür leisten konnten, die keinen WLAN-Anschluss hatten, die mangels Alphabetisierung nicht wussten damit sachgerecht umzugehen… oder denen man „Bildungsferne“ unterstellte und folglich nicht zutraute, damit lernen zu wollen…

Schöne neue Welt?
Computer. Ja. Aber wenn, dann richtig.
Und – lieber sparwütige Politiker – fragt VORHER diejenigen, wie es geht, die es wissen.
Fragt nicht die Finanziminister oder die Immobilienverkäufer*innen und Co.

Dil Uhlenspiegel
2 Jahre zuvor

Jaaa: Natürlich wird keine KI auf absehbare Zeit eine Lehrkraft ersetzen können, wegen weil halt mia san mia, mia schreim uns uns …
Und jaaa: Das ist auch gar nicht das Ziel von KI in der Schule. Jedoch durchaus die automatisierte Lernstands- bzw. Niveauanalyse und die daraus folgende Zusammenstellung individualisierter (multimedialer) Aufgaben/Übungen mittels KI-Einsatz, etwa in Fremdsprachen oder Mathe, vielleicht auch in D und Nat.wiss. hier und da.
Und jaaa aber: Natürlich haben da viele dennoch Dollarzeichen auf der Pupille, wenn sie an die Einsparung von LuL wunschdenken, eben weil sie die tatsächliche Zielsetzung und Tauglichkeit von KI für Schulen gar nicht genauer betrachten und nur an der Oberfläche herumkratzen.
Aber was interessieren uns die Sterblichen da unten, pah.

Mark Schmidt
2 Jahre zuvor

2010 hat angerufen, sie wollen ihre Headline zurück.
Was ein Cope, schon Khan Academy hat vor über 10 Jahren vorgemacht, dass Game-ifizierung und eine ordentliche, digitale Strukturierung von Lehrinhalten dem mittelmäßigen deutschen Schulsystem überlegen sind.
Nicht, dass Lehrer nicht Unglaubliches leisten… Aber es gleicht halt eher Kochen mit verbundenen Augen und nur mit Einsatz der Füße. Große Herausforderung aber absolut ineffizient und nicht zielführend.

Caro
2 Jahre zuvor
Antwortet  Mark Schmidt

Fragt sich nur, wer uns die Augen ver- und die Hände gebunden hat!

Mika
2 Jahre zuvor
Antwortet  Mark Schmidt

Nee, KhanAkademy & Co sind nicht dem deutschen Schulsystem überlegen, sonst hätten wir viele Kinder in den Schulen zu sitzen, welche sich die Lerninhalte dort bereits erarbeitet hätten. Schule soll ein breites Spektrum an Wissen vermitteln und Kinder auch mit Dingen vertraut machen, mit denen sie ohne Schule mangels Interesse oder Kenntnis nie in Berührung gekommen wären.
KI ist grandios zum Üben, und da sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten individuell auf jeden Schüler „eingeht“, hat sie beim Üben und Festigen einen vom Lehrer nur schwer zu toppenden Vorteil. Hier sehe ich auch den Einsatz digitaler Elemente und von KI: der Schulraum als Ort, in welchem Schüler individuell ihren Lernpfad im jeweiligen Fach durchlaufen, unterstützt von der KI, und der Lehrer (entlastet von Gleichschrittigkeit und Vorführrolle) hat endlich Zeit zur individuellen Unterstützung. Jeder Mensch lernt am besten, wenn die Lernmedien verschieden sind und unterschiedliche Sinne und Emotionen ansprechen. Setzt man rein auf KI, wird das schnell langweilig: der Reiz des Neuen hat sich erschöpft, und es kommt die Sehnsucht nach einem „echten Menschen“ auf. Das kennt jeder, der versucht, mit einem Bot am anderen Ende der Verbindung ein Problem zu klären: KI ist (noch) heillos überfordert, sobald es um Quervernetzung geht.

Sara
1 Jahr zuvor

Vll mal eher die Schulen instand setzen. Zumindest in NRW. Ich laufe 2cm hoch durch Wasser und Biofilm. Und wir dürfen nix an die Eltern verlauten lassen…alles geheim in NrW. Aber KI in Bayern. Zum totlachen.

Shuma Tino
1 Jahr zuvor

Wer sich einmal mit dem Thema KI richtig befasst und vor allem verstanden hat, weiß, dass alles was im Artikel dazu benannt wurde (vor allem das, was zu Area9 steht) nichts mit KI zu tun hat. Mittlerweile ist es in vielen Kreisen üblich, Begriffe permanent in falschen Zusammenhängen zu benennen, nur weil es sich gut anhört, vermittelt Begehrlichkeiten, die gar nicht erfüllt werden können.
KI ist nichts abgehobenes und letztendlich auch nur Software, die das macht, was der/die Entwickler programmiert haben. Damit arbeiten diese Programme immer nur aus der Sicht des/der Entwickler. In der Schule sollte man sich deshalb immer auch die Frage stellen, ob Entwickler von Programmen die besseren Pädagogen sind.
Anders sieht es bei Hilfsmitteln aus, die den Unterricht erleichtern können. Wenn Lehrer das Potential dieser Hilfsmittel (wie auch anderer) für ihren Unterricht richtig erfassen und einschätzen, besteht die Möglichkeit, den Unterricht zu verbessern: z. B. mehr Verständnis für bessere Präsentationsmöglichkeit oder mehr Zeit, da die Hilfsmittel Aufwände reduzieren.