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VDR-Jahreskongress: „Wir wünschen uns eine Renaissance der Realschulen“ – Seitenhieb gegen Gesamtschulen

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MANNHEIM. Realschulen, oft despektierlich als Sandwichschulen bezeichnet, sind die Bildungsstätten der Zukunft – meint jedenfalls der Verband Deutscher Realschullehrer (VDR), der sich nun zu seinem Jahreskongress traf. Der wiedergewählte VDR-Bundesvorsitzende Böhm bezeichnete integrative Schulen hingegen als „gescheiterte Schulstrukturexperimente“. Prompt gab’s dazu Widerspruch.  

Der neue und alte Vorsitzende des VDR: Jürgen Böhm. Foto: Marco Urban / VDR

Eltern können ihren Kindern nach Ansicht des Realschullehrerverbandes viel Frust ersparen, wenn sie ihren praktisch begabten Nachwuchs nicht zum Besuch eines Gymnasiums zwingen. Mütter und Väter müssten einen realistischen Blick auf ihr Kind werfen, betonte Verbandschef Jürgen Böhm anlässlich des 25. Bundesrealschultages (VDR) in Mannheim.

«Es gibt keinen Königsweg der Bildung, die Kinder sollen den Bildungsweg einschlagen dürfen, auf dem ihre Talente am besten gefördert werden», sagte er. Sonst schwinde die Motivation. Die Realschule mit ihrer Mischung aus Theorie und Praxis sei eine Alternative zum Gymnasium.

Die Delegierten seien sich einig, dass Schulstrukturexperimente gescheitert seien. Bildungsreformen hätten die individuelle Freiheit und die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen vernachlässigt, Fehlanreize gesetzt, Schulabschlüsse entwertet und Bildungszeiten unnötig in die Länge gezogen, so heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands.

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In einem differenzierten Bildungssystem gebe es kein Oben und Unten, so Böhm, sondern ein Nebeneinander von den Abschlüssen an Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien. In Deutschland sei noch immer die Mittlere Reife der am meisten vergebene Schulabschluss. «Wir wünschen uns eine Renaissance der Realschulen», sagte der VDR-Chef mit Blick auf viele Bundesländer, in denen diese Schulart nur noch ein Schattendasein führt oder gar nicht existiert.

Die meisten Realschulen gibt es nach seinen Angaben in Nordrhein–Westfalen (500), Bayern (375) und Baden-Württemberg (410). Im Südwesten ist ihnen in Form der Gemeinschaftschule Konkurrenz erwachsen. Von diesen hauptsächlich aus Haupt- und Werkrealschulen entwickelten Schulen gibt es heute über 300. Nach Worten Böhms sind solche integrativen Schularten gescheiterte «Schulstrukturexperimente» auf Kosten der individuellen Freiheit und Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen.

«40 bis 50 Prozent der Studierenden kommen nicht mehr über das klassische Gymnasium»

Dies weist der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Gemeinschaftschulen Matthias Wagner-Uhl weit von sich. Im internationalen Vergleich seien integrative Schulsysteme den gegliederten überlegen. Die Abschlüsse auf der Gemeinschaftschule lägen auf dem Niveau der Realschulen, und das, obwohl deutlich mehr Kinder mit einer Hauptschulempfehlung die Schulbank drückten. Den Übergang auf die beruflichen Gymnasien schafften die Absolventen problemlos. Zudem fördere die «Schule für alle» den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Für VDR-Chef Böhm ist vor allem die Verbundenheit der Realschulen mit der Wirtschaft von Vorteil. Mit ihren Fächer Technik, Wirtschaft, Gesundheit/Ernährung und Soziales trügen sie dem Fachkräftebedarf der Unternehmen Rechnung. Für viele junge Menschen sei die Mittlere Reife über die beruflichen Gymnasien das Sprungbrett zum Studium. Böhm: «40 bis 50 Prozent der Studierenden kommen nicht mehr über das klassische Gymnasium.» Im VDR sind 25.000 Lehrkräfte organisiert.

Personalia

Im Rahmen der VDR-Delegiertentagung fanden auch Neuwahlen des Verbandes statt. Jürgen Böhm wurde als Bundesvorsitzender bestätigt. Als stellvertretende Vorsitzende wurden Bernd Bischoff aus Bayern, Sven Christoffer aus Nordrhein-Westfalen und Dirk Meußer aus Schleswig-Holstein gewählt. Neuer Schatzmeister wurde Ingo Lürbke (Nordrhein-Westfalen). Waltraud Eder aus Bayern erhielt weiterhin das Vertrauen für die Aufgaben der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und kümmert sich fortan auch um die Verbandszeitschrift. Gewählte Schriftführerin ist Anna Katharina Müller aus Sachsen-Anhalt.

50 Jahre Gesamtschule: GEW sieht noch Chance, gegliedertes Schulsystem zu überwinden

 

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Otto Ott
1 Jahr zuvor

Dieser Wunsch ist unredlich, weil die Gesamtschulen zumeist nur deshalb nicht funktionieren, weil die Gymnasien nebenher bestehen bleiben.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Otto Ott

Das liegt natürlich daran, dass die Gymnasien den Klassenteiler behalten wollen. Der generelle Drang zum Gymnasium bzw. zum Abitur wurde aber zunächst von der Wirtschaft gewollt und später durch die Bologna-Beschlüsse noch verstärkt. Darunter leiden am meisten die Realschulen, die ihre ursprüngliche Klientel mindestens zur Hälfte an die Gymnasien abtraten und zwangsläufig mit der Hauptschule zur Sekundarschule fusionieren mussten. Dazu kommt die Konkurrenz mit der Gesamtschule.

