Studie: Auch im Distanzunterricht können Lehrer die Beziehung zu Schülern pflegen

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TÜBINGEN. Noch immer klingt es aus den Kultusministerien landauf, landab wie ein Mantra, dass die Schulen unter beinahe allen Umständen offen gehalten werden sollen. Auch neue Studienergebnisse von Tübinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern betonen die Bedeutung der Schüler-Lehrer-Beziehung, zeigen indes, wie diese sich auch in Zeiten des Distanzunterrichts aufrecht erhalten lässt.

Homeschooling, Distanzunterricht, Corona, Homeschooling-Scouts. Foto: shutterstock/Ulza
Pädagogische Beziehungen lassen sich auch per Video aufrecht erhalten. Foto: shutterstock/Ulza

Unterrichtsmethoden, die einen persönlichen Kontakt ermöglichen und Beziehungen aufrechterhalten, haben sich als besonders günstig für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler im Distanzunterricht herausgestellt. Dies ist das Ergebnis einer Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Tübingen. Sie hatten untersucht, wie Lehrkräfte während der ersten Schulschließungsphase im Frühsommer 2020 aufgrund der Corona-Pandemie den Distanzunterricht gestalteten und wie die Qualität dieses Unterrichts von Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern wahrgenommen wurde.

„Sie wollen lieber die eigene Lehrkraft sehen und das Gefühl haben, da hat sich jemand für uns richtig Mühe gegeben“

Dabei zeigte sich, dass beispielsweise Videomeetings oder auch persönliche Treffen der Lehrerinnen und Lehrer mit einzelnen Schülerinnen und Schülern am meisten zur Unterrichtsqualität und zur Freude am Lernen oder der Anstrengungsbereitschaft beitrugen. „Das große Bedürfnis von Schülerinnen und Schülern nach einem persönlichen Kontakt zur Lehrkraft zeigte sich auch eindrücklich an einem weiteren Ergebnis der Studie: Selbstgemachte Videos der Lehrkräfte wurden am besten beurteilt“, erklärt Studienhauptautorin Ann-Kathrin Jaekel.

Schülerinnen und Schüler und auch deren Eltern legen offenbar keinen Wert auf ein perfekt gestaltetes Video. „Sie wollen lieber die eigene Lehrkraft sehen und das Gefühl haben, da hat sich jemand für uns richtig Mühe gegeben“, fügt die Bildungsforscherin hinzu. Keine relevante Auswirkung auf die gefühlte Unterrichtsqualität zeigten hingegen Lernvideos von Drittanbietern auf Plattformen wie Youtube oder Planet Schule.

An der Studie beteiligten sich rund 3.200 Schülerinnen und Schüler, 1.700 Eltern und 300 Lehrerinnen und Lehrer von weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg. Zunächst untersuchten die Wissenschaftler dabei, mit welchen Mitteln der Unterricht in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch konkret gestaltet wurde, etwa mit Videomeetings, Gruppenarbeiten, Onlinepräsentationen oder Lernvideos. Anschließend ermittelten sie, welche Methoden Eltern, Schülerinnen und Schüler als besonders hilfreich für das Lernen auf Distanz erlebten.

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Beispielsweise fragten sie, wie die Struktur des Unterrichts, das Feedback der Lehrkraft oder die Gestaltung der Übungsphasen wahrgenommen wurden. Schließlich ermittelten die Forscherinnen und Forscher, wie die Unterrichtsmethoden mit Faktoren wie Lernfreude, Anstrengungsbereitschaft oder mit der erlebten Klassengemeinschaft zusammenhingen.

Die Ergebnisse zeigten, dass Lehrerinnen und Lehrer eine große Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten nutzten und diese stark vom jeweiligen Unterrichtsfach und der Lehrkraft abhängig waren. Während Videomeetings oder Treffen mit einzelnen Schülerinnen und Schülern über alle Fächer hinweg eingesetzt wurden, verwendeten Mathematiklehrer verstärkt selbstproduzierte Lernvideos. In den Fächern Deutsch und Englisch hingegen spielte Gruppenarbeit eine größere Rolle.

