Digital-Unterricht ohne Ausstattung? Gutachten beanstandet geplante Schulrechtsänderung in NRW

5

Eine geplante Schulrechtsänderung der nordrhein-westfälischen Landesregierung ist laut einem Rechtsgutachten für die Grünen nicht verfassungskonform. Moniert werden nicht geregelte Voraussetzungen für den erwünschten Digitalunterricht. In dem am Freitag veröffentlichten Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Düsseldorfer Landtags heißt es, der Gesetzentwurf der Landesregierung sei deswegen «verfassungsrechtlich zu beanstanden». Die schwarz-gelbe Koalition will das Gesetz am Mittwoch durch das Parlament bringen.

Unter Druck: Schulministerin Yvonne Gebauer, hier bei einer Pressekonferenz im vergangenen September. Foto: Land NRW / Martin Götz

Die Novelle sieht unter anderem vor, digitalen Unterricht auch nach der Corona-Pandemie fest zu verankern und die Vermittlung entsprechender Kompetenzen ausdrücklich in den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen aufzunehmen. Nach der bisherigen Rechtslage sei die dafür nötige technische Ausstattung der Schüler aber nicht ausreichend geregelt, stellen die Gutachter fest. Eltern seien jedenfalls nicht verpflichtet, die erforderlichen Endgeräte für digitalen Unterricht anzuschaffen.

Falls der Gesetzgeber Letzteres ändern wolle, müsse er zwingend einen Ausstattungsanspruch für Schüler aus einkommensschwächeren Familien vorsehen. Alternativ könne die Hardware auch im Sinne der Lernmittelfreiheit mit einem geringen Eigenanteil, der für sozial Schwache entfällt, vom Schulträger gestellt werden. Der Entwurf zum Schulrechtsänderungsgesetz sehe allerdings keine der beiden Varianten vor, beanstandeten die Gutachter.

«Hier hat Schulministerin Gebauer sowohl handwerklich als auch inhaltlich ihren Job schlecht gemacht»

Der Gesetzentwurf müsse dringend präzisiert werden, forderte die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sigrid Beer. «Das Recht auf gleiche Teilhabe an staatlichen Bildungsangeboten wird mit dem Gesetzentwurf nicht gesichert.» Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) zementiere stattdessen die Ungleichheit und entlarve ihre Versprechen, für Chancengleichheit zu sorgen, als Lippenbekenntnisse.

«Das Gutachten belegt schwarz auf weiß: Ministerin Gebauer lässt die Schulen bei Fragen zu digitalem Unterricht weiter allein», kritisierte Beer. Der Staat habe allen Kindern und Jugendlichen digitale Souveränität zu ermöglichen. «Hier hat Schulministerin Gebauer sowohl handwerklich als auch inhaltlich ihren Job schlecht gemacht.» dpa

Neuer Auftrag für Lehrer: Digitales Lehren und Lernen kommt ins Schulgesetz

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

5 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
PaPo
2 Jahre zuvor

Erwartungsgemäß hat auch hier wieder der Dilettantismus die Feder geführt; ein Bsp. ist der neue § 120 Abs. 5 SchulG NRW:

„Die Schule darf für den Einsatz digitaler Lehr- und Lernmittel personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler und der Eltern verarbeiten, soweit dies für die Aufgaben der Schule erforderlich ist. Dies gilt entsprechend für den Einsatz von Lehr- und Lernsystemen und Arbeits- und Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen (§ 8 Absatz 2); in diesem Rahmen sind die Schülerinnen und Schüler zur Nutzung verpflichtet.“

Analog dazu § 121 Abs. 1 Satz 1-3 SchulG:
„Daten der Lehrerinnen und Lehrer dürfen von Schulen verarbeitet werden, soweit dies zur Aufgabenerfüllung bei der Planung und Ermittlung des Unterrichtsbedarfs und der Durchführung des Unterrichts, einschließlich des Einsatzes digitaler Lehr- und Lernmittel, Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und der Qualitätssicherung nach § 3 Absatz 4, wissenschaftlichen Untersuchungen nach § 120 Absatz 4, der Schulmitwirkung sowie in dienstrechtlichen, arbeitsrechtlichen oder sozialen Angelegenheiten erforderlich ist. Dies gilt entsprechend für den Einsatz von Lehr- und Lernsystemen und Arbeits- und
Kommunikationsplattformen einschließlich Videokonferenzsystemen (§ 8 Absatz 2); in
diesem Rahmen sind die Lehrerinnen und Lehrer zur Nutzung verpflichtet. Bild- und Tonaufzeichnungen des Unterrichts oder sonstiger verbindlicher Schulveranstaltungen bedürfen der Einwilligung der betroffenen Personen.“

Bin mal gespannt, wann die erste Blitzbirne auf den Gedanken kommt, man könne mit Verweis auf diese Normen Lehrer oder Schüler (in entsprechenden Situationen, wie dem pandemiebedingten Lernen auf Distanz) dazu nötigen, Videounterricht zu geben bzw. an diesem teilzunehmen. Hat das Ministerium nicht einen einzigen kompetenten Juristen an Bord, der mal dezent auf die – wenn diese Verpflichtung nicht tatsächlich auch intendiert sein sollte (was das ganze noch abstruser machen würde) – Ambiguitäten in den Formulierungen der Normen hingewiesen hat und darauf hätte aufmerksam machen können, dass sich eine Verpflichtung zu Videounterricht komplett mit Art. 2 GG beißt?!

