„Es ist selbst für uns als Lehrereltern ein permanentes Laufen gegen eine Wand“: LRS und Dyskalkulie – Betroffene berichten

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KÖLN. Der Umgang mit Schülern, die besondere Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen aufweisen, ist an Schulen „ungenügend“ – meint der Kölner Arbeitskreis LRS & Dyskalkulie, wie News4teachers unlängst berichtete. Durch die Pandemie gerieten betroffene Kinder und Jugendliche immer mehr aus dem Fokus der Lehrkräfte. Im Leserforum zu dem Beitrag entspann sich eine lebhafte Diskussion, in der die Lese- und Rechtschreibstörung auch mit Faulheit in Verbindung gebracht wurde. Ein Elternteil eines betroffenen Kindes – selbst Lehrkraft – beschreibt daraufhin sehr eindrücklich seine Erfahrungen. Wir möchten diesen Post gerne einem größeren Publikum vorstellen, deswegen dokumentieren wir ihn hier noch einmal.

Lese-Rechtschreibschwäche und/oder Dyskalkulie werden häufig zum Teufelskreis (Symbolbild). Foto: Shutterstock

Polarfuchs 25. November 2021 um 23:12

Ich bin erschüttert, irritiert und traurig zugleich. Soweit ich gelesen habe, gab es hier bislang keinen Kollegen, der auch nur ansatzweise bei sich nach einem Anteil am Dilemma gesucht hat.

Wir sind ein Lehrerpaar mit drei Kindern und haben darunter ein LRS-Kind. Unsere Kinder wachen bei weitem nicht bildungsfern auf, bekommen viel vorgelesen, hören Hörspiele, singen und reden viel, wir lernen Gedichte und Tischsprüche, die Kids lesen selbst, unser LRS-Kind schreibt sogar selbst Geschichten und war im Chor, wir haben von Anfang an auf richtige Schreibung geachtet, bis heute schon viel privat gefördert, 2 Jahre zudem die Lerntherapie besucht, dazu noch den wöchentlichen Förderunterricht in Deutsch und später Englisch, wenn der denn stattfand… Und dennoch, bestimmt Zweidrittel der Punkte in dem Artikel hier haben wir selbst erlebt.

Eine LRS ist keine Faulheitsdiagnose und wird doch oft von dem Lehrpersonal so interpretiert. Auch eine Empfehlung zum Schulwechsel mit einer aktuellen Durchschnittsnote von 2,5 ohne Notenschutz und ohne nennenswerten Nachteilsausgleich außer gelegentlichen 10 min mehr Zeit haben wir kürzlich erhalten, da die Schule dem Kind die zweite Fremdsprache nicht zutraut (Englischnote: 3). Unser LRS-Kind bekommt in allen Fächern die Rechtschreibung undifferenziert und vollwertig mit bewertet. Unter jeder Arbeit stehen ermahnende Worte bezüglich der abgelieferten Rechtschreibung, trotz jahresaktueller Diagnostik.

Es ist und bleibt ein Teufelskreis. LRS-Kinder brauchen viel länger beim Schreiben und Lesen, sind also bereits nach 15 min Unterricht einen Schritt hinterher, schaffen Tafelbilder nicht sauber und/oder komplett abzuschreiben, können dadurch oft nicht so viel mündlich mitarbeiten, verpassen zudem einen Teil der Ergebnissicherung, leisten damit insgesamt weniger Stoff ab, was wiederum zu neuen Diskrepanzen im Fortkommen führt. Sie müssen unglaublich viel mehr tun, um Schritt zu halten.

„Man spricht diesen Kindern oft schon in den ersten Schuljahren die Möglichkeit zum Abitur oder zu einem Studium ab“

Es sind aber nicht nur die Kinder, ihre Biografien, ihre Eltern und die Medien schuld am Dilemma. Es sind auch wir Lehrer und unsere mangelnde Differenzierung, Aufgaben so für LRS-Kinder zusammenzustellen, dass sie entweder mit weniger Wiederholungen die gleichen Informationen/Übungsinhalte bekommen (z.B. Mathe) oder mit weniger Text die gleichen Informationen erhalten (Fachtexte). Das passiert aber nicht. Man spricht diesen Kindern oft schon in den ersten Schuljahren die Möglichkeit zum Abitur oder zu einem Studium ab und fördert sie schon deshalb m. E. n. nicht ausreichend.

Und mal ehrlich, wer von euch kopiert in jeder Stunde und in jedem Fach für die LRS-Kinder die Texte größer oder fügt noch besser jeweils hinter jedem Buchstaben im Text ein Freilassungszeichen ein oder schreibt die Fachtexte noch einmal selbst zu Hause in vereinfachter Form auf? Wer lässt LRS-Kinder das Tafelbild abfotografieren oder stellt es nach der Stunde als Ausdruck zur Verfügung oder lässt ganz sicher stets Seite und Nummer über die anzufertigenden Lösungen schreiben, damit der noch offene Stoff vielleicht zu Hause beendet werden kann?

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Es ist selbst für uns als Lehrereltern ein permanentes Laufen gegen eine Wand, weil Schule und Lehrer eben oft nicht flexibel genug, aber sehr wohl belastet genug sind, auf die Bedürfnisse von etwa jedem 10. Schüler angemessen einzugehen. Zitat der Sonderpädagogin der Schule unseres LRS-Kindes: „Kinder mit einer LRS müssen für ihre Noten eben einfach mehr tun als die restlichen Schüler. Das ist so und wird so bleiben.“ Das Zitat stammt aus einem Gespräch nach einer Englisch-Klassenarbeit, in der für jeden Fehler im Wort ein halber Punkt abgezogen wurde, z. B. gost statt ghost. Ist doch einfach unverschämt.

Es sind nicht die Autoren hier, die die Ursachen der LRS laufbahnentscheidend in einen Topf schmeißen, sondern eher die jeweiligen Lehrer, die durch ihr Tun und Lassen Biografien mitgestalten, um sich dann hinter den übrigen Faktoren (Fleiß, Motivation, Konzentration, Elternhaus etc.) zu verstecken. Es wird m. E. n. nicht wirklich genau geschaut und nicht wirklich genug differenziert. Da sind die Ursachen eigentlich egal, differenziert muss so oder so werden, ob nun auf Basis eines NTA oder eines rahmenlehrplangerechten Unterrichtes.

Unser LRS-Kind hat (theoretisch) einen Nachteilsausgleich, per Klassenkonferenz beschlossen, hat eine Diagnose und auch einen Paragraphen (§ 35a SGB VIII Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung). Dennoch bekommt er wie geschrieben in ALLEN Fächern die Rechtschreibung voll bewertet. Nachgehakt habe ich mehr als nur einmal, mit der Konsequenz, dass ich nun nur noch direkt mit der Schulleitung kommunizieren darf.

Es ist und bleibt das Laufen gegen die Wand. Die Klasse liest in Deutsch auch gerade den Krabat. In unserer Ausgabe etwas mehr als 270 Seiten. Es wird ein zügiges Lesetempo vorausgesetzt. Wo ist hier die Differenzierung? Es gibt einfach keine. Die Arbeitsaufträge sind für alle gleich. Letztlich haben wir die Autorenlesung als Leseunterstützung gekauft, aber ist es nicht eigentlich Aufgabe der Schule nachteilsausgleichende Angebote zu starten?

Und dann sei noch gesagt, nicht jeder Lernrückstand entsteht ausschließlich durch den (faulen) Schüler. Es ist mitunter nur nicht mehr nachvollziehbar, wie etwas entstand, wenn der Lehrer wechselt. Und wenn dann auch noch Frustration und Misserfolgsdenken dazugekommen sind, erhält der nächste Lehrer schnell das Bild, dass ein Schüler nur keine Lust hat sich anzustrengen. Was stehenbleibt ist das Unvermögen der Kinder.