„Es ist jedoch auch klar, dass dies für Lehrkräfte mitunter einen großen Aufwand bedeutet“

Insgesamt wurden von Eltern, Lehrern und Schülern Formate als besonders lernwirksam erachtet, wenn sie eine persönliche Beziehung zur Lehrkraft oder den Klassenkameradinnen und -kameraden ermöglichten und die soziale Interaktion förderten. Die Aufrechterhaltung des persönlichen Austauschs mit ihren Lehrern und auch der Schülerinnen und Schülern untereinander ist nach Ansicht der Tübinger Forscher deshalb auch im Distanzunterricht besonders bedeutsam. „Es ist jedoch auch klar, dass dies für Lehrkräfte mitunter einen großen Aufwand bedeutet. Sie sollten ihren Schülerinnen und Schülern aber regelmäßig und verlässlich die Möglichkeit zum persönlichen Austausch geben“, rät Ann-Kathrin Jaekel.

Nicht zuletzt heben die Tübinger Bildungswissenschaftler auch die Relevanz ihrer Ergebnisse für die Zukunft hervor, in der der persönliche Austausch wieder im Präsenzunterricht stattfinden wird. „Insbesondere mit Blick auf die Ergebnisse zu den Lernvideos liefert uns die Studie […] interessante Ansatzpunkte, um auch den inzwischen wieder stattfindenden Präsenzunterricht durch digitale Bestandteile sinnvoll zu ergänzen. Bestimmte Elemente des digitalen Unterrichts haben durchaus Zukunftspotential“, formuliert Ann-Kathrin Jaekels Kollege Richard Göllner.

Was bleibt vom Distanzunterricht nach Corona? Viele gute Erfahrungen (wenn die Politik es zulässt)! Leser diskutieren

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Felix Diesmann
2 Jahre zuvor

Diese Studie ist doch nur aussagekräftig, wenn das ungefähre Alter der befragten SuS zumindest angegeben wird. Es gibt ja wohl einen unterschied zwischen Grund/ Sek1 und Sek2 SuS. Diese beiden Gruppen sind doch überhaupt nicht miteinander zu vergleichen, da die Altersunterschiede massiv sind. 17, 18 oder 19 Jährige sind bei weitem nicht so auf „persönliche Beziehung zur Lehrkraft oder den Klassenkameradinnen und -kameraden“ angewiesen. Deswegen sollte auch in der Debatte über Schulschließungen differenziert werden, da sich die Verhältnissmäßigkeit mit dem Alter ändert.

Andre Hog
2 Jahre zuvor

Vielen Dank für den interessanten Bericht.
Jetzt weiß ich wenigstens, was ich in den wenigen Nachtstunden, in denen ich bislang sinnlos geschlafen habe, machen kann.
Ich produziere Lernvideos für meine unterschiedlichen Geschichtsgruppen – von der Mittelstufe bis zur Q2 – in den angemessenen Anforderungsniveaus – den curricularen Vorgaben entsprechend.

Rüdiger Vehrenkamp
2 Jahre zuvor

Die Lehrer meiner Kinder haben sich die größtmöglichste Mühe gegeben, ihren Unterricht über Videokonferenzen abzubilden. Dafür gebührt ihnen Dank & Anerkennung. Den Kontakt in der Präsenz ersetzten die täglichen Sitzungen am Tablet bzw. Laptop trotzdem in keinster Weise.

Andre Hog
2 Jahre zuvor

Rüdi singt wieder das HoheLied vom „Präsenzunterricht“ …. eines muss man dir lassen….ohne Ahnung von Unterrichtsplanung und tiefergehende schulischen Abläufen vertrittst du immer wieder tapfer deine einseitige Sicht als Sozialpädagoge…..Hut ab!!!

