Corona-Explosion an Schulen – Koalitionspartner an Bildungsminister: „Danke für Nichts!“

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ERFURT. Seit Monaten gibt es innerhalb von Rot-Rot-Grün einen Konflikt bei der Frage nach der richtigen Corona-Strategie an Schulen. Angesichts der steigenden Infektionszahlen flammt dieser nun stärker auf. Vor allem die SPD dringt auf Klärung.

In der Kritik: Thüringens Bildungsminister Holter. Foto: Jacob Schröter / Ministerium für Bildung, Jugend und Sport
Helmut Holter

Thüringen ist bundesweit erstmals seit Monaten wieder Deutschlands Corona-Hotspot und hat im Vergleich der Bundesländer die höchste Sieben-Tage-Inzidenz. Mit Stand Mittwochmorgen wurden im Freistaat 103,7 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in einer Woche gemeldet, wie aus Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Am Tag zuvor waren es noch 97,1. Damit hat Thüringen auch den bisherigen Negativ-Spitzenreiter Bremen (96,0) überholt. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz betrug nach RKI-Zahlen 65,4 und veränderte sich damit nur leicht.

Angesichts der sich verschärfenden Infektionslage und eines deutlichen Anstiegs der Inzidenzen in jungen Altersgruppen wächst der Unmut mehrerer Landtagsfraktionen über die Corona-Strategie namentlich des Bildungsministeriums, wie News4teachers berichtete. Nach den aktuellen Corona-Regeln gibt es an Schulen keinerlei Testangebot in der sogenannten Basis-Stufe, also wenn die Belastung des Gesundheitswesens als gering gilt. Ab Warnstufe eins müssen Tests angeboten werden, in der höchsten Warnstufe drei sind sie Pflicht.

Die SPD-Abgeordnete Dorothea Marx schrieb beim Kurznachrichtendienst Twitter, Thüringen habe es «dank des massiv kritisierten Verzichts auf Tests in Schulen heute wieder auf Platz 1 geschafft». Dazu erwähnte sie Bildungsminister Helmut Holter (Linke) und die Staatssekretärin Julia Heesen und schrieb: «Danke für Nichts».

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Seit Monaten dringen vor allem die Grünen und die SPD auf eine Testpflicht oder zumindest ein durchgängiges Testangebot an Schulen. Doch Bildungsminister Holter hält an den aktuell geltenden Regeln fest. Rückendeckung bekam er bisher vor allem vom wissenschaftlichen Beirat der Landesregierung.

SPD-Fraktionschef Matthias Hey kritisierte das Agieren des Bildungsressorts. Es scheine dort in bestimmten Arbeitskreisen die Überzeugung zu geben, dass ein Testangebot besser sei als eine Testpflicht. «Diese Meinung teilen wir nicht.» Nach Angaben einer Sprecherin der SPD-Fraktion wollen die Abgeordneten den Koalitionsausschuss von Rot-Rot-Grün zu dieser Frage einberufen.

«Die Kinder müssen, wenn sie einmal mit Covid infiziert waren – und es gibt Long Covid – damit 60, 70 Jahre leben»

Hey gab zu bedenken, dass die Kinder, auch wenn sie sich unbemerkt infizierten oder nicht schwer erkrankten, das Virus in ihre Familien und an Bekannten weitergeben könnten. «Es betrifft also die gesamte Gesellschaft.» Zudem könne derzeit niemand die Frage beantworten, was eine Infektion mit den Kindern in 20 oder 30 Jahren mache. «Die Kinder müssen, wenn sie einmal mit Covid infiziert waren – und es gibt Long Covid – damit 60, 70 Jahre leben.»