„Wir Lehrer müssen mehr differenzieren, egal woher ein Mangel kommt“

Unser mittleres Kind ist gerade in der zweiten Klasse. Der Klassenlehrer fängt jetzt! mit den ersten Rechtschreibübungen überhaupt an und zwar indem er wöchentlich 10 Lernwörter als Hausaufgabe mit nach Hause gibt, die ohne jeden Zusammenhang zum Unterricht, zu aktuellen Ereignissen, der Jahreszeit o.ä. dem Alphabet entnommen werden. Wie will er denn jetzt noch schaffen, bis Ende 2. Klasse den verbindlichen Lernwortschatz aufzubauen? Mit Druck oder mit Aussagen, wie: „Wenn ihr das dreimal nicht schafft, müsst ihr zum Direktor?“ Unser mittleres Kind ist schlau und schnell und schafft das trotzdem. Aber was ist mit all den anderen Kindern, die aufgrund der Arbeitszeiten der Eltern lange im Hort sein müssen oder mitunter auch am Wochenende von anderen betreut werden, da die Eltern schichtig arbeiten, oder mit den Kindern von Alleinerziehenden, die sich per se vierteilen müssen, um alles zu schaffen…

Nein, ich bleib dabei. Wir Lehrer müssen mehr differenzieren, egal woher ein Mangel kommt. Wenn wir ausreichend differenzieren, werden sich Biographien ändern. Ein beratungsresistentes (faules) Kind wird faul bleiben, aber all die anderen, die den Nachteil nun einfach mal haben, sollten diesen auch ausgeglichen bekommen. Denke ich. News4teachers

Leserposts

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Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwäche und/oder Dyskalkulie werden weiter abgehängt

 

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Wiebke
2 Jahre zuvor

„Wir Lehrer müssen mehr differenzieren, egal woher ein Mangel kommt.“
Wenn Sie mir erklären, werter Polarfuchs, wie ich angesichts der ausufernden Heterogenität in unseren Klassen überhaupt noch weiter differenzieren KANN, verstehe ich vielleicht besser Ihr MÜSSEN.
In meiner Klasse habe ich Migranten-Kinder, die kaum Deutsch sprechen und verstehen, ich habe 2 Kinder mit erheblicher Lernbehinderung durch kognitive Beeiträchtigung, 1 autistisches Kind und mehrere Kinder mit Verdacht auf LRS, Dyskalkulie oder sogar beides.

Ich wäre dankbar für mehr äußere Differenzierung, weil ich an innerer nicht mehr leisten kann und jetzt schon heillos überfordert bin. Die Forderung „Wir müssen…“ hilft mir da nicht und verstärkt nur mein Schuldgefühl gegenüber ALLEN Kindern. Alle kommen letztlich zu kurz, auch die Kinder ohne Beeinträchtigungen.

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Wiebke

Ohne das Problem von LRS leugnen zu wollen, möchte ich hiermit mein Unbehagen formulieren, dass wir in Deutschland dazu neigen, eine vermeintlichen „Bildungsgerechtigkeit“ derart auf die Spitze zu treiben, dass diese gar nicht mehr im Alltag praktisch realisierbar ist. Davon schreibt ja auch Wiebke: Wie sollen die Lehrer(innen) das alles bewältigen? Wenn das so weitergeht, will bald niemand mehr Lehrer(in) werden.
Ketzerische Idee: Wenn es wirklich so viele Kinder mit LRS/Dyskalkulie gibt, wie wäre es denn, diese in speziellen LRS-Grundschulklassen zusammenzufassen? Die müsste es nicht in jeder Grundschule geben, aber eine müsste jedenfalls erreichbar sein. In Großstädten ist das gut realisierbar. Das würde den kleineren Kindern erstmal die gefürchtete Demütigung ersparen und den Lehrern ihre Aufgabe erleichtern.
Beim Fach Sport ist wohl noch niemand auf die Idee gekommen, die Noten fürs Schnelllaufen und Weitspringen davon abhängig zu machen, ob jemand lange Beine hat oder aber zu den kurzen Dicken gehört. Und beim Sport gibt’s sogar Sport-Eliteschulen ohne jede Inklusion der schwachen Sportler, mit dem ausdrücklichen Segen von rot-rot-grün.

A.H.
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Sport sollte schon lange nicht mehr benotet werden. Wofür ist da die Benotung wichtig? Gefördert wird so nicht die Freude an Bewegung sondern eher noch unsoziales Verhalten. Kennen wir doch alle, dass Kinder beim Mannschaft auswählen immer als letzte gewählt werden. Oder soll das deren Resilienz testen? Mit Bildung hat es doch wohl nichts zu tun, ob man einen Felgaufschwung hinbekommt oder mit drei Bällen jonglieren kann. Es wäre interessant zu sehen, wie sich die Noten im Sport entwickeln würden, wenn man den Schülern nicht verraten würde, es ginge nicht um den Sieg und höher, schneller, weiter, sondern um Fairplay, Respekt und Sozialverhalten. Oder wie wäre es mal mit Schach statt Fußball oder Jumpstyle tanzen? Aber was red ich. Stecken wir doch auch alle „dicken“ Kinder in eine Klasse und die mit den kurzen Beinen auch. Da bekommt man bestimmt auch Klassen voll.

Maja
2 Jahre zuvor
Antwortet  A.H.

Darf es denn beim Schach noch Sieger und Verlierer geben?
Sie verkennen meiner Meinung nach das Wesen des Kindes. Kinder wollen ihre Kräfte miteinander messen. Nicht umsonst wählen sie ständig Spiele (auch im Sport), bei denen es ums Gewinnen und Verlieren geht.
Muss gegen die Natur des Menschen (des Kindes) immer alles abgeschafft werden, was auch betrübte Gesichter hinterlassen könnte?
Ob Gesellschaftsspiele, Geschicklichkeitsspiele, Sportwettkämpfe oder Denksportwettkämpfe, besonders Kinder wünschen sich spielerische Tätigkeiten, bei denen es ums Gewinnen, aber auch Verlieren geht. Alles andere ist für sie mehr oder weniger „kalter Kaffee“.
Man beachte doch bitte mehr die Natur der Menschen (der Kinder), wenn man sie „beglücken“ will!

Marco Riemer
2 Jahre zuvor
Antwortet  Maja

Hallo Maja,

kann es sein, das diese von Ihnen beschriebene (komparative) Natur auch nur wieder Ausdruck einer Kultur ist? Sind Sie sich wirklich so sicher, das dieser Wettkampf, der auch in der Schule um Noten, Gewinner und Verlierer sich dreht wirklich eine anthropologische Konstante ist?

Was mach Sie da so sicher?
LG
Marco

A.H.
2 Jahre zuvor
Antwortet  Maja

Maja, dann gäbe es eine prima Methode, weiter gegeneinander anzutreten ohne Mobbing. Der Lehrer wählt die Teilnehmer in Teams random aus. Alle in einer Reihe aufstellen und dann nach Zufallszahl die Schüler auswählen. Und ja, natürlich gibt es beim Schach auch den Wettkampf. Aber auch da würde das Fehlen einer Benotung alles entspannen. Es sagt ja keiner, dass man nicht gegeneinander spielen darf. Aber so könnten die Kinder sich gegenseitig fördern und weiterbringen ohne für sich Nachteile zu fürchten. Aber ja, die Teamwahl ist in jedem Fach problematisch. Immer wieder höre ich von meinen Kindern, die Arbeit bleibt immer an den gleichen hängen. Und ja, da würden sie auch den ein oder anderen lieber nicht im Team haben. Eine Vorbereitung fürs Arbeitsleben?

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  A.H.

Mir persönlich wäre es auch lieber, Sport würde nicht benotet. Man kann ja auch schlecht die Gesundheit benoten. Aber wenn andere Fächer benotet werden, dann soll es eben keine Ausnahmen geben. Außerdem mischen im Sport immer die Sportfunktionäre mit. Für deren Interessen gibt es ja auch die Sport-Eliteschulen. Ganz progressive Leute fordern hingegen die Abschaffung aller Noten:
https://deutsches-schulportal.de/stimmen/leistungsbeurteilung-lernen-ohne-noten/
Ein anderes Problem haben die Aktivist*innen des Gender-Sternchens noch gar nicht erkannt: Sport ist das einzige Fach, in dem systematisch Jungen und Mädchen getrennt werden. Das ist auch im Leistungssport so: Es gibt immer eine Disziplin für Männer und dieselbe für Frauen. Man lässt sie mit gutem Grund normalerweise nicht gegeneinander antreten. Aber was ist nun mit den Trans- und Inter-Sexuellen, Queer usw., der ganze Regenbogen? Wo würden die bei Olympia mitmachen, bei den Männern, bei den Frauen oder in einer dritten Gruppe? Entsprechend im Schulsport. Meine Fantasie reicht nicht aus, mir in der Schule eine dritte Gruppe praktisch vorzustellen, ohne dass einige zum Gespött der anderen werden. Wo bleiben die Vorschläge derer, die immer von mehr als zwei Geschlechtern reden und mehr Gender-Kompetenz fordern?

