Trotz (oder wegen?) Inklusion: Immer mehr Schüler mit besonderem Förderbedarf

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Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat in Nordrhein-Westfalen zugenommen. Mit 140.950 Kindern waren es im Schuljahr 2020/21 rund 2,5 Prozent mehr als im Schuljahr zuvor, wie das Statistische Landesamt IT.NRW am Donnerstag mitteilte. Rund 78.150 Kinder wurden an Förderschulen unterrichtet – ein Zuwachs von 1,3 Prozent. Der Trend ist seit Jahren in Deutschland zu beobachten. Der Inklusionsforscher Prof. Hans Wocken spricht von einer „Etikettierungsschwemme“.

Immer mehr Schülerinnen und Schüler bekommen einen besonderen Förderbedarf attestiert – eine Mogelpackung? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Insgesamt 62.805 Jungen und Mädchen mit besonderem Förderbedarf – etwa mit starken Beeinträchtigungen beim Lernen oder körperlichem Handicap – lernten an allgemeinen Schulen in Nordrhein-Westfalen zusammen mit Kindern ohne Behinderung. Das entspricht einem Anstieg von 4,0 Prozent.

Damit wurden im Schuljahr 2020/21 insgesamt 44,6 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen – und nicht an Förderschulen – unterrichtet. Diese sogenannte Inklusionsquote stieg um 0,7 Prozentpunkte. Inklusion bedeutet, dass Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen – Kinder mit besonderem Förderbedarf haben darauf einen Rechtsanspruch.

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„Woher kommen dann all die vielen, vielen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die nun zu den aufgeblasenen Inklusionsquoten führen?“, fragte der emeritierte Professor für Lernbehinderten- und Inklusionspädagogik Hans Wocken, bereits 2019 in einem Beitrag für „bildungsklick“. „Ganz einfach: Die ‚neuen‘ Förderschüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind nicht ehemalige Sonderschüler, sondern sie kommen fast ausschließlich aus den Regelschulen selbst.“

„Das Geheimnis der Inklusionsquote ist in Wahrheit eine unkontrollierte und ausufernde Etikettierungsschwemme“

Diese Problem- und Risikoschüler würden „per großherziger sonderpädagogischer Diagnostik“ als Schülerinnen und Schüler „mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ identifiziert und etikettiert. Weil die neuen, etikettierten Förderschüler aber in den Regelschulen verblieben, würden sie als „inkludiert“ gelten – und für politisch gewollt hohe Inklusionsquoten sorgen. „Das Geheimnis der Inklusionsquote ist in Wahrheit eine unkontrollierte und ausufernde Etikettierungsschwemme“, schreibt Wocken – und spricht von einer „Pseudo-Inklusion“.

Warum machen die Schulen bei diesem Spiel mit? Wocken erklärt: „Der wichtigste Grund für leichtfertige und freizügige Etikettierungen dürfte das Bemühen um zusätzliche personelle Ressourcen sein, insbesondere um zusätzliche Sonderpädagogen-Stunden. Für diagnostisch nachgewiesene Förderbedarfe können bekanntermaßen zusätzliche Fördererressourcen reklamiert und akquiriert werden. News4teachers / mit Material der dpa

„Etikettierungsschwemme“ bei der Inklusion: Warum es in Deutschland immer mehr Schüler mit der Diagnose „Förderbedarf“ gibt

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71 Kommentare
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Pit 2020
2 Jahre zuvor

Bin ich irgendwie überrascht?

Moment, ich horche mal tiiiiiieeeeef in mich hinein … – „Nö. Gar nicht.“

Marc
2 Jahre zuvor

Mich würde die Verteilung der Schüler mit Förderbedarf interessieren. Ist es gleich verteilt? Oder eher doch nach Sozialindex? Ich arbeite an einer Brennpunktschule und wir haben im Schnitt eine höhere Zahl an AOSFs im Vergleich zum Rest der Schulen.
Wir haben auch dank Corona einfach eine Vielzahl benachteiligter Schüler, die schon im dritten Schulbesuchsjahr in der zweiten Klasse definitiv nicht bereit für die dritte Klasse sind.

omg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Marc

Ah, NRW

omg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Marc

Unser Gymnasium am Ort erhält 4 Std. für einen SuS.
Davon können wir nur träumen

Ratlos
2 Jahre zuvor

Leichtfertige und freizügige Etikettierungen sollen der Grund für die zunehmende Zahl von Inklusionskindern sein? Das ist absolut lächerlich! Und zumindest in meinem Bundesland (Niedersachsen) auch völlig unnötig, denn es gibt maximal (!) 2 Förderlehrerstunden pro Klasse an der Grundschule, unabhängig davon ob es keinen Inklusionsschüler gibt oder vielleicht sogar 10. Warum trotzdem immer mehr Kinder gemeldet werden? Wir haben randvoll besetzte Klasse mit unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen und Bedürfnissen, keinerlei Zweitbesetzung, keine multiprofessionellen Teams, oft wenig Unterstützung seitens der Elternhäuser usw. Sicherlich könnten viele dieser gemeldeten Kinder sehr wohl einen Hauptschulabschluss erreichen – aber nur mit intensiver Unterstützung und Zuwendung. Aber dafür sind keinerlei Ressourcen da. Und wenn dann nach der ersten „Ehrenrunde“, Schulkindergarten usw. immer noch keine Aussicht darauf besteht, den Anschluss an die Klasse zu bekommen und weder Elternhaus noch außerschulische Institutionen helfen können, dann bleibt quasi nur noch einen Antrag auf erhöhten Förderbedarf zu stellen!

Juli
2 Jahre zuvor
Antwortet  Ratlos

Doch, ich denke, dass es auch in Niedersachsen so ist. An der Förderschule, an der ich bin, haben sich die Meldungen seit Inklusion deutlich erhöht. Unsere Vermutung ist, dass es um die statistische Doppelzählung der Kinder geht. Das ist für viele Schulen gefühlt „das einzige“, was sie an Unterstützung haben. Denn die allgemeinen Bedingungen sind leider genauso, wie geschildert. Und die angesprochenen zwei Stunden pro Woche und Klasse werden gar nicht erteilt, da es einen massiven Mängel an Sonderpädagogen gibt, zumindest bei uns und in vielen anderen Landkreisen.

Marie
2 Jahre zuvor
Antwortet  Juli

In NRW werden, zumindest in Grundschulen, die I-Kinder leider nicht doppelt gezählt.

Palim
2 Jahre zuvor
Antwortet  Juli

Die Doppelzählung hilft ja nur, wenn man nahe der Teilungsgrenze ist UND noch einen Klassenraum zur Verfügung hat UND noch eine Lehrkraft zur Verfügung hat. Hat man aber oft nicht.
In bestehenden Klassen hat man dann gerade einmal gar nichts, aber mehrere Kinder mit unterschiedlichen Bedarfen und Beeinträchtigungen mit in der Klasse.

„ Für diagnostisch nachgewiesene Förderbedarfe können bekanntermaßen zusätzliche Fördererressourcen reklamiert und akquiriert werden.“
Das ist schlicht falsch und die Äußerung mehrfach fatal:
– Sie suggeriert, dass die Inklusion gut ausgestattet wäre, ist sie aber gar nicht. In NDS gibt es nur die Grundversorgung und selbst die kann nicht gewährt werden, weil Lehrkräfte fehlen. Fehlende Stunden werden durch nichts ersetzt oder ergänzt, sie sind einfach nicht vorhanden. Stunden, in denen die Sonderpädagogen beraten oder überprüfen, werden auch nicht ersetzt. In einer Schule, in der knapp die Pflichtstunden besetzt werden können und auch andere Zusatzstunden zur Förderung (LRS, DAZ, Begabung) über Jahre immer wieder gestrichen werden, ist der Mangel Alltag Undine Kinder werden entsprechend „mangelhaft“ versorgt.
– Die Behauptung suggeriert, dass es zusätzliche Ressourcen gäbe. Gibt es aber nicht, auch wenn solche Behauptungen Erwartungen schüren, die Eltern für ihr Kind wünschen und einfordern. Diese kann die Schule gar nicht erfüllen, da sie keine Ressourcen hat, was dazu führt, dass Eltern den Schulen unterstellen, sie wollten die – gar nicht vorhandenen – Stunden nicht für das Kind einsetzen oder seien gegen Inklusion. Außenstehenden ist noch weit weniger zu vermitteln, wie man die Schüler ebenso wie andere inkludiert und die Inklusion umsetzt.
– Sie schiebt die Aufgabe den Lehrkräften der Regelschule zu, da diese ohne Sonderpädagogen allein vor der Aufgabe stehen.
– Sie signalisiert Außenstehenden, dass in den Schulen alles in Ordnung sei, nur die Schulen nicht in der Lage wären, mit den -nicht vorhandenen- Ressourcen zu Haushalten.
– Sie suggeriert zudem, dass Lehrkräfte leichtfertig Schülern eine Lernbeeinträchtigung unterstellen würden. Dass es ein umfangreiches Verfahren braucht, mit im Durchschnitt über 40h zusätzlicher unbezahlter Mehrarbeit (Landesrechnungshof NDS), die Begutachtung von mehreren Personen erfolgt, die Entscheidung gar nicht in der Schule selbst getroffen wird, das wird verschwiegen. Keine Lehrkraft wird selbst leichtfertig ein Gutachten anstreben in dem nachgewiesen werden muss, dass man – ohne Ressourcen – eine intensive Förderung übernommen hat und dem nachfolgt, dass man eine möglicherweise zieldifferente Beschulung in der Klasse -auch ohne Ressourcen – bewerkstelligen muss.

Damit werden zum einen Erwartungen an die Inklusion gestellt, zum anderen wird das absolut unterversorgte System beschönigt und eine Aussicht auf Verbesserung gar nicht erst zugelassen.

Mit der Realität hat es noch weniger zu tun:
Neben der schlechten Versorgung werden die bürokratischen Hürden seit Jahren erhöht, in einigen BL darf man in den ersten Schuljahren gar keine Überprüfung durchführen – Niedersachsen hat sich dem gerade angeschlossen. Die Kinder sind dann also keine Inklusionskinder, weil man kein Verfahren durchführen darf. DAS hat mit einer Beeinträchtigung, einer Einschätzung und einer guten Förderung gar nichts zu tun.

Verteidigt wird also, dass man Inklusion zum Zweck des Sparens in den Schulen umsetzt.
Was ist das Ziel solcher Äußerungen?

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Inklusion ist dann, wenn die Schulstruktur überhaupt auf Aussonderung verzichtet, also inklusiv wird, und statt auszusondern, was das Zeug hält, die individuellen Fähigkeiten des Kindes gesehen und gefördert werden, die Klassen etwa 20 Kinder haben und bei Bedarf 2 Kräfte in den Klassen arbeiten, individuelle Lehrpläne erstellt werden uvm. Der Gesetzgeber nennt das „angemessene Vorkehrungen treffen“ und „gleich-
berechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben“ (BGBl. Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008). Das ist unmissverständlich die inklusive Schule, die auch die Geschwister und Nachbarskinder besuchen und nicht ein Förderschule im Irgendwo weit weg von „der Gemeinschaft in der sie leben“. Das wäre also dann auch das einzige Rechtstreue System! Wenn im bestehenden menschenrechtsverletzenden System Kinder mit Behinderungen in Regelschulen beschult werden, die Sonderschulen ansonsten bestehen bleiben, dann ist das KEINE Inklusion, sondern allenfalls Einzelintegration.
Dass das bisweilen extrem schwierig ist, bezweifelt niemand. Dagegen sollten sich Lehrkräfte tunlichst zur Wehr setzen und endlich gesetzestreue gescheite Inklusion einfordern.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor

nachzulesen: BGBL 2008, Teil II Nr. 35, S. 1436 und 1437, Art. 24 Abs. 2 b) und c)

Palim
2 Jahre zuvor

In NDS besteht für einige Unterstützungsbedarfe kein paralleles System mehr, die FöS Lernen im Grundschulbereich wurde aufgehoben, FöS ESE gibt es nur wenige, sodass es nicht zur Exklusion kommen kann, wenn kein Schulplatz an einer Einrichtung vorhanden ist.

