„Jedes Kind ist wertvoll“: Wie Inklusion am (privaten) Gymnasium der Freien Evangelischen Schulen Lörrach funktioniert

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LÖRRACH. Gemeinsamer Unterricht von Gymnasiasten und Schüler*innen mit einer geistigen Behinderung?  „Unser Credo ist dabei ‚So viel gemeinsam wie möglich und so wenig getrennt wie nötig‘“, erläutert Stefan Windisch, Leiter des Gymnasiums der Freien Evangelischen Schule im baden-württembergischen Lörrach.

„Inklusion muss zur Selbstverständlichkeit werden“: Schulleiter Stefan Windisch. Foto: FES

Heißt in der Praxis: „Die Gymnasialschüler*innen sind dabei nach ihrem Lehrplan unterwegs und die Schüler*innen der Karl-Rolfus-Schule verfolgen ihren Lehrplan.“ Die Karl-Rolfus-Schule ist eine Schule für Kinder mit geistiger und körperlicher Behinderung, die mit der Freien Evangelischen Schule (FES) in Lörrach eng kooperiert. Insgesamt besuchen etwa 1500 Schüler*innen den Campus mit Schulformen wie Grundschule, Hauptschule, Realschule und eben dem Gymnasium. Inklusion wird hier an allen Zweigen groß geschrieben. Unter dem Motto „Grundschule gemeinsam“ besuchen Kinder mit und ohne Handicap einen Teil der Grundschule der Freien Evangelischen Schule.

Miteinander. Mit Gott. Mit dir?

Bekennende Christen als Lehrerinnen und Lehrer gesucht

Mit rund 2.200 SchülerInnen in Grund-, Werkreal- und Realschule sowie Gymnasium an fünf Standorten im sonnigen Südbaden gehören wir zu den größten christlichen freien Schulen. Auch ein Berufliches Gymnasium mit den Profilen Gestaltungs- und Medientechnik sowie Soziales (Pädagogik und Psychologie) gehört zu unseren Bildungseinrichtungen.

Wir suchen aktuell Lehrkräfte in allen Schularten. Als christliche Schule ist der gemeinsame Glaube an Jesus Christus unser Mittelpunkt. Im Schulalltag rücken wir immer wieder unseren Glauben als Angebot für die Schüler ins Blickfeld, vermitteln christliche Werte und geben sie den jungen Menschen mit auf den Lebensweg.

Unseren Alltag gestalten wir miteinander, mit Gott, mit Respekt und mit Qualität. Neue LehrerInnen begleiten wir in ihrer Einarbeitungszeit intensiv in einem Mentorenprogramm.

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Es gibt Fächer, die sich für den inklusiven Unterricht besonders gut eignen, sagt Gymnasial-Leiter Stefan Windisch. Als Beispiel nennt er Geschichte. „In einer Klasse haben wir das Thema Reformation und Neuzeit durchgenommen. Im selben Zeitraum, in dem die Gymnasiast*innen sich mit dem Thema in Sachtexten etc. beschäftigt haben, konnten die inklusiven Schüler*innen in verschiedenen Stationen im Klassenraum den Buchdruck praktisch nachempfinden. Somit haben sie auch etwas über die Reformation gelernt, da der Buchdruck eng mit diesem Thema zusammenhängt.“ Regelmäßig gibt es die sogenannte Wir-Stunde. Das ist eine gemeinsame Stunde von Schüler*innen mit und ohne Handicap mit ihren jeweiligen Klassenlehrer*innen.

Seit dem Schuljahr 2018/2019 gibt es diesen inklusiven Zug am Gymnasium. Unter dem Motto „GymnasiumGemeinsam“ besuchen 29 Schüler*innen pro Jahrgang eine inklusive Klasse. Der Zug reicht von Jahrgangsstufe fünf bis Jahrgangsstufe neun. Nach der neunten Klasse verlassen die Schüler*innen mit Handicap dann die Schule – und starten etwa in eine Ausbildung. Die Gymnasiast*innen bereiten sich derweil auf das Abitur vor.

Inklusiver Unterricht

In einer inklusiven Klasse der FES Lörrach sind 23 Gymnasialkinder und sechs Schüler*innen mit Handicap. Das Konzept sieht so aus, dass die Kinder in zwei nebeneinander liegenden Klassenzimmern unterrichtet werden. Die Räume sind durch eine Tür miteinander verbunden, sodass getrennter oder gemeinsamer Unterricht möglich ist. Der Durchgang ist so breit, dass die Kinder und Jugendlichen mit Rollstuhl problemlos von einem Klassenraum in den anderen wechseln können.

