Studie: Kopfnoten sind wirkungslos – Wissenschaftler urteilen: „Viel Lärm um nichts“

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MÜNCHEN. Die heiß diskutierte Bewertung des Verhaltens von Schülern durch sogenannte Kopfnoten ist nach einer Analyse des Ifo-Instituts bedeutungslos für Bildungserfolg und Berufseinstieg. Die Forscher fanden bei einer Datenanalyse keine größeren Unterschiede zwischen Schülern mit und ohne die Bewertung, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut aus München am Montag mitteilte. Die kontrovers geführten Debatten um diese Noten seien «viel Lärm um nichts», sagte Ifo-Forscher Florian Schoner.

Kopfnoten? Haben offenbar keinen Einfluss auf das Verhalten von Schülern. Foto: Shutterstock

Verhaltensnoten für Schülerinnen und Schüler sind bedeutungslos für den Bildungserfolg und den Einstieg ins Berufsleben. Das hat eine neue Studie des ifo Instituts herausgefunden. „Weder bei Schulleistungen, Charaktereigenschaften oder der Erwerbstätigkeit können wir bedeutsame Unterschiede für Schulkinder mit und ohne Verhaltensnoten nachweisen. Diese ‚Kopfnoten‘ scheinen sich also weder positiv noch negativ auf die Entwicklung der Schüler*innen auszuwirken“, sagt ifo-Forscher Florian Schoner.

„Unsere Ergebnisse zur ‚Kopfnoten‘-Reform legen nahe, dass sich die politischen Bemühungen auf andere Bereiche konzentrieren sollten“

Die Studie illustriere ein Beispiel dafür, dass über manche Bildungsreformen zwar in der Öffentlichkeit heftig debattiert wird, sie aber keinen messbaren Unterschied für die betroffenen Schülerinnen und Schüler erzeugen. „Aus politischer Sicht ist das sehr aufschlussreich“, sagt ifo-Forscherin Larissa Zierow. „Die Wissenschaft benötigt messbare Beweise, um zu klären, ob viel diskutierte Reformen überhaupt Folgen haben. Unsere Ergebnisse zur ‚Kopfnoten‘-Reform legen nahe, dass sich die politischen Bemühungen auf andere Bereiche konzentrieren sollten, um die Qualität des Bildungssystems zu erhöhen.“

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Für die Untersuchung verwenden die Autorinnen und Autoren drei umfangreiche Datensätze: Vergleichstests in der neunten Klasse, Messungen von Charaktereigenschaften, wie beispielsweise Gewissenhaftigkeit, aus Haushaltsbefragungen sowie Daten zum Einstieg in das Erwerbsleben aus dem Mikrozensus, der jährlichen Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik in Deutschland. Nimmt man Befürworter und Gegner von Verhaltensnoten beim Wort, sollte all dies von der Benotung betroffen sein. Messbar bestätigen lassen sich diese theoretischen Überlegungen jedoch nicht. Schoner sagt zur Erklärung, der zusätzliche Informationsgehalt von Verhaltensnoten sei deshalb gering, weil Fachnoten das Verhalten und die Mitarbeit der Schüler bereits zum Teil umfassten.

In der Studie vergleichen die ifo-Forscherinnen und -forscher Florian Schoner, Lukas Mergele und Larissa Zierow Bildungsreformen von Bundesländern, die Verhaltensnoten in ihrem Schulsystem eingeführt haben. „Durch die gegensätzlichen Ansichten zu Nutzen und Schaden von Kopfnoten gab es in den 2000er Jahren immer wieder Bildungsminister*innen, die Kopfnoten abschafften oder wieder einführten. Diese zeitlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern nutzen wir, um die Folgen dieser Benotungsform für die Schüler*innen zu untersuchen“, erklärt ifo-Forscher Lukas Mergele die Vorgehensweise. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu der vollständigen Studie.

Lehrerverband kämpft mit Online-Petition für den Erhalt von Kopfnoten – die meisten Bürger halten sie für „aussagekräftig“

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18 Kommentare
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Nachgedacht4
2 Jahre zuvor

Ja, genau, einmal im Halbjahr eine Verhaltensnote ist genauso nutzbringend wie einmal im Halbjahr ein „Verhaltenstext“.