Indra Rupp
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Das ist auch bei queer.de oft Thema! Es wäre im Grunde passend, wenn nicht nach Geschlecht sondern nach „Stärke“ entschieden würde, so wie beim Boxen die Gewichtsklassen. Beim Frauensport ist das oft Thema, aber bei Männern gilt es wohl als unmännlich, wenn sich einer beklagt. Dabei gibt es gerade bei Männern teils enorme Unterschiede von Körpergrößen. Aber kleinere, schwächere Männer beklagen sich scheinbar lieber nicht und lassen eine bestimmte Sportart dann lieber bleiben. Finde ich nicht gut!

Fr. M.
2 Jahre zuvor
Antwortet  Carsten60

Kann eine gute Note in Sport nicht als Nachteilsausgleich für LRS oder Diskalkulie herangezogen werden? Wenn nicht, wäre das für manche Kinder bitter.
Außerdem stimme ich Ihnen zu: Auch in anderen Fächern gibt es Stärken und Schwächen mit entsprechenden Noten. Warum in Sport eine Ausnahme machen?
Ich bin übrigens für Zensuren, nicht dass mich da jemand falsch versteht.

Teacher Andi
2 Jahre zuvor
Antwortet  A.H.

@A.H. (seltsames Kürzel, mehr sag ich dazu nicht)… Wann haben Sie denn das letze Mal einen Sportunterricht besucht? „Mannschaften wählen“ war schon zu meiner Ausbildungszeit verpönt, und das ist schon lange her. Statt Leistungsturnen wird Haltungsturnen favorisiert, was meiner Meinung nach auch sehr wichtig ist bei den verbreiteten Haltunsschwächen unter Schülern. Spielerische Aktivitäten (dazu braucht es viel Vorbereitung und Phantasie) sind auf dem Vormarsch, und alternative Sportarten. Ich habe mich mal mit einem Sportlehrer der alten Schule angelegt, der Klimmzüge und Streckentauchen als relevante Zeugnisnote hernahm. Man kann sich denken, wo da die Unsportlichen bleiben. Und gerade die müssen gefördert werden, was ein guter Sportlehrer auch tut. In die Sportnote fließt schon längst Teamgeist, Hilfsbereitschaft und Fairness mit ein, es gibt ganz viele Möglichkeiten, den Unsportlichen die Angst zu nehmen und ihnen Erfolgserlebnisse zu vermitteln, da könnte ich jetzt seitenweise Tipps geben. Zum Glück sterben die Sportlehrer der alten Schule aus, aber auch in der Öffentlichkeit sollte mal ankommen, dass Sportunterricht nicht nur Fußball oder Gerätturnen ist. Es ist ein herrliches Gefühl, wenn die Schüler nach ca. 5 Unterrichtseinheiten alle einen Basketball Korbleger können ohne Schrittfehler! Und die wollen das benotet haben!!! Da sind die stolz drauf!!! Eine 4 habe ich noch nie im Sport vergeben.

A.H.
2 Jahre zuvor

Danke. Ich bin froh, dass das Thema noch einmal aufgegriffen wurde. Wir sind betroffen. Nach der Diagnose bekamen wir Aufklärungslektüre empfohlen. Alle Zusammenhänge habe ich trotzdem nicht durchblickt. Wie soll man auch verstehen, dass ein Kind, das einem begeistert aus seinem Chemie- und Physikunterricht berichtet und Themen zuhause nochmal aufgreift, trotzdem immer wieder den Satzanfang klein schreibt. Keine Zeichen ans Ende des Satzes setzt. Dehnungs-h, doppelte Konsonanten, ja, da würde ich mir vielleicht noch erzählen lassen, das Kind wär zu faul für Regeln. Aber der Satzanfang? Immer wieder? Wenn er lange Texte schreibt, dann fehlen Passagen, die es nicht von seinem Kopf bis auf das Papier geschafft haben. Immer wieder wurde es auf Konzentrationsprobleme geschoben. Schulangst. Dabei geht er so gern zur Schule. So war für uns, die Diagnose zu bekommen, zwar hart, aber sie brachte zumindest eine Erklärung. Jetzt wird hoffentlich die Therapie greifen. Es ist ein bisschen wie mit einem Kind, dessen Haut juckt und das sich ständig kratzt. Wie oft hat es wohl „Wasch Dich mal besser!“ gehört, bis dann doch irgendwann die Diagnose Neurodermitis bekommt?

Indra Rupp
2 Jahre zuvor
Antwortet  A.H.

OK, Fr. M.!
Dann lassen wir doch Männer und Frauen im Sport zusammen und Frauen sind halt fast immer die Verlierer. Ist nur Recht so, wenn sie die körperlich schwächeren sind, richtig? Bei Männern wären Zensuren von 1-6möglich,bei Frauen von 3-6. Wenn man gegen Nachteilsausgleich ist, dann doch bitte richtig.
(Ironie off)

Teacher Andi
2 Jahre zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Liebe Indra Rupp … Es geht um Sportunterricht, nicht um Leistungssport. Sie schießen in Ihren Kommenttaren des öfteren über das Ziel hinaus. Im Sportunterricht geht es nicht ausschließlich um Höhen, Weiten und Schnelligkeit. Informieren Sie sich. Klassen 5-6 sind koedukativ und ab Klasse 11 auch, macht Sinn. Aber nicht wegen Leistungsunterschieden. Ein guter Lehrer sollte das alles steuern können, aber im Prinzip sind wir vom Thema total abgekommen. Es geht um LRS, strittig genug, denn ich habe das Gefühl, dass momentan eine LRS Inflation stattfindet, damit man den Nachteilsausgleich bekommt (seit es nicht mehr im Zeugnis stehen darf). Wenn die Zeitverlängerung in die Pause fällt (die darf sogar nachgeholt werden), wollen manche LRS Kandidaten das plötzlich nicht mehr wahrnehmen. Seltsam.

Indra Rupp
2 Jahre zuvor

Bezug nehmend auf den voran gegangenen Artikel :
Interessant wäre auch die Frage, warum Forumslesende explizit das reißerische aus dem Thema herausgreifen und ausschlachten ( faule Kinder und betrügerische Eltern, die ihr Kind nicht lieben, wie es ist und mit Diagnosen für „alles“ aus einem Förderkind eine*n Akademiker*in basteln wollen plus damit eine Genehmigung fürs Nichtstun erhalten wollen – kurz :“Alle Assis!“ ). Genau gesagt ist DAS Assi!!! Der Artikel gab nichts dergleichen (reißerisches) vor. Dann brauchen sich (weil das ja ständig so gemacht wird) wehrte Forumslesende/schreibend auch nicht damit profilieren keine Klatschpresse zu konsumieren, wenn sie im Forum von Bildungsbürgermedien die gleiche mittelalterliche Befriedigung nötig haben. Aber dass das Bildungsbürgertum nicht „besser“ ist als andere Menschen war eh klar. So gesehen, danke für eure Beweise!

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Sie haben die Kommentare nicht verstanden oder verstehen wollen. Es wurde unterschieden zwischen krankheitsbedingten und warum auch immer erworbenen Störungen in Verbindung mit Tests, die das nicht sauber trennen, und den Konsequenzen, die aus der Diagnose gezogen werden.

Der Beitrag von Polarfuchs zeigt, dass die vielen bis sehr vielen erworbenen Fälle, die sich auf dem Attest ohne Therapie ausruhen, die echten Fälle wie bei Polarfuchs leider torpedieren.

Indra Rupp
2 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Sie haben nicht verstanden, dass es in dem Artikel nicht um „Betrug durch Assieltern“ ging und dies auch nicht als Problem für die „echten“ Fälle aufgezeigt wurde. Warum sich also mal wieder speziell daran aufhängen? Weil es eine mittelalterliche Lust verschafft, Menschen platt zu trampeln – vor allem eine bestimmte „Gruppe“. Und ganz nebenbei lenkt man damit noch vom eigentlichen Problem /Thema ab und der damit verbundenen Aufgabe :“ wie können wir Kindern mit LRS gerecht werden“.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Der Artikel oben ist ein Beispiel für echte LRS bzw. Dyskalkulie. Als Größenordnung würde ich 5% echte Dyskalkulie oder LRS für eine realistische Größenordnung halten*), sprich jeweils ein Fall pro Klasse.

