Wut von „Querdenkern“ steigt. Lehrer und Wissenschaftler bekommen das zu spüren

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BERLIN. In der Corona-Pandemie sind Einschätzungen von Fachleuten in Medien und Online-Netzwerken an der Tagesordnung. Für einige von ihnen hat das sehr ernste Folgen, wie eine Umfrage zeigt. Die Fälle illustrieren das steigende Aggressionsniveau unter sogenannten „Querdenkern“ – und ihre zunehmende Wissenschaftsfeindlichkeit. Das bekommen auch Schulen zu spüren. Sogar Mordaufrufe gegen Lehrkräfte hat es gegeben.

Die Wut kocht hoch. Illustration: Shutterstock

Ärzte und Virologen vor der Kamera und Epidemiologen, die auf Twitter Studien kommentieren: In der Pandemie ist das alltäglich geworden. Fachleute beziehen Stellung zu Fragen rund um Corona. Eine Umfrage der Fachzeitschrift «Nature» unter mehr als 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus mehreren Ländern wirft nun ein Schlaglicht auf die oft negativen Reaktionen, die ein Teil von ihnen wegen der Präsenz in der Öffentlichkeit erfahren hat. Es geht nicht nur um Hassbotschaften, sondern auch um Morddrohungen und seltener sogar körperliche Angriffe.

«Die Pandemie wirkte jedoch wie ein doppeltes Brennglas. Alle Dynamiken traten nun in Blitzgeschwindigkeit zutage»

Vorweg: Es handelt sich nicht um eine wissenschaftlich begleitete, repräsentative Umfrage. Das Ausmaß des Problems lässt sich damit nicht exakt bemessen. Die Zeitschrift «Nature» versandte Fragebögen an Experten und arbeitete dabei in mehreren Ländern mit Einrichtungen zusammen, die unter anderem Wissenschaftler-Statements an Medien verschicken (Science Media Centers). Es beteiligten sich 321 Experten, die mit Medien über die Pandemie gesprochen hatten. Die meisten von ihnen kamen aus Großbritannien, Deutschland und den USA.

Gut die Hälfte der Befragten gab an, manchmal, in der Regel oder immer nach Medienauftritten Troll-Kommentare oder persönliche Angriffe erlebt zu haben. Die negativen Folgen der medialen Präsenz reichen demnach bis hin zu Morddrohungen in 47 Fällen, sechs Wissenschaftler gaben an, körperlich attackiert worden zu sein. Einzelne berichten auch von aggressiven Mails, gehackten Accounts oder Webseiten und Beschwerden an den Arbeitgeber.

In einem «Nature»-Artikel mit Fallbeispielen werden Reizthemen deutlich: Der australische Epidemiologe Gideon Meyerowitz-Katz etwa nannte zum einen – erwartbar – Impfungen. Die meisten Drohungen aber habe er überraschenderweise von Menschen bekommen, die das Anti-Wurmmittel Ivermectin als angebliches Präparat gegen Covid-19 verteidigten. «Leute mailen mir anonym von komischen Accounts «Ich hoffe du stirbst» oder «Wenn du in meiner Nähe wärst, würde ich dich erschießen»», wird Meyerowitz-Katz zitiert. Auch die Frage des Virusursprungs ist laut Bericht ein heißes Eisen.

In der Fachwelt wird befürchtet, dass Hassbotschaften zu Rückzug und Selbstzensur von Expertinnen und Experten führen und deren Kollegen abschrecken könnten, selbst öffentlich aufzutreten. In der Umfrage gaben besonders häufig von persönlichen Angriffen und Troll-Kommentaren Betroffene auch am ehesten an, dass dies ihre Gesprächsbereitschaft mit Medien enorm beeinflusst habe.

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Um ein neues Phänomen handelt es sich laut Kommunikationsexperten zwar nicht. «Die Pandemie wirkte jedoch wie ein doppeltes Brennglas. Alle Dynamiken, die wir in der Forschung bereits beschrieben hatten, traten nun in hoher Konzentration und Blitzgeschwindigkeit zutage», erklärte Konstanze Marx von der Universität Greifswald. Sie sehe Handlungsbedarf im «generellen Diskursklima», also auch in Medien und Politik. Gebraucht werde ein Klima der Wissenschaftsfreundlichkeit.

Die «Nature»-Umfrage war zwar anonym, in Deutschland gibt es aber bekannte Betroffene, die massive Anfeindungen bereits vor einiger Zeit selbst öffentlich gemacht haben. Dazu gehört neben dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach etwa der Virologe Christian Drosten. Auch hatten Unbekannte im Oktober 2020 laut Polizei Brandsätze auf ein Gebäude des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin geworfen.