GSLehrerin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Otto Ott

Für starke Kinder ist es in der Grundschule schon oft eine Qual, da man ihnen oft (aus Zeitgründen) nicht so gerecht wird wie sie es bräuchten. Meist wird die (wenige) Zeit pro Kind genutzt um die schwachen und bildungsfernen Kinder abzuholen und zu fördern. Müssten die starken Kinder dann weiter auf der Gemeinschaftsschule das ertragen (auch die verhaltensoriginellen Kinder mit holprigen Bildungsverläufen) wäre das meines Erachtens auch nicht in Ordnung. Ich schätze das dreigliedrige Bildungssystem, das so offen ist, dass man noch Jahre später einen weiteren Bildungsschritt erreichen kann. Zu meiner Zeit, war die Realschule eine sehr gute Schulform um in eine Ausbildung zu gehen, oder im Anschluss doch noch sein Abitur zu machen. Ich selbst habe diesen Weg durchlaufen und nach einer Ausbildung mein Abitur gemacht und dann studiert. Doch mit der Realschule, wie sie jetzt in BW existiert, sind die Kinder ausgebremst, die mehr leisten können und die überfordert, die eigentlich erstmal einen langsameren Bildungsweg gebraucht hätte. Die Gemeinschaftsschule ist ein schöner Gedanke, doch in der erwünschten Form eine Utopie. Aus der Grundschule wechseln zur Zeit die Kinder auf die Gemeinschaftsschule, die nicht auf die Hauptschule wollen, doch auf der Realschule nicht bestehen. Nur weil der Wunsch nach einer Bildungsgerechtigkeit existiert, heißt das nicht, dass diese Gerechtigkeit auch existiert (existieren kann?). Dazu müsste unser Bildungssystem von Grund auf verändert werden. Die Defizite, die manche Kinder auf Grund ihrer Herkunft bereits mit 6 Jahren in die Grundschule mitbringen sind in unserem System (große Klassen etc.) nicht aufholbar.
Traurige Realität ist, die Berufe im Anschluss sind rar, wenn der Abschluss und die Noten nicht stimmen.

Mel
1 Jahr zuvor
Antwortet  GSLehrerin

Guter Kommentar!
Bildungsgerechtigkeit kann und wird es nie geben. Anstrengungen dazu laufen immer auf Gleichmacherei hinaus: Lernstarke Kinder werden mehr oder weniger sich selbst überlassen und lernschwache erhalten über Gebühr Hilfe und Förderung, damit alle im Schnitt möglichst gleiche Leistungen erbringen.
Integrierte Gesamtschulen, sogenannte Gemeinschaftsschulen, sind für mich das Ungerechteste, was es gibt. Sie betreiben vor allem Augenwischerei, indem alle Schüler die gleiche Schule besuchen und damit als scheinbar gleich angesehen werden können und sollen.
Mehr „Bildungsgerechtigkeit“ für ALLE Kinder kann es nur in gegliederten Schulsystemen geben, die sich besser auf unterschiedliche Charaktere und Begabungen einstellen und ihnen besser gerecht werden können.
Wirkliche Bildungsgerechtigkeit ist aber letztlich eine ideologische Illussion, die schnellstens über Bord geworfen werden sollte, wenn unser Bildungswesen wieder halbwegs auf die Beine kommen soll. Seit Jahren und Jahrzehnten wird es durch den Wettlauf um angebliche Bildungsgerechtigkeit mehr und mehr in die Knie gezwungen.

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Ich halte Gesamtschulen von ihrer Grund-Annahme her für bedenklich.

Aus meiner Erfahrung geht man beim gesamten System der Gesamtschule von einer falschen Voraussetzung aus.

Die Gesamtschule geht davon aus, dass Klassen aus starken, mittelmäßigen und schwachen Schülern insgesamt im Durchschnitt bessere Abschlüsse und Chancen schaffen.
Dabei sollen die starken Schüler die weniger starken Schüler motivieren und unterstützen.

In der Realität sieht das anders aus. Die schwachen Schüler bremsen das Lerntempo. Dadurch werden die starken Schüler unterfordert und verlieren an Motivation.
Zusätzlich haben schwächere Schüler teilweise diese „lernschwäche“ auch durch bestehende Verhaltensprobleme.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass schon 2-3 problematische Schüler pro Klasse ausreichen um die Noten der restlichen Schüler um 1-2 Notenstufen zu senken.

Die Gesamtschulen basieren auf der Vorstellung, dass man aus Kaltblütern Rennpferde machen kann, wenn am sie mit Vollblütern auf eine Weide stellt.
Kaltblüter sind nützliche Pferde, wenn man sie richtig einsetzt. Keine Frage.
Dadurch, dass sie mit einem Araber grasen werden sie aber trotzdem niemals ein Galopp-Derby gewinnen.
Wenn man einen Kaltblüter und einen Araber gemeinsam vor einen Wagen spannt wird der Wagen auch nicht schneller als das Tempo des Kaltbluts. Der Araber geht dann eben langsamer als er alleine könnte.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Eine treffende Betrachtung.
Die Insellösung der Gesamtschule in NRW, wie ein in sich geschlossenes System, ist zumindest nicht zeitgemäß.
Gegen einen Wechsel vom Gymnasium auf eine Gesamtschule spricht das System, welches ausgenommen der Erprobungsstufe nur den Wechsel auf eine Realschule ermöglicht.
Dann nach Klasse 10 Realschule nochmals die Schule – fürs Ziel Abi – wechseln zu müssen wäre überflüssig.

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Und warum sollen SuS nicht in Sport, GL und Biologie gemeinsam unterrichtet werden?
Beginnend ab dem 7. Jahrgang werden zwei von vier Fächern der Fächergruppe I (E4 und M) leistungsdifferenziert – also nicht im Klassenverband – und ein weiteres (WPI) neigungsdifferenziert unterrichtet. Im 8. Jahrgang kommt ein weiteres leistungsdifferenziertes Fach (d) hinzu und im 9. Jahtrgang ein weiteres Fach (Ch oder Ph), das zur Fächergruppe II gehört, als leistungsdifferenziertes Fach hinzu.