Bei LRS ist der Anteil deutlich höher, an meiner Ausbildungsschule, ein Gymnasium, ergab die Hamburger Schreibprobe mal einen Anteil von einem Drittel (!). Dyskalkulie habe ich in meiner gesamten Lehrerzeit nur zwei Mal therapiert und ein Mal getestet, aber trotz gewaltiger Lücken negativ erlebt. Seitdem traue ich den LRS-Attesten nicht mehr, handle aber danach, wenn ich es muss. Insgesamt gibt es den LRS-Zettel viel zu einfach, 5% Dyskalkulie finde ich sehr hoch oder den Test zu hart.

Kinder mit genetischer LRS oder Dyskalkulie sollen gefördert werden, wobei ich den Nachteilsausgleich nur in Verbindung mit regelmäßiger Therapie und sichtbarem Therapiefortschritt gewähren würde. Spätestens in der Berufsausbildung und -ausübung kräht kein Hahn mehr nach Nachteilsausgleichen. Erworbene LRS oder Dyskalkulie ohne Nachhilfe oder Willen, daran etwas ändern zu wollen, hat von mir kein Mitleid verdient.

Quelle: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Grosse-Probleme-mit-den-Zahlen-fuenf-Prozent-der-Schueler-in-Deutschland-leiden-an-Dyskalkulie-385671.html

Kalkspatz
2 Jahre zuvor

Ich habe das Gefühl, das ist hier jetzt die Langversion eines Kommentars zu dem Beitrag seinerzeit. Dort ist von verschiedenen bereits darauf geantwortet worden, und zwar sehr differenziert. Georg weist darauf hin, dass zwischen angeborener und erworbener LRS unterschieden wurde und die Tests das aber nicht tun und dass bei der erworbenen LRS sogar die Lehrer in Haftung genommen wurden. Ich finde zurecht.

Das alles ignoriert dieser Artikel oben und bringt wieder die gleichen Gegen“argumente“. Soll ich jetzt einfach die Kommentare dazu hier rüberkopieren??? Dort ist alles gesagt worden.

Birkenstock
2 Jahre zuvor

Nötig ist meist eine individuelle Unterstützung des Kindes, die unser Schulsystem z. B. in NRW mangels Erlass nicht vorsieht und somit steht den betroffenen Schülern kein Notenschutz zu. Dies lässt sich auf diverse gesicherte Krankheitsdiagnosen mit Lerndefiziten auf weiterführende Schulen übertragen, da etwas was von der Norm abweicht schlicht lästig erscheint und den Ablauf stören könnte und da scheint manchmal ein Schubladendenken durchaus hilfreich.

Bsp.: Das Schulministerium NRW vertritt übrigens zur gymnasialen Oberstufe eine ganz klare Haltung: Rechenschwäche kann in Nordrhein-Westfalen im Einklang mit den Regelungen der Kultusministerkonferenz grundsätzlich nicht im Rahmen eines Nachteilsausgleichs berücksichtigt werden.

Ich
2 Jahre zuvor

Ich habe gerade eine Gänsehaut am ganzen Körper. Ich konnte selbst Ende der 2. Klasse dank Umlernen der linken Hand und Ganzwortmethode nicht lesen.
Gerettet hat mich meine geduldige Omi, die immer Fließ vor Noten gestellt hat und mir so eine „Jetzt erst Recht“ Haltung vermitteln konnte

Ob ich eine klassische LRS hatte, weiß ich bis heute nicht, aber alle Anzeichen sprechen dafür, denn selbst heute muss ich mir bei einigen Wörtern noch die Schreibweise herleiten und habe trotz diagnostizierter Hochbegabung nur ein durchschnittliches Abitur geschafft.

Aber liebe Grüße an ihr Kind. Es ist ein Kämpfer. Das ist eine Stärke, keine Schwäche.

Heute bin ich Förderpädagogin mit Schwerpunkt LRS und Diskalkukie.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Ich

Ihre Oma hat Sie mit anderen Worten gedrillt bis zum Umfallen und das in einem Zeitrahmen, den normale Therapiestunden nicht leisten können. Ich nehme an, dass auf diese Weise sowohl die unverschuldete als auch die warum auch immer erworbene LRS behoben werden kann.

Verlangen Sie eigentlich dasselbe Pensum von Ihren Schülern, wie es Ihre Oma von Ihnen verlangt hat?

A.H.
2 Jahre zuvor
Antwortet  Ich

Gut, dass es bei Ihnen geholfen hat. Ich habe auch viel Fleiss investiert genau wie mein Kind. Und doch ließen sich die Fehler nicht abstellen. Nehmen wir nur einen Teil heraus. Satzanfänge schreiben wir immer groß. So simpel. Gilt immer. Und doch beginnt er immer wieder das erste Wort im Satz mit einem kleinen Buchstaben. Mit seinem IQ ist alles in Ordnung. Faul ist er auch nicht. Wir hoffen nun auf die Therapie durch ausgebildete Spezialisten.

blau
2 Jahre zuvor

Ist das vielleicht ein Gymnasium-Problem?
Ich arbeite an einer Gesamtschule in NRW. In meiner Klasse haben mehr als 25% LRS, Dyskalkulie gibt es auch. Es gibt eine LRS-Förderstd für diese 25% pro Woche und die meisten Kinder machen dort große Fortschritte. Rechtschreibung wird bei uns in keinem Fach gewertet bei LRS. Extra Aufgaben bekommen sie bei mir in Mathe idr nicht, am Ende müssen sie dieselbe ZAP schreiben. Aber sie dürfen immer den Sitznachbarn fragen und im Test lese ich alle Aufgaben vor

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  blau

Ohne Attest haben Sie nur wahnsinnig schlechte Rechtschreiber und Rechner, und damit den weitaus häufigeren Fall der erworbenen LRS bzw. Dyskalkulie. Möglicherweise haben die Eltern Ihrer Schüler keine Kenntnisse von den Nachteilsausgleichen und Attesten oder können die Therapiestunden nicht bezahlen.

Birkenstock
2 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Was soll allein eine ärztliche Bescheinigung (Attest) ändern?

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Birkenstock

In der Sache nichts, nur die formale Begründung für Nachteilsausgleiche.

Jule aus T
2 Jahre zuvor
Antwortet  Birkenstock

Mit einem Attest hat man z.B. in einigen Bundesländern die Möglichkeit finanzielle Hilfe für eine Therapie über das Jugendamt zu beantragen.
https://www.lernfoerderung.de/lernen/kostenuebernahme-fuer-lerntherapie/

Ich verstehe das Schulen die individuelle Förderung von Teilleistungsschwächen oft nicht leisten können. Die Aussagen von manchen hier empfinde ich als sehr anmaßend. Keiner weiß, was ein Schüler für einen Rucksack trägt und in der Vergangenheit für Erfahrungen gemacht hat. Wenn ein solches Attest vorliegt, könnte man es sich einfach verkneifen entsprechende Anmerkungen zur Rechtschreibung unter die Arbeiten zu schreiben, speziell in Nicht-sprachlichen Fächern. Die betroffenen Schüler wissen um ihre Defizite und es ist nicht besonders motivierend, wenn dann immer wieder drin rumgebohrt wird.

Cornelia
2 Jahre zuvor

Lieber Georg, was stört Sie so, wenn andere von Ihren Erfahrungen berichten? Es ist Erlebtes, das Sie selbst bei sich oder Ihren eigenen Kindern so wohl nicht haben. Deshalb ist es aber nicht weniger wahr.
Auch ich könnte einiges zu diesem Thema schreiben, vielleicht mache ich es auch noch. Nie hätten wir gedacht, mit zwei unserer vier Kinder solche schulischen Erfahrungen in der Grundschule zu machen. Auch wir sind ein Lehrerehepaar.
Ich finde es gut, dass hier diesem Thema Raum gegeben wird und gerade auch Lehrereltern von ihren Erfahrungen berichten. Sicher gibt es viel mehr, die dazu etwas beitragen können.
Wenn Sie mit Ihrem Unterricht gut zurecht kommen, dann ist das ja recht und gut. Leider erlebt man als Eltern auch immer wieder anderen Unterricht. Das hört sich jetzt schon wieder an, als würde man Ursachen bei Lehrern suchen, um das geht es mir aber primär nicht. Es sollte sich um die Not einzelner Schüler drehen und um die ihrer Eltern. Klar können Lehrer nicht endlos differenzieren und jedem Kind bis ins Detail gerecht werden. Manchmal ist aber schon durch eine einzelne Maßnahme viel geholfen. Mir sind Lehrerinnen in Erinnerung, die unseren Kindern entscheidend weitergeholfen haben.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Cornelia

Es geht mir um den Regelfall und nicht um anekdotische Einzelfälle, die zum Regelfall erhoben werden, wenn sie zum Narrativ passen.