Dennoch stimme ich zu, dass man unter gegebenen Umständen eher von Einzelintegration denn Inklusion sprechen kann, gerade weil die von Ihnen genannten Vorkehrungen nicht getroffen wurden.

Der Vorwurf, man würde allein deshalb Verfahren anstrengen, weil man dadurch mehr Förderstunden generieren würde, trifft nicht zu, da man ja keine weiteren Stunden erhält und mit der auf dem Papier existierenden Grundversorgung auskommen muss.

Michael Felten
2 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

@Palim
Zustimmung zu Ihrer Analyse!
Wozu derart ressourcenvergessen argumentiert wird, fragen Sie? Vielleicht, um sich nicht einzugestehen, dass „die schönste pädagogische Vision“ (Dollase) aus diversen Gründen nicht nur absehbar unrealistisch ist, sondern sogar verelendend wirkt. Ein weiteres Beispiel für Dörners „Logik des Misslingens“.

maxi
2 Jahre zuvor
Antwortet  Michael Felten

Richtig, „die schönste pädagogische Vision“ war und ist eben nur eine unverantwortliche Träumerei ohne Realitätsbezug. Das Ergebnis: Die Förderkinder stehen erst recht im Regen und lernen weniger als auf speziell für sie eingerichteten Schulen.
Wieder mal ein pädagogischer Schildbürgerstreich, diesmal ein besonders schlimmer.
Der nächste kommt bestimmt, wenn wieder nur mit moralischen Gründen wie angebliche „Gerechtigkeit“, „Mitmenschlichkeit“ und „Gemeinschaftssinn“ getrommelt wird. Im Endeffekt heißt das dann immer: Jeder, der nicht für das Projekt ist, ist ein hartherziger Mensch.

Marie
2 Jahre zuvor

„Für diagnostisch nachgewiesene Förderbedarfe können bekanntermaßen zusätzliche Fördererressourcen reklamiert und akquiriert werden.“ Jo, wieder ein Kommentar aus dem Wolkenkuckucksheim. Wir können leider keinen zusätzlichen SoPä „reklamieren und aquirieren“, egal, wie viele Förderkinder unsere Schule hat. Wir kriegen noch nicht mal einen Integrationshelfer für unser autistisches Kind. Die Förderkinder sitzen übrigens ca. 22 Stunden pro Woche in meiner „Regelklasse“. Die SoPä hat, wenn sie nicht gerade zur Vertretung eingeteilt ist, für meine Kinder täglich 1 Stunde Zeit, also insgesamt 5. In den restlichen 17 stehe ich dort komplett allein.

Michael
2 Jahre zuvor

@Marie Ich würde sogar behaupten, dass Wocken der Hausmeister im Wolkenkuckuksheim ist.

omg
2 Jahre zuvor

Fahren wir doch die emotional aufgeladene Situation mal an Beispielen der Zahlen herunter:
Von 2005 bis 2018 habe ich als Schulleiter 20 Anträge auf ein Überprüfungsverfahren unterschrieben.
Davon wurde 2 (zwei!!!) vom Schulamt überhaupt bearbeitet.

Schaut man sich die zahlen in Hessen an, kann man folgendes feststellen:
Die Zahl der Kinder mit Förderbedarf ESE sind seit 2012 in Hessen an den Regelschulen konstant.
Die Zahl der anderen Förderbereiche sind fast konstant, der Förderbereich Hören ist deutlich rückläufig.
Einzig der Bereich Lernen hat sich an den Regelschulen von knapp 600 auf knapp 3700 (Zahlen bis Ende 2019) dramatisch erhöht, vor allem ab 2013/2014, die entsprechende VO, die den inklusiven Unterricht strukturiert, ist erst im Vorjahr wirksam geworden. Dem hingegen ist die Zahl der Kinder mit diesem Schwerpunkt an Förderschulen im Zeitraum 2008/2009 bis März 2021 von 12200 auf 7087 gesunken. In der Summe ist die Zahl gleichgeblieben, allerdings ist die Gesamtschülerzahl gesunken.

Die Zahl der Kinder mit festgestellten Förderbedarf ESE an Grundschulen ist heute in Hessen ähnlich hoch wie 2008/2009 (540 bis Ende März 2021, 504 im Jahr 2008/2009). Dabei muss man aber sagen, dass während der GU-Phase nur „genehmigt“ wurde, der auch mit Personal bedient werden konnte. Wechsel waren im städtischen Bereich von Regelschulen an Förderschulen üblich, im ländlichen Bereich hingegen nicht.
Das Inklusion im städtischen Bereich in Hessen ganz anders abläuft als im ländlichen Bereich kann man bei Weisshaupt nachlesen, auch Herr Wocken. Anstatt aber Antworten zu den Problemen zu geben, dass Kinder mit Hilfebedarfen ohne Hilfen über die Jahre dramatisch überfordert werden und die Schulen keine Hilfen erhalten, ignoriert er fröhlich weiter.
Wo also ist hier die Schwemme an Falschbeurteilungen?
Horst Weisshaupt stellt demgegenüber fest, dass weiterhin in Hessen überhaupt kein Konzept der Inklusiven Schule von Klasse 1 beginnend erkennbar ist und natürlich, dass nicht diagnostizierte Kinder aufgrund des nicht vorhandenen Fördersystems weiterhin als Regelschüler gelten.
Kinder mit Förderbedarf waren also an der Regelschule, Anträge auf Überprüfungen wurden ignoriert, damit waren die Zahlen 2008/2009 also nur solche, die kaum repräsentativ die wirkliche Situation abbilden konnten.
Herr Wocken selbst schrieb, dass 6-8% der Kinder im GS Bereich irgendwann einmal den Bedarf an sonderpäd. Förderung zumindest für eine bestimmt Zeit vermutlich haben würden, heute gehen Kinderärzte und Jugendpsychiater davon aus, dass es ca. 10% sind.

Faktisch suggeriert Wocken, dass Regelschulen nach Ressourcen Jagd machen würden.
Zwar wurde in Hessen, hier ist Wocken zuzustimmen, eine irre BFZ-Konstruktion gewählt, die Diagnose und Ressource natürlich nicht voneinander trennt. Aber: Die Sonderpädagogik entscheidet darüber, ob ein Kind einen Förderbedarf erhält oder nicht. Und leider auch: Obwohl die BFZs das nicht dürfen, werden Anträge auch heute dann eben nicht bearbeitet, wenn zwar die Schule, nicht aber das BFZ von einem Förderbedarf überzeugt ist – was i.d.R. im Förderbereich ESE mittlerweile üblich ist.
Die Regelschulen können gar nicht Einfluss auf diesen Prozess nehmen.
Andererseits ist auffallend, wie schnell Kinder mit der Vermutung eines FB Geistige Entwicklung plötzlich an Förderschulen wechseln.
Erstaunlich ist das deshalb, weil diese Kinder eine schülerbezogene Zuweisung erhalten, die natürlich mitwandert.

Insofern darf Herr Wocken von seiner ewigen Dilemmata – Diskussion von hier und da mal Abstand nehmen, die Probleme der Regelschulen heute (und eben nicht zu der Zeit, in der er noch selbst Schule erlebt hat) statistisch wahrnehmen: Die aktuelle Studienlage ist dramatisch besser als die Wiederholung des Mythos der Etikettierungsschwemme: Die Situation ist anders, die Regelschulen, z.B. in Hessen und RLP stehen vor allem in den Hauptschulbildungsgängen quasi an der Wand.

Ehrlich: Da nerven diese Palaver nur noch und hilft keinen weiter.
Ehrlich: Wocken und die Realität ist wie Nord- und Südpol – ganz weit auseinander

Kerstin Bünk
2 Jahre zuvor

Als Sonderpädagogin an einer Brennpunktschule im Sek1 Bereich bin ich ehrlich gesagt entsetzt über solche Aussagen. Allein die Annahme, Kinder würden absichtlich als Förderschüler klassifiziert, um noch mehr Stellen zu generieren zeigt, dass Herr Wocken nicht viel von der Realität an solchen Schulen weiß. Es gibt sowieso viel zu wenig Sonderpädagogen, alleine an unserer Schule müssen wir mit 3,5 Stellen 11 Stellen abdecken. Und da sollen wir noch absichtlich zusätzliche Schüler generieren? Lächerlich…

potschemutschka
2 Jahre zuvor
Antwortet  Kerstin Bünk

An meiner Grundschule ebenso! Meine Frage zum Thema: Ist die Zahl der SuS wirklich so gestiegen, oder nur bei den Inklusionsschülern. Die Zahl an Sonderschulen ist ja dank Inklusion rückläufig. Man müsste also die Gesamtzahl betrachten, dann hätte man eine annähernd aussagekräftige Zahl.

Mama von Förderkind
2 Jahre zuvor

Ich würde mir wünschen , dass Förderschulen auch Wohnort nah entstehen. Und nicht in 20 km Entfernung
Überall Kindergarten am bauen die spriezen wie Pilze.
Aber Förderschule mit maximal 10 km Entfernung zu bauen oder eben Teilstand Orte ..hier nimmt man auch den Kindern ohne Behinderungen das lernen zur Schule zu gehen mit Straßenverkehr etc.

Christine Primbs
2 Jahre zuvor

Die Kommentare hier befassen sich mit Zahlen einzelner Schulen, Wocken aber analysiert die offiziellen statistischen Zahlen landesweit. Und diese geben ihm absolut Recht. In Bayern werden heute nicht weniger, sondern im Verhältnis zur Gesamtschülerzahl mehr Schüler an Sonderschulen geschickt. Um endlich die nötigen Ressourcen an den allgemeine Schulen zu bekommen, müssen daher vor allem die Sonderschulen für Lernen und Sprache, die es in kaum einem anderen Land der Welt gibt, sukzessive aufgelöst bzw in allgemeine Schulen umgewandelt werden. Aber auch bei allen anderen Behinderungsarten ist nachgewiesen, dass die Kinder bei einem Besuch der allgemeinen Schule mindestens genauso gut gefördert werden können wie in der Förderschule. Zwei konkurrierende Systeme nebeneinander, wie wir sie in Deutschland haben, führen aber dazu, dass der allgemeinen Schule noch immer Ressourcen fehlen. Solange Lehrer weiter inklusive Schulen verhindern wollen, sind sie daher als Berufsstand dafür mitverantwortlich, dass die begrenzten Ressourcen in Deutschland ineffizient eingesetzt werden. Kanada hat nahezu 100 Prozent Inklusion, aber dafür weniger Sonderpädagogen als wir, jedoch etwa zehnmal so viele Assistenzkräfte in den inklusiven Klassen.

soso
2 Jahre zuvor
Antwortet  Christine Primbs

@Primus
Die Grundschullehrer:innen in Deutschland wurden und werden nicht auf die Bedürfnisse von Schüler:innen mit Behinderungen hin ausgebildet und schon gar nicht dafür bezahlt zu diagnostizieren und den Mehraufwand für Förderpläne und zusätzliche Wochenpläne zu leisten bzw. erhalten keinen Ausgleich bei hrer Wochenarbeitszeit. Schulbegleiter (wie beschrieben) mindern nur den Mehraufwand an Aufmerksamkeit, den die meisten mit während der Stunde bedürfen: „Sonder“-pädagogische Förderung eben.

omg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Christine Primbs

Wocken zieht seit Jahren mit den immer gleiche Dilemmata-Dramen durch die gut bezahlten Veranstaltungen.
Er soll mal wa für die Praxis tun, nicht für sein Ego.
Da hätten alle mehr von.
Zudem: Wo genau geht er denn dann mal auf Daten ein? Ob aus Buxtehude oder Hamburg oder Deutschland???????

