Normalbetrieb in Schulen? Von wegen. Bündnis fordert: Krise eingestehen, Druck rausnehmen!

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MÜNCHEN. „Eltern, Schulleitungen und Lehrkräfte sind sich einig: Ein Schönreden der Lage an den Schulen hilft nicht!“, so heißt es. Denn eines stehe bereits fest: „Auch dieses wird nicht das herbeigesehnte, halbwegs normale Schuljahr. Die Schulen befinden sich aufgrund der hohen Inzidenzen erneut im Krisenmodus.“ Die Landes-Eltern-Vereinigung für die Gymnasien (LEV), die Verei­nigung der Direktorinnen & Direktoren der Bayerischen Gymnasien (BayDV) sowie der Bayeri­sche Philologenverband (bpv) äußern in einer Pressemitteilung gemeinsam ihre Frustration – sie fordern von Politik und Gesellschaft eine ehrliche Bestandsaufnahme.

Normalbetrieb in den Schulen? Davon kann keine Rede sein. Illustration: Shutterstock

Die hohen Inzidenzen in Bayern machen auch vor den Schulen nicht Halt. Sie beeinträchtigen den Unterrichtsalltag und das Unterrichtsgeschehen massiv – nicht nur in den Hochinzidenz­gebieten –, und die Verunsicherung wächst.

„Was an den Schulen momentan geleistet wird, ist ein Spagat: Zwischen dem Wunsch nach einem normalen Schuljahr und der Bewältigung der Pandemie“, so beschreibt der Philologen-Landesvorsitzende Michael Schwägerl die Gemengelage. „In den ersten Wochen mussten wieder Arbeitshaltung und Struktur im Unter­richt geübt werden, das nahm viel Zeit in Anspruch. Dazu kommt die wachsende Zahl an Schülerinnen und Schülern in Quarantäne: Diese müssen mit Material versorgt werden, sie dürfen den Anschluss nicht verlieren. Durch die Quarantäne und erste Krankheitswellen herrscht im Klassenzimmer ein Kommen und Gehen, an geregelten Unterricht ist oft nicht zu denken. Den Normalbetrieb aufrechterhalten und gleichzeitig Corona bewältigen – dieser Spagat ist vielerorts zu groß geworden.”

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„Die Schulen tun gerade alles, um einen sicheren Schulbetrieb aufrecht­zuerhalten und Rückstände aufzuholen”

Dazu komme noch der Druck durch die anstehenden Schulaufgaben und Tests. „Natürlich brauchen wir Leistungsnachweise und Noten als verlässliches Feedback-Instrument. Aber wenn der Schulalltag unberechenbar wird und Termine ständig verschoben oder mehrere Nachtermine angesetzt werden müssen, dann brauchen wir weniger Vorgaben und eine Reduzierung der Leistungsnachweise von offizieller Seite. Die Anzahl der Schulaufgaben zu überdenken und anzupassen haben wir bereits Ende des letzten Schuljahres gefordert“,  erklärt Schwägerl. „Die Schulen tun gerade alles, um einen sicheren Schulbetrieb aufrecht­zuerhalten und Rückstände aufzuholen. Dabei kann die reine Planerfüllung aktuell nicht an erster Stelle stehen. Und auch bei Zusatzaufgaben und Projekten muss die Erwartungs­haltung an die Schulen dringend der Realität angepasst werden.”

Ähnliches berichtet Birgit Bretthauer, Vorsitzende der LEV, aus Sicht der Eltern: „Die Situation an den Schulen spitzt sich zu. Uns erreichen täglich Meldungen, dass die psychische Gesund­heit vieler Schülerinnen und Schüler deutlich abgenommen hat und auch die Stofflücken zunehmend Probleme im Schulalltag bereiten. Die Schulpsychologinnen und Schulpsycho­logen sowie die Beratungslehrkräfte können die schiere Menge der Beratungsanfragen kaum mehr stemmen. Zusätzlich haben wir die Rückmeldung, dass an einigen Schulen unter anderem aufgrund von Krankenstand und Quarantäne-Anordnungen ein regulärer Unterrichtsbetrieb bald nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Die Verwaltungskräfte können ein Lied von den vielen besorgten Nachfragen singen, die tagtäglich an sie gerichtet werden. Neben den Ängsten und Sorgen, die die aktuelle pandemische Lage mit sich bringt, belastet viele Familien die unsichere und angespannte Situation an den Schulen zusätzlich.”

„Es braucht keinen zusätzlichen Druck von außen, sondern eine realistische Erwartungshaltung“

Walter Baier, Vorsitzender der Direktorenvereinigung, meint: „Die Schulen sollen laut Politik offen bleiben. Tagtäglich tragen alle vor Ort dazu bei, die Klassenzimmer zu möglichst sicheren Orten zum Lernen zu machen. Da braucht es keinen zusätzlichen Druck von außen, sondern eine realistische Erwartungshaltung und eine ehrliche Bestandsauf­nahme. Der Wunsch nach einem normalen Schuljahr ist leider nicht Wirklichkeit geworden – und das müssen sich alle eingestehen und daraus umgehend Konsequenzen ziehen.“ News4teachers

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8 Kommentare
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xy
2 Jahre zuvor