Charité-Wissenschaftler Drosten berichtete vor rund einem Jahr bei einem Kongress in Berlin, welche Kehrseiten die Bekanntheit bis in den Alltag hinein hat: Da es ihm «ziemlich unangenehm» sei, beim Einkaufen angestarrt zu werden, gehe er mit Sonnenbrille und Mütze raus, um nicht erkannt zu werden. Zu seinem Umgang mit Hass sagte Drosten damals: «Alles, was ich da machen kann, ist, das möglichst auszuklammern.» Ein Trost bleibt, wie die Umfrage zeigt: Nach positiven Erfahrungen nach Medienauftritten gefragt, stimmten 83 Prozent der Aussage zu, sie hätten ihre Botschaft an die Öffentlichkeit bringen können.

„Wenn Lehrer mithelfen, Kinder mit Impfungen zu vergiften, werden wir vor Gewalt nicht zurückschrecken“

Seit Unterrichtsbeginn nach den Sommerferien werden auch Schulen bundesweit immer wieder mit heftigen Angriffen wegen der Corona-Maßnahmen konfrontiert. «Es geht um Einzelfälle, jeder ist allerdings einer zu viel», sagte etwa ein Sprecher des Niedersächsischen Kultusministeriums.

So ist an einer Gemeinschaftsschule im nordfriesischen Niebüll ein anonymer Drohbrief eingegangen. Der Absender kündigt Gewalt an, sollte es an der Schule zu einer Impfaktion kommen. Wie der NDR berichtet, listet der Brief eine Reihe von Lehrerinnen und Lehrern des Kollegiums namentlich auf. Wenn die Pädagogen mithelfen würden, Kinder mit Impfungen zu „vergiften“, werde man vor Gewalt nicht zurückschrecken, heißt es in dem Schreiben, das der Schule anonym zugestellt wurde.

Ein weiterer aktueller Fall aus Schleswig-Holstein: Gegen Lehrkräfte und Schulleitung einer Grundschule in Altenholz gab es wegen der Maskenpflicht einen anonymen Mordaufruf über eine Chatgruppe beim Messengerdienst Telegram, wie ebenfalls der NDR berichtet. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln. News4teachers / mit Material der dpa

Im Fadenkreuz: Querdenker richten Morddrohungen gegen Lehrer und Schulleitungen

 

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17 Kommentare
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Georg
2 Jahre zuvor

Wissenschaftsfeindlich sind diverse Minister und Stadtkämmerer auch…

Koogle
2 Jahre zuvor

Wäre ich Lehrer, würde ich zum Elternabend um Polizeischutz bitten.

W.
2 Jahre zuvor
Antwortet  Koogle

@Koogle
Der Gedanke ist nachvollziehbar.
Die Polizei hat aber selbst seit Jahren/Jahrzehnten ein kaputtgespartes „Haus“ mit viel zu wenig Personal.
Und dieses Personal
– ist selber überlastet mit einer Vielfalt und Vielzahl von Aufgaben, die von allen Seiten auf die Polizei „abgeturft“ werden ( von der Ausstattung wollen wir auch hier besser nicht reden ),
– schiebt eine Irrsinnssumme an Überstunden vor sich her ( diese Überstunden können! die gar nicht mehr abbauen ),
– als Lehrer kommt bestimmt keiner auf die Personenschutz-Prio-Liste drauf, egal ob der Name auf irgendeiner Liste steht.
Also bleibt es bei „Wünsch dir was ( was du ohnehin NIE bekommen wirst ).“

MINT-Lehrer
2 Jahre zuvor
Antwortet  Koogle

Aber mit einer der üblichen dämlichen Ausreden nicht bekommen.

fabianBLN
2 Jahre zuvor

Man liest hier ständig was zu Corona. Corona, Corona, Corona und wie böse alle Kultusminister sind. Man liest aber nahezu gar nichts zur Bildungspolitik der neuen Landesregierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern und was da zu erwarten ist. Könnte vielleicht auch mal darüber berichtet werden?

Alex
2 Jahre zuvor
Antwortet  fabianBLN

Sie sprechen mir aus der Seele!! Ich kann die immer gleiche Corona-Laier mit ihren schrillen Tönen gegen Kultusminister oder Ministerpräsidenten auch nicht mehr hören.