(a) Das allg. Persönlichkeitsrecht (s. Art. 2 GG) resp. das Recht am eigenen Bild und Ton, das man generell und insb. nach (bundesweit dokumentierten, ggf. selbst erfahrenen) Fällen von Cybermobbing und z.T. mit Blick auf Personensorgeberechtigten, die – dem Videounterricht außerhalb des Sichtkegels der Kamera beiwohnend (und damit den geschützten Raum zwischen Lehrern und Schülern verletzend) – im Anschluss mit Kritik, Ratschlägen und Wünschen nicht geizen, würde durch solch eine Pflicht (gelinde formuliert) massivst beeinträchtigt. Glücklicherweise schlagen die Grundrechte eine solche in Landesgesetze gegossene Pseudopflicht aber ohne jede Frage. Immerhin hat man bei § 121 Abs. 1 Satz 3 SchulG noch realisiert, dass es hier „der Einwilligung der betroffenen Personen“ bedarf. Ein Schelm wer böses denkt, dass dies bei § 120 SchulG ‚vergessen‘ wurde…

(b) Solange einerseits Dienstgeräte fehlen oder nur solche vorhanden sind, die die Lehrer schlichtweg nur am Dienstort Schule und dort nicht in hinreichender Anzahl und in der notwendigen Qualität (mit Anschluss an ein strapazierbares Netz) haben: Warum sollten Lehrer ihr nicht genehmigtes Privatgerät dafür nutzen und dabei gegen geltendes Recht verstoßen (DSGVO etc.) und auch dem Ministerium vermitteln, dass es keiner Dienstgeräte (und eigtl. auch der Übernahme von Vertragskosten für die notwendige Internetverbindung etc.) mehr bedarf, weil Lehrer ja doch alles selber stellen? Und ich fange jetzt nicht an, auch noch auszuführen, dass neben den Dienstgeräten auch eine sonstige digitale Infrastruktur (und dessen dienstliche Nutzung) vom Land gestellt werden müßte, bevor man überhaupt über so eine Empfehlung (Pflicht geht ja nicht, s.o.) nachdenken sollte…

(c) All das gilt natürlich auch auf Seiten der Schülerschaft: Für die gilt ebenfalls Art. 2 GG und ich freue mich schon auf die Klagen der Familien, wenn man diese Familien dazu nötigen will, dass ihre Kinder am Lernen auf Distanz teilnehmen sollen, ohne dass diese über entsprechende Peripherie und den Zugang zu sonstiger digitaler Infrastruktur verfügen!
So ’ne Norm kann sich auch nur jemand ausdenken, der keine Ahnung von Verfassungsrecht hat und noch weniger als keine Ahnung von der realen digitalen Situation in diesem Lande.
Soll ich mir auch noch die anderen ‚Neuerungen‘ angucken? ;-D

Vor dem Hintergrund wird auch der neue § 6 Abs. 4 Satz 4 SchulG besonders lustig:
„Sie erwerben Kompetenzen, um zukünftige Anforderungen und Chancen in einer
digitalisierten Welt bewältigen und ergreifen zu können.“
Natürlich ist das dringend nötig, aber dafür bräuchte es wohl neben einem Mehr an Informatikunterricht auch den Umstand, dass Deutschland der digitalen Steinzeit entwächst. Wird sind diesbzgl. ein absolutes Entwicklungsland, dass dem Rest Europas mind. zwei bis drei Jahrzehnte hinterherhinkt… „Neuland“ und so.

Georg
2 Jahre zuvor

Das Gesetz wird also so ähnlich gebaut wie der Taschenrechnererlass für die Oberstufe, nur dass das jetzt für die Eltern noch teurer wird. Wenn es dann auch noch Vorgaben für die Art des Gerätes gibt, wird es noch komplizierter bzw. teurer.

Tina+2
2 Jahre zuvor

«Hier hat Schulministerin Gebauer sowohl handwerklich als auch inhaltlich ihren Job schlecht gemacht»

Hat sie schon jemals IRGENDWAS in ihrem Job gut gemacht?

Jan aus H
2 Jahre zuvor

Seltsam…. war nicht gerade die angebliche Sorge um die Kinder benachteiligter Familien eine der wesentlichen Triebkräfte für den ganzen Corona-Präsenzpflicht-Irrsinn? Ganz so, wie es hier viele geschrieben haben, war das nur solange relevant, wie es dem politischen Willen diente, danach ist es wieder ebenso egal wie davor.

Mein Name ist Hase
2 Jahre zuvor

Das kommt letztlich darauf an, wie „digitaler Unterricht“ und „Vermittlung digitaler Kompetenzen“ konkret umgesetzt werden soll. Wenn ich zuweilen in den (so vorhandenen) PC-Raum gehe, könnte die Bedingung schon erfüllt sein. Eigener Tablets o.ä. bedarf es da nicht notwendigerweise.

In den Lehrplänen / Schulbüchern sind Aufgaben wie „Recherche“, Tabellenkalkulation, Präsentation erstellen (in älteren Büchern: Wandplakate) usw. schon drin – damit werden entsprechende Kenntnisse vorausgesetzt bzw. gleich mit geübt.

Und zumindest ich muss gestehen, dass in einigen Bereichen eher von den Jüngeren etwas abgeschaut werden kann …