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  omg

@ „gut bezahlte Veranstaltungen“: Herr Wocken legt den Finger in die Wunden des Systems, wie z.B. auch Frau Prof. Jutta Schöler (emer. TU Berlin), Prof. Andreas Hinz (MLU Halle/Saale), Dr. Pius Thoma (emer. Universität Augsburg) und viele andere auch es tun oder taten. Damit eckt er an. Wenn es ihm ums Geld ginge, könnte er seinen Ruhestand mit viel weniger Aufregung und Arbeit gestalten (sein Ruhestandsgehalt dürfte den Raum der Möglichkeiten des genussvollen Zeitvertreibs weit genug öffnen). Ich kenne ihn seit vielen Jahren als engagierten Kämpfer für die Beendigung der systematischen Aussonderungsstruktur unseres Schulsystems. Er hat in frühen Jahren in Hamburg als Pionier wichtige integrative Entwicklung angestoßen und umgesetzt. Dass seine Studienergebnisse nicht schmeichelhaft für unseren zivilisatorischen und ethischen Anspruch/unser Selbsbild sind, dafür kann er nichts. Vielmehr ehrt es ihn, sich dennoch unaufhörlich die Mühe zu machen, zu forschen und zu publizieren, obgleich er weiß, dass er mehr Feinde als Freunde damit gewinnt (es gibt hierzulande viel mehr Beharrungs- als Mobilisierungskräfte – warum auch immer das so ist?). Er wäre ein Kandidat für das Bundesverdienstkreuz am Bande.

omg
2 Jahre zuvor

Nun: Was geschieht aber mit den Kinder, die in den letzten Jahren und aktuell in den Schulen sitze, die Förderung – und ja, die zusätzlichen Ressourcen – nicht erhalten, keinen Abschluss machen und Lebenschancen versagt bekommen, weil er diese Kinder aus Prinzip in eine Umgebung haben möchte, die ihnen, weil eben die Länder sich weiterhin weigern, notwendige Änderungen vorzunehmen, nicht gerecht werden DARF??
Bekommen die dann eine Rentengutschrtift?
Übrigens: Das mit dem Geld hat er hier vor gut einem Jahr so geschrieben.

omg
2 Jahre zuvor

Was ist in Hamburg als Ergebnis herausgekommen?
Ich habe den Auswertungsbericht gelesen.

potschemutschka
2 Jahre zuvor
Antwortet  Christine Primbs

@ChristnePrimbs
Woher wissen Sie, dass alle! Schüler mit Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen z. Z. unter den jetzigen Bedingungen besser gefördert werden als an Förderzentren? Ich sehe das für viele Kinder anders (30 Jahre Berufserfahrung als Sonderschullehrerin Lernen und Sprache- an einem Förderzentrum, weitere 10 Jahre als Sonderschullehrerin an einer Brennpunktschule – Lernen, Sprache und em/soz). Die Förderung am Förderzentrum war für die meisten um vieles besser!

Friederike Helsper
2 Jahre zuvor

Es gibt und gab sehr wenige Studien zum Erfolg von Förderschulen. Ich habe mich im Studium mit Herrn Wockens Untersuchungen beschäftigt und sie haben zu viel Diskussionen angeregt.
Um zum Nachdenken anzuregen, ist auch dieser Artikel geeignet. Darüber hinaus finde ich ihn aber hochproblematisch.
Ich arbeite seit mehr als 10 Jahren an einer Schwerpunktschule in RLP. Ich liebe meine Arbeit mit den Kindern. Wir, d.h. FöL, Pädagogische Kräfte und Grundschullehrer tun alles, um die Kinder bestmöglich zu fördern. Bei vielen Kindern klappt das prima. In der Grundschule geht vieles aber auch noch einfacher als an der weiterführenden Schule. Aber auch bei uns gibt es schon Kinder, die an einer Förderschule besser gefördert werden können. Ich könnte jetzt noch Seiten schreiben. Kurzgesagt: BEIDE Schultypen sind WICHTIG!!!
Meine Erfahrung mit Schulämtern: Die Zahlen müssen stimmen. Solange das nicht der Fall ist, wird kritisiert auf Teufel komm raus. Und Herr Wocken bedient genau diese Sichtweise, ohne mal genauer hinzusehen.
Ich würde mir von so einem renommierten Pädagogen eine differenzierter Sichtweise mit der Realität wünschen!

MAgdalena federlin
2 Jahre zuvor

@Studien zum Erfolg von Förderschulen: hierzu kann ich das Buch von Fabian van Essen, Prof. Heilpädagogik, „Soziale Ungleichheit, Bildung und Habitus: Möglichkeitsräume ehemaliger Förderschüler“, erschienen im Springer VS empfehlen. Interessante Studie. Der „Erfolg“ von Förderschulen liegt überwiegend im Fehlen von Ausbildungsplätzen bzw. Aussicht darauf, manifestiet sich überwiegend in lebenslangen prekären und hochproblematischen Erwerbsbiografien, gezeichnet von vielen Phasen der Arbeitslosigkeit und Stellenwechsel. Die Betroffenen selbst geben sich sehr wenig Chancen auf gescheite Arbeitsplätze. In dem Buch dokumentiert Herr van Essen die Aussagen von Förderschülern mehrere Jahre nach Verlassen der Schule: Arbeitslosigkeit, niedriger bis prekärer Einkommenssektor, die Selbsteinschätzung der Betroffenen für ihre Zukunft? Hoffnungslosigkeit…
Das wirf auch eine weitere interessante Frage auf: Obgleich nur sehr wenige Kinder an den Förderschulen einen guten Schulabschluss erreichen, wurde in diesen Fällen noch nie die Schulart als Wahl in Frage gestellt. War der Schüler vllt sogar an der falschen Schule? Wäre für ihn nicht vielleicht die Regelschule der richtige Lernort gewesen? Derlei kritische Selbsthinterfragung kennt die Sonderpädagogik nicht. Bei Erfolgen sind es immer die Leistungen der Sonderschulen, die zum Erfolg führten. Es heißt dann immer „wegen“, niemals „trotzdem“. Falls dies zutreffend wäre, müsste dann nicht logischer Weise die Sonderschule bei jedem Schüler, der keinen Abschluss schafft, ungekehrt fragen: Wo haben wir als Sonderschule versagt? Diese kritische Frage wurde noch nie gestellt. Für das Scheitern (= Ausbleiben eines guten Schulabschlusses) wird immer der Schüler selbst bzw. das Elternhaus verantwortlich gemacht.
Kurz gesagt: Erfolg = Förderleistung der Sonderschule; Misserfolg = persönliches Scheitern der Schüler und sogar der Elternhäuser.
Ist das nicht irgendwie ne selbstschmeichelnde „Psychologie“ der Systemtreue?

Michael
2 Jahre zuvor

Wahrscheinlich wollen Sie es nicht hören: viele meiner Förderschüler und viele meiner KollegInnen haben sehr wohl gute Schulabschlüsse erhalten. Vielleicht sind sie auch nur zu spät von der Regelschule auf die Förderschule gewechselt?

Sie haben Ihre Eindruck eben aus Büchern. Wir Lehrerinnen und Lehrer geben jeden Tag unser bestes für die SuS und kennen Realität und Praxis.

Aber wir sollen uns einfach mal nicht so anstellen, oder?

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Michael

Ist das immer der Lehrer-Joker in Diskussionen über Probleme unseres Schulsystems oder, wie hier, über inklusive Schulentwicklung?! Sie kennen die FöS NUR aus der Perspektive der Lehrkraft, nicht aus der anderen Seite, als Mutter bzw. Vater eines FöS, dem der Wechsel an die Regelschule viele Jahre absolut grausam und rechtswidrig verwehrt wurde mit den Folgen der schweren Schädigung… Eine sehr wichtige Erfahrung, die bei der Justierung und Positionierung zur Inklusion unermesslich wertvoll ist. Auch Eltern sammeln Schul-(System-)Erfahrungen, halt aus einem anderen Eck in dem Dreieck „Kind-Schule-Eltern“. Sobald die Eltern-Ecke Kritik äußert, wird reflexartig deren Kompetenz in Frage gestellt und das System vehement gegen sie verteidigt etc. Bei der inklusiven Schule werden Kompetenz und Engagement der Eltern wertgeschätzt, denn es geht um ihre Kinder. Und die sind kostbar und leider auch sehr verletzbar…

Michael
2 Jahre zuvor

„ Sie kennen die FöS NUR aus der Perspektive der Lehrkraft, nicht aus der anderen Seite, als Mutter bzw. Vater eines FöS,…“

Was Sie so alles wissen…

omg
2 Jahre zuvor

Kurze Frage: Wer genau hält denn an den Förderschulen vor allem fest??? Herr Wocken hat es auf seinem Block selbst geschrieben: Es sind die Sonderpädagogen in den Ministerien.

so!
2 Jahre zuvor

Nein, nicht nur hospitieren, das kann jeder und jede!!!! Einfach mal eine Woche in einer 1.Klasse mit bis zu 28 Kindern unterrichten, in der für bestimmte SuS von der Schulleitung vor der Einschulung nicht schon ein AOSF eingeleitet wurde, und welche die Klasse „aufmischen“ bzw. die Aufmerksamkeit einer Lehrkraft ständig auf sich ziehen oder in einer höheren Klassenstufe, in der bereits begutachtete SuS ohne Schulbegleiter in einer Regelklasse sitzen und die vielleicht an 2-3 Std. pro Woche von Sonderpädagog:innen ihrem Förderschwerpunkt entsprechend gefördert werden und in den übrigen Stunden eine „Extra- Förderung“ im Regelunterricht einfordern oder sich anderweitig beschäftigen, mit allen möglichen Dingen. Also einfach mal den ganzen Unterrichtsalltag mit Inklusion- aber ohne zusätzliche Hilfe- allein als Lehrkraft bewältigen.

alter Pauker
2 Jahre zuvor

Wären „Inklusion“ und „inklusiver Unterricht“ Begriffe am Etikett eines Lebensmittels – und gesetzt den Fall, folgendes müsste in der Zutatenliste aufgeführt sein:
– die Möglichkeiten zur Durchführung echten Inklusionsunterrichts,
– die bereitstehenden Mittel,
– die vielen fehlenden sonderpäd. Lehrer*innen,
– die vielen Lehrer*innen, die sich für „ihren“ Inklusions-Unterricht persönlich aufreiben,
– die viel zu kleinen Klassenzimmer, um wirklich inklusiv arbeiten zu können
– mangelnde Räumlichkeiten (ich musste einmal meinen Inkl.-Unterricht mit einem 8 jährigen Down-Mädchen an einem Tisch in einem frequentierten Schulgang „abhalten“)
– aufgeblasene Versprechungen der „Inklusionsfans“ in der Politik.

Nehmen wir also an, all das wären Inhalte der Zutatenliste eines „Lebensmittels Inklusion“:
Schon längst hätten, um nur eine zu nennen, Foodwatch oder die Verbraucherverbände gegen irreführende Werbung und eine verlogene, falsche Zutatenliste geklagt. Selbst Petitionen wären auf diese Art zu erwarten, wie für „weniger Zucker“, „weniger Fett“ und was weiß der Kuckuck alles. Tausende wären an diesen Skandalen interessiert.