Das Problem ist nicht das Ob, sondern das Wie. Zu selten, zu anonym, zu oberflächlich.

Nachgedacht4
2 Jahre zuvor

Könnte das Info-Institut bitte auch mal untersuchen, ob es signifikante Unterschiede zwischen Kindern mit un Fachnoten gibt hinsichtlich ihrer Leistungen?

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Nachgedacht4

Eine Kollegin hat mal aus den Fachnoten ihr unbekannter Schüler einfach zum Spaß mal die Kopfnoten getippt. Das Ergebnis war erstaunlich gut. Das ist aber auch nicht weiter verwunderlich, weil besonders gute Zeugnisse nur mit entsprechend guter Arbeitshaltung erzielbar sind, und besonders schlechte Zeugnisse bei den heutigen Lehrplänen mehr ein Ausdruck mieser Arbeitshaltung als von kognitiven Grenzen sind. Außerdem waren damals die Kopfnoten so definiert, dass der Regelfall das „gut“ zu setzen war, und nur in begründeten Ausnahmen auf das „befriedigend“ und bitte bloß nicht das „unbefriedigend“ zu setzen war.

Pälzer
2 Jahre zuvor

Zeugnisse dienen zuallererst der Information der Eltern. Ob jemand in Klasse 6 gut mitarbeitet und gutes Sozialverhalten hat, sollte keinen Arbeitgeber interessieren, aber Vater und Mutter schon.

Nucatino
2 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Das sehe ich auch so und das wollen die auch (meistens) wissen. Dafür ist nur 1x pro Halbjahr ein Witz !

Lakon
2 Jahre zuvor

Kann man diesen Text auch ungegendert kriegen?

Tom
2 Jahre zuvor
Antwortet  Lakon

Wo wird denn im Text gegendert?

Sven Köhler
2 Jahre zuvor
Antwortet  Tom

Nun zb hier „Schüler*innen“. Das wird der zitierte Mamm kaum „gesagt“ haben können, da man den * in einem Wort nicht sprechen kann.

michael felten
2 Jahre zuvor

Kann man leider nur schwer überprüfen, da das – in München ansässige – Institut es für sinnvoll hielt, die Studie nur englischsprachig zu veröffentlichen.

Leisetreter
2 Jahre zuvor

Ich finde auch, Verhaltensnoten sind genauso sehr oder wenig sinnvoll wie Fachnoten. Auch Fachnoten sind niemals objektiv. Also entweder nützen Noten etwas oder Noten, egal welche, nützen nichts.

Und wie hat das Institut den Einfluss von Verhaltensnoten auf das Verhalten gemessen, wenn man doch angeblich Verhalten nicht messen kann? Sie haben den Einfluss von Verhaltensnoten auf die Leistungen (Fachnoten) untersucht, aber bei Verhaltensnoten geht es um Verhalten und Rückmeldungen dazu!

mama51
2 Jahre zuvor

Pfälzer:“Zeugnisse dienen zuallererst der Information der Eltern. Ob jemand in Klasse 6 gut mitarbeitet und gutes Sozialverhalten hat, sollte keinen Arbeitgeber interessieren, aber Vater und Mutter schon.“
Jawohl, das stimmt genau!
Aber ich denke, dass es einen künftigen Ausbildungsbetrieb durchaus interessieren wird / könnte, ob der/die BewerberInnen in der Schule fleißig, aufmerksam, anstrengungsbereit, ausdauernd, sozialverträglich, ordentlich war oder eben nicht! Ob man sich also, sehr salopp formuliert, eine faule Socke, ein Schlamperl, ein desinteressiertes Etwas und/oder eine/n Rotzlöffel*in einhandelt…
Dazu kommt jedoch noch, dass es tatsächlich (gar nicht mal so selten) vorkommt, dass ein Kind vom Arbeitsverhalten wirklich gut ist, es leider jedoch leistungsmäßig einfach intellektuell nicht „mehr“ als -ausreichend- schaffen kann. Dann ist es eine Strafe, dies nicht zu würdigen.

dickebank
2 Jahre zuvor
Antwortet  mama51

Warum, das kann der betrieb doch leicht selbst feststellen. Die Akte über Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen wird ja auch nicht weitergereicht. Und vor allem darf jeder Abiturient trotz „Scheiß-Kopfnoten“ an die Uni, aber alle anderen mit SekI-Abschluss werden Hypotheken belastet is Berufsleben entlasen.

