Hat Holter die Öffentlichkeit getäuscht? Ministerium verteidigt Entscheidung zu Distanzunterricht

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ERFURT. Kurz vor Weihnachten kündigte Thüringens Bildungsminister Holter an, nach den Ferien in den Distanzunterricht wechseln zu wollen – dabei verbietet das Infektionsschutzgesetz der Ampel-Koalition im Bund ausdrücklich Schulschließungen in der Fläche. Wollte sich der Linken-Politiker mit einem politischen Manöver aus der Verantwortung stehlen?

Vorgeprescht: Thüringens Bildungsminister Holter. Foto: By Martin Kraft (Own work) CC BY-SA 3.0 Wikimedia Commons

Das Thüringer Bildungsministerium hat Kritik an der Entscheidungsfindung zum Distanzunterricht kurz vor Weihnachten zurückgewiesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei das Ministerium davon ausgegangen, dass die Bundesregierung «ihre Hausaufgaben» mache und die nötigen rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffe, sagte ein Sprecher am Dienstag auf Anfrage. In der Kabinettssitzung sei auch darauf hingewiesen worden, dass die rechtlichen Voraussetzungen noch geprüft werden müssten. Dies hätte vielleicht für die Öffentlichkeit deutlicher kommuniziert werden müssen.

Am 22. Dezember hatte das Thüringer Kabinett beschlossen, dass die Schulen am 3. und 4. Januar ganz geschlossen und den Rest der ersten beiden Wochen nach den Ferien im Distanzunterricht bleiben sollen. Eine Woche später ruderte das Bildungsministerium zurück, da das Infektionsschutzgesetz auf Bundesebene keinen flächendeckenden Distanzunterricht ermögliche. Die Schulen starteten für zwei Tage in Distanzunterricht und können seither selbst darüber entscheiden.

Die CDU-Fraktion im Landtag kündigte am Dienstag an, die Entscheidung im Bildungsausschuss des Landtags aufarbeiten lassen zu wollen. «Aufgrund der massiven Auswirkungen dieses fahrlässigen Agierens der Landesregierung halten wir es für geboten, dass sich Herr Holter dazu vor dem Parlament erklärt», sagte der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Christian Tischner. Durch die Entscheidung seien tausende Thüringer Familien unnötig verunsichert worden.

«Wenige Schulen wenden feste Lerngruppen an oder haben für einzelne Klassen Wechselunterricht eingerichtet»

Bildungsminister Helmut Holter (Linke) solle daher in einer Sitzung des Bildungsausschusses am 21. Januar begründen, wie es entgegen der zu dem Zeitpunkt gültigen Rechtslage dazu kam. Tischner bezog sich in seiner Erklärung auf einen Bericht der «Thüringer Allgemeinen», wonach das Kabinett die Entscheidung über die Schulschließungen nicht weiter diskutiert habe.

In Thüringen setzen nach Angaben des Bildungsministeriums fast alle Schulen derzeit auf Präsenzunterricht. «Wenige Schulen wenden feste Lerngruppen an oder haben für einzelne Klassen Wechselunterricht eingerichtet», sagte der Sprecher. Es gebe nach Kenntnis des Ministeriums landesweit keine einzige Schule, die derzeit vollständig in den Distanzunterricht gewechselt sei.

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Die Schulleiter können nach einer Entscheidung des Bildungsministeriums von Ende 2021 selbst darüber entscheiden, wie sie den Unterricht an ihrer Schule organisieren. Nur, wenn sie alle Schüler in den Distanzunterricht schicken wollen, müssen sie sich dazu mit dem zuständigen Schulamt abstimmen.

Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hatte kürzlich erklärt, die Schulen müssten pandemiebedingt weiterhin «auf Sicht fahren». Deshalb sollten sie das Infektionsgeschehen an ihrer Schule laufend bewerten und an jedem Donnerstag neu entscheiden, wie der Unterricht ab dem darauf folgenden Montag organisiert wird.

Die offiziellen Infektionszahlen in Thüringen sind zuletzt stark zurückgegangen. Die Sieben-Tage-Inzidenz sank von über 1000 Mitte Dezember auf 387, 9 am Dienstag. Auch die Belegung der Intensivstationen mit Covid-19-Patienten ging zuletzt etwas zurück.

Die Infektionszahlen mit der Omikron-Variante machten nach Angaben des Gesundheitsministeriums weiter nur einen kleinen Teil der Neuinfektionen aus. Insgesamt wurden bis Dienstag 302 Fälle im Freistaat der neuen Variante zugerechnet. Ob es sich dabei um Verdachtsfälle handelte oder durch Sequenzierung bestätigte Fälle, teilte das Ministerium nicht mit. Eine Woche zuvor hatte die Zahl noch bei 52 gelegen.In den vergangenen sieben Tagen waren landesweit insgesamt 6860 Corona-Fälle gemeldet worden.

Da die Angaben zu Omikron noch nicht standardisiert seien und teils noch händisch eingegeben würden, könne es zu Fehlern und unterschiedlichen Angaben kommen, schränkte eine Sprecherin ein. Das Gesundheitsministerium beziehe sich auf eine Auswertung der Meldungen der Gesundheitsämter durch das Landesamt für Verbraucherschutz. News4teachers / mit Material der dpa

Schulschließungen – jetzt also doch! Erstes Bundesland (Thüringen) kündigt Distanzunterricht für Januar an

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SKR
2 Jahre zuvor

Als die Meldung im Dezember kam, dass die Schulen in Thüringen die ersten zwei Wochen zu sind, habe ich mich gefragt, ob der Typ etwas was dazugelernt hat oder mit diesem Manöver von sich ablenken will. Schließlich war er mit seiner Entlassung der Staatssekräterin in die Kritik geraten und auch so hat sich die gesamte Landesregierung mit der Corona-Politik mehr als blamiert. Kurz vor dem Jahreswechsel dann die Rolle rückwärts, ganz nach alter Holter-Manier: Verantwortung abschieben, ja nichts machen, was dem eigenen Interesse schaden könnte. Der alte Kommunist ist absolut fehl am Platz und es bestätigte meine Vermutung erneut, dass er für sein politisches Amt über alles geht. Da sind ihm die Familien völlig egal. Vermutlich würde er dafür noch seine eigene Großmutter verkaufen .