Für das schulische Über-Lebensmittel für Kinder mit Förderbedarf gibt es leider kaum eine Interessengemeinschaft, die sich derart plakativ äußert und Ziele durchzusetzen weiß – und dabei auch noch Erfolge verzeichnen kann.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  alter Pauker

Wenn die Sonderschulen schwinden, werden Ressourcen frei.
Nehmen wir an, wir lösen eine Sonderschule in irgendeinem Landkreis in Deutschland auf. Nehmen wir exemplarisch meinen Landkreis Aichach-Friedberg in Bayern – ein FlächenLkr im Dreieck A-M-I. Hier habe ich für eine Sonderschule „Lernen“ in Friedberg belastbares Zahlenmaterial von Schulamt (für die Grund- und Mittelschulen) und Landkreis als Sachaufwandsträger der Förderschule parat: Statt für viele Millionen Steuergelder ein neues Sonderschulgebäude zu bauen, lösen wir die Sonder-Schule Jahrgangsweise auf und kreieren eine „Modellregion Inklusion“, die idealer Weise von der Uni A wissenschaftlich begleitet wird und selbstverständlich flankiert ist von wohlwollender ministerieller Unterstützung, was die Felxibilität bei Klassenbildung, Größe, Teiler, individueller Lehrpläne uvm. anbelangt: Das KuMi unterstützt die Schaffung „angemessener Vorkehrung“. D.h. die Kinder mit dem diagnostizierten FöBedarf „Lernen, Verhalten, emotionale und soziale Entwicklung“ gehen ab dem Herbst 2020 nicht mehr ans FöZ, sondern besuchen ihre Sprengel-GSen (so heißen bei uns in Bayern die „Wohnsitzbezogenen“ Schulen). Die Lehrkräfte und sonstiges Personal am FöZ haben weniger Stunden, gehen nicht daheim aufs Sofa, sondern stattdessen an die Sprengelschulen. Und da jede Veränderung auch immer schwieriger ist als der ausgetrampelte Pfad, sind ein paar Stunden FöL pro Woche gerade anfangs nicht gerade der Hype, vor allem wenn die Klassen mehr als 20 Kinder haben. Eine immer gegebene unterstützende Ressource an der Regelschule,d ie an den FöZ felt: das deutlich „gesündere“ soziale Milieu. In vier Jahren ist die GS-Stufe am FöZ aufgelöst und die Sprengel-GSen bekommen zum Kollegium fest einen oder mehrere Sonderpädagogen (abhängig von Schulgröße). Statistisch kämen durchschnittlich pro bestehender Klasse weitaus weniger als 1 FöS an. D.h. bei kleinen Schulen mit ohnehin kleinen Klassen kein Problem. 1 Schüler pro 12 – 20 Kinder ist für jede normale GS-Lehrkraft machbar. In den GSen mit Schülerfrequenzen von 20 – 28 sind die meisten Klassen zu groß. Diese Schulen sind meist mehrzügig, und so kann man über den Klassenteiler/Verteilung der Schüler je nach Gegebenheit, eben dann die Klassengröße anpassen.
Die eingesparten Transportkosten (keine Ausgaben aus dem Haushalt für Unterricht und Kultus) sollten idealer Weise noch für zusätzliches Personal transferiert werden. Die Frei werdenden Ressourcen werden nicht in die Luft geblasen, sondern wandern automatisch mit dem Kind wie in einem Rucksack mit in die Regelschule.
Bleibt dann noch ein Raumproblem, so ist der Sachwaufwandsträger (meist Gemeinde, Stadt, Lkr, kreisfreie Stadt) in die Pflicht zu nehmen. Bei großer Enge besteht immer die Möglichkeit sich mit Containern eine Weile zu behelfen. Das machen die jetzt auch schon bei allen Schulen mit Raumnot.
Das Problem der Raumnot an nahezu ALLEN normalen Schulen muss über die KuMis, Regierungen und den Sachaufwandsträger gelöst werden und nicht durch Aussondern von Kindern.
Das ist nur ein grober Abriss, wie die Entwicklung ans Ziel der inklusiven = Menschengerechten Schule aussehen könnte…
In ganz ferner Zukunft wären radikal inklusiv optimistisch gedacht sogar inklusive Schulen mit allen möglichen Schulabschlüssen eine Vision, die am Ende eines Jahrhundertprozesses stehen könnte. Schwierig wird das vor allem, weil wir so viele Schulzentren bauen und ab der 5. Klasse die Kinder täglich auch zu Gymnasien und Realschulen mit hohen CO2-Emissionen transportieren, statt die Schulen am Wohnsitz (von der Mehrheit der Schüler zu Fuß oder mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV erreichbar) für alle Schulabschlüsse und inklusiv zu entwickeln…

omg
2 Jahre zuvor

In Hessen gibt es 5600 Stellen für Sonderschullehrer im stationären und inklusiven System. Wie viele davon sind mit Lehrkräften besetzt, die nicht Sonderpäd. studiert haben????
Wo sind die inklusiven Konzepte der Sonderpädagogik, wo die inklsuive Didaktik????
Beides gibt es nicht. Wann liefert die Sonderpädagogik????

Michael
2 Jahre zuvor

„wohlwollender ministerieller Unterstützung“

Da bin ich fast lachend vom Stuhl gefallen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und verabschiede mich.

Palim
2 Jahre zuvor

Vielleicht gehen Sie mal in anderen Bundesländern schauen, wie es wirklich läuft.

Die FöS in NDS hatten zuvor schon einen Mangel an Lehrkräften.
Inzwischen ist jede Grundschule seit Jahren inklusiv und der Elternwille ist frei, FöS im Bereich Lernen gibt es nicht, FöS ESE sind seit mehr als 20 Jahren nicht flächendeckend vorhanden.
Das bedeutet, die Eltern wählen und die Grundschule nimmt alle Kinder auf.

Da ist nicht die Rede von einem Kind mit Unterstützungsbedarf pro Lerngruppe, es gibt gar keine Höchstgrenze, keine Quote, kein Abwägen von anderen Herausforderungen am Schulstandort UND: es gibt auch keine Stundenzuweisung – außer der Grundversorgung, die rechnerisch die Versorgung mit Sonderpädagogen für 2 Stunden pro Woche pro Klasse auf dem Papier vorsieht.

Es gab auch keinen Bonus am Anfang, sondern genau diese Stunden nicht, die es zwingend gebraucht hätte, um ohne Vorbereitung ein inklusives System neu zu etablieren. Es gibt auch keine Stunden zur Abstimmung, für Teambesprechungen o.a., das muss alles zusätzlich geleistet werden.

Da die Inklusion aufsteigend begann, gab es am Anfang auch nur 2 Std. pro Woche für die offiziell beginnenden Klassen als Grundversorgung, die zur Prävention, Diagnostik, Beratung und Förderung in den Bedarfen Lernen, ESE und Sprache ausreichen sollen. In den anderen Jahrgängen gab es zwar inklusiv beschulte Kinder, die noch auf die FöS hätten wechseln können, aber gerade mal keine Versorgung mit Sonderpädagogen in den Grundschulen – es fehlte schon da seit Jahren an Lehrkräften.

Der Lehrkräftemangel ist nicht behoben, deshalb erhalten die Schulen die im Erlass vorgesehene Grundversorgung nicht vollständig, sind aber für die Umsetzung der Inklusion zuständig, auch für andere Unterstützungsbedarfe.

Die einen, die hier schreiben, träumen sich ein System mit guter Ausstattung zurecht, die anderen sehen täglich, dass es ohne Ressourcen gehen soll. Fordern sie Ressourcen, wird ihnen indirekt Faulheit vorgeworfen und direkt eine falsche Einstellung zur Inklusion. Zudem muss man sich vorhalten lassen, man würden Förderbedarfe erfinden.

Es stimmt einfach nicht, dass man Schüler-Lehrkraft-Zuweisungen von 20:2 hätte, man hat nicht einmal eine weitere Kraft z.B. mit ErzieherInnen-Ausbildung in der Klasse.
Hinzu kommt, dass der Mangel an Lehrkräften so groß ist, dass man kaum die Pflichtstunden besetzen kann, dass man Abordnungen vom Gym/ GHR in der GS hat, damit diese überhaupt über die Runden kommen können, dass jegliche Zusatzstunde an Förderung gestrichen wird, um den Stundenplan gewährleisten zu können. Also bewerkstelligt man auch die sonst notwendige Förderung (LRS, Dyskalkulie, DaZ, Begabtenförderung) im Regelunterricht allein und muss den Unterricht entsprechend differenzieren, OHNE dabei in die Belanglosikeit abzudriften oder den SuS notwendige Inhalte vorzuenthalten.

Inklusion bedeutet in NDS, dass man als Grundschullehrkraft (A12, 28 U-Stunden) die zusätzlichen Aufgaben der FöS-Lehrkräfte (A13, 26,5 U-Stunden) bekommen hat, parallel für alle Unterstützungsbedarfe, die in der Klasse ankommen.

Das Geld, das der Landkreis einspart, weil er weniger Gebäude für FöS und Fahrtkosten bereithalten muss, landet nicht in den inklusiven Schulen. Der Landkreis kann es besser anderweitig einsetzen.
Die Lehrkräfte, die das Land als FöS beschäftigt, fahren von Schule zu Schule und sind bemüht, überhaupt etwas abzudecken und in Bruchteilen zu beraten oder auch mal zu fördern.
Während die FöS-Lehrkraft sagen kann: „Nicht mein Schwerpunkt“ oder „Inklusiv habe ich auch nicht gelernt“ und die Schulträgerin „Knappe Kassen, keine Ausstattung möglich“, der Landkreis „Nicht meine Baustelle“ und das Land „Es sind keine Lehrkräfte da“, sagt die Grundschullehrkraft: „Willkommen, liebes Kind“ und kümmert sich über Nacht darum, eine Ahnung von der Beschulung und Förderung zu bekommen, die man in diesem Rahmen umsetzen kann, weil sie das Kind nicht abweisen kann/darf/will.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor

„Inklusion bedeutet, dass Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen – Kinder mit besonderem Förderbedarf haben darauf einen Rechtsanspruch“, steht da zu lesen. Danke für den Rechtsanspruch! In einem strukturell selektiven Schulsystem soll das Menschenrecht auf Inklusion einklagbar sein? Wie soll das gehen? Eltern klagen, bekommen Recht, und schwups besteht eine inklusive Schulstruktur bzw. -kultur? Mir ist nicht bekannt, dass Deutschland ein inklusives Schulsystem anstrebt, geschweige denn bereits irgendwo hätte. Unser Schulsystem ist hochgradig selektiv und aussondernd. Das ist Fakt. Diese Struktur wird nur sehr selten überhaupt in Frage gestellt. Wenn einzelne Kinder mit Behinderung trotz allem ausnahmsweise eine sogenannte „normale“ Schule besuchen (die ja gar nicht „normal“ ist, im Sinne von menschlich normal bzw. inklusiv, sondern „entmischt“, weil sie ja in Wirklichkeit eine „aussondernde“ ist), und wenn der Großteil der Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf weiterhin in Sonderschulen separiert wird, ist das noch weit weg von Inklusion. Vor 2009 nannte man diese Einzelfälle „Einzelintegration“ – und das ist es heute immer noch (oder auch „Außen-„, „Koop-Klasse“ und was es da alles für Experimente gab und immer noch gibt, nur um ja im Kern nichts zu ändern.)
Inklusion stellt sich von vorn herein auf die Verschiedenheit der Kinder ein, da müsste nicht erst geklagt werden. Inklusion ist nämlich nicht von den Behinderten zu erbringen. Inklusion fordert von den Lehrkräften, Schulämtern, Ministerien die radikale Abkehr vom aussondernden System. Und diese Abkehr können niemals Betroffenen einzeln einklagen. „Recht“ bekommen klagende Eltern allenfalls insofern, als manifestiert wird, dass die Aussonderung ihres Kindes nicht rechtens ist bzw. gegen die UN-BRK verstößt. Inklusion bekommen sie deshalb noch lange nicht. Einzelintegration bleibt Einzelintegration – mit allen bekannten Problemen und Schwierigkeiten. Oft werden dann die Kinder mit besonderem Förderbedarf für die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht, die es ja scheinbar verursacht, denn ginge es in die Sonderschule, hätte die andere Schule das Problem gar nicht. Das ist echt perfide. Denn ursächlich für die Schwierigkeiten ist der Mangel an Inklusionstauglichkeit selektiver Schulen allgemein. Einzelintegration ist ja im Grunde IMMER Systemwidrig und daher immer schwierig! Sonderschulen, auch wenn sie noch so wohnsitznah sind oder auch wenn sie „Förderzentren“ heißen, bleiben Sonderschulen: Schulen, die maximal negativ entmischt sind. Das Narrativ, dass es zum Zwecke der besseren Förderung ein separates Schulterrain und -gemäuer bedürfe, ist ein Märchen. Denn, wenn die besondere Förderung im Gemäuer von Sonderschulen stattfinden kann, kann sie das genauso in den Gemäuern der sogenannt „normalen“ Schulen. Schließlich sind es nicht die Mauern, die lehren und fördern, sondern die Lehrkräfte und Therapeuten. Nicht zu vergessen der Einfluss der Kidner untereinander als wichtigen Faktor der allgemeinen Sozialbildung. Es gibt viele Länder, die uns da hervorragende Vorbilder sein sollten!