Die RS kennt hingegen nur die Neigungsdifferenzierung ab Jahrgang 7.

Btw HS, RS und GE sowie alle anderen Schulformen der SekI vergeben die gleichen Abschlüsse, die ZP10 in den Fächern D, E5 und M sind entsprechend des Bildungsganges (HS/G-Kurs oder RS/E-Kurs) die selben.

Die Bedingungen in der SekI einen HA, HSA oder MSA mit FOR oder FOR-Q zu erlangen sind unabhängig von der Schulform identisch. Dasselbe trifft auch auf die Variante k.A. zu.

Auch für RS wird es schwierig, wenn die Quote der FOR-Q unterdurchschnittlich ist. Die einzige Schulform, die keine Quote beim Übertritt von der SekI in die SekII erreichen muss, ist das GY.

Einer
1 Jahr zuvor
Antwortet  dickebank

Der Abschluss von RS und GS mag der gleiche sein und auch die ZP mag die gleiche sein – die RS-Schüler sind trotzdem wesentlich leistungsstarker und auch leistungswilliger. Wir haben bei unseren Zubringerschulen sowohl RS als auch GE und diese Beobachtung lässt sich seit Jahren von allen Kollegen mit unterschiedlichen Fächer bestätigen. Das Niveau der GE passt sich immer den schwächeren Schülern an. Genau so wie es Schattenläufer beschrieben hat.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Hallo? Bist du lebensmüde und spannt einen Araber vor einen Wagen….?

Bellabolli
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Dieses Bild beschreibt in BW leider inzwischen auch die Realschule. Aus persönlicher Erfahrung kann ich die Metapher nur bestätigen – auch wenn es niemand gerne hört. Hatten uns für die Realschule entschieden, weil wir den Ansatz (den wir von früher kannten) schätzten und wir das G8 umgehen wollten.

Inzwischen bereuen wir die Entscheidung, denn unsere eigentlich motivierte und leistungsstarke Tochter ist dort nicht mehr richtig aufgehoben. Wir bangen schon der Klasse 11 am beruflichen Gymnasium entgegen… das wird sicher schwer werden.

Die Realschule hat ein Problem: Auch der beste Pädagoge kann eine derart heterogene Mischung nicht so unterrichten, dass er(sie) allen gerecht werden kann.

Johannes
1 Jahr zuvor

Ich bin seit 20 Jahren Hauptschullehrer und habe in dieser Zeit eine Menge Haupt aber auch Realschulschließungen erlebt. Eine Renaissance der Realschulen wird es selbstverständlich nicht geben. Die Realschulen werden (und haben größtenteils schon) die Rolle der Hauptschulen übernehmen und die Resterampe der gescheiterten des Gymnasiums werden. + Billigversion der Förderschulen werden, euphemistisch als Inclusion gelabelt, das ist natürlich keine Inclusion seid sich die Gymnasien vor den Behinderten abgeschottet haben). Die Realschulen sind eine genauso tote Schulform wie die Hauptschulen. Und haben momentan die Klientel die ich als Hauptschullehrer vor 25 jahren hatte.

Mein Name ist Hase
1 Jahr zuvor
Antwortet  Johannes

Genau so ist es.

simmiansen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Johannes

Hm,
seit 20 Jahren Hauptschullehrer sein und schon vor 25 Jahren eine Hauptschulklientel gehabt haben?
Ich hoffe mal, dass das „Klientel“ nicht abfärbt, so wie es ja in der „anderen Richtung“ auch passieren soll/passiert.?

Einer
1 Jahr zuvor

Als Lehrer am Berufskolleg in NRW habe ich einen guten Vergleich zwischen den Realschüler früher und den Gesamtschülern heute. Bei uns kommen Schüler mit und ohne mittleren Schulabschluss und in den Berufsschulklassen auch mit Abitur an. Insgesamt muss ich sagen, dass viele Lernqualitäten in den letzten 20 Jahren verloren gegangen sind. Es fehlen wirklich die Grundlagen. In Mathe ist für die Schüler mit mittlerem Schulabschluss die Prozentrechnung ein großes Geheimnis. Sie können nur noch auf dem Taschenrechner das Prozentzeichen drücken, aber nicht mehr den klassischen Prozent-Dreisatz. In Deutsch steigt das Anteil der funktionalen Analphabeten und damit meine bei den Schülern die 10 Jahre in Deutschland zur Schule gegangen sind. Und von den Schülern die flüssig Lesen können, versteht nicht mal ein Drittel Inhalte und Zusammenhänge. Diese Fähigkeiten nehmen seit Jahren ab.
Seit dem Umstieg auf die Gesamtschulen ist alles aber nochmal schlimmer und schlechter geworden. Der Anteil der verhaltensauffälligen Schüler nimmt rapide zu. Früher waren es mal ein oder zwei Schüler pro Klasse, die wirklich pädagogische Aufmerksamkeit bedurften. Heute sind eher dreiviertel. In jeder Klasse ist mindestens einer dabei mit psychischen Problemen die wirklich ein großes Päckchen zu tragen haben und Unterstützung von Therapeuten benötigt.
Die Gesamtschüler wollen auch nicht mehr lernen. Sie warten darauf jedes Arbeits- oder Lösungsschrittchen extrem klein klein Vorgekaut zu bekommen. Selbst denken und Problemlösungen herausknobeln? Völlige Fehlanzeige. Anwendungsleistung nur wenn vorher lange geübt. Transferleistungen sind nur noch für einzelne Schüler möglich.
Für mich ist eins klar: Durch die Gesamtschulen hat sich das Lernniveau extrem stark nach unten bewegt und zwar was die Lernfähigkeit und auch die Lernwilligkeit betrifft.
Dazu kommt noch die abnehmende Konzentrationsfähigkeit. Aber das ist für mich eher digitale Demenz aufgrund der Handy-, PC- und Tabletnutzung. Und auch an diesen Geräten können sie nicht viel.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Einer