Unerträglich
2 Jahre zuvor
Antwortet  Alex

Dann Lest doch auf einer anderen Seite. Das Internet ist riesig, fragt Mal die Suchmaschine Eurer Wahl. Niemand zwingt euch hier zu lesen. Und eure Kommentare werden wir auch nicht vermissen. Tschö mit ö.

xy
2 Jahre zuvor
Antwortet  fabianBLN

Dann gehen Sie doch zurück zu Telegram.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  fabianBLN

Nach Corona kommt der Bildungsmarxismus mit allen seinen Facetten zurück. Besser finde ich den auch nicht. Im Unterschied zu Corona ist dort der Kommentarstil häufiger unangenehm bis unerträglich, so als ob mit dem Hirn auch die neutrale Distanz aus den Köpfen geregnet ist.

Andre Hog
2 Jahre zuvor

„Quod errät demonstrandum!“

eldorado
2 Jahre zuvor

Die Querdenker nehmen zwar wahr, dass etwas gewaltig schief läuft, aber leider haben sie die falschen als Gegner auserkoren.

Dafür, dass die Querdenker-Szene so derart Fuß gefasst hat, sehe ich nämlich unsere Politik in der Verantwortung. Die widersprüchlichen deutschlandweit völlig uneinheitlichen Vorgaben, sind prädestiniert, um Zweiflern Nahrung zu geben. Wenn man Leute gängelt, ohne ihnen begreiflich zu machen, warum das auf diese Weise nötig ist, dann schlagen sie um sich. Wenn ich einige unserer Politiker sehe, sehe ich auch rot. Nur, dass sich das bei mir gegen die Verursacher richtet und nicht gegen die Leute, die selbst von diesen gegängelt werden.
Damit meine ich aber nicht, dass Corona harmlos ist o.ä. Der Virus ist eine Naturgewalt. Regeln, die die Natur macht, kann ich akzeptieren. Nur dass Corona seit 1,5 Jahren dieselben Regeln macht, die eigentlich nur durch den Impffortschritt verändert werden. Trotzdem wurden wir gefühlt alle zwei Wochen mit neuen Regeln gegängelt. Und dann auch noch mit völlig wiedersprüchlichen: Warum müssen Restaurants, Geschäfte und Schulen schließen, während die Großindustrie ohne irgendwelche Auflagen weiterarbeiten darf (und damit meine ich die nicht systemrelevante, z.B. Autoindustrie)? Warum wird etwas in Bundesland a so gemacht und in Bundesland b anders? Warum sind 9 Milliarden für die Lufthansa da, aber nicht für die Bevölkerung? Warum werden Luftfilter in Regierungsgebäuden eingesetzt, aber kaum in Schulen?

Im Lockdown eins wurden die Regeln, die der Virus macht, gut verständlich von der Politik 1 zu 1 an die Bevölkerung weiter gegeben. Und die Großindustrie musste zwangsweise schließen, weil die Lieferketten zusammen gebrochen sind. Danach begann das Gezerre – die kleinen Leute wurden gegen die Großindustrie ausgespielt. Politiker haben mit dem Virus um ihr Image gepokert, während die Bevölkerung die Spielschulden bezahlt hat, weil letztendlich der Virus natürlich nicht von seinen Regeln abweicht.
Ich habe auch Zweifel an den neumodischen Impfstoffen, von denen es keine Langzeitstudie gibt und warte auf die Impfstoffe nach bewährter Bauweise. Solange halte ich mich an die Regeln, die der Virus macht (Maske und/oder Abstand bei allen Kontakten). Das ist die Wahl, die der Virus mir lässt. Was die Politik zwischenzeitlich zu 2G, 3G, Masken an aus und was weiß ich, entscheidet, rauscht nur noch an mir vorbei, da unerträglich.

Viva
2 Jahre zuvor

Ja, mein Aggressionsniveau steigt auch, wenn ich sowas wie hier lese!

Solche Menschen lassen sich nicht überzeugen, bekehren, aufklären … sie sind ein Fall für die Justiz und vielleicht für den einen oder anderen Arzt! Und wenn es heute nicht Corona ist, dann ist es morgen etwas Anderes! Die finden immer Gründe, jenseits von Vernunft und Anstand Scheiße zu sein!