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Madeleine Henfling, sagte, sie fände eine Testpflicht an Schulen sinnvoll. Allerdings dürfe diese nicht zu Lasten der Kinder und Jugendlichen gehen, indem man sie etwa vom Unterricht in der Schule ausschließt, wenn sie sich nicht testen lassen wollen. «Ich finde die Pflicht-Frage gar nicht so entscheidend, weil ich wahrnehme, dass, wenn das Angebot da ist, die meisten das auch wahrnehmen.» News4teachers / mit Material der dpa

In einem Bundesland explodieren die Infektionszahlen bei Schülern – Landkreis weist Inzidenz von 1.204 unter Kindern auf

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Leseratte
2 Jahre zuvor

„[…]Die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten eher darauf hin, dass sich die Kinder vor allem außerhalb der Schule bei Älteren infizieren und Bildungseinrichtungen das Infektionsgeschehen in der Gesellschaft widerspiegeln. Wenn Thüringen die Schulen schützen und den Trend umkehren möchte, müssten sich also vor allem mehr Impfberechtigte impfen lassen und viele Erwachsene ihr Verhalten ändern.“

Quelle: ntv.de

https://www.n-tv.de/panorama/Thueringen-ist-jetzt-Corona-Hotspot-Nr-1-article22863212.html

An der Impfquote wird sich in Thüringen vermutlich nicht viel ändern, dafür gibt es zu viele AfD-Anhänger, Impfgegner, Coronaleugner und – verharmlosen, Reichsbürger und andere Schwurbler. Also lässt man es einfach weiterlaufen??? Bis zu welcher Inzidenz? Nach oben offen?
Da das Impfverhalten ja keine Konsequenzen hat (außer evtl. einem zukünftigen „Besuch“ im Krankenhaus bzw. auf der Intensivstation), wird sich da nichts bewegen. Vielleicht müsste man ab Inzidenz von 200, 300 oder 400 bei den SuS mit Schulschließung drohen… das Ganze läuft ja komplett aus dem Ruder, auch weil Städte und Gemeinden mit bestimmter Warnstufe zu viel Spielraum haben, ob bzw. welche Maßnahmen sie verschärfen. Und es wird nicht lange dauern, da kommen die Infektionen auch wieder bei den „nur“ doppelt geimpften Großeltern an, deren Impfschutz nach 6-7 Monaten deutlich nachgelassen hat. Was für eine Ignoranz und Dummheit… es ist gekommen, wie befürchtet, und wird noch schlimmer werden. Und wie gut der Impfschutz bei den LuL hält, wenn man täglich hoher Viruslast in geschlossenen Räumen ausgesetzt ist, möchte man eigentlich nicht austesten.

Andre Hog
2 Jahre zuvor

Meine Befürchtung ist, dass alle sinnvollen Regelmechanismen außer Kraft gesetzt sind und es auch bleiben.
Es fehlt erkennbar der politische Wille (und das Verantwortungsbewussten!!) hier sinnvoll und wirksam gegen zu steuern.

Was hier zum Wirken kommt ist eine der banalsten und primitivsten Folgen populistischen Handelns…man beugt sein Haupt vor denen, die einem öffentlich und laut den meisten Stress machen…und möge diese Gruppe vielleicht auch nur ein Viertel der Gesamtbevölkerung ausmachen (was ja – nach Westmaßstäben – bereits erschreckend viel ist) … sie sind laut und aggressiv und bedrohlich…und da erscheint es bequemer, das Rückgrat gegen ein dickes Fell zu tauschen.

Pit 2020
2 Jahre zuvor
Antwortet  Andre Hog

@Andre Hog

Bezogen auf deinen letzten Absatz gilt eben leider auch, was die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Madeleine Henfling, sagte (,wenn auch in einem anderen Zusammenhang s.o. im Artikel):
Rückgrat – falls vorhanden – rausnehmen und bei Ebay reinsetzen, das Haupt beugen vor den Krawallos, „… weil ich wahrnehme, dass, wenn das Angebot da ist, die meisten das auch wahrnehmen.»“
Ist das dann schon wieder etwas, was man als politische (?) „Schwarm-Intelligenz“ (ohnehin bei Menschen fragwürdig) medienwirksam verbreiten kann?

