Lehrermangel an Bayerns Schulen zeichnete sich schon im Herbst ab

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MÜNCHEN. Vielerorts in Bayern werden Eltern derzeit über Unterrichtsausfall informiert, weil sich Lehrer mit Corona infiziert haben. Das fördert ein anderes Problem zu Tage, welches nicht neu ist.

Der aktuelle Lehrermangel und der damit verbundene Unterrichtsausfall an vielen Grund- und Mittelschulen in Bayern zeichnete sich bereits im vergangenen November ab. Bei der Stichtagserhebung am 8. November 2021 zur Vertretungssituation im laufenden Schuljahr waren in allen sieben Regierungsbezirken gerade einmal 387 Vollzeitstellen in der sogenannten Mobilen Reserve – also im Pool an verfügbaren Vertretungslehrern – einsatzfähig. Dies geht aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Landtag hervor.

Coronabedingt fällt viel Unterricht aus, doch das Problem hat eine hausgemachte Komponente, bemängeln Bayerns Grüne. Foto: Shutterstock

Zum Vergleich: Zum Schuljahresbeginn 2021/2022 standen zumindest in der Statistik rund 2550 Vollzeitkapazitäten (davon 212 Vollzeitplanstellen aus dem Bereich der Fachlehrer) für den Einsatz in der Mobilen Reserve zur Verfügung. Die Zahlen belegen, dass aber bereits vor dem Corona-Winter und den zu erwartenden Lehrerausfällen (auch durch andere Krankheiten wie die Grippe) kaum noch freie Kapazitäten verfügbar waren.

«Eigentlich soll die Mobile Reserve kranke Lehrkräfte vertreten und so dafür sorgen, dass der Unterricht weiterhin planmäßig stattfinden kann», sagte Thomas Gehring, Sprecher für Lehrkräfte der Grünen-Fraktion. Insgesamt seien aber 20 Prozent der Mobilen Reserve im Moment gar nicht einsatzfähig. Nicht einsatzfähig seien in der Pandemie etwa Reserve-Lehrerinnen, die selbst schwanger seien und die die Schulen deshalb gar nicht mehr betreten dürfen.

Für Gehring ist das Kultusministerium somit offenen Auges in die aktuelle Lage mit teils massiven Lehrermängeln an Schulen geraten: «Gegenwärtig brennt es an den Schulen hinten und vorne, da ist Unterstützung im Krisenmodus vom Kultusminister verlangt und kein Schönreden der Situation an den Schulen.» Es räche sich nun, dass die Staatsregierung nicht schon vor dem Schuljahresbeginn die Reserve aufgestockt habe. Das Problem der Mobilen Reserve sei ja nicht neu.

Am Donnerstag hatte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) in einer Sitzung des Bildungsausschusses im Landtag gesagt, dass die steigenden Corona-Zahlen inzwischen für Probleme an manchen Schulen sorgten. Es gebe «durchaus Engpässe in bestimmten Bereichen», das sei aber regional sehr unterschiedlich. Insgesamt seien aber immer noch an mehr als 90 Prozent aller Schulen alle Klassen im ganz normalen Präsenzunterricht. An neun Prozent der Schulen seien einzelne Klassen im Distanzunterricht. (dpa)

VBE-Studie zum Lehrkräftemangel: „Viel dramatischer als von der KMK kommuniziert“

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D. Orie
2 Jahre zuvor

Keine Kommentare! Wir sind alle einfach nur: sprachlos! Das muss sich aber ändern!

O.
2 Jahre zuvor

Wenn man den Grundschullehrern weiterhin das schäbige A12 bezahlt, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass kein Nachwuchs kommt.

Stefan Stemmer
2 Jahre zuvor
Antwortet  O.

A12 reicht vollkommen aus. Es gibt genug Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, die schlechter bezahlt werden. Für Vermessungsingenieure gilt teilweise eine Eingangsbesoldung von A10. Früher wurden Grundschullehrer an pädagogischen Hochschulen ausgebildet und die Kinder haben auch nicht weniger gelernt.