Pro Klasse gibt es zwei Klassenlehrer*innen der FES und einen Sonderpädagogen oder eine Pädagogin der Karl-Rolfus-Schule. Bei Bedarf kommen Schulassistent*innen dazu. „Uns war es wichtig, dass die Schüler*innen der Karl-Rolfus-Schule nicht nach der Grundschule auf die Hauptschule gehen müssen. Natürlich wissen unsere Gymnasiast*innen, dass sie den Schüler*innen der Karl-Rolfus-Schule kognitiv überlegen sind, aber sie nutzen dies nicht zu ihrem eigenen Vorteil. Wir möchten jedes Kind in seiner Entwicklung fördern und seine Persönlichkeit stärken. Jedes Kind hat besondere Begabungen, ist wertvoll und wird so wie es ist von Gott geliebt“, betont Schulleiter Stefan Windisch. Die Begegnung und der Austausch zwischen den Schüler*innen mit und ohne Handicap sind ihm ein großes Anliegen.

Respektvoller Umgang und Solidarität

Die Schüler*innen an den Freien Evangelischen Schulen Lörrach sollen eine solidarische Erziehung erhalten, die auf christlichen Werten fußt. Der gemeinsame Unterricht in den Inklusionsklassen trägt dazu bei und es entwickeln sich Freundschaften zwischen Kindern und Jugendlichen mit und ohne Handicap. Die Schüler*innen verbringen die Pausen gemeinsam und es werden auch gemeinsame Ausflüge unternommen. Es ist der Schule ein Anliegen, dass die Schüler*innen einen respektvollen Umgang miteinander erlernen.

„Sie nehmen in den Pausen mehr Rücksicht aufeinander“, sagt Stefan Windisch. „Einige unserer Schüler*innen kennen die Kinder und Jugendlichen der Karl-Rolfus-Schule schon aus ihrer Grundschulzeit und sie möchten unbedingt auch am Gymnasium die inklusive Klasse besuchen, weil sie den Bezug zu den Kamerad*innen mit Handicap nicht verlieren möchten. Für andere Kinder ist es etwas völlig Neues, Klassenkamerad*innen mit Handicap zu haben.“ Diese in der Schule gelernte Solidarität können die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten auch später in ihrem Berufsleben anwenden und sie wird sie nachhaltig prägen. Davon ist Schulleiter Windisch überzeugt.

Ressentiments abbauen

Im Kollegium des Gymnasiums der Freien Evangelischen Schule Lörrach gibt es gute Erfahrungen mit den Inklusionsklassen. Einige waren von Anfang an Befürworter, andere mussten erst ihre Leidenschaft für das Thema entdecken. „Ich muss immer wieder für die Inklusion an unserer Schule bei Eltern und Lehrkräften werben. Das mache ich regelmäßig in Lehrerkonferenzen und an Infoabenden. Ich spreche auch Lehrer*innen gezielt an, ob sie in den inklusiven Klassen Klassenlehrer werden möchten. Einige Kolleg*innen sind in diesen Klassen richtig aufgeblüht“, sagt Stefan Windisch. „Niemand wird dazu gezwungen, unsere Schule zu besuchen oder die inklusiven Klassen zu unterrichten, aber uns ist die Inklusion sehr wichtig und wer an unsere Schule kommt, soll das Konzept mittragen und von der Vielfalt profitieren. Die Inklusion muss zur Selbstverständlichkeit werden.“

„So viel gemeinsam wie möglich und so wenig getrennt wie nötig“. Foto: FES

Schulleiter Windisch ist selbst Vater eines Jungen mit Handicap, der die inklusive Klasse der FES Lörrach besucht. „Unsere inklusive Grundschule war genau das Richtige für ihn. Mittlerweile besucht er unser Gymnasium und fühlt sich wohl. Leider war aufgrund der Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren nicht so viel gemeinsamer Unterricht möglich wie geplant. Das war für ihn und die anderen Schüler*innen nicht immer einfach.“

Als Schulleiter Windisch beim Regierungspräsidium des Regierungsbezirks Freiburg die Umsetzung der inklusiven Klassen an seinem Gymnasium vorschlug, musste er kaum bürokratische Hürden überwinden. „Unser Vorteil als Privatschule ist, dass wir es einfach machen können“, sagt er. „Allerdings müssen wir unsere Ideen selbst finanzieren und da stoßen wir aufgrund der Gesetzeslage in Baden-Württemberg an unsere Grenzen, da die Gelder gedeckelt sind.“ Auch die Karl-Rolfus-Schule ist eine Privatschule, sie befindet sich in katholischer Trägerschaft. So findet also eine Art ökumenische Zusammenarbeit der beiden Schulen statt.