Kritischer Dad*NRW
2 Jahre zuvor

Genau und da kommen Sie dann endlich ins soziale Spiel… Kontakte, also ran es gibt Arbeit!

Andre Hog
2 Jahre zuvor

Hmmm, habe ziemlich viele soziale Kontakte jeden Tag ( ca. 140 bis 190) ….was möchten Sie mir / uns sagen, lieber Dad-NRW??

Kritischer Dad*NRW
2 Jahre zuvor
Antwortet  Andre Hog

Aber Andre, es hat doch Rüdi geschrieben, und ihm alleine galt mein Beitrag, da die unzähligen vernachlässigten Kinder durch suchtkranke Elternteile geschunden, neben psychischem Schaden doch auch dringender Rettung durch offene Schulen bedürfen und weil Omikron nicht krank macht dort auch die geringsten Gesundheitsgefahren lauern.

Stromdoktor
2 Jahre zuvor

@Redaktion:

Ich kann in den Anworten auf den Beitrag von „Rüdiger Vehrenkamp“ bzw. zur ursprünglichen Überschrift keine inhaltlichen Anknüpfungspunkte erkennen. Vielmehr verfolgen diese ausschließlich das Ziel, der persönlichen Integrität des anonymen Users zu schaden bzw. die Beiträge ins Lächerliche zu ziehen. Bestenfalls lassen sich die Kommentare als „humorvoll“ für einen ausgewählten Kreis, bezeichnen.

Ggf. könnten Sie mir kurz erläutern, welchen Mehrwert Sie hinter dieser, mittlerweile gängigen, Praxis sehen und wie diese im Kontext ihrer Regeln zur Netiquette stehen.

https://www.news4teachers.de/uber-uns/

A.H.
2 Jahre zuvor

Hier schwankte die Qualität zwischen engagiert und gelangweilt, Konferenz bis „Druckt die Zettel aus.“ Persönlicher Kontakt – Fehlanzeige Bis auf Lehrer, die sogar Schach- und Koch-AG digital weiterführen. Es bestand überall eine Scheu sich zu zeigen. Ausgefuchst war es dann wohl, die Schüler Erklärvideos produzieren zu lassen als Hausaufgabe. Chapeau!

Neu1
2 Jahre zuvor

Bei uns hat die Schulleiterin Montags den WP und weiteres Lernmaterial aus dem Fenster gereicht. 2 mal die Woche gab es 15min Videokonferenz. Das war gar nichts, aber in den Grundschulen BW Standard. An Präsenz führt nichts vorbei.

Semmi
2 Jahre zuvor
Antwortet  Neu1

Leider scheint das die Quintessenz zu sein. Bei uns gab es sogar 3-Wochenpläne. „Korrigiert“ oder kommentiert wurde davon gar nichts. Unser Kind hat pro Tag 1 Stunde mit dem Material gearbeitet (so motiviert wie es 2. Klässler alleine halt machen, wir haben gearbeitet), nach 3 Tagen war das Wochenpensum erfüllt. Unser Kind (! – nicht wir!) hat dann der Lehrerin eine e-mail geschrieben, es würde gerne mehr machen. Material oder Anregungen kamen keine, sie sei im Stress, schließlich habe sie auch Kinder zu betreuen.
Das Thema wurde nochmal aufgegriffen und von Lehrerseite wurde breit ausgeführt, dass DU nicht machbar sei und so unglaublich aufwändig und dass alleine die Erstellung des (3)Wochenplans schon nicht zu bewältigen sei…
Ja, an Präsenz scheint einfach kein Weg vorbei zu gehen. Das weiß/glaubt mittlerweile jeder.
Und ja: Ich bin besorgt um meine Kinder. Und ja: ich würde sie zuhause lassen! Und ja: ich denke, „Lernen mit Rückenwind“ hätten wir uns alle sparen können, wenn nicht ständig die Ferien verlängert werden wären!