Wie Sie schreiben versteht nicht mal ein Drittel Inhalte und Zusammenhänge. (In manchen Beiträgen hier auf n4t wird dies scheinbar auch bereits praxisnah bestätigt.)
Prozentrechnung oder Dreisatz wird nur mittels elektronischem Rechner lösbar ist auch traurige Tatsache. Das kleine Einmaleins wird beherrscht, aber beim großen Einmaleins wird es schon schwierig.
Abiturienten selbst können in den Grundkursen nicht einmal von 100 € die gültige Mehrwertsteuer herausrechnen. Bei Sonderangeboten mal schnell im Kopf ermitteln, ob im Verhältnis die große Packung wirklich günstiger ist als die Standardpackung, ein unlösbares Problem.
Nur was sind die Ursachen?

Einer
1 Jahr zuvor
Antwortet  gehtsnoch

Die Ursache hat Schattenläufer sehr schön mit einer Pferdemetapher beschrieben.

TheTeacher
1 Jahr zuvor
Antwortet  Einer

Aus meiner Sicht beschrieben Sie hier nur Beispiele ihrer eigenen Sicht, dass das Niveau rückläufig und die Schüler „schwieriger“ geworden sei, lassen aber Argumente zu einem Schuldzusammenhang mit der Gesamtschule gänzlich aus. Meiner Meinung nach, weil sie nicht existent sind.

Die Anzahl der Schüler mit Bedarf an Unterstützung unterschiedlicher Art hat für mich auch zugenommen. Grundsätzlich haben mehr Schüler Schwierigkeiten eigenverantwortlich zu arbeiten. Ich teile also ihre Beobachtungen, kann aber ihren Rückschluss nicht teilen. Wieso ist die Gesamtschule aus ihrer Sicht daran Schuld?

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Einer

Das Lerniveau hat sich unabhängig von den Gesamtschulen auch an den GY – nach Aussage gymnasialer lehrkräfte – in den letzten Jahrzehnten stark nach unten verändert. Es kann also nicht an der Existenz der Schulform GE liegen.

Die Kompetenzorietierung ist ja kein Spezifikum der GE sondern eine Vorgabe des MSB für alle Schulformen.

Einer
1 Jahr zuvor
Antwortet  dickebank

Die Ursache für die Veränderung des Lerneveau liegt für mich ganz klar in der Abschafgung der RS und in der Einführung der Kompetenzorientierung an Sek-1-Schulen. Erst wenn basale Kenntnisse und Fähigkeiten vorhanden sind kann darauf dann eine Kompetenz aufbauen.

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Einer

Ihre Beobachtungen kann man in weiten Teilen auch in der Grundschule machen.
Daran ist nicht die weiterführende Schule, gleich welcher Schulform, schuld, sonder gesellschaftliche Entwicklungen, denen man sich als Schule entgegenstellt, aber oft ist es ein Kampf gegen Windmühlen.

Martin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Palim

Gesellschaftliche Entwicklungen und (Bildungs)Politik haben eine Wechselwirkung. Man kann also nur eingeschränkt sagen, dass gesellschaftliche Entwicklungen schuld seien an den stark nachlassenden Schülerleistungen.
Auch die Schattenpolitik der GEW ist nicht ganz schuldlos. Im Gegenteil.

Rosa
1 Jahr zuvor

Unsere KM Frau Schopper von BW bekennt sich in einer schweren Bildungskrise an Schulen zu den Gemeinschaftsschulen. Durch das bekannt geben der Lieblingsschule hat Frau Schopper eine klare Stellung bezogen und alle anderen Schulformen haben die schlechteren Karten. Jede Schulform hat ihre Berechtigung und es gibt noch wahlfreiheit für Schüler und Eltern. Leider ermöglicht Frau Schopper durch ihre festgelegte Haltung den Gemeinschaftschulen gegenüber, den anderen Schularten keine weiter Entwicklung. Leider haben dadurch die anderen Bildungeinrichtung keine Chance auf gerechte Verteilung der Unterstützung von Frau Schopper. Die Gemeinschaftschulen sind leider dazu da, andere Schulformen kaputt zu machen und dies wird von Frau Schopper sogar angestrebt mit ihrer Haltung. Die Rückkehr zu G9 wird von Frau Schopper nicht in Erwägung gezogen nach der schweren Bildungskrise für unendlich viele Schüler. Das Rückenwindprogramm ist von Frau Schopper als Mogelpackung verteilt worden und dies noch ohne Inhalt. Der Schrei nach gerechter Aufarbeitungszeit ist allen Schulformen nicht angeboten worden und Frau Schopper verteilt den Kuchen gerecht an den Schulen. Die schwere Bildungskrise hat allen Bildungseinrichtungen viel abverlangt und schwer gezeichnet und dies ist mit keiner Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit von Frau Schopper vetreten worden. Frau Schopper vetritt die Bildungskrise als etwaige Rückstände und diese Äußerung ist sehr bedenklich.

Teacher
1 Jahr zuvor

Die Gesamtschule war ein Irrweg.

TheTeacher
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher

Bloß keine Argumente anführen! Ich bezweifle stark, dass Sie wirklich Lehrer sind. Da nützt der Name nichts.

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher

Die Gesamtschule gibt es ja nicht. – Welche Form meinen Sie denn, die IGS oder die KGS?
Wenn aber die KGS ein Irrtum ist, was sind dann BKs oder GemS in NRW-Ausprägung?