Nucatino
2 Jahre zuvor
Antwortet  mama51

@mama51, „Dazu kommt jedoch noch, dass es tatsächlich (gar nicht mal so selten) vorkommt, dass ein Kind vom Arbeitsverhalten wirklich gut ist, es leider jedoch leistungsmäßig einfach intellektuell nicht „mehr“ als -ausreichend- schaffen kann. Dann ist es eine Strafe, dies nicht zu würdigen.“

Das wird leider zu oft übersehen! Leistungsschwache Kinder können von Kopfnoten auch profitieren!

Susi S.
2 Jahre zuvor

Ich verkaufe meinen Kindern ihr Zeugnis als das Feedback der LuL an sie.
Ich verschweige ihnen, dass ich mittlerweile das Gefühl habe, sie gehen nicht in die Schule, um etwas zu lernen, sondern um Noten zu bekommen. Von LuL höre ich, dass die Notengebung eine hoheitliche Aufgabe ist und sich u.a. dadurch das Beamtentum begründet (ich kann dieser Argutmentation nicht folgen, aber das tut ja auch nichts zur Sache, wurde mir halt mal so gesagt).
Wenn es sonst kein förderliches bzw. förderndes Feedback gibt, sollen mir Noten Recht sein.

ABC
2 Jahre zuvor
Antwortet  Susi S.

„…,sie gehen nicht in die Schule, um etwas zu lernen, sondern um Noten zu bekommen.“

Na und? Der Wunsch nach Erfolg und Anerkennung ist einer der stärksten menschlichen Antriebe – auch bei Erwachsenen. In der Berufswelt strengt man sich auch in erster Linie für Anerkennung an, die sich in einer Beförderung, Gehaltserhöhung oder „nur“ einem Lob vom Chef, Kollegen oder auch Kunden niederschlägt. Sagt man hier etwa: Ich strenge mich nur an für mein lebenslanges Weiterlernen?
Ich bin immer wieder überrascht, wie weltfremd und abgehoben über Antriebe und Motive geurteilt wird, die zur menschlichen Natur gehören. Noten sind nun mal ein „förderliches bzw. förderndes Feedback“, und wir sollten sie nutzen.
Ich bin unbedingt für Kopfnoten, die sowohl Kinder wie auch Eltern sehr viel besser einschätzen können als umständliche und schwer einzuordnende Beschreibungen!
Diese Studie scheint mir wieder mal nur das zu „beweisen“, was ihre Macher von vornherein beweisen wollten oder sollten.

Nucatino
2 Jahre zuvor
Antwortet  Susi S.

@Susi S., nee, ne? Notengebung begründet(e) das Beamtentum??? In den meisten westdeutschen Bundesländern wurden die Kopfnoten in den 1970er Jahren abgeschafft. Aber das Beamtentum blieb dort unangefochten.

Eine Note für gutes Verhalten oder gute Leistungen ist letztlich nichts anderes als ein Bienchen oder ein Bonbon oder ein mündliches/schriftliches Lob. Also eine Form der Motivation!

Susi S.
2 Jahre zuvor
Antwortet  Nucatino

Klingt unglaublich, oder? Jawoll, genau so wurde ich belehrt! Notengebung ist eine hoheitliche Aufgabe, dafür ist die Unbestechlichkeit, die durch eine Verbeamtung sichergestellt ist, unentbehrlich. Es geht um höchst sensible Daten, die nur in Beamtenhand sicher und geschützt sind.
Dass es auch angestellt LuL gibt ist natürlich nicht schön, aber als „so ist das halt“ hinuzunehmen. Obwohl die angestellten LuL viel teurer sind als die billigen Beamten.
Wurde ich möglicherweise angeschwindelt??