Warum fordert man nicht realistischerweise das, was medizinisch geboten ist, um weitere Tote zu vermeiden? Warum schickt man nicht wenigstens die älteren Schüler in den Distanzunterricht? Und die jüngeren in Kleingruppen bis zur Kinderimpfung. Spätestens nach den heutigen Zahlen zeichnet sich ab, dass ein Lockdown nicht zu vermeiden sein wird. Operationen werden verschoben und die Patientenverlegungen haben begonnen. Wollen wir wirklich ein deutsches Bergamo? Chinesische Kollegen sagen Dienstreisen nach Deutschland ab, weil Corona außer Kontrolle gilt. Wir werden von der restlichen Welt bedauert.
Es gehört auch zur Ehrlichkeit, dass Schulen Drehscheiben für das Infektionsgeschehen sind. Warum schiebt man nicht drei Wochen der Sommerferien in den Dezember? Oder schaltet in einen Hybridunterricht? Es ist höchste Zeit für kreative Lösungen. Das ist das 21Jahrhundert und nur Betonköpfe bestehen bei Inzidenzen um 1000 auf Unterricht im vollen Klassenzimmer.
Wie viele Wissenschaftler und Ärzte sollen denn noch warnen?

Maren
2 Jahre zuvor
Antwortet  xy

Die älteren,die sich impfen lassenkönnen,sollen zuhause lernen,die kleinsten aber müssen hin?Bei den Inzidenzen wäre das mindeste,die Präsenzpflicht aufzuheben.

xy
2 Jahre zuvor
Antwortet  Maren

Mit Aussetzung der Präsenzpflicht, selbstverständlich. Das hätte schon bei dem ersten Kind, das mit Covid auf der Intensivstation liegt, passieren müssen. Eltern werden im Moment bei Inzidenzen über 1000 gezwungen, ihr Kind einer Infektion auszusetzen.

Rosa
2 Jahre zuvor

Herr Scholl vom PhV-BW hat eine Aufruf gestartet in BW zu G9 zurück zu kehren und den Kindern eine angemessene Aufarbeitungszeit zu ermöglichen.https://www.phv-bw.de/zumeldung-des-phv-bw-zur-pressemitteilung-der-initiative-buendnis-g9-jetzt-fuer-ein-corona-aufholjahr-durch-g9-an-den-gymnasien/ Die G8 Schulen in BW haben ein verkürztes Schuljahr und in dem Ausnahmezustand ein G7 Schuljahr absolviert. Die anghäuften Lernrückstände in verschiedenen Fächern ist für die Schülerschaft eine große Last geworden und der Lernfrust ist unter den Schülern groß. Ein Aufholprogramm ist in BW an den G8 Schulen nicht angekommen und die Mogelpackung ist ohne Inhalt verteilt worden. Frau Schopper hat große Wellen geschlagen und Versprechungen gemacht und die Schulen haben keine tragenden Lösungen um die schwere Bildungskrise bewältigen zu können. Frau Schopper spricht nur von etwaigen Rückstände und hat nicht mit aller Ehrlichkeit die Notlage anerkannt die an Schulen herscht. Man Schüler und Schulen hingehalten und Unwahrheiten verteilt, die nicht eingetroffen sind. Förderung gibt es nicht und Lichtblicke sind nicht gesetzt worden von Frau Schopper. https://www.phv-bw.de/zumeldung-des-phv-bw-zur-pressemitteilung-der-initiative-buendnis-g9-jetzt-fuer-ein-corona-aufholjahr-durch-g9-an-den-gymnasien/ Frau Schopper hat sich an aller Öffentlichkeit für Gemeinschaftschulen bekannt und ist Fan dieser Schulart. In der schweren Krise von Schüler ein schwerer Schlag für die Schüler ins Gesicht.

Rosa
2 Jahre zuvor

Dieses Schujahr ist auch in BW bei G8 Schulen kein normales Schuljahr. G8 Schulen stehen an der Wand und die Leistungsstärke ist sehr unterschiedlich. Für den Lehrer ist eine große Herausforderung den unterschiedlichen Leistungsstärken gerecht zu werden. Die Schüler brauchen eine faire Lernzeit und Lernfreude muss nach dieser schweren Krise für die heranwachsende Generation geschaffen werden.https://www.youtube.com/watch?v=5sHV3RZQHtY

Rosa
2 Jahre zuvor

Frau Schopper schafft keine Perspektiven an G8 Schulen….https://www.openpetition.de/petition/blog/g9-jetzt-baden-wuerttemberg

Katinka
2 Jahre zuvor

Ich sehe es anders. Dieses Gerede um den Druck am Gymnasium (insbesondere in München, wo ja fast jeder aufs Gymnasium geht) geht mir ziemlich auf die Nerven. Meine Erfahrung ist, dass die SchülerInnen verlernt haben, vernünftig zu lernen, weil sie so lange nicht in der Schule waren und teilweise ein Jahr lang keine Schulaufgabe mehr geschrieben wurde, da ja alles immer nur ausfiel, sogar in Zeiten, wo es Präsenzunterricht gab. Sie sind völlig überfordert damit, weil sie nie so richtig da reingewachsen sind, sich entsprechend vorzubereiten und den Stoff auch zu Hause nochmal durchzuarbeiten. Das macht kaum jemand; es wird nur gejammert, nicht richtig gelernt, dann hagelt es schlechte Noten. Es wird aber nicht besser werden, wenn wir alles ausfallen lassen und noch mehr Druck rausnehmen; ohne jeglichen Druck lernt keiner mehr zuverlässig etwas!