Marie
2 Jahre zuvor

Genau, es sind die Lehrkräfte und Therapeuten. „Normale“ Lehrer sind aber nicht für SoPä ausgebildet, und Therapeuten finden Sie im Regelfall auch nur an Förderschulen. Ist alles eine Frage des Geldes: lass die Kinder in der Regelschule mit bis zu 29 anderen sitzen, die GS-Kollegen werden mit A12 bezahlt. Spart man sich SoPä mit A13, Therapeutenkosten, Kosten für Schulgebäude, Transport etc. Das wir als GS-Lehrer das nicht leisten können, interessiert die KuMi mal so gar nicht.

AusderPraxis
2 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Genau, Marie!
Das ist genau so, als würde man die Physioterapeuten am Reha-Zentrum auch mal eben nebenbei (während der Massage) die Psychotherapie machen lassen. Denn: Therapeut ist Therapeut!
Können sich doch mal fortbilden, die Physiotherapeuten, möglichst auf eigene Kosten am Wochenende!

Außerdem sind die Physiotherapeuten billiger und die speziellen Psychotherapieräume kann man sich auch sparen, da man beides gleichzeitig in den Physio-Räumen erledigen kann!

B.Schmitz
2 Jahre zuvor
Antwortet  AusderPraxis

Und das stellen wir uns dann mal in einer Regel-Kita vor. Erzieher und Kinderpfleger,die mit Kindern mit sichtlich Förderbedarf allein gelassen werden. Hauptsache Inklusion und sparen. Personalmangel, nicht entsprechend ausgebildete und überlastete Mitarbeiter und Gruppenüberbelegungen mit offenen Konzept…Das ist alles so unheimlich fördernd für Kinder,die schonmal gar kein solches Chaos aushalten können.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Marie

Sag ich doch: Die Therapeuten und ggf. sonst spezialisiertes Personal arbeitet im Gemäuer der dann ja endlich echten inklusiven Schulen. Übrigens werden die Therapeuten von den Krankenkassen bezahlt und nicht vom Kultusministerium. Es handelt sich daher schlicht um organisatorische Änderungen und trifft die „normalen“ Lehrkräfte nullkommanull. Und der Schüler-Lehrer-Schlüssel wird in der inklusiven Schule logisch auf etwa 20:2 nivelliert! Die Sonderschulklassen verschwinden und dort haben wir aktuell ja etwa 12-15:1, also genügend freiwerdende Lehrerstunden. Die Transportkosten werden auch nicht vom Kultus-Haushalt bezahlt. Diese Ressourcen wird ja nicht ausradiert, sondern wandern in die inklusive Schule, die ein Segen für alle Kinder in jeder Hinsicht ist, ja sein muss, denn nur sie vermeidet menschenrechtsverletzende systematische Ausgrenzung und erlaubt eine in jeder Hinsicht Kindgerechte Pädagogik, die allen Kindern förderlicher ist, als das jetzige Selektionshickhack! Der Verschleiß an Lehrerstunden durch Schulart-Problem-Gespräche verschwindet. Die Zeit bleibt frei für die Arbeit mit Kindern! An den Förderschulen machen die Kinder ja auch keine besonders hervorragenden Schulabschlüsse, um’s mal wenig drastischer auszudrücken, als die Realität ist. Ohne Schulabschluss von der Schule gehen, das können die Kinder an den dann inklusiven Schulen genauso. Dazu braucht’s keine systematische menschenrechtsverletzende Aussonderung! Sonderpädagogen sind übrigens keine Zauberer (was sich an dem Fehlen guter Schulabschlüsse ablesen lässt): Das kognitive Limit bei Kindern können die auch nicht knacken. WENIGER Leistungsdruck können die normalen Lehrer genausogut wie Förderlehrer. Stichwort: individuelle Lehrpläne, Gruppenarbeit etc.
Wir reden über schwerwiegende Menschenrechtsverletzung! Da wäre ein bisschen Änderung der Denkrichtung aller, besonders der Lehrkräfte, die es ja gut mit Kindern meinen, wohl nicht zuviel verlangt. Sonst bleiben sie einfach nur Erfüllungsgehilfen beim Erhalt des menschenrechtsverletzenden Systems.

omg
2 Jahre zuvor

Inklusion bedeutet nicht, WENIGER Leistungsdruck
Herr im Himmel.

Michael
2 Jahre zuvor

@ Magdalena Federlin

Man merkt, dass Sie eben doch Steuerfachangestellte sind und nicht aus der pädagogischen Praxis kommen.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Michael

Drei Kinder großgezogen, in allen Schularten und KiTas und Horten! Ich kenne das Förderschulmilieu sehr gut. War ein paar Jahre fast täglich dort und konnte an der Realität teilhaben und Erfahrungen und Eindrücke sammeln – leider keine auch nur annähernd überzeugenden – trotz der exorbitant vermeintlich guten Ausstattung – bestes Material, kleine Gruppen, Fachkräfte. Was fehlte also? Die bunt gemischte „inklusive“ Schar der Nachbarskinder. Als kleines Kind in eine Gruppe von ausschließlich, sagen wir mal „Problemfällen“ abgesondert zu werden und sich dort gesund entwickeln zu sollen, ist unmöglich. Viel eher werden Hospitalisierungen und sonstige Verhaltensauffälligkeiten entwickelt, bzw. verstärkt. (Im System werden die natürlich wieder der Ausgangsbeeinträchtigung zugeschrieben). Um als kleiner Mensch in einem völlig unnatürlichen Sozialisations-Feld (=Milieu) (Bourdieu) zu leiden, dazu braucht man eben nicht das Potential auch den Satz des Pythagoras zu erlernen. Das funktioniert immer. Einfach, weil es menschlich ist.
Nach dem Abi wollte ich Heilpädagogik studieren, weil ich für Menschen mit Behinderungen was Gutes tun wollte. Ich hatte bis zum Eintritt meines Jüngsten in die Sonderschule also auch keine Bedenken, dass diese Schulart nicht die richtige wäre. Mein Sohn entwickelte innerhalb kurzer Zeit dort extreme Verhaltensauffälligkeiten und retardierte unübersehbar. Der Kompetenzerwerb war unübersehbar negativ! Als Mutter musste ich die Ursache finden und für Abhilfe schaffen. Das ist mein Erziehungsauftrag, meine mütterliche Pflicht. Seit fast 20 Jahren engagiere ich mich also in Inklusions-Vereinen und habe dabei unzählige Fachtagungen besucht und auch Fachliteratur autodidakt studiert…

Um jedoch über Menschenrechtsverletzung zu reden, diese zu erkennen oder gar selbst zu erfahren (und entsprechend arg darunter zu leiden), dazu braucht man zum Glück kein Universitätsstudium und auch keine pädagogische Praxis. Niemand muss erst als BeschneiderIn arbeiten, um sich gegen diese Praxis zu engagieren.
Wenn ich lese, was hier die erfahreren Lehrkräfte von sich geben, z.B. dass jetzt einfach der Begriff „Integration“ durch den Begriff „Inklusion“ ersetzt wird, scheint die Kompetenz auch nicht gerade unermesslich. Des Lateinischen kundig und mit gymnasialer Grundausstattung Sprachanwendung, habe ich jedenfalls keine Probleme, zwischen „Integration“ und „Inklusion“ zu unterscheiden, bzw. die Trennlinie zu erkennen und dann auch im Diskurs die Begriffe zutreffend anzuwenden. Diese Unterscheidung vermisse ich in den Kommentaren sehr. Wäre das Thema hier eine Abituraufgabe, würden die professionellen Kommentatoren wohl eher mit Bravour durchfallen, weil z.B. auch der Kernbegriff der Menschenrechtsverletzung gänzlich fehlt, also komplett ausgeklammert wird und eben nicht zwischen Inklusion und Einzelintegration unterschieden wird (siehe auch mein Kommentar an anderer Stelle). Dass Einzelintegrationen schwierig sind, weiß ich als Mutter eines ab dem 14. Lebensjahr (sekundarstufe!) einzelintegrierten Kindes aus Erfahrung sehr genau. Dass Lehrkräfte immer den falschen Schluss daraus ziehen, und die „ach so falschen Kinder“ verantwortlich machen, zeugt auch nicht von besonderer pädagogischer Kompetenz. Denn es sind nicht die Kinder, die falsch sind, sondern das System ist falsch – von Grund auf!
Nur weil der Bundestag im Dezember 2008 ein Gesetz zur UN-BRK erlassen hat, lösen sich die Probleme der Einzelintegrationen, des Lehrermangels, des separierenden Schulsystems uvm. ja nicht von allein in Luft auf. Und nur durch das GEssetz werden Schulen halt auch nicht inklusiv. Das ist ja erst mal nur Hoffnung verheißende Druckerschwärze auf Papier, eine Absichtserklärung. Dass sich die KuMis anhaltend weigern, die Regel-Schulen inklusiv auszustatten, und die Sonderschulen „runterzufahren“ (sie sind quasi die AKW’s unter den Kraftwerken „Schule“), haben nicht die Kinder oder deren Eltern zu verantworten und auch nicht Herr Wocken! Er hat nur die Fakten zusammengetragen, und die sind nunmal so, wie sie sind (siehe auch @Christine Primbs). Ein Schwund der Sonderschulen hat noch nicht eingesetzt und auch nicht ein Schwund an (ausgesonderten) Kindern dort. Das allein wäre jedoch die logische Konsequenz einer Schulentwicklung, die sich auch nur irgendwie so ähnlich wie „inklusiv“ bezeichnen dürfte. Alles andere bleibt Aussonderung auf viel zu hohem Nieveau, die Ausnahmen sind („Einzelintegrationen oder andere integrative Maßnahmen. Dies hat jedoch mit Verlaub, mit echter, faktischer „Inklusion“ (im Sinne der UN-BRK) auch nicht Ansatzweise zu tun.
Als Menschenrechtsaktivistin braucht man kein Pädagogikstudium und auch nicht die berufliche Erfahrung als Lehrkraft, in welcher Schulart auch immer. Kinder sind sehr vielfältig und unterschiedlich, was die Leistungen in allen Bereichen angeht. In einem Punkt sind sie alle gleich: in ihrem menschlichen Ur-Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Nicht-Ausgrenzung, Inkluaion, (=menschliche Veranlagung/Menschlichkeit/Menschenrecht). Um darüber zu diskutieren, braucht man kein Studium. Die berufliche Unabhängigkeit erlaubt mir wohl eher an diesem Kern des Problems zu rütteln, als im System anscheinend irgendwie „gefangene“ oder gar „befangene?“ Lehrkräfte.

Michael
2 Jahre zuvor

„Drei Kinder großgezogen, in allen Schularten und KiTas und Horten! Ich kenne das Förderschulmilieu sehr gut. War ein paar Jahre fast täglich dort und konnte an der Realität teilhaben und Erfahrungen und Eindrücke sammeln“

So hart das klingt: nein, Muttersein qualifiziert Sie nicht als pädagogische Fachkraft. Auch nicht der Besuch von Fachtagungen. Erstrecht haben Sie keinen Einblick in das System Schule. Auch kein autodidaktisches Selbststudium.