Leseratte
2 Jahre zuvor

„+++ 06:41 FDP fordert Ende der Maskenpflicht an Hamburger Schulen +++
Wie schon die CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert auch die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein ein Ende der Maskenpflicht an Hamburgs Schulen. „Die halbe Republik und große Teile des Auslands“ schafften die Maskenpflicht in Schulen ab, „weil das Infektionsgeschehen dies zulässt“, sagt sie. „Nur Hamburg hält wieder stur an diesem schwerwiegenden Grundrechtseingriff gegenüber Schülerinnen und Schülern fest.“
https://www.n-tv.de/panorama/10-34-Pandemie-bremst-Wachstum-der-Grossstaedte–article21626512.html

Und in Thüringen machen die FDP und die CDU in der Opposition gerade die Regierung verantwortlich für das hohe Infektionsgeschehen, das sich ja besonders extrem bei den Kindern zeigt. Man kann es den Leuten manchmal gar nicht übelnehmen, wenn sie Aussagen von Politikern nicht mehr ernst nehmen und sich auch nicht mehr an irgendwelche Maßnahmen halten wollen.

„[…]Es bestehe, so Kemmerich, kein Zweifel daran, dass die hohen Infektionszahlen auch dem Missmanagement der Regierung und deren „kleinlichen Regelungen“ geschuldet seien. Kaum ein Bürger wisse noch was eigentlich wo gelte, zudem herrsche Test-Chaos an den Schulen, so Kemmerich. Gehe es so weiter, drohe der nächste Lockdown.[…]
Die CDU-Fraktion fordert seit längerem verpflichtende Tests an den Thüringer Schulen. Für Kindergärten schlägt die Union ein Test-Angebot für Kinder, Erzieherinnen und Erzieher sowie abholende Eltern vor.“]

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/corona-inzidenz-hoch-kritik-fdp-100.html

Leseratte
2 Jahre zuvor

„Corona-Studie an Affen zeigt: Höhere Virendosis führt zu schwereren Krankheitsverläufen
[…]
Das bekräftige noch einmal die Bedeutung von Maßnahmen wie Masken, Lüften und Abstand, die alle die Virendosis reduzieren, schreibt es in der Veröffentlichung[…]“

https://www.focus.de/gesundheit/coronavirus/covid-19-hoehere-virendosis-fuehrt-zu-schwereren-verlaeufen_id_24328433.html

Und was haben wir in Schulen nicht? Maskenpflicht im Unterricht und Abstand. Und Lüften geht auch nur bedingt. Keine Luftfilter, und Fensterlüftung ist oft nicht effektiv, besonders wenn Querlüftung nicht möglich ist.
Und Quarantäne ist, wenn überhaupt vorhanden, auf ein Minimum an SuS begrenzt. Das Virus hat freie Bahn.

Leseratte
2 Jahre zuvor

„Holter weiter gegen Testpflicht an Schulen

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter hat erneut eine Corona-Testpflicht an Schulen abgelehnt. Holter sagte MDR THÜRINGEN, die Argumentation, dass aus den Schulen heraus die Infektion in die Bevölkerung getragen werde, sei falsch. Das zeigten wissenschaftliche Erkenntnisse. Wer anderes behauptet, verbreite Hysterie, sagte Holter. Eine Testpflicht an Schulen fordert vor allem die SPD. Laut SPD-Fraktionschef Matthias Hey führt die fehlende Pflicht dazu, dass es keine genaue Informationen über die Lage in den Schulen gebe. In allen anderen Bundesländern gebe es eine Testpflicht an Schulen.“

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/nachrichten108.html

Es ist einfach nur unglaublich.

Danke---für---nichts
2 Jahre zuvor

Was ihr nur alle habt. In einer Woche sind Herbstferien in Thüringen. D.h. die Zahlen gehen in 3 Wochen wieder runter. Schulen sind doch keine Treiber. Stelle dir vor, mehr als die Hälfte von Deutschland erkrankt gleichzeitig an Covid, was würde passieren. Bei meiner Klasse das: … nichts!
Ich fühle mich von Montag bis Freitag im ZDF: Willkommen in der Anstalt!