ABC
2 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Sie sagen es! Immer wieder werden persönlich erlebte Einzelfälle generalisiert, die das Bild von einer echten LRS verfälschen und unnötig aufblähen. Die erworbene LRS braucht Rechtschreibübung, Übung, Übung…. Versäumtes muss hier nachgeholt werden. Die (angeborene) echte LRS braucht hingegen therapeutische Maßnahmen.

Nachgedacht4
2 Jahre zuvor
Antwortet  ABC

ABC, richtig!!!

Cornelia
2 Jahre zuvor
Antwortet  Nachgedacht4

Ja, aber man kann hier keine Fern- und Schnelldiagnosen stellen, das ist einfach nicht seriös aufgrund eines kurzen Kommentars, z.B. bei „Ich“.

Sonja Borowski
2 Jahre zuvor

Guter Artikel. Ich bin selbst ein Mensch mit Legasthenie und hatte eine ganz andere Schulzeit auf Grund der Legasthenie. Lehrkräfte bezeichneten mich als Einzelfall Hamburgs. Empfehlung Förderschule.

Heute habe ich BA und MA studiert und arbeite als Schulsozialarbeiterin. Und hier? Hier treffen ich wieder auf Kinder die mich fragen, ob sie überhaupt ein Abi schaffen können …. Es hat sich was getan, aber bei weitem nicht genug.

Dieses Jahr habe ich ein Buch herausgebracht. Es kann in jeder Buchhandlung bestellt werden. Es beinhaltet 30 Biografien von Menschen mit Legasthenie und / oder Dyskalkulie. Wir brauchen Aufklärung, wir brauchen Inklusion.

Es sind nicht nur Lehrkräfte bzw. Deren Ausbildung, wo sich etwas tun muss. Es ist ein gesamtgesellschaftlicher Wandel, den wir brauchen. Schuldzuweisungen bringend niemanden etwas, schon gar nicht uns Betroffenen.

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Sonja Borowski

Sie mögen grundsätzlich Recht haben, aber ist es wirklich angemessen, wenn für alle Minderheiten mit ihren jeweiligen Defiziten und anderen Besonderheiten gleich ein „gesamtgesellschaftlicher Wandel“ gefordert wird? Das kommt mir inzwischen inflationär vor. Wie soll das denn alles realisiert werden? Ginge es vielleicht auch eine Nummer kleiner?

Achim
2 Jahre zuvor

Irgendwie kommt es mir in dem Bericht und den folgenden Kommentaren so vor, als ob Kinder von Lehrern bevorteilt werden sollten. Aber vielleicht irre ich mich ja.
Deshalb die Frage: Sind Lehrerkinder etwas Besseres, oder sollten sie bevorzugt behandelt werden?
Zu meiner Schulzeit war es in der Schule jedenfalls so, was sich in der Freizeit beim Spielen dann aber wieder ausgeglichen hat und bis heute in vielen Köpfen verankert ist.

Birkenstock
2 Jahre zuvor
Antwortet  Achim

Einmal einen Perspektivenwechsel aus Selbsterfahrung (Lehrer selbst betroffen – Eltern), statt Vorteilsnahme in Betracht gezogen?

D. Orie
2 Jahre zuvor

Vielen Dank. Mehr davon, alles war sehr spannend zu lesen. Nein: Faulheit ist das nie!

ABC
2 Jahre zuvor
Antwortet  D. Orie

Oh doch, oft es ist es auch Faulheit!
Warum lieber eine krankhafte Veranlagung annehmen als Faulheit? Meinem Kind wünschte ich jedenfalls lieber Faulheit als Grund für seine Leistungsschwäche(n) und nicht Krankheit.

Nachgedacht4
2 Jahre zuvor
Antwortet  D. Orie

D.Orie, doch, manchmal ist es einfach nur Faulheit. Dann geht es durch Fleiß weg. Aber nur dann.

A.H.
2 Jahre zuvor

@Georg: Einfach? Es hat Monate gedauert und viele Termine bis zu Diagnose. Sogar eine körperliche Untersuchung fand statt. Drei spezielle Logopädietermine inkl. Gutachten flossen mit ein. Ich Stimme zu, nach der Diagnose sollten auch Therapien erfolgen. In unserem Fall findet jetzt regelmäßig Logopädie mit Schwerpunkt Lerntherapie statt. LRS-Therapie 45 Minuten in der Schule in einer zusammengewürfelten Truppe. Dazu wurden Übungshefte für zuhause empfohlen, die wir brav besorgt haben und nach Anweisung des Lehrers bearbeiten. Aufgrund dieser 45 Minuten Gruppenförderung hat das Jugendamt nun eine Förderung abgelehnt. Man will Erfolge abwarten. Die Klassenlehrerin gibt zumindest zu, dass sie keine Ahnung von der Thematik hat. Erste Deutscharbeit befriedigend. Ist doch super. Alles gut. Wozu überhaupt der Nachteilsausgleich… Wir mussten ihr sagen, es geht um den Versuch hier noch Verbesserungen hinzubekommen, die für die ganze Zukunft wichtig sind. Und das würde laut SPZ Jahre von Therapie erfordern. Bis wann erwarten sie sichtbare Erfolge? Wenn es da Tabellen gibt, immer her damit. Der Klassenlehrerin haben wir geraten, sich die Deutscharbeit einmal zeigen zu lassen. Die strotzt von den Problemen, die er hat. Was die Zeit nach der Schule angeht, es gibt inzwischen auch Universitäten, die den Betroffenen mit Ausgleichen entgegenkommen.

Indra Rupp
2 Jahre zuvor

Heute, am 3.12. ist der Tag der Menschen mit Behinderung!

Ich möchte hier einmal Bezug nehmen auf das UN- Behindertenrechtskonventionsabkommen, in dem geschrieben steht, dass das Recht auf Bildung als Menschenrecht zentral ist für die Verwirklichung anderer Rechte!

Was ist damit gemeint?
Inklusion taucht in dem Abkommen als Begriff nicht auf und ja, Integration ist nicht Inklusion, denn mit Inklusion ist speziell gemeinsames Lernen gemeint. Umgekehrt ist aber Inklusion sehr wohl Integration! Hier im Forum und anderswo wird teils die Meinung vertreten, dass es in dem Abkommen lediglich darum ging, Menschen mit Behinderung, die in manchen anderen Ländern weggesperrt werden ein würdevolles Leben zu ermöglichen, was aber in Deutschland angeblich längst gegeben sei. Die Deutschen wären nur mal wieder Gutmenschen und Streber und meinen nun die Förderschule abschaffen zu müssen, obwohl davon garnicht die Rede war.

Hierzu mal eine Frage : Warum haben wir eine Schulpflicht? Warum ist uns Bildung so wichtig? Warum sollen auch Kinder, die es intellektuell nicht so weit schaffen wenigstens 9 Jahre zur Schule gehen und Sachen lernen, die sie im Beruf nie brauchen werden? Das hat natürlich verschiedene Gründe, aber vor allem diesen :

Wir haben ein Recht auf Bildung, weil wir dadurch ein Teil der Gesellschaft werden, unseren Teil nach unseren Möglichkeiten dazu beitragen können und umgekehrt die Gesellschaft auch wiederum für uns selber nutzen können!

Nicht zuletzt Corona hat die Bedeutung dieser Teilhabe deutlich gemacht.

Zweifellos ist es etwas anderes, ob Menschen zum verwahrlosen weggesperrt werden oder ob sie in ihrer Isolierung beschäftigt, unterhalten und für ein möglichst selbständiges Leben gefördert werden. Doch dies ist noch keine Teilhabe an der Gesellschaft! Es ist lediglich eine Teilhabe u a an Konsumgütern und persönliche Beschäftigung und Förderung.

Was bringt es also einem Menschen mit einer schwereren geistigen Behinderung, wenn er in seinem stillen Kämmerlein und seiner Isolation bis 10 zählen lernt? Oder auch bis 100? Oder auch gleich das kleine 1×1? Oder auch andere Dinge, die eigentlich den Zweck haben, dass man an der Gesellschaft teilhaben kann. Brauch dieser Mensch das in seinem Kämmerlein? Hat umgekehrt die Gesellschaft etwas davon, wenn dieser Mensch in den Werkstätten es nun schafft immer 10 Schrauben in eine Schachtel zu legen, während seine teure Betreuung dies in der gleichen Zeit schon zwanzig Mal hätte selber machen können? Wir wollen uns hier nur beweisen, dass wir den Menschen mit Behinderung alles ermöglichen, was andere Menschen auch tun und lernen dürfen und vergessen dabei den Kern und den Sinn der Sache : Nämlich das wir etwas tun oder können wollen um „dabei“ zu sein.