Natürlich können Sie gegen Menschenrechtsverletzungen kämpfen (damit ich den Begriff auch mal verwendet habe). Aber erklären die meine KollegInnen und mich nicht als „scheint die Kompetenz auch nicht gerade unermesslich“, „zeugt auch nicht von besonderer pädagogischer Kompetenz“ und „befangen“. Das ist einfach dämliches Politikerinnengeschwätz und hilft niemandem weiter.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Michael

@ Michael 17. Oktober 2021 um 20:47 – siehe auch Kommentar weiter oben: Lehrer-Joker wird als Allwissenheits-Karte ausgespielt oder sollte man den Joker als Besserwisser-Karte bezeichnen?

Carsten60
2 Jahre zuvor

„Unser Schulsystem ist hochgradig selektiv und aussondernd.“
Vielleicht teilen Sie noch mit, in welchem Land Sie das, was Ihnen richtig erscheint, am ehesten realisiert sehen? Der PISA-Sieger Japan hat ein einheitliches Schulsystem (offenbar mit Inklusion), aber für die höheren Schulen muss man harte Aufnahmeprüfungen bestehen, für die dann schon mal jahrelang „trainiert“ wird. Bei uns gibt’s an den Gymnasien normalerweise keine Aufnahmeprüfungen. Und vergessen Sie bitte nicht den Privatschulanteil, der in Deutschland eher niedrig ist. Die anderen kochen auch nur mit Wasser und haben Selektionen der einen oder der anderen Art! Das isolierte Herumhacken auf Phänomenen in Deutschland geht mir auf die Nerven, wenn andere Länder nicht mit einbezogen werden. Also wo bitte gibt’s das „inklusive Paradies“ ohne Selektion und Aussonderung?

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

PISA ist wohl mit äußerster Vorsicht zu bewerten.
Meines Wissens gibt es nirgends 0 % Absonderung: Es gibt IMMER auch Kinder, deren „special needs“ gerade so sind, dass sie z.B. auf extrem reizarme ggf auch Kontaktarme Umgebung u.v.m. angewiesen sind, deren Eltern überfordert sind (uvm.). Dafür brauchen wir besondere Einrichtungen. Es wachsen ja auch nicht 100 % der Kinder bei ihren Eltern auf (so wie es natürlich und richtig wäre, also nicht mal da ein Paradies) Besondere Umstände und besondere Bedürfnisse müssen individuelle berücksichtigt und und befriedigt werden. Das entscheidende ist, der wirklich individuell bedürfnis-orientierte Blick aufs Kind und nicht die Erfüllung von Systemen bzw. das Füllen von bestehenden Sonderschulen, geben den Ausschlag, nachdem alle „angemessenen Vorkehrungen“ selbstverständlich für alle vorhanden sind (kleine Klassen, 2 Pädagogen, ggf. Individualbegleitung, lernzieldifferenter Unterricht etc.) und beim Individualfall eben doch nicht tauglich sind.
Die Herausforderung liegt also darin, die Aussonderungsquoten so niedrig wie möglich zu halten.
In Italien wurden die Sonderschulen in den 70er Jahren geschlossen. Dort hatten Sonderpädagogen und Psychologen in verschiedenen Tests erkannt, dass besondere Förderung durch Therapeuten weitaus weniger effizient entwicklungsfördernd ist, als die Gemeinschaft, das Spiel in der gemischten Kindergruppe. Pädagogen aus dem Bezirk Reutte hospitierten in Italien (Ausgangspunkt in Italien war Florenz/Toscana), sahen,d ass es gut war und taten es ihnen nach. Auch dort gibt es seit über 40 Jahren keine Sonderschulen mehr.
In den Sakndinavieschen Ländern ist die Situation ähnlich.
Sonderschulen „Lernen“ gibt es nur in Deutschland (soweit ich weiß). Das bewirkt ne sehr hohe Aussonderungsquote.
Besuch eines Workshops über das finnische Schulsystem: Wir geben das Geld nicht für selektive Maßnahmen aus, sondern für die Förderung der Kinder. Dort gibt es eine Lerngruppe von der 1. bis zur 9. Jahrgangsstufe, Kursangebote vom Förderkind bis zum Hochbegabten, und runde Tische bestehend aus Schulpsychologen, Schulleitung, Lehrkraft Eltern und ggf. andere Therapeuten. Die Pädagogik ist inklusiv und lernzieldifferent, lernen in Gruppen ist ganz normal, um nur mal die wichtigsten Voraussetzungen zu nennen. Außerdem sagte der Workshopleiter noch: In Finnland bemühen sich staatliche Schulen so gut zu sein, dass sich keine Privatschulen gründen. Es gibt dort viel weniger Privatschulen.
Solange wir den Kindern die inklusive Schule vorenthalten, aus welchen Gründen auch immer, wo auch immer die Hemmnisse und Hürden sitzen mögen, müssen wir uns damit abfinden, das Menschenrecht auf Inklusion für unsere Kinder zu verletzen. Auch, obgleich es nirgends auf der Welt ne 100-%-Inklusionsquote gibt
In Kanada ist meines Wissens die Aussonderungsquote am niedrigsten.

Carsten60
2 Jahre zuvor

Also ganz so problemlos wie Sie das für Italien schildern, klingt es hier nicht:
https://www.zeitschriftmenschen.at/content/view/full/107075
Ich denke, da wird auch immer vieles schöngeredet.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Die Umstrukturierung hin zu schulischer Inklusion ist der einzige Weg raus aus der Menschenrechtsverletzung der systematischen schulischen Aussonderung, auch wenn’s nicht ohne Schwierigkeiten geht. Wenn die Veränderung einigermaßen resolut angepackt würde (und nicht so’n Wischewasche, basierend auf einer Lass-den-Kelch-möglichst-an-mir-Vorüberziehen-Haltung), überwiegen die Vorteile deutlich über die vorübergehenden Schwierigkeiten in der Umstellungs- bzw. Anfangsphase. Ich kann dieses „Das-wird-dauern“-Mantra echt nimmer hören. Wer, wenn nicht wir und hier und jetzt, soll’s denn bitte tun? Niemand möchte in einer Sonderschule unter lauter Problem-Mitschülern aufwachsen und so sozialisiert werden. Wie das Gymnasium (=Aussonderung nach „oben“) begünstigt, in gleichem Maße schadet Sonderschule (= Aussonderung nach „unten“, quasi in den „Keller“ unseres Schulsystems) fürs spätere Leben. In Kellern gibt’s halt viel weniger Licht als in den Obergeschossen. Das muss man einfach ganz ehrlich zugeben.
Seit jeher haben sich unzählige Eltern dagegen zur Wehr gesetzt (und meist gelitten wie gepeitschte Sklaven) – zu Recht. Statt die Sorgen der Eltern ernst zu nehmen und von dieser, hochproblematischen Aussonderungs-Praxis Abstand zu nehmen, wurden die Hilfsschulen zu „Sonderschulen“ „aufgewertet“. Der Wortteil „Sonder-“ drückte noch ganz ehrlich und unzweifelhaft den verletzenden Effekt der gesellschaftlichen bzw. sozialen Aus-„Sonder-„ung aus. Viele Eltern wehrten sich weiter gegen die Aussonderung ihrer Kinder an Sonderschulen, und daher musste eine andere Begrifflichkeit her. So wurde der euphemistische Begriff der „Förderzentren“ geboren. Suggeriert nicht schon allein dieser Begriff die „beste Förderung“, unabhängig davon, was hinter den Mauern passiert? Statt sich von Aussonderung zu verabschieden und die Regellschulen entsprechend weiterzuentwickeln und auszustatten, wurde immer mehr Geld in die Sonderschulen (jetzt ja Förderzentren) gesteckt. („Ressourcen“, die dann bei den Regelschulen wieder reinzusparen sich geradezu aufdrängte.) Den Eltern wurde der Mund wässrig gemacht mit Hol- und Bringservice an der Haustüre, und Ganztagesbetreuung inklusive Mittagessen und irgendwann sogar der Integration der medizinisch indizierter Therapien. Die Regelschule-Lehrkräfte konnten endlich guten Gewissens die Kinder „wegempfehlen“. Dennoch gab es früher noch viele Lehrkräfte, die totternde, lispelnde oder sonst wie schwächere Kinder mit „durchzogen“. Sie wussten genau, wie schwer es diese Kinder außerhalb des „geschützten Raumes Förderschule“ am Wochenende udn in den Ferien beim Spielen im Dorf, Stadtteil oder Wohnvielrtel haben würden…
Es wurde zwar oben auch schon gesagt, aber man kann es in der Debatte nicht oft genug betonen: Die Therapien werden von den Kassen bezahlt und sind NICHT schulische Förderung! Ebenso wenig wie die an den Förderzentren angegliederten anderen Sozial-Leistungen. Die Eltern und leider auch die Lehrkräfte unterscheiden das (in der Debatte) jedoch nicht redlich. Die Sonderpädagogik „bedient“ sich freizügig und verleibt sich deren „Erfolge“ einfach mit ein. Diese Leistungen zu transferieren, versteht sich von selbst. Würde man die Kassen- und andere Sozialleistungen von den Sonderschulen abschälen, würde der „Betrug“ ganz schnell sichtbar, und die Eltern würden mit den Füßen abstimmen…

Schon 1994 in Salamanca und 2006 (UN) unterzeichnete Deutschland eine Erklärung bzw. einen Vertrag und versprach Besserung. Spätestens 2006 also wurde diese Praxis als Menschenrechte verletzend eingestuft und als solche anerkannt. Es sollte noch weitere 3 Jahre dauern, bis Deutschland durch den Druck der UN aktiv wurde und ein entsprechendes Gesetz verabschiedete. Es drohten Vertragsstrafen. Die Monitoringstelle am Deutschen Institut für Menschenrechte (DIM) in Berlin beurteilt in beiden bisherigen Parallel-Berichten (seit 2009 alle 5 Jahre fällig) die Entwicklung in Deutschland als mangelhaft ein. Schade dass die Verantwortlichen (Individuen selbst) keine Konsequenzen zu befürchten haben für ihr schändliches Hinauszögern. Schüler werden für Entwicklungsverzögerung bzw. -reistenz immer abgestraft. Die Entwicklungsverzögerung der Inklusion dagegen???
Die Ursprünge unseres Schulsystems der Selektion reichen zurück in eine Zeit, in der Bismarck Reichskanzler war und niemand den Begriff Autismus oder Barrierefreiheit benutzte, wenn überhaupt kannte. Ganz ehrlich, das ist, als würden wir heute Feuer immer noch mit dem Feuerstein erzeugen…
Außerdem: Das jetzige System genauso wie die mies gemachte zögerliche (Pseudo-)“Inklusion“ ist sicher keinesfalls unproblematischer bzw. unschwieriger (siehe viele Kommentare oben), als eine resolute Richtungsänderung wäre, wenn man sich denn endlich mit den Ergebnissen inklusiver Forschung anfreunden würde.

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Sie schreiben viel und werfen viele Dinge zusammen. Leider wird nicht immer fair argumentiert. Hier
https://silo.tips/download/auf-dem-weg-zu-einem-inklusiven-bildungswesen-in-europa
wird unter der Überschrift „Artikel 24“ behauptet, dort stünde „Es soll keine Sonder-Schulen geben“. Das ist aber falsch, das steht dort weder in der deutschen noch in der originalen englischen Version.
Andere behaupten, ein inklusives Schulsystem bedeute die „eine Schule für alle“. Auch das gibt die UN-Konvention nicht her. Wenn also die besonders eifrigen Inklusions-Befürworter so vorgehen und vom eigentlichen Text der UN-Konvention eigenmächtig abweichen, brauchen sie sich über Skepsis anderer Leute wahrlich nicht zu wundern. Man soll immer bei der Wahrheit bleiben.