Sind GY nicht auch Einheits(brei)schulen, da sie ihrer individuellen Ausprägungen beraubt sind? Die Abschaffung mathematisch-naturwissenschaftlicher, alt- und neusprachlicher sowie musischer GY hat doch ebenfalls zu einem „Teller bunter Knete“ aka Einheitsbrei an den GY geführt.

Warum gibt es in NRW eigentlich keine GY mit dem Standortfaktor 5?

Warum Realschulen so heißen bzw. was mit „Realien“ gemeint ist, scheint selbst dem VDR nicht bewusst zu sein. Da selbst GY heutzutage sich mit Realien aka MINT-Fächern befassen, ist die RS obsolet. Dann doch lieber die alten Realgymnasien, die zur FHR führen – aber die heißen ja inszwischen Berufsoberschulen bzw. berufliche Gymnasien.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  dickebank

Ich gehe mal davon aus, dass es in wenigen Jahren auch Gymnasien mit Standordfaktor 5 geben wird, ebenso die Zuweisung von Sozialarbeiterstellen.

Justus20
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher

Sehe ich auch so!

Marc
1 Jahr zuvor

Unrecht hat der Mann nicht. Ich sehe es weiter als einen der zentralen Fehler unserer Zeit, dass wir alle auf Teufel komm raus zum Gymnasium prügeln. Wir müssen wieder dahin kommen, dass motorisch begabte Kinder und kognitiv begabte Kinder gleichermaßen wertgeschätzt werden. Wer herausragend werken kann, ist mindestens genauso wertvoll wie jemand, der ein Mathegenie ist.
Aber solange sich Jugendliche heutzutage dafür rechtfertigen müssen warum sie „nur“ eine Ausbildung machen statt zu studieren, so lange wird sich daran nichts ändern.
Dass ein Studium großes Geld verspricht und eine Ausbildung nur Leben am Limit, ist schon lange überholt. Handwerker machen aktuell den Rubel ihres Lebens.

dickebank
1 Jahr zuvor

Vielleicht geht es auch weniger um die Schulform RS und die Bildungsabschlüsse als die Eingruppierung von „Realschullehrern“, die in vielen Bundesländern a priori in A13 eingruppiert werden. Für NRW spielt das allerdings keine Rolle, da sind alle Lehrkräfte außerhalb von GY, BK und FöS A12er.