Gerade wenn die Leistung eines Menschen nicht so hoch ist und es nicht noch zusätzlich um Reichtum und Besitz und Existenz aufbauen geht, ist die Teilhabe von besonderer Bedeutung!

Wir können nun allerhand Paralleluniversen aufbauen. Zu Anfang bestimmt das einfachste. Auf Dauer nachteilig bis schädlich. Diejenigen, die keine allzu schwerwiegende Beeinträchtigung haben, merken die Aussonderung.

So, wie meine geistig behinderte Tochter sich gerade mit Händen und Füßen gegen die Förderschule, die sie jetzt seit Klasse 5 besucht, wehrt. Sie MERKT (!), dass sie ausgesondert ist. Sie war immer mit einer heterogenen Kindergruppe zusammen, in Kiga, Grundschule und bei Hobbys. Sie weint abends Stunden, wird blaß und krank, wacht nachts auf, weint morgens um fünf Uhr schon. Da hilft es auch nicht, dass die Klasse gerade Schlittschuhlaufen war und sie fast das Seepferdchen beim Schwimmen geschafft hat. Und obwohl sie in der GS immer auf „grün“ war, ein B im Sozialverhalten hatte, mit das pflegeleichteste Kind der Klasse war, ein Sonnenschein schon im Kiga, beliebt, gut integriert und kann vor allem ganz lange und geduldig warten, bis die Lehrerin sich um all die anderen gekümmert hat. Im Grunde braucht sie nur anderen Lernstoff und – weil schüchtern- Anschlusshilfe zu den Kindern. Bei uns auf unserem Reiterhof ist sie mit das selbständigste Kind, kann Sattel, Trensen, sich beim Pony behaupten und mit ihm galloppierend über einen Baumstamm springen. In Kunst könnte sie Noten kriegen und wäre mit einer 2+ dabei, wie auch in ihrer schönen Schreibschrift. Sogar während des Homeschooling hat sie Fortschritte bezüglich leichte Texte fließend lesen und verstehen und plus/minus mit Zehner Übergang bis 100 gemacht – bei einem damals gemessenen IQ von 62!
Sie würde später gerne im Zoo arbeiten und wäre da eine brauchbare Arbeitskraft – und jetzt das große ABER! Die Gesellschaft KENNT (!) ja garkeine Menschen mit Behinderung! Da muss man nur Mal Bus fahren. Gerade wenn der Person die Behinderung nicht gleich anzusehen und anzumerken ist, verstehen die Leute garnichts und fallen in ihre alten demütigenden verhöhnenden Reaktionen und Muster – zB wenn ein Mensch mit Behinderung Probleme mit dem Wechselgeld hat oder sich seltsam verhält oder etwas nicht versteht. Ich fahre seit 25 Jahren immer viel Bus und möchte meine Tochter dem später nicht ungeschützt aussetzen. Im Zoo ginge es dann weiter mit der Ahnungslosigkeit und Überforderung von Personal, das Zeitdruck hat und ein Zoo ist groß und manche Aufgaben, die sie vielleicht „aus Versehen“ bekäme, wären mitunter gefährlich für jemanden wie sie. Das sie nicht in die Werkstätten möchte, weiß ich jetzt schon.

Also wohin?
Ihr ganzes Leben werde ich mich das fragen müssen. Trotz ihrer guten Integration werde ich seit dem Kiga mit Förderschulwerbung bombardiert und bald wohl mit Werkstättenwerbung. Dorthin geht es schon mit einem Augenzwinkern, dort wieder weg sieht anders aus…
Jetzt muss ich mich richtig behaupten und meine Tochter mehr als leiden, damit wir von der Förderschule zur Oberschule dürfen. Klar dürfen wir – aber vielleicht weiß ich das ja nicht…

Auch klar ist, dass es dort für meine Tochter nicht perfekt ist, denn richtige Inklusion haben wir noch garnicht! Dazu muss man sich noch einen Schritt weiter trauen und das ganze vorhandene Personal samt Ausstattung aus der Förderschule herrüber holen. So lange dies nicht der Fall ist, gibt es natürlich Probleme, vor allem mit schwierigeren I-Kindern,es gibt aber so lange auch noch keinen Beweis, dass Inklusion nicht funktioniert! Und wo wollen wir den Strich ziehen? Es gab sicher einst mal die gleichen Sorgen bei der Aufnahme von Mädchen…? Waren da nicht auch die Klassen voll? War das nicht auch Idealismus, weil doch so viele später kaum voll arbeiten und schwanger werden ect? Ging es da nicht auch um gleichberechtigte Teilhabe? Wo machen wir jetzt einen Strich? Bei Mädchen? Bei DAZ? Bei ADHS? Bei LRS? Bei GE? Bei ESE? Bei ersteren für gutes Ansehen noch ja sagen und bei jenen, die am wenigsten Lobby haben dann verneinen ist Diskriminierung!

Wenn Lehrkräfte überfordert sind, dann müssen das alle mittragen und die Forderung muss sich gegen die Politik richten, der es nur Recht wäre, wenn wir das unter uns durch Ausgrenzung klären. Gleichstellung ist keine Diskriminierung von zuvor privilegierten, es ist lediglich Gleichstellung! Der Priviligierte würde nur diskriminiert, wenn er anstelle des Menschen mit Beeinträchtigung ausgesondert würde und dadurch Nachteile hätte, aber nicht wenn er die Situation genau wie alle anderen auch, mittragen muss. Denn auch Menschen mit Beeinträchtigungen haben dann in der Klasse ihre Nachteile auszuhalten, bis sich die Politik traut, die Sache Richtig umzusetzen. Das wäre dann echte Inklusion/Integration. Die richtige Fürsorge – der Anschluß an die Gesellschaft. Vielleicht einen besten Freund auf Augenhöhe, vielleicht auch nicht, weil man eher wie zweijährige nebeneinander spielt und jemanden braucht, der nicht die gleichen Einschränkungen hat. Und dann müssen wir uns auch nichts mehr beweisen, Inklusion /Integration ist da! Dann kann man auch sehen, wo man nach Bedarf aufteilt, wie man es auch allgemein bei bestimmten Interessengruppen/Arbeitsgruppen macht. Das findet Sinngemäß und nicht grundsätzlich statt. Da sind noch andere Fächer, Aktivitäten, Feiern. Die Gesellschaft kennt dann Formen von Beeinträchtigungen und kann damit umgehen. Den I-Kindern ist es hilfreich und auch umgekehrt. Aber von dem, was man alles von Kindern mit Beeinträchtigungen lernen kann, ein andermal.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Wieso wird Ihr Kind auf einem Gymnasium besser gefördert und weniger ausgesondert als an der Förderschule? (Um mehr geht es den Verfechtern der Inklusion im Grunde genommen nicht.)

Tasmyn
2 Jahre zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Indra,

Ich habe das Pipi in den Augen stehen. Danke für diesen Beitrag.
Wie die Argumente in den vorherigen Kommentaren schon gezeigt haben eine einfache bzw. schnelle Lösung wird es für diese Situation nicht geben.

Ich kann die Situation des ursprünglichen Artikels aus allen Perspektiven nachvollziehen.
Ich bin selber mit LRS diagnostiziert worden, habe ein Kind mit der gleichen Diagnose und arbeite mittlerweile im Lehramt.

Alle diese Positionen haben ihre eigenen Anforderungen, die zum Teil absolut konträr sind.

Als Beispiel möchte ich die Arbeitsbelastung gegen die individuelle Förderung nennen.
Auch Lehrer sind Menschen und nach 40 bis 60 Wochenstunden (ohne Korrekturphasen) sind wir auch daran interessiert für uns und unsere Familien da zu sein. Anderes würden wir natürlich gerne jedem Schüler DIE Förderung geben. Dabei ist es für mich unerheblich, ob der Förderungsbedarf angeboren, erworben oder sonst wie entstanden ist.

Als Elternteil wünsche ich mir auch DIE Förderung wünschen, weiß jedoch, dass es nicht ausschließlich Sache der Lehrer bzw der Schule ist. Eigenes Engagement, die Motivation des zu Kindes, die Erreichbarkeit und Qualität der Therapeuten, und so viel anderes.