Michael
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

@ Magdalena Federlin

Ganz nüchtern weiß ich besser als Sie, wie die Realität in Schulen aussieht, ja. Das ist nicht allwissend, aber in dem Sinne besserwissend. Dafür kenne ich mich nicht mit Steuerdingen aus und erkläre Ihnen nicht Ihren Job.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Michael

Was Sie so alles glauben zu wissen… Sie meinen mit ein bisschen Google das Leben eines Menschen und dessen Kompetenzen zu kennen… Welch ein schöner Zustand: Google ein bisschen, und du weißt alles… fast schon beneidenswert…

Palim
2 Jahre zuvor

Die Schule wird im Losverfahren vergeben und beim Thema Inklusion die Lose aus dem Topf gezogen, in denen Schulen MIT i-Kindern und OHNE erlasskonforme Stundenzuweisung sind – da werden eine Menge Lose zusammenkommen und die Schule freut sich über das zusätzliche Personal.

potschemutschka
2 Jahre zuvor

@Konfutse
Diese Idee finde ich super! Aber vor allem nicht nur hospitieren und dann demn KuK erzählen, wie es ihrer Meinung nach besser geht, sondern selbst unterrichten. Dann können wir von diesen Theoretikern vielleicht noch was lernen! Ich persönlich lerne gern etwas dazu. Ich glaube aber nicht, dass irgendeiner von denen den Mumm hat. (Bei den Schauspielern war es wenigstens einer- J.J. Liefers- der sich an der „Front“ sehen ließ) Die GEW und VBE könnten doch auch mal an die KUMIs u. a. solch eine Aufforderung initiieren #allemalinklusivunterrichten

Christine Primbs
2 Jahre zuvor

Die meisten Lehrer unterstellen, dass behinderte Kinder nut von Sonderpädagogen betreut und gefördert werden können. Das ist falsch und wird in zahlreichen Ländern widerlegt. Nochmal für alle : Kanada hat nahezu 100% Inklusion, aber weniger Sonderpädagogen als Deutschland im Verhältnis zur Schülerzahl insgesamt. Aber Kanada hat 10 mal so viele Assistenzkräfte in den Schulen. In Deutschland sind es in erster Linie die Berufsverbände der Lehrer, die verhindern wollen, dass mehr Menschen mit pädagogischer Erfahrung, aber ohne Staatsexamen in die Schulen gelassen werden. Es ist daher unsinnig, wenn immer nut auf die Politik geschimpft wird. Die Lehrer sind zu einem großen Anteil selbst daran schuld, dass sie nicht mehr personelle Unterstützung in den Schulen haben, 1. wegen der häufigen Ablehnung von angelernten Assistenzkräften für behinderte Kinder , 2.wegen dem Widerstand dagegen , die Sonderschulen sukzessive aufzulösen und mit diesem Geld stattdessen in der allgemeinen Schule Unterstützungssysteme aufzubauen. Und zwar nicht vorrangig mit Schulpsychologen und Sonderpädagogen, sondern vor allem mit Sozialarbeiter, Krankenschwester, Erzieher usw. Den Therapeuten muss man nur erlauben, in Räumen der allgemeinen Schule ihre Therapien anbieten zu können. Diese werden ohnehin von den Krankenkassen bezahlt. Es ist unglaublich, wie in Deutschland für ein Sonderschulsystem Geld verschwendet wird, ohne nachgewiesenermaßen dort die Kinder besser fördern zu können als in einer allgemeinen Schule mit Assistenzkräften usw Und es ist unverantwortlich, wie in der allgemeinen Schule Kinder, die Unterstützung brauchen, vernachlässigt werden, weil man ihnen Assistenzkräfte versagt. Nach über 10 Jahren Täuschung der Öffentlichkeit muss nun endlich mit dem schrittweisen Umbau des Schulsystems begonnen werden.

dickebank
2 Jahre zuvor
Antwortet  Christine Primbs

Das, was Sie als vorurteile ansehen, bezeichne ich als erfahrungswerte.
Es gibt eine Vielzahl von SuS, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht geeignet sind, in einer Gruppe von bis zu 30 Gleichaltrigen im gemeinsamen Unterricht beschult zu werden. Das Hauptproblem dabei ist, dass dieses Schülerklientel in hohem Maße Zuwendung benötigt. Diese Zuwendung benötigt Zeit, die zwangsläufig für die anderen SuS der Klasse nicht zur Verfügung steht, da das Zeitkontingent begrenzt ist. Des Weiteren bin ich weder als Fach- noch als Klassenlehrkraft bereit, mehr als das zu tun, was in meiner fehlenden Arbeitsplatzbeschreibung ohnehin nicht als Vertragsbestandteil festgelegt worden ist. Dieser Arbeitsvertrag enthält ja nicht einmal eine Kündigungsfrist.

Wenn die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, bin ich gerne bereit, an der Inklusion mit zu arbeiten. Bis dahin beschränkt sich meine Bereitschaft zur Inklusion auf dem Niveau vieler Arbeitgeber. Inklusion ist nämlich ein gesamtgesellschaftliches Thema und nicht ausschließlich ein schulisches.

Alexander
2 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Wusste gar nicht, dass Arbeitgeber für ihre Tätigkeit einen sozial-pädagogische Ausrichtung haben müssen. Während Arbeitgeber Betriebe leiten, also andere Leitsungen erbringen als Erziehung, unterrichten Lehrkräfte Kinder und Jugendliche und sollen sich dabei möglichst um jedes Kind, das in ihrer Klasse sitzt, gleich gut bemühen. Da kann es dann halt auch mal passieren, dass bei der inklusiven Entwicklung unserer Schulen für manche Lehrkräfte Zusatzaufgaben wie individuelle Lehrpläne uvm. auftauchen. Das Kind kann jedenfalls nichts dafür, wenn das an den Schulen nicht ohnehin üblich ist, wenn also gute Bedingungen fehlen (Schulstrukturelle Entwicklungsverzögerung!) bzw. die Lehrkräfte an den Unis das noch nicht erworben haben, sondern quasi mit einer Art „inklusiver Entwicklungsverzögerung“ auf die Kinder treffen. Vielleicht mal ein bisschen runter vom sozialdarwinistischen Aussonderungsgaspedal und motivierter an der eigenen inklusiven Entwicklungsverzögerung arbeiten. Nach über 12 Jahren UN-Konvention könnte man von engagierten Lehrkräften schon ein bisschen mehr Aufholgeist bei den eigenen inklusions-defizitären pädagogischen Fähigkeiten erwarten. Stattdessen auf die Politik schimpfen und kräftig jammern…

Marie
2 Jahre zuvor
Antwortet  Christine Primbs

1. Ich wäre froh um jede Assistenzkraft, die ich kriegen könnte. Es gibt aber noch nicht mal für mein autistisches Kind einen Integrationshelfer, lehnt das Jugendamt kategorisch ab.
2. Unsere Schule hat nicht mal genug Fachräume und Sporthallenplätze, wo sollen denn da Räume für Therapeuten herkommen?
3. Täuschung der Öffentlichkeit? Aber sicher. Indem man Eltern einredet, die Förderschule wäre schlechter und nur die Regelschule wäre das Nonplusultra.
4. FS sind im allgemeinen schwerpunktbezogen. In meiner Klasse sitzen Kinder mit Schwerpunkt Lernen, Sprache, ein hörbeeinträchtigtes Kind, ein Autist und Kinder mit emotionalen Entwicklungsstörungen. Vor allem letztere sind bei 29 anderen hoffnungslos überfordert und an „normalen“ Unterricht ist oft nicht zu denken. Ganz nebenbei gibt es dann auch noch Kinder, die der deutschen Sprache kaum bis gar nicht mächtig sind. Auch wenn es Eltern nicht hören wollen, aber am meisten leiden unter diesen Verhältnissen die ganzen Kinder, die ohne Beeinträchtigungen da sitzen.

Ausderpraxis
2 Jahre zuvor

@ Christine Primbs
„In Deutschland sind es in erster Linie die Berufsverbände der Lehrer, die verhindern wollen, dass mehr Menschen mit pädagogischer Erfahrung, aber ohne Staatsexamen in die Schulen gelassen werden.“
Das stimmt so nicht! Es geht darum, dass Menschen ohne Lehrerausbildung keinen UNTERRICHT an Schulen erteilen sollten, um den Lehrermangel abzufangen! Es geht keinesfalls um Assistenzkräfte!

„Die Lehrer sind zu einem großen Anteil selbst daran schuld, dass sie nicht mehr personelle Unterstützung in den Schulen haben, 1. wegen der häufigen Ablehnung von angelernten Assistenzkräften für behinderte Kinder ,“ ….
Jeder Lehrer ist dankbar dafür, eine Assistenzkraft für ein Kind mit Sozial-emotionaler-Entwicklungsstörung zu bekommen! Dabei ist es fast egal, ob diese Person eine pädagogische Ausbildung hat oder nur in einem 2-wöchigen Kurs geschult wurde! Aber auch wenn alle Gutachten geschrieben und bürokratische Vorgaben erfüllt werden, so ist es immer noch reine Glückssache, ob ein Mensch zur Verfügung steht! Es kann bis zu 2 Jahren dauern, bis man Unterstützung bekommt, weil auch in dem – extrem schlecht bezahlten – Bereich ein großer Mangel besteht!
Assistenz für Kinder mit Lernschwächen gibt es gar nicht! Da kommt an 2 Stunden die Woche eine Förderschullehrkraft, wenn denn eine vorhanden ist!

„2.wegen dem Widerstand dagegen , die Sonderschulen sukzessive aufzulösen und mit diesem Geld stattdessen in der allgemeinen Schule Unterstützungssysteme aufzubauen.“
Das entscheiden doch Lehrer nicht!
Unser Förderzentrum wurde – bis auf die Blindenklassen – vor 8 Jahren aufgelöst, die Räume an die VHS, private Musik- Joga- und Malschulen sowie Vereine vermietet, die Anzahl der Förderschulkollegen heruntergefahren. Von dem eingesparten Geld kam NICHTS an der Regelschule an.

„Und zwar nicht vorrangig mit Schulpsychologen und Sonderpädagogen, sondern vor allem mit Sozialarbeiter, Krankenschwester, Erzieher usw.“
An den meisten Grundschulen gibt es eine halbe Sozialarbeiterin, das ist alles!

„Den Therapeuten muss man nur erlauben, in Räumen der allgemeinen Schule ihre Therapien anbieten zu können. Diese werden ohnehin von den Krankenkassen bezahlt.“
Welche Räume??? Wir wären schon froh, wenn wir der Förderschullehrkraft oder der Sozialarbeiterin einen eigenen Raum anbieten könnten. So wandern diese von Klassenraum zu Klassenraum, je nachdem welche Klasse gerade Sport hat! Gruppenräume gibt es auch nicht, da die Schule zweizügig konzipiert wurde, aber inzwischen 3 1/2 zügig läuft!
Selbst Rolli-Kinder kommen an die nicht barrierefreien Schulen! Kein Aufzug, kein Treppenlift! Migration und Stadtflucht haben unseren Ort von 28.000 EW auf 36.000 EW wachsen lassen, die Anzahl der Schulen hat sich nicht erhöht, nur muss heute jede Besenkammer als Unterrichtsraum genutzt werden. Die Klassenräume wurden verkleinert, damit aus 2 Klassenräumen 3 werden können und laufen über! Die Räume werden vormittags von der Schule, nachmittags von der OGS und abends von der VHS genutzt.
Wo man da noch Therapie- oder Krankenräume unterbringen soll, erschließt sich mir nicht! Die dringende Bitte um eine Schulkrankenschwester wurde gerade mal wieder abgeschmettert!
Aber wahrscheinlich sind auch die Lehrer daran Schuld, oder?

Seit Jahren stehen Anbauten an Schulen an! Bei uns sollte es nun 2022 endlich beginnen.
7 (in Worten: sieben) Klassen- und Gruppenräume sollen angebaut werden, um die Mindeststandards zu erfüllen, aber dann kam Corona und die Stadtkassen sind leer.