Realist
2 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan Stemmer

Bachelor-„Ingenieure“. Das war früher bei Ingenieuren praktisch das Vordiplom oder es waren FH-Ingenieure, also der „kleine“ oder „halbe“ Ingenieur. Wenn der Bachelor sein Studium fertig hat, hat der Grundschullehrer gerade einmal die Hälfte seines Studiums inkl. Referendariat geschafft.

Diese Geringschätzung des Lehrerberufs wird der Gesellschaft in diesem Jahrzehnt noch gewaltig auf die Füße fallen. Intelligente junge Menschen tun sich die lange Ausbildung und die nervenaufreibende Tätigkeit in Brennpunktgrundschulen (= mittlerweile praktisch alle Grundschulen in allen Städten) nicht mehr für A12 an und suchen sich einen (Büro-)Job, bei dem man mit weniger Stress, besserer Work-Life-Balance und höherer Chance auf ein gesundes Erreichen des Rentenalters sowie höherer gesellschaftlicher Wertschätzung deutlich mehr verdient. Demnächst wird man die ach so wichtigen Grundschullehrkräfte (wie mittlerweile auch die Pfelgekräfte) aus Osteuropa rekrutieren müssen.

Sandro
2 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan Stemmer

Stimmt und ein. Vermessungsingenieur hat auch in etwa dieselbe Verantwortung und Stress wie ein Grundschullehrer. An diesem Kommentar bemerkt man wieder einmal, welch große Wetrtschätzung wir für diejenigen aufbringen, die den Grundstein unserer Zukunft legen.

dickebank
2 Jahre zuvor
Antwortet  Stefan Stemmer

Das ist absoluter Blödsinn, das ist die Besoldungsstufe für staatlich geprüfte Vermessungstechniker bzw. „Vermessungsingenieure“ mit Bachelor-Degree.
Masterabsolventen des Faches Geodäsie – egal ob Universitätsabsolventen oder Absolventen einer Hochschule für angewandte Wissenschaften – sind nach bestandenem 2. Staatsexamen Beamte des höheren Dienstes (Laufbahngruppe II, zweites Einstiegsamt) mit der Eingangsbesoldung A13.

Realist
2 Jahre zuvor

Und der Lehrermangel wird größer werden, viele suchen mittlerweile den Exit:
https://www.ndr.de/kultur/Schuldbetrieb-ade-warum-Lehrkraefte-kuendigen,lehrer910.html

Sabine
2 Jahre zuvor

Die Lehrerausbildung müsste sich grundlegend verändern:
1. Jeder darf unabhängig seines Schulabschlusses zur Ausbildung antreten.
Da Lehrer heute Psychologe, Therapeut, Beziehungsberater, Krankenschwester, Ärztin, Förderlehrer, Sprachtherapeut, Handwerker, ITler und noch anderes sein müssen, zählt der vorherige Abschluss nicht viel. Zumindest ist das in der Grundschule so.
2. Man muss erst einmal, bevor man überhaupt studiert, 1 Jahr in einer Schule arbeiten.
Da fallen schon mal mindestens 2/3 wieder weg und man merkt, wer wirklich für diesen Beruf geeignet ist.
3. Das Studium sollte als Hauptfach Psychologie, Pädagogik und als zwingendes Nebenfach IT haben.
und nicht Deutsch, Mathe, Bio, Kunst oder Soziologie…
4. Es muss erlaubt sein, dass man unabhängig von seinem Familienstand auf echte Teilzeit, sprich 14 Stunden, reduzieren darf und trotzdem einen Nebenjob haben darf.
Denn nur ein zufriedener Lehrer ist ein guter Lehrer. Aber wenn man täglich mit Vollzeit in diesem Irrenhaus festhängt, wird man schnell frustriert.
5. Alle höheren Positionen im Schulamt und Kumi sollten nur von aktiven Lehrern besetzt werden dürfen.
Schulräte sollten das machen, was ihr Name sagt: Schulen beraten und nicht Leute fertig machen.

dickebank
2 Jahre zuvor

Quark, lehrer wird man aus Berufung, wozu überhaupt Eingangsvoraussetzungen bzw. einen Hochschulabschluss.

Btw Schulörat kommt von „raten“, die beraten nicht, die rätsel-raten darüber, was Schule eigentlich ist.