Gerd Möller
1 Jahr zuvor

Jeder Mensch geht mit impliziten Menschenbildern um. Diese treffen nicht immer die realen Persönlichkeiten. Dies gilt auch für Lehrkräfte in der Einschätzung ihrer Schülerinnen und Schüler, sie tragen deshalb die Tendenz in sich, zu dem zu werden, was wir „Stereotypen“ oder umgangssprachlich „Schubläden“ und „Etiketten“ nennen. Diese Menschenbilder sind gleichzeitig Folge und Begründung eines gegliederten Schulsystems, wie ich am Beispiel des bayerischen Schulsystems kurz erläutern will:
Für Gymnasien, Real- und Mittelschulen in Bayern wurde ab dem Schuljahr 2017/18 jeweils der neue LehrplanPLUS in Kraft gesetzt. Eine Verlagswerbung zum neuen Lehrplan verkündet: „Die Neuerungen, die er mit sich bringt, berücksichtigen gesellschaftliche Entwicklungen, aber auch neue Erkenntnisse aus Didaktik, Pädagogik und anderen Wissenschaften.“ Diesem Anspruch, neue Erkenntnisse zu verarbeiten, genügen zumindest die Passagen zum Menschenbild nicht, die sich in zusammengefasster Darstellung in den jeweiligen Abschnitten „Schülerinnen und Schüler in…“ (online unter: https://www.lehrplanplus.bayern.de/) finden. Sie tradieren ein fragwürdiges Menschenbild. Diese Behauptung soll kurz anhand von drei Inhaltsbereichen aufgeschlüsselt: den Ausführungen zu Entwicklung und Pubertät, zum Denken und den geistigen Fähigkeiten und zu den Entwicklungszielen für die jeweiligen Schülerinnen und Schüler.
Entwicklung und Pubertät im LehrplanPLUS:
Bei der Beschreibung der Mittelschülerinnen und -schüler werden die Schwierigkeiten der Pubertät und deren mögliche negative Folgen hervorgehoben: „Sie durchlaufen während der Pubertät erhebliche emotionale, körperliche, kognitive, soziale und persönliche Veränderungen. Diesen Veränderungen und Belastungen, die zum Hinterfragen von Autoritäten und mitunter zu stark wechselnder Leistungsbereitschaft führen, trägt die Mittelschule durch psychosoziale Zielsetzungen und pädagogische Maßnahmen Rechnung.“ Demgegenüber wird den Gymnasiasten in dieser Entwicklungsphase eine positive Perspektive zugeschrieben: „In diesem Zeitraum haben sie die Möglichkeit zu einer kontinuierlichen Kompetenzentwicklung, gerade in einer Lebensphase, die nicht nur von Unsicherheit und Veränderung, sondern auch von konstruktiver Neuorientierung gekennzeichnet ist. In dieser Zeit am Gymnasium entwickeln sich die Schülerinnen und Schüler zu Persönlichkeiten, die auf der Grundlage eines breiten Fachwissens neue Aufgaben- und Problemstellungen lösen wollen und können […].“ Für die Realschülerinnen und -schüler gibt es in den Abschnitten „Bildungs- und Erziehungsauftrag“ und „Übergreifende Bildungs- und Erziehungsziele“ keine Ausführungen zur Pubertät. Inhaltlich noch am nächsten kommt dieser Satz der Pubertät: „Die Realschule gibt den Schülerinnen und Schülern Zeit und die erforderliche Kontinuität für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit auf dem Weg von der Kindheit zum Erwachsenwerden.“ Damit wird eine Tendenz deutlich, nämlich dass nach Auffassung der Lehrplanverantwortlichen nur die Mittelschülerinnen und -schüler eine problematische Pubertät durchlaufen, was sich negativ auf ihre Leistungsbereitschaft auswirkt, so dass diese Schulart den pubertären Lebensäußerungen durch institutionalisierte Ziele und Maßnahmen Rechnung tragen muss. Es stellt sich hier ein ganzer Katalog von Fragen: Durchlaufen die Schülerinnen und Schüler an Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien prinzipiell unterschiedliche Pubertäten? Ist die Pubertät dieser Jugendlichen tendenziell problematischer als die von Realschülerinnen und -schülern und Gymnasiasten, so dass die Schulart als Ganze darauf vorbereitet oder ausgerichtet sein muss? Oder werden Haupt-/Mittelschülerinnen und -schüler einfach nur negativ stereotypisiert. Es stellt sich die Frage, ob die Formulierungen des LehrplanPLUS einen objektiven Erfahrungsschatz von Praktikern zum Ausdruck bringen; oder ob hier auch nicht hinterfragte, weil implizite Grundannahmen zur spezifischen Charakteristik von Schülerinnen und Schülern in spezifischen Schularten am Wirken sind und unbewusste Menschenbilder und Stereotypen formuliert und tradiert werden.
Denken, geistige Fähigkeiten:
„Eine wissenschaftliche Begründung für die Gliederung des Schulsystems entlang der unterschiedlichen Begabungen der Schüler gibt es nicht“ (zitiert nach E. Stern).
Die Ausführungen der neuen Lehrpläne spiegeln genau das wieder, was Elsbeth Stern kritisiert. Die Mittelschülerinnen und -schüler werden im LehrplanPLUS als praktisch begabt dargestellt und benötigen Anschauung: „Die Schülerinnen und Schüler denken überwiegend anschaulich und lernen in konkreten Handlungszusammenhängen. Erst langsam entwickelt sich ein abstrahierendes Denken. Der Unterricht und die Erziehung tragen diesem Aspekt Rechnung.“ Die Gymnasiasten dagegen sind laut neuem Lehrplan Heranwachsende mit der Fähigkeit zur (ausdauernden und flexiblen) Abstraktion und zu eigenständiger Problemlösung: „Beim Kompetenzerwerb zeigen sich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums geistig besonders beweglich und fantasievoll, sie lernen schnell, gern und zielstrebig und verfügen über ein gutes Gedächtnis. Sie sind bereit, sich ausdauernd und unter verschiedenen Blickwinkeln mit Denk- und Gestaltungsaufgaben auseinanderzusetzen, und entwickeln dabei zunehmend die Fähigkeit zur Abstraktion, zu analytischem und vernetztem Denken, zu eigenständiger Problemlösung und zur zielgerichteten Zusammenarbeit in der Gruppe.“ Und die Realschülerinnen und -schüler sind explizit „sowohl… als auch“, oder – wie es Stern formuliert – „irgendwo dazwischen“: „Die Realschule ist eine Schule für Kinder und Jugendliche, die aufgeschlossen sind sowohl für praktisches Tun als auch für theoretische Überlegungen, die geistig beweglich sind, über grundlegende sprachliche Fertigkeiten verfügen und Phantasie und Kreativität zeigen.“ Hier muss gefragt werden: Sind wirklich alle Heranwachsenden an Mittelschulen – oder wenigstens die Mehrheit – so viel praktischer begabt oder auf Anschauung angewiesen als die an Realschulen oder Gymnasien? Sind theoretisch begabte Schülerinnen und Schüler nicht auch im Praktischen fähig? Und umgekehrt: Sind Hauptschülerinnen und -schüler als solche weniger zu Theorie und Abstraktion fähig? Welcher expliziten Begabungstheorie und Anthropologie sind die Lehrplanmacher verpflichtet? Aus fehlenden Verweisen auf solche Theorien lässt sich möglicherweise folgern, dass sich in diesen Formulierungen implizite Persönlichkeitstheorien ausdrücken.
Entwicklungsziele:
Für die Schülerinnen und Schüler an Mittelschulen wird als Entwicklungsziel die Eingliederung in das Berufsleben vorgegeben. Sie soll auf „realistischer Basis“ erfolgen, was man nur so deuten kann, dass die Träume dieser Heranwachsenden nicht zu hoch greifen sollten: „Da die Schülerinnen und Schüler schon früh in das Berufsleben eintreten, müssen sie sich rechtzeitig beruflich orientieren und sich auf einen Schulabschluss vorbereiten sowie bereits in jungen Jahren im Hinblick auf die berufliche Zukunft weitreichende Entscheidungen auf einer realistischen Basis treffen.“ Demgegenüber wird bei den Jugendlichen an Realschulen ein erhöhter Standort angestrebt, von dem aus die gesellschaftliche Wirklichkeit gesehen, beurteilt und korrigiert werden kann: „Die Schülerinnen und Schüler werden im privaten wie im öffentlichen Leben zunehmend als eigenständige Persönlichkeiten gefordert. Deshalb bereitet sie die Realschule, unabhängig von einem Fach, von Anfang an auf ihre Rechte und Pflichten als Staatsbürger vor und befähigt sie, eigene Interessen und Entscheidungen auf ihre Verantwortbarkeit zu überprüfen und dann selbstbewusst zu vertreten. Sie erkennen, dass die Wirklichkeit in einer demokratischen Gesellschaft immer wieder am Ideal zu überprüfen ist und dass alle Mitglieder der Gesellschaft Fehlentwicklungen entgegenwirken und zu einer Verbesserung der Verhältnisse beitragen müssen.“ Die Gymnasiasten werden zum einen auf ein Studium hin orientiert, zum andern auf Verantwortung in der Berufswelt: „Ein Gymnasium besuchen Schülerinnen und Schüler, die aufgrund ihrer Begabung, ihres breiten Interesses, ihrer Leistungsbereitschaft und ihres Leistungsvermögens in der Lage sind, die Kompetenzen aufzubauen, die sie später für ein Studium und für verantwortungsvolle berufliche Aufgaben benötigen […]. Mit der am Gymnasium erworbenen Sach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz sind sie den Anforderungen eines Studiums ebenso gewachsen wie den sich ständig wandelnden Herausforderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft.“ Die Lehrpläne formulieren ein Hochschulstudium also ausschließlich als Perspektive für Gymnasiasten. Wie verträgt sich das aber mit der Feststellung im Bayerischen Bildungsbericht von 2015, dass „41 % der Hochschulzugangsberechtigungen von den beruflichen Schulen“ stammen (S. 84)? Wäre das nicht eine ausreichende Zahlengrundlage um ein Studium prinzipiell auch in die Perspektive von Jugendlichen an Realschulen zu legen, oder vielleicht sogar in den Erwartungshorizont von Heranwachsenden an Mittelschulen?
Fazit:
Die Lehrplanmacher scheinen eine kollektive Begabungstheorie zum Ausdruck zu bringen, deren Genese wohl einem gemeinsamen Erfahrungshintergrund zuzuschreiben ist, eben dem gegliederten bayerischen Schulsystem. Dieses verfahre „begabungsgerecht“ mit dem Individuum, so wie es durch die bayerische Bildungspolitik immer wieder behauptet wird. Daher kann nur von der Annahme ausgegangen werden, dass die Lehrplan-Praktiker ein implizites Menschenbild weitergeben, das sie selbst durch die vorgegebene Systematik aufgenommen und im Lehramtsstudium vertieft haben und nun durch ihre Haltungen und Äußerungen verstetigen helfen, so dass es dann auch wieder von Eltern und Kindern übernommen wird.
Als Grundlage für die auf Homogenität zielende Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in der vierten Jahrgangsstufe verwendet die amtliche Rhetorik den Begabungsbegriff Und diese Begabung soll konkret werden an „den Jahresfortgangsnoten in allen Fächern, der Gesamtdurchschnittsnote aus den Fächern Deutsch, Mathematik, Heimat- und Sachunterricht, einer Bewertung des Sozial- sowie des Lern- und Arbeitsverhaltens, einer zusammenfassenden Schullaufbahnempfehlung.“ Den Begabungsbegriff kann man als Versuch sehen, die wesentlichen Charakterzüge eines Schülers auf einen schulkompatiblen Nenner zu bringen. Als gemeinsamer Nenner ist er zweifellos zu pauschal, um alle Persönlichkeitszüge zu erfassen. Des Weiteren trägt der Begabungsbegriff die Gefahr in sich, die Entwicklungsmöglichkeiten eines Menschen zu unterschätzen. Er wird schädlich, sobald eine Lehrkraft mit dem Verweis auf eine nicht vorhandene Begabung in die Versuchung gerät, eine schulische Förderung von vorneherein als wirkungslos zu qualifizieren. Deshalb hat Valtin kritisiert, dass der Begabungsbegriff einen Aspekt der „Bildungsresistenz“ in sich trägt: „Dieses System beruht auf dem Gedanken der Dreifaltigkeit der Begabung (der praktischen, der technischen und der abstrakten), wobei erschwerend hinzukommt, dass diese Begabungen als bildungsresistent (…) angesehen werden, vor allem die praktischen Begabungen. Diese Auffassung und Schulstruktur war funktional im 19. Jahrhundert für die Reproduktion des Ständestaates, ist aber ungeeignet für eine demokratische Wissensgesellschaft“. Auch Ipfling kritisierte schon vor Jahren eine Haltung, die in wissenschaftlich nicht gerechtfertigter Weise Schülerbegabungen mit der nur historisch, nicht aber pädagogisch oder psychologisch begründbaren Schulstruktur zu harmonisieren versucht: „Eine pragmatische Begründung der Dreigliedrigkeit geht nicht von gesellschaftlichen oder anthropologischen Zusammenhängen aus, sondern erschöpft sich in der Aussage, dass sich die Dreigliedrigkeit ‚bewährt‘ habe. Worin im Einzelnen diese Bewährung liege, wird nicht deutlich“.
Sowohl für Lehrer als auch Systemverantwortende sollte deutlich sein, dass sie ihre Persönlichkeitstheorien hinterfragen müssen. Es ist eine Frage der pädagogischen und Selbstkompetenz, der Aufgeklärtheit und des wissenschaftlichen Anspruches, sich seiner eigenen Denkvoraussetzungen bewusst zu sein. Wir alle müssen unsere Stereotypen, Schubladen und Etiketten erkennen und sie auf ihre Berechtigung und Reichweite überprüfen. Von der Verwendung dieser Etiketten profitieren die Gruppen, denen dieses Menschenbild primär positive Charakteristika zuschreibt. Ihnen dürfte das Befassen mit diesen Zusammenhängen und das Eingeständnis dieser Mechanismen am wenigsten leicht fallen. Hier ist aber der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Frage nach den gesellschaftlichen Interessen, denen an der Aufrechterhaltung sowohl der Stereotype als auch der korrespondierenden Strukturen gelegen ist.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Gerd Möller