„Und es ist unverantwortlich, wie in der allgemeinen Schule Kinder, die Unterstützung brauchen, vernachlässigt werden, weil man ihnen Assistenzkräfte versagt.“
Bitte beschweren Sie sich nicht bei den Lehrern sondern bei den Politikern Ihres Vertrauens!
Ich habe in meiner ersten Klasse ein Kind, dass sich immer wieder unter den Tisch setzt und lauthals bellt! Glauben Sie wirklich, dass ich mich einer Assistenz verweigern würde???
Aber da die Eltern eine Überprüfung des Kindes verweigern, müssen alle Erstklässler damit leben!

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Ausderpraxis

@ausderpraxis: haben Sie praktische Erfahrung mit menschenrechtsverletzender Aussonderung Ihres Kindes gemacht?

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor

Die Diskussion offenbart: Die Lehrkräfte der Regelschule beklagen den Mangel an Personal/Ressourcen (allgemein, erst recht für Integration), und verteidigen dennoch das bestehende System der systematischen Aussonderung. Ist das nicht irgendwie widersprüchlich? Sie täten vllt gut daran, mal ne richtige Wut auf die Ressourcenintensität an FöSch entwickeln (da fließen exorbitante Mittel hin, die dann freilich an den Regelschulen fehlen) und ähnlich Kindgerechte Bedingungen einfordern. 2 Pädagogen-System, kleine Lerngruppen (ca 20) und ggf therapeutiische oder sonstige pädagogische Unterstützung. Ausnahmslos jedes Kind sollte uns als Gesellschaft das wert sein.
(Keine Angst: Das wird nicht teurer als der Erhalt des trennenden Systems bzw. der Erhalt der Pseudo-Inklusion – die freiwerdenden Ressourcen (zusätzliche Kräfte/doppelte Schulverwaltung [bis zur ministeriellen Ebene hin]/Transport/Gebäude) wandern von den FöSch an die Regelschulen.
Für all das eingesparte Geld kann man locker 20:2 finanzieren und alle Kinder und Lehrkräfte hätten endlich angemessene Gruppengrößen und ggf die notwendige Unterstützung bei Ausnhahmefällen…

Palim
2 Jahre zuvor

Ich verstehe die Rechnung nicht.
An der FöS sitzen 16 Kinder in einer Klasse mit einer Sonderpädagogin- wenn denn überhaupt eine vorhanden ist.

Bei der Inklusion werden diese 16 Kinder auf die umliegenden Grundschulen verteilt. Nun sitzen die 16 Kinder in verschiedenen Klassen.
Wie soll die eine Sonderpädagogin denn nun gleichzeitig diese Kinder als doppelte Kraft unterstützuen? Wenn sie 20:2 anstreben müsste doch für jede Grundschulklasse eine 2. Kraft vorhanden sein und das, obwohl schon vorab ein Mangel an Lehrkräften in den Grundschulen und auch in den FöS gegeben ist.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Auch hier in news4teachers veröffentlicht:
Studie: Abgänger von Förderschulen finden schwer in Ausbildung und Arbeitsmarkt
Zitat aus dem Artikel: “
Malte Sandner. „Es wäre jedoch nicht zulässig, den Förderschulbesuch kausal für das schlechtere Abschneiden verantwortlich zu machen, da mit den vorliegenden Daten nicht ermittelbar ist, wie diese Jugendlichen an einer Regelschule abgeschnitten hätten.“ Hier wäre UN-konform die Frage, wie sie in der inklusiven Schule abgeschnitten hätten. Diese wird hierzulande anhaltend verweigert.
Stattdessen wird zur Lösung des Problems die Erhöhung der Ressourcen in den Sonderschulen vorgeschlagen – „eine bessere Unterstützung an Förderschulen zur Erreichung eines Hauptschulabschlusses“. Im HH Unterricht und Kultus allein wird für Sonderschüler schon etwa doppelt so viel ausgegeben (leider ineffizient, wie viele Studien belegen, siehe auch hier) plus viel höhere Verwaltungs-, Transport-, Sozial- und Therapiekosten. Ja wieviel denn noch?!
Gesonderte Beschulung scheint hierzulande eine Art heilige Kuh zu sein. Statt endlich mal deren Ineffizienz einzugestehen und folgerichtig die Abkehr zu proklamieren, sollen noch mehr Ressourcen ind ie Sonderung hineinfließen. Warum dann nicht endlich das Geld für die inklusive Schule ausgeben? Statt transport- und Verwaltungskosten mehr inklusiv ausgebildete Lehrpersonen bezahlen. Das wäre effizienter. Davon würden ALLE profitieren. Da individuelle Förderung allen lelich zur Verfügung stände, auch den weniger, durchschnittlich, hoch- oder „Insel“-begabten Schülern, die jetzt in den Regelschulen in überfüllten Klassen mit bisweilen überforderten Lehrkräften sitzen.
„Gleichwohl lässt sich aus den Ergebnissen eben auch kein Argument für eine Sonderbeschulung ableiten.“

Michae
2 Jahre zuvor

„ Das wird nicht teurer als der Erhalt des trennenden Systems bzw. der Erhalt der Pseudo-Inklusion“

Haben Sie dafür belastbare Zahlen?

Wollen Sie jetzt wirklich RegelschullehrerInnen gegen SonderschullehrerInnen aufhetzen?

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor

Die zentrale Fragen lauten: Wollen wir weiter die Menschenrechtsverletzende schulische Aussonderung aufrechterhalten? Wie lange noch? Wieviele Kinder bzw. Generationen sollen noch darunter leiden?
Inklusion (=NICHT-aussonderndes System) ist die einzige Menschenrechtskonfome Lösung – auch wenn es nicht 100% „Inklusion“ geben werden kann.
@Verbot der Sonderschulen: Es ist richtig: In der Konvention werden Sonderschulen nicht expressis verbis verboten. Das Gebot bzw. Versprechen der unterzeichnenden Staaten heißt: So wenig Aussonderung möglich bzw. unumgänglich (siehe weiter oben: Art. 24 UN-BRK). Davon sind wir auch 12 Jahren nach Gesetzgebung leider Meilenweit entfernt: Zwischen 100 % Aussonderung und nahezu 100% Inklusion ist ein sehr breites Feld. Von unseren 100% Aussonderungs-Problemen (impliziert sind hier auch die schlecht ausgestatteten Integrationsversuche innerhalb des grds. aussondernden Systems) sollten wir schnellstmöglich wegkommen.
In diesem System leiden nicht nur die Kinder, sondern, wie man gut aus obigen Kommentaren herauslesen kann, auch viele Lehrkräfte.
@Kosten: Das separierende Schulsystem bildet sehr komplexe Situationen und Probleme aus: Kosten für Lehrkräfte, Doppelstruktur – Verwaltung und Gebäude, Diagnostik, Thearapie, Sozialleistungen, Transport. Das Zahlenmaterial dazu ist ebenso komplex wie umfangreich. Dies in so einem Kommentar aufzuzeigen ist leider unmöglich.
@aufhetzen: Nein, ich will nicht die einen gegen die anderen aufhetzen.
Eine positive Einstellung und mehr Mut und Zutrauen zum längst überfälligen Abschied -!!!-von der in unserer Gesellschaft als notwendig, ja irgendwie als alternativlos erscheinenden bzw. dargestellten schulischen Aussonderungskultur zu erzeugen, das schon. Der schulischen Aussonderungskultur folgt automatisch die nahezu 100%ige soziale Aussonderungskultur in Arbeit, Wohnen, Freizeit. Und die schmerzt ein Leben lang.

Carsten60
2 Jahre zuvor

Merkwürdig, was manche in diesen Art. 24 alles hineinlesen, was aber nicht dort steht. Hier der „amtliche“ Text und dann noch eine „Schattenüberetzung“ (dass es die gibt, ist allein schon merkwürdig):
https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/zukunft-bildung/216492/un-behindertenrechtskonvention
Die Übertragung der englischen Originalversion ins Deutsche scheint eine Domäne von Lobbyisten und Parteipolitikern zu sein. Vielleicht sollte man besser direkt die englische Version zugrunde legen. Von „so viel bzw. so wenig wie möglich“ ist da nicht die Rede. Das wird alles indirekt verklausuliert, wie bei internationalen Vereinbarungen üblich.

Magdalena Federlin
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

„Inklusiv“ und „integrativ“ sind keine Synonyme.
Merkwürdig ist nicht die Schattenübersetzung des Art. 24, sondern dessen erste amtliche Übersetzung. Darin wird der entscheidende Passus „shall ensure an inclusive education system at all levels and lifelong learning“ mit „gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen“ und daher sprachlich-inhaltlich schlicht falsch übersetzt, gerade so, als gäbe es keinen Unterschied zwischen den beiden Begriffen. (Wäre das eine Schulaufgabe gewesen, wäre an dieser Stelle der Aufgabe von der Lehrkraft die rote Fehler-Markierung mit hohem Punktabzug gesetzt worden = falsche Übersetzung, falsche Begriffsverwendung, Kern des Themas verfehlt!)
Es geht also darum, den sehr großen wie ebenso menschenrechtlich bedeutsamen Unterschied zwischen „inklusiv“ und „integrativ“ aufzuzeigen. Ein Versuch am Beispiel der Grundschulstufe (=ohne Separierung Gymnasium/Realschule):
Die Schulpflicht gilt für alle Kinder gleich (=Recht/Verpflichtung). Im Grundschulalter legt der Wohnsitz (!) die Zugehörigkeit aller Kinder, also deren natürlich bestehende Zugehörigkeit/Inklusion zum jeweiligen Grundschul-Einzugsgebiet fest. Dieser „natürlich inklusive Zustand“ ist übrigens auch Verfassungsrechtlich konform: Gleichheit, Würde, Schutz der Familie etc. Die Kinder sind als Teile der menschlichen Gruppe, in der sie leben, natürlicher Weise sowie verfassungs- und menschenrechtlich alle gleich inklusive Individuen des Schul-Einzugsgebietes. Der Wortlaut der Konvention im Originaltext: „quality and free primary education and secondary education on equal basis with others in the communities in which they live“ – übersetzt mit „gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben“. Insofern ist also ausnahmslos jedes Kind gleich an Inklusion/inklusiv. Dies entspricht auch unserem sozialen, humanistisch, ethischen und zivilisatorischen Anspruch/Selbstbild einer Gesellschaft. Da steht nirgends „Kinder mit Behinderungen im Grundschulalter ausgenommen“. Eine „Ich habe eine Behinderung, deshalb will ich nicht dazugehören“-Veranlagung gibt es nicht.
Daraus folgt: Erst nach (!) dem Menschen- und Grundrechte-verletzenden Eingriff/Vorgang der schulsystematischen Aussonderung aus der Grundschule wird für diese Kinder überhaupt ein Integrationsbedürfnis erzeugt (!) – präziser formuliert, eine Art „Re-Integrationsbedürfnis“. Schulische Aussonderung erzeut zusätzlich zur Ausgangs-Einschränkung ein großes soziales und gesellschaftliches Problem, das diese Individuen vorher gar nicht hatten, ja mehr noch, ohne sondernde schulische Pädagogik überhaupt nicht hätten.

Heiko G.
1 Jahr zuvor

Hallo.
Das alles ist sehr, (passender extrem) linke ,wie allzu oft und bekannt utopische, realitätsverweigernde Politik, die an der Wirklichkeit immer scheitern wird!! Und liebe Lehrerinnen und Lehrer, mein Mitgefühl hält sich stark in Grenzen, da die politischen Kräfte, die für das Disaster in der deutschen Bildungspolitik verantwortlich zeichnen, sich immer auf die Stimmen der hier genannten Berufsgruppen, verlassen konnten und ich befürchte auch immernoch können! Wer immernoch nicht begriffen hat, daß nicht kommt was wir uns wünschen, sondern wir nur versuchen können aus dem was kommt so gut es geht wünschenswertes zu machen, der zerstört mit seinen Ansprüchen am Ende Alles!