Diese Debatte ist aus der langen Geschichte der Inklusion und Integration so emotional aufgeladen, dass eine sachliche Diskussion mit allen beteiligten Parteien zum jetzigen Zeitpunkt schwierig ist.
Dennoch erhoffe ich mir, dass genau dieser Schritt geschafft werden kann, um allen beteiligten möglichst gerecht zu werden und offen über die Bedürfnisse aller kommuniziert werden kann.

ysnp
2 Jahre zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Dann kämpfen Sie darum, dass die Klassen kleiner werden und wir in Doppelbesetzung in den heterogenen Klassen arbeiten können. Außerdem muss der Lehrerberuf wieder attraktiver werden. Durch Änderung der Rahmenbedingungen wäre eine bessere Inklusion möglich.
Mein Beispiel: Ich habe 28 heterogene Schüler, die man so in der Grundschule hat, davon ein inklusives GE- Kind, 4, die entweder Legasthenie oder Dyskalkulie haben oder beides, 4 Schüler mit DAZ – schon allein für die Vorbereitung der Differenzung für das GE- Kind verbraucht jede Woche ca. 4 Zusatzstunden. Rechnen wir mal hoch, wenn ich diese Stundenzahl für jedes Kind mit besonderen Schwierigkeiten brauchen würde – das wäre überhaupt nicht mehr leistbar.

Marco Riemer
2 Jahre zuvor

Sehr traurig!!

Was mich am meisten ärgert ist, dass es in dem eingangs geschriebenen Tread und auch hier in den Kommentaren sich immer wieder belegen lässt: In den Köpfen deutscher Lehrer schwebt immer noch dieses diffamierende und wenig konstruktive Bild des „faulen“ Schülers, der „faulen“ Schülerin in den Köpfen herum.

Wenn ein Lehrer hier, eine Lehrerin hier meint, es gäbe diesen Typus „faul“, dann ist es für mich ein Beleg dafür, dass diese LuL ihre einstmals hoffentlich vorhandengewesenen Ideale als LuL schon längst dem sicherlich harten Alltag geopfert hat. Das betrauere ich aufrichtig!! Und meine Worte sollen hier nicht als Schelte herhalten, wiewohl ich auch nicht will, dass irgendein SuS „faul“ gescholten wird!!!

BITTE: Wenn die Ideale weg sind und der päd. Ethos nicht mehr herzustellen ist, dann ab ins Grünflächenamt und Biotope anbauen!

Ihr möchtet auch nicht bei eurer eigenen OP am offenen Herz, das der Chirurg einen altersbedingten Tremor in der Hand hat. (Wobei der Tremor nur ein neurologisches Problem darstellt und noch viel Ethos im Herzen des alten Chirurgen vorhanden sein kann!)

Der Schüler und die Schülerin, egal mit welchem Handicap, haben LuL verdient, die ausschließlich das Beste im SuS sehen wollen und dem SuS als Vertrauensvorschuss immer wieder entgegenbringen.

Und Noten. Da bin ich dankbar, in der DDR in die Schule gegangen zu sein! Wegen meiner versteckten Legasthenie (d und t kann ich nicht hinreichend akustisch differenzieren und das stimmlose „h“ macht mir auch Probleme, zudem: ich bin dennoch 54 geworden und hab studiert!) wurde ich nie „gedisst“!

@ Indra Rupp 3. Dezember 2021 um 16:04
Ich habe schlussendlich Heilpädagogik studiert und muss sagen, das mir die besonderen Kinder immer das meiste gelehrt haben. Ich bin dankbar dafür und auch, für Deine sehr ausführlichen Gedanken oben!

Einen schönen und erfüllten zweiten Advent wünscht
Marco

Indra Rupp
2 Jahre zuvor

https://www.queer.de/detail.php?article_id=40623

Hier ein Buchtipp!
„Märchenland für alle“ ist ein in Ungarn heftig kritisiertes und verbotenes Buch. Die Autor*innen wurden attackiert und der Herausgeber floh sogar ins Ausland. Es ist trotzdem ein Bestseller geworden und kommt im Frühjahr in Deutschland heraus. Märchen wurden hier umgeschrieben, indem Menschen mit ihrer Diversität inkludiert wurden und die Geschichten somit die Wirklichkeit repräsentieren. Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe, Beeinträchtigung, sozialen Problemen, Prinzessinnen – die garnicht heiraten wollen, Prinzen – die Prinzen heiraten wollen ect.
Märchen, in denen sich alle Kinder wiederfinden können!

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Hinweis: Das Buch wurde nicht verboten, nur der Verkauf an unter 18-jährige. Darüber kann man diskutieren – ich finde es lächerlich – es wird aber tatsächlich aufgrund der Zielgruppe kaum vorgekommen sein. Ich persönlich würde es nie kaufen, sondern die Originale vorziehen. Die Märchen aus 1000 und einer Nacht spielen im arabischen Raum und mit Sicherheit gibt es auch traditionelle afrikanische Märchen, in denen genug schwarze Menschen die Hauptrolle spielen. Schule Prinzen oder Hasen mit drei Ohren gibt es dort aber sehr wahrscheinlich nicht.

ysnp
2 Jahre zuvor

Ich sehe die Sache jetzt eher einmal mit Grundschulaugen. Wenn die Kinder in die Schule kommen, dann bringen sie unterschiedliche Voraussetzungen mit. Diese Voraussetzungen spiegeln sich oft darin wieder, wie die Schüler in der Schule und mit dem Lernen zurechtkommen. Kinder entwickeln sich gerade in den ersten beiden Jahren der Grundschule noch stark, da ist es wichtig, bei denen, die sich schwer tun, am Ball zu bleiben.
Einige erreichen die Grundlagen durch mehr üben, andere durch weniger. Es gibt auch eine Gruppe, denen mehr Übung gut getan hätte, die aber aus irgendwelchen Gründen (da reichten schulische Übungen und Hausaufgaben zur Übung nicht aus) nicht zu leisten war. Darüber hinaus gibt es Kinder, die trotz Unterstützung und vielen Hilfsmaßnahmen langsamer vorankommen und häufige Wiederholungen brauchen.
Im dritten Schuljahr manifestiert sich so langsam, ob eine Dyskalkulie, Lese- oder Rechtschreibstörung vorliegt. Aber auch hier kann man das bei einigen noch auffangen – durch gezielte Therapien oder gezielte Übungen. Bei allen nicht.

In Bayern haben wir ein gutes Schulberatungssystem. Wenn mir etwas auffällt, rede ich mit den Eltern und beantrage bzw. die Eltern eine Überprüfung der Probleme durch die Schulberatung. Das sind speziell geschulte Beratungslehrer oder Schulpsychologen. Wenn die Eltern das außerschulisch machen wollen, gehen sie in der Regel zum Kinder- und Jugendpsychiater. Aufgrund der erstellten Diagnose gibt es dann meistens Notenschutz in der Rechtschreibung und Nachteilsausgleich beim Lesen, der speziell auf das Kind ausgerichtet wird und dem Lehrer einige pädagogische Möglichkeiten gibt. Leider ist in Bayern die Dyskalkulie noch nicht in dem Maß anerkannt, dass ein Nachteilsausgleich möglich wäre.

Das Problem in meinem Bundesland ist nicht die Überprüfung, sondern die Therapien und Förderstunden. Die außerschulischen Therapien haben eher den Schwerpunkt die Psyche des Kindes zu stärken, was aber für die Verbesserung der Rechtschreib- und Lesestörung nichts bringt. Die LRS- Kurse von einer Stunde in der Woche an der Schule bringen im Sammelbecken mehrerer Schüler überhaupt nichts.

In meinen Klassen habe ich festgestellt:
Wer Leseschwierigkeiten hat, liest auch nicht gerne und vermeidet Übung. Dabei ist es wichtig, dass ein Kind regelmäßig angepasste Übungen macht. Jeden Tag 10 min.

Rechtschreibstörungen haben unterschiedliche Ansatzpunkte. Verbesserungen wurden bei meinen Schülern (oft sind es Jungs) schon erzielt, indem ich sie erstmal dazu brachte, sauber und leserlich zu schreiben.
Manchmal ist die Stifthaltung so schlecht, dass sie ihre eigene Schrift verdecken und gar nicht mehr lesen, was sie geschrieben haben.
Andere mit Rechtschreibstörungen haben sich eine schlechte Abschreibtechnik angewöhnt. Denn sie schauen das abzuschreibende Wort gar nicht mit System an.
Andere sprechen die Wörter nicht im Kopf mit, sondern verlassen sich auf ihr wenig ausgeprägtes bildhaftes Gedächtnis.
Im 3. Schuljahr versuche ich manches wieder zurechtzubiegen, doch leider haben sich falsche Techniken schon manifestiert.