Ganz ehrlich, macht mal Gas in Sachen Impfstoffzulassung für die Jüngsten, danach wird Corona es schon richten! Den Impfstoffherstellern traue ich zu, auf etwaige Mutationen angemessen reagieren zu können! Der Wissenschaft sei Dank … für erfolgreiche Aufklärung des aller-, allergrößten Teils der Bevölkerung (weltweit) und Entwicklung der Impfstoffe! Wer sich da noch beratungsresistent zeigt, bestraft sich doch nur selbst bzw. den bestraft das Virus! Wer anderen dazu noch Gewalt androht oder antut, muss rigoros strafrechtlich verfolgt werden! Und ich hoffe doch sehr, dass es im Falle einer – hoffentlich niemals real eintretenden – Triage in den Krankenhäusern auch immer eine Rolle spielen wird, wer sich hätte impfen lassen können und sich bewusst dagegen entschieden hat! Schlimm genug, dass fast alle freiwillig geimpften Bürger(innen) der BRD die unnötige Mehrbelastung des Gesundheitssystems mangels allgemeiner Impfpflicht finanziell mittragen müssen! Schlimm genug, dass vermehrte Impfdurchbrüche bei vulnerablen Menschen mangels allgemeiner Impfpflicht in Kauf genommen werden! Schlimm genug, dass in Deutschland aus Grundsatz (?) trotz steigenden Aggressionsniveaus der Querdenker nicht über eine Impfpflicht nachgedacht wird! Man sieht doch, dass die Hoffnung auf Vernunft oder Druck durch 2G oder kostenpflichtige Tests allein nicht reichen, um diese querdenkenden Menschen zu erreichen, den gesellschaftlichen Frieden zu wahren und eine positive Weiterentwicklung der Pandemie sicherzustellen.

Mir geht dieses Rumeiern mit den Impfungen seitens der Politik (den Jüngsten den Impfschutz zu verwehren, weil man nicht auf die Zulassung wartet, bevor die Schutzmaßnahmen in den Schulen aufgegeben werden, und damit gleichzeitig die ethische Notwendigkeit zur Beendigung der Pandemie DURCH IMPFUNG in Frage zu stellen) SOWAS VON AUF DEN SACK!!! Über ein „bitte, bitte… impft euch für die Kinder“ lachen sich die Covidioten doch nur schlapp! Es müsste seitens der Politik eine noch klarere Ansage kommen … stattdessen spielen sie mit der Zwangsdurchseuchung in den Schulen diesen realtitätsfremden Covidioten auch noch zu!

Darfdaswahrsein
2 Jahre zuvor
Antwortet  Viva

@Viva

Wieder einmal ein sehr guter und wenn auch emotionaler, dennoch sachlich, fakenbezogener Kommentar.
Danke dafür. Ich stimme vollkommen zu.

Die Emotionen schlagen auch bei mir bei diesem Thema hohe Wellen.
Ich kann diese Dummheit, Engstirnigkeit und Verdrehen der Tatsachen nicht mehr ertragen.

Und jetzt bitte nicht wieder die alte Leier von wegen “ andere Meinung muss man doch sagen dürfen“.
Das ist keine Meinung mehr, das ist gefährlich, staatsfeindlich, einfach nur Müll!

Koogle
2 Jahre zuvor
Antwortet  Darfdaswahrsein

Richtig.
Das ist keine Meinungsäußerung sondern Körperverletzung.

Viele Bedrohte werden dadurch krank.

Heike Algner
2 Jahre zuvor

Vielen lieben Dank für Euren Kommentar :Viva, Koogle, Darfdaswahrsein. Es tut gut, von gebildeten Menschen gute Argumente zu hören. Mir macht die „Macht“ der Dummheit zunehmend Angst. Querdenker… denken die wirklich? Haben die nicht nur Freude am Stenkern? Sie verstehen doch nicht mal das GG, glauben es gäbe Grundrechte ohne Einschränkung und Pflichten. Für mich sind die gefährlicher als Corona. Gegen verbohrte Dummheit und Engstirnigkeit gibt es leider keine Impfung. Selbst Studierte glauben als Querdenker die Welt zu retten und merken nicht, dass sie Mitschuld tragen, die Pandemie nicht beenden zu können

AvL
2 Jahre zuvor

Querdenker, die verhalten sich quer zum logischen Denken.
Bei denen kommen die verbalen Ergüsse aus dem limbischen Frontalhirn, von wo aus auch stark emotional gefärbte Antriebe gesteuert werden.

xy
2 Jahre zuvor

Es war ein großer Fehler, Querdenker während der Pandemie frei drehen zu lassen. Einige fühlen sich jetzt unangreifbar. Die erratische Politik bestätigt Querdenker auch noch und wer Vorsicht anmahnt, gilt als angstgetrieben.
Ich halte es inzwischen mit dem Kinski Meme „ja, dann steck dich halt an, du dumme S.“