Herr Möller: Sie vergessen in ihren langen Ausführungen, dass die schulische Praxis kein philosophisches Oberseminar ist, in dem man darüber spricht, welche wichtigen Leute irgendwann irgendwas zum Begabungsbegriff gesagt haben, um dann die Lehrer zu ermahnen, mit „Selbstkompetenz“ ihre „Persönlichkeitstheorien“ zu hinterfragen. Lehrer haben andere Sorgen als Sie, weil sie ständig die Praxis sehen.
In der Praxis sollen die Kinder am Ende die Bildungsstandards erfüllen, und dafür sind die Lehrer verantwortlich. Wenn also der Prozess, eben dieses zu erreichen, in den besonders heterogenen Schulklassen besonders schwierig ist (so wie oben etwa von GSLehrerin, Schattenläufer, Einer und Bellabolli beschrieben), weil gerade leistungsfähige SuS „untergepflügt“ werden, dann könnten die Theoretiker ja mal runter steigen von dem hohen Ross ihrer philosophischen Oberseminare. Dass Schulklassen allzu homogen werden, ist ohnehin nicht zu befürchten. Sie sind seit eh und je heterogen (angefangen von der einklassigen Volksschule), und seit eh und je gibt es die Noten 1 bis 5 oder 6.
Das ist wie in der DDR, wo der Sozialismus in theoretischen Seminaren hoch gepriesen wurde, aber in der ökonomischen Praxis nicht so richtig funktionierte. Aber auch dort waren die abgehobenen Theoretiker nicht bereit zu einer Revision, sie forderten vielmehr den „richtigen Klassenstandpunkt“ von den anderen. Und nach der Wende wurden sie „Wendehälse“.