Für mich wäre es wichtig, dass man in der Therapie überprüft, wo und wie etwas falsch gemacht wird und dann daran arbeitet, ähnlich wie die Logopädie das so schön im sprachlichen Bereich macht.
In der Dyskalkulie sind die Schüler überfordert mit der Zahlenvorstellung und der daraus resultierenden Rechenverfahren. Aber auch da gibt es falsch antrainierte Rechenweisen, leider von Eltern falsch vermittelt. Da habe ich gerade einen Fall; das Kind hat aufgrund dessen (im Lockdown wurden die Grundlagen gelegt) keine Zahlenvorstellung, die über 10 hinausgeht, entwickelt.

Und es ist tatsächlich so: Es gibt Zeitfenster, die sich öffnen und schließen. Leider ist es oft später sehr mühsam, etwas aufzuholen.

Nach allen Ausführungen: Es gibt auch Kinder – die habe ich auch immer wieder gehabt – da helfen keine Hilfen an den entsprechenden Stellen – hier fehlt der Zugang. Manchmal unerklärlich.

In der Richtung, die ich oben geschildert habe (das ist mein Erfahrungswissen aus vielen Jahren mit entsprechenden Fortbildungen) sollte noch mehr geforscht werden, damit man gezielter fördern kann.

Heinz
2 Jahre zuvor

Solange die Rahmenbedingungen so sind, wie sie sind, wird sich hier nicht viel ändern lassen.
Wie es jetzt ist, schürt es Frust bei Eltern und bei Lehrern, mehr ist aber mit den aktuellen Bedingungen, 28 Wochenstunden mit 25-33 Kindern nicht machbar.
An meiner Schule gibt es spezielle Förderkurse und es gibt Nachteilsausgleiche wie Zeitverlängerungen oder Hilfsmittel. Trotzdem wird man den Kindern damit nicht 100 Prozent gerecht und das geht auch gar nicht. Das was manche Eltern fordern würde einer 1zu1 Betreuung entsprechen und dies kann sich kein Staat leisten, der Lehrermangel tut sein Übriges. Ich muss schon oft gesondertes Material für zieldifferente Kinder erstellen, für LRS oder Dyskalkulie geht das einfach nicht mehr. Der Wechselunterricht hat gezeigt, dass die Klassenstärken in Deutschland ein wesentliches Problem in allen Belangen sind! Mit halb so großen Klassen konnte wesentlich besser, effektiver und individueller gearbeitet werden. Bei um die 30er Klassen besteht die meiste Zeit im Unterricht darin, Unterrichtsstörungen zu vermeiden, dass alle Kinder überhaupt die Chance haben, etwas zu lernen, wenn sie denn wollen. Dass ich mich mal 10min neben ein Kind setze, während die anderen arbeiten, daran ist leider überhaupt nicht zu denken, und man sagt mir nach, dass ich meine Klassen sehr gut im Griff habe.

ysnp
2 Jahre zuvor
Antwortet  Heinz

Guter Kommentar, der aus der Praxis kommt und der es trifft.

Lena 2016
2 Jahre zuvor
Antwortet  Heinz

Diese Feststellung möchte ich dick unterstreichen: „Mit halb so großen Klassen konnte wesentlich besser, effektiver und individueller gearbeitet werden. Bei um die 30er Klassen besteht die meiste Zeit im Unterricht darin, Unterrichtsstörungen zu vermeiden.“
Unsere Schulen verkommen mehr und mehr zu Institutionen, in denen die Kinder vor allem aufbewahrt und im Zaum gehalten werden und kaum mehr etwas lernen.
Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden wir in wenigen Jahren vielleicht von Klassenstärken um höchstens 10 Kinder reden, damit „effektiver und individueller gearbeitet werden“ kann.

Lehrerin Klasse 3
1 Jahr zuvor

Ich bin selbst Lehrerin einer 3. Klasse mit 2 diagnostizierten LRS-Schülern. Der eine Schüler ist ein eher leichter Fall, bei dem höchstwahrscheinlich noch eine ADS-Symptomatik vorliegt (wird jetzt diagnostiziert).
Bei dem anderen Schüler wurde nach der Diagnostik am LRS-Stützpunkt dringend die Empfehlung zum Besuch einer LRS-Klasse (ja, das gibt es hier in Sachsen, meine Schule ist selbst LRS-Stützpunkt) empfohlen, was die Eltern kategorisch ablehnten.
Nun bestehen diese aber auf einen Nachteilsausgleich, was sie rein rechtlich auch dürfen. Diesen versuche ich mit verschiedenen Mitteln zu gewähren (z.B. mehr Zeit, weniger Quantität bei Aufgaben, Silbenschreibweise, größere Schriftgröße in Texten, individuelles Vorlesen der Aufgaben und Texte).
Für mich als Lehrer einer Regelklasse mit sehr heterogenem Leistungsgefüge (ich differenziere sowieso schon häufig bei Arbeitsblättern und Aufgabenformaten) ist aber eine so extreme Einzelförderung, wie teilweise in der einschlägigen Literatur gefordert wird, im Regelunterricht nicht praktikabel. Das bedeutet nicht nur für mich (meiner Meinung nach unverhältnismäßig) mehr Arbeitsaufwand sondern auch häufig Leerlaufzeiten für „durchschnittliche“ Schüler bzw. für meine leistungsstarken Schüler. Dafür soll ich dann auch noch Extra-Futter erarbeiten. So wird aber das Leistungsgefälle zwischen den Schülern eher größer als kleiner. Im Unterricht stehe ich alleine vor über 20 Schülern, die alle irgendwie meine Aufmerksamkeit verdient haben. Eine individuelle 45-Minuten-Förderung für einen Einzelschüler kann ich nicht leisten. Ich kann auch meine wöchentliche Förderstunde nicht nur auf einen oder zwei Schüler konzentrieren. Das geht schon hin und wieder, kann aber nicht die Regel sein, denn schließlich haben ALLE Schüler Anspruch auf Förderung / Forderung.
Genau für diese spezielle Förderung sind doch die LRS-Klassen vorgesehen. Ich habe schon oft erlebt, dass die Schüler wirklich von deren spezieller Methodik und auch der gestreckten Klassenstufenlaufzeit (Klasse 3 wird auf 2 Schuljahre gedehnt) profitiert haben.
Was mir fehlt, sind wirklich praktikable, im Unterricht einfach umsetzbare Tipps, die NICHT dazu führen, dass ich aufgrund des Mehraufwands beim Planen und Vorbereiten meines Unterrichts meinen eigenen Kinder zuhause vernachlässigen muss, weil Mama mal wieder bis nachts um 12 Uhr am Schreibtisch sitzen muss.
Lehrer sind auch Menschen mit Familie. Irgendwann ist es genug.
Ich kann zudem im Unterricht differenzieren wie ich will, letztendlich müssen bestimmte Leistungen von den Schülern erbracht werden, z.B. Kompetenztests u.ä., die ja zentralisiert sind. Dann kann ich auch nicht mit zweierlei Maß messen. Da ist sicher Überarbeitungsbedarf am System nötig, aber dafür bin ich nicht zuständig. Ich habe 25 Kinder vor mir sitzen, nicht nur 2 LRS-Kinder. Die restlichen 23 wollen auch anerkannt werden. Oft fällt das „funktionierende Gros“ der Schüler nämlich hinten runter, weil wir nur noch auf Differenzierung zugunsten lernschwächerer Schüler aus sind. Von Fordermöglichkeiten für besonders leistungsstarke Schüler will ich mal gar nicht anfangen…
Also wie man sieht, das ist Kampf an mehreren Fronten und zudem ständiger Druck von allen Seiten. Das führt zu Frust bei allen Beteiligten, nicht nur bei den LRS-Kindern.
Ich befürworte natürlich die besondere Förderung solcher Teilleistungsschwächen / Wahrnehmungsschwächen oder Lernschwierigkeiten. Aber NOCHMAL: wenn diese von den Eltern wegen eines möglichen Prestigeverlusts oder Labelling „LRS-Klasse“ nicht angenommen wird und dann alle anderen in der Klasse mitleiden müssen, regt sich auch bei mir der Frust.
So, das musste mal gesagt werden.