„Unser Antrieb ist unser christlicher Bildungsauftrag“, erklärt Stefan Windisch abschließend. „Jeder Mensch ist von Gott geschaffen und daher einzigartig. Wir möchten diejenigen, die am Rand stehen, ins Zentrum der Gesellschaft holen.“ Nina Odenius, Agentur für Bildungsjournalismus

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DerechteNorden
2 Jahre zuvor

So, so, zwei Räume … Weiter brauchte ich schon gar nicht mehr zu lesen. Von dem Personalschlüssel ganz zu schweigen. Gibt es bei uns alles nämlich nicht.
Wir hatten einmal einen SET, an dem ein Experte uns erzählen wollte, dass es nicht um Mittel bei der Umsetzung ginge. Dann zeigte er uns einen kurzen Film über eine Schule, an der die kleine neun-jährige Lisa (Name geändert) in einem Nebenraum, der extra für die lernbehinderten Kids sämtliche Materialien, von denen man nur träumen kann, enthielt, den Zahlenraum bis 10 üben konnte.
Aus dem Bericht oben klingt Ähnliches durch.
Alles schön, alles toll, aber wir müssen Inklusion ohne all das leisten.
Wer Inklusion einführt, muss dafür sorgen, dass man sie auch wirklich umsetzen kann. Selbst an Arbeitsstätten, wo Menschen mit Behinderung beschäftig werden, wird darauf geachtet, dass die auch wirklich arbeiten können. Bei uns hat die jeweilige Lehrkraft irgendwie dafür zu sorgen, ohne dass sie zusätzliche Materialien, Hilfe oder mehr Zeit erhielte.
Danke, dass sich niemand dafür einsetzt, dass sich die Bedingen verbessern, sondern nur immer darüber berichtet wird, wie die xy-Schule das schafft.

Carsten60
2 Jahre zuvor

Schon wieder eine Lobpreisung von Privatschulen. „Unser Vorteil als Privatschule ist, dass wir es einfach machen können.“ Großartig! Als Nizar Rokbani (ein Unternehmer, der aus Tunesien stammt) in Berlin-Kreuzberg eine private Schule gründen wollte, ausdrücklich auch für nicht-begüterte SuS mit Migrationshintergrund, hat die grüne Bürgermeisterin Monika Herrmann das torpediert: Er bekam kein Gebäude, obwohl es ein leerstehendes Schulgebäude im Bezirk gab. Jetzt hat er in einem bürgerlichen Stadtteil eine andere Privatschule gegründet (mit Jens Großpietsch, vorher Schulleiter eine staatlichen Schule). So sieht die praktische soziale Gerechtigkeit aus, wenn Ideologen am Werke sind.

Georg
2 Jahre zuvor

Verstehe ich den Artikel richtig, dass jede Inklusionsklasse mit 29 Schülern von zwei Lehrern, einem Förderschullehrer und bei Bedarf noch Assistenten betreut wird? Den Personalschlüssel möchte ich an einer durchschnittlichen Gesamtschule oder vergleichbarer Schulform sehen.

Leider finde ich in dem Artikel abgesehen von den rollstuhlgerechten Türen und, dass die Inklusionsschüler die Schule nach Klasse 9 verlassen, nichts über die Art der Behinderungen. Kognitiv zum Abitur fähige Inklusionsschüler werden hoffentlich nach Klasse 9 nicht der Schule verwiesen.

Pension
2 Jahre zuvor

Die Herausforderung ist doch nicht das Rollstuhlfahrer- Kind- für uns in der Schule Alltag. Fast blinde, immobile Schüler haben wir mehrere. Aber die vielen mit den problematischen Verhaltensweisen, den sozial-emotionalen Förderberdarfen oder den psychischen Problemen und Erkrankungen, die überfordern uns. Inklusion ist im Normalbetrieb ohne irgendwelche Ressourcen vor allem zusätzliche Arbeit und für die Kinder unbefriedigend. Aber die Eltern können sagen, ihr Kind ist nicht in der Sonderschule und die Regierung kann sparen.