Rosa
1 Jahr zuvor

Ein halbes Schuljahr fehlt den Grundschülern der vierten Klasse und die Mehrheit könnten durch die angehäuften Rückstände nicht ihre Wunsch-Schule besuchen.https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2022-03/schule-studie-lesen-viertklaessler-corona

rosa
1 Jahr zuvor

Die Mogelpackung ohne Inhalt und die Märchenstunden von Frau Schopper haben keine Verbesserungen gebracht an den Schulen und im Klassenzimmer. Die Bildungsnot ist an allen Schulformen gegeben und nach wie vor, wird die Rückkehr zu G9 gefordert.https://www.openpetition.de/petition/blog/corona-aufholjahr-im-g9-modus-zur-rettung-der-bildungsqualitaet/14

Rosa
1 Jahr zuvor

Unsere KM Frau Schopper betreibt weiterhin Augenwischerei und hat erneut keine Ahnung wie es an Schulen zu geht. https://www.phv-bw.de/phv-bw-zum-artikel-ministerin-weiss-nicht-wie-viel-schule-derzeit-ausfaellt-in-den-stuttgarter-nachrichten-vom-04-04-2022/ Frau Schopper übt sich weiterhin in Ihrem Talent Märchen auf zu binden.Frau Schopper vertritt eine Scheinwelt an Schulen und die Realität des Schulleben nimmt unsere KM nicht wahr. Betriebsblind sagt man dazu.

Sissi
1 Jahr zuvor

@ Gerd Möller

Meine Erfahrungen im Bereich der beruflichen Schulen( von BS über BFS, auch FOS/BOS , FAK)
stimmen mit Ihren Erklärungen weitgehend überein.
Allerdings tummelt sich im Suppentopf der beruflichen Schulen alles, vom “ normalen “ Mittelschulabgänger bis hin zum Studienabbrecher.
Mit Schubladendenken und Stereotypen wie etwa “ der bessere Gymnasiast“ oder der “ ungeeignete Studienabbrecher“ bis hin zum “ weniger- wert- BOS- Abitur “ wird vielmals gesellschaftliches Steinzeitdenken gespiegelt.
Am Beispiel Deutsch lässt sich konkret erkennen:
Warum fürchten alle Deutschprüfungen? Sie erfordern fundierte Deutschkenntnisse aber auch die Fähigkeit zu differenziertem logischem argumentierendem Denken.
Es ist nicht gesagt dass der Abiturient die bessere Note erhält; auch andere motivierte SuS haben ihre Chance, somit ist nicht nur die Güte der Vorbildung entscheidend. Das Ziel, einen guten beruflichen Abschluss zu erreichen, bedingt häufig zusätzliche Motivation, wiederum eine Chance für LuL und für beide Seiten angenehmen zielführenden Unterricht.
Somit sehe ich einen großen Vorteil im halbwegs durchlässigen Schulsystem.
Auch SuS, die z.B wegen soz.Benachteiligung, etwa Herkunftsfamilie, Stempel durch Förderschule etc. bisher wenig Möglichkeiten hatten, die Problemschüler/ Schulverweigerer Karrenspur zu verlassen, können im beruflichen Schulsystem etwas erreichen.
Beispiel: Einrichtung von 3+1- Klassen für Migranten. Die SuS erhalten während des zusätzlichen Ausbildungsjahres gezielte Förderung in D und Staatswissen, weitere Hilfe nach aktuellem auffälligem Förderbedarf – in Betrieb als auch Schule. Für den Lehrer Zusatzarbeit, aber sehr lohnend, motivierend.

Ich sehe allerdings auch immer wieder, wie gnadenlos unreflektiert die Gesellschaft am Steinzeitabiturienten hängt und ihm eine Qualifikation für alles zuschanzt. – z.B.Viele Eltern, die primär etwas Gutes wollen und ihr Kind gerade deswegen auf direktem Weg aufs Gymnasium puschen.
Ich merke aber auch, dass große Betriebe, etwa ein ASC auch auf Schlüsselqualifikationen ausrichten, die nicht nur durch Zensuren abdeckbar sind. Es besteht somit eine Chance für Menschen, die umdenken und weitermachen wollen,.das berufliche Schulsystem zu nützen.

Sie schreiben:
* Es ist eine Frage der pädagogischen und Selbstkompetenz, der Aufgeklärtheit und des wissenschaftlichen Anspruches, sich seiner eigenen Denkvoraussetzungen bewusst zu sein. Wir alle müssen unsere Stereotypen, Schubladen und Etiketten erkennen und sie auf ihre Berechtigung und Reichweite überprüfen *
Wenn wir diese Gedanken berücksichtigen, könnten wir das ASC für zukunftsorientierte kompetente Pädagogen mit Bravour bestehen.

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