Walter
2 Jahre zuvor

Tja, wenn der Bildungsminister kurz zuvor seine Staatssekretärin mit juristischer Vorbelastung feuert muss er eben selber ran und erklären. Und wenn er das vergeigt, bleibt offen, ob der Ministerpräsident fortwährend immer weiter hinter einem steht.

SKR
2 Jahre zuvor
Antwortet  Walter

Warum sollte der rote Bodo nicht weiterhin hinter dem tiefroten Helmut stehen? Was sollte denn Holter sonst machen? In MV wollen sie ihn ganz sicher nicht zurück. Die waren froh, dass er weit weg ist 🙂

Leseratte
2 Jahre zuvor

Dafür haben wir die neuen Quarantäneregeln für Omikron:

„[…] Infzierte ohne Symptome, die bereits geboostert sind, sowie Personen, bei denen die vollständige Impfung oder eine Genesung nicht länger als 3 Monate zurückliegt, sind von den Quarantäneverpflichtungen ausgenommen.“

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/omikron-corona-neue-regeln-quarantaene-100.html

Wenn ich das richtig verstehe, geht es nicht darum, dass geboosterte Kontaktpersonen von Omikroninfizierten nicht mehr in vorsorgliche Quarantäne müssen, sondern darum, dass man, nachgewiesen infiziert, weiterarbeitet, wenn man keine Symptome hat, oder verstehe ich da was falsch… Wie sieht es denn da mit der Virusweitergabe aus? Arbeiten wir Geboosterte dann alle in der Schule weiter, auch wenn wir positiv getestet sind? Ich verstehe gar nichts mehr.

Passt ja dann zu den nach 5 Tagen freigetesteten SuS, falls da ein Antigentest ausreicht.

„Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre können sich nach fünf Tagen freitesten. Das gilt allerdings nicht für Jugendliche, die eine Ausbildung in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder Einrichtungen der Eingliederungshilfe absolvieren.“

„Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, die eine Ge- meinschaftseinrichtung besuchen, ist die Verkürzung der Quarantäne auf 5 Tage bei Vorlage eines negativen Befunds einer PCR, eines alternativen Nukleinsäure-Amplifikationsver- fahren oder Antigenschnelltests möglich.“

Super. Omikronwelle läuft…

Marie
2 Jahre zuvor
Antwortet  Leseratte

Da hat der MDR was verwechselt. Wenn man dem Link zur Verordnung folgt, dann gehen geboosterte Kontaktpersonen nicht in Quarantäne, ist man selbst positiv, steht Quarantäne an.

Jan aus H
2 Jahre zuvor

Die armen Schulleitungen… ob die wohl ahnen, was da auf sie zukommt? Sie sind laut Gesetz für die Hygiene verantwortlich und müssen nun auch noch selbst entscheiden, ob sie Präsenz riskieren. Das kann schwere gesundheitliche Folgen bis zum Tod von Angehörigen mit sich bringen… ob die betreffenden SL wohl eine Berufshaftpflicht haben?

SKR
2 Jahre zuvor
Antwortet  Jan aus H

In deren Haut möchte ich echt nicht stecken. Da steht man ja mit jeder Entscheidung, eine weitere Woche die Schule offen zu lassen, schon halb vor Gericht, wenn nicht sogar im Knast.
Aber Hauptsache der rote Helmut genießt politische Immunität und schaut dem Treiben zu. Das ist fast so wie im alten römischen Reich: die Gladiatoren prügeln sich unten und Holter sitzt auf der Tribüne und schaut sich das Spektakel aus sicherer Entfernung an.

eldorado
2 Jahre zuvor

„Die Schulleiter können nach einer Entscheidung des Bildungsministeriums von Ende 2021 selbst darüber entscheiden, wie sie den Unterricht an ihrer Schule organisieren. Nur, wenn sie alle Schüler in den Distanzunterricht schicken wollen, müssen sie sich dazu mit dem zuständigen Schulamt abstimmen.“

Das ist eine Lösung, die ich mir für alle Schulen wünschen würde. Dann würde auch der Stress mit ständig kurzfristigen neuen Anweisungen aufhören.

Leseratte
2 Jahre zuvor
Antwortet  eldorado

Nein, das ist sicher nicht die beste Lösung. Schulleiter bekommen mächtig Druck von den Eltern, sowohl von den vorsichtigen als auch von den sehr lauten Gegnern der Schutzmaßnahmen, außerdem müssen sie bei unpopulären Entscheidungen wie Wechselunterricht massive Proteste von Querdenkern, Coronaleugnern usw. befürchten. Ich denke, das ist auch ein Grund, warum in Thüringer Schulen nicht geimpft wird. Diesen Ärger möchte sich keine Schulleitung ins oder vors Haus holen. Sie können es nur verkehrt machen, beziehen Prügel von allen Seiten und am Ende bleibt es beim Präsenzunterricht.
Es ist sicher auch davon auszugehen, dass sich SL im Schulamtsbereich bzw. Landkreis absprechen. Und was will ein etwas vorsichtigerer SL machen, wenn in den Nachbarschulen anders entschieden wird bei gleicher Infektionslage? Das ist den Eltern nicht zu vermitteln.