„Die Kluft zwischen Universität und Schule ist zu groß“: Warum sich ein Lehramtsstudent schlecht ausgebildet fühlt

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DÜSSELDORF. „Unter uns Lehramtsstudierenden (zumindest an meiner Universität) ist der Frust über die praxisferne und forschungsorientierte Ausbildung groß, was ich an zahlreichen Gesprächen untereinander und an den Rückmeldungen zum Praxissemester erkenne“, so schreibt ein Lehramtsstudent an die Redaktion – passend zur aktuellen News4teachers-Debatte um die Zukunft der Lehrkräfteausbildung. Wir dokumentieren seinen Post im Folgenden – und erweitern gerne die Diskussion: Ist die Lehrkräfteausbildung an den Universitäten tatsächlich zu praxisfern?

Lehramtsstudierende müssen mitunter den Verlust ihrer Abschlussklausur verkraften (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Ein kleiner Rundumschlag auf die Lehrkräfteausbildung

Würden die IngenieurInnen in diesem Land ähnlich ausgebildet werden wie die Lehrkräfte, ich beträte kein einziges Gebäude und keine einzige Brücke mehr.

Dank des Föderalismus in der Bildungspolitik und trotz der Kultusministerkonferenz haben wir in der Bundesrepublik 16 teils sehr verschiedene Schulsysteme. Da führt Vielfalt zu Chaos. So wird es bei Eltern, die mit ihrem 11-jährigen Kind etwa von Bremen nach Berlin ziehen, wohl nicht mehr als Unverständnis und Kopfschütteln auslösen, wenn ihr Kind plötzlich statt einem Gymnasium wieder die Grundschule besuchen muss.

Was bei all den Schulreformen, Bildungspolitiken und internationalen Vergleichsstudien jedoch von der Öffentlichkeit weitestgehend außer Acht gelassen wird, ist die Frage, wer da überhaupt unterrichtet. Wie werden also die Lehrkräfte ausgebildet? Hier ist anzumerken, dass es Dank des Föderalismus in der Bildungspolitik und trotz der Kultusministerkonferenz eben auch 16 unterschiedliche Systeme der Lehrkräfteausbildung gibt. Da ich mich am Ende meines Lehramtsstudiums in NRW befinde, beziehe ich mich vor allem hierauf.

Alle 16 Systeme haben eine große Gemeinsamkeit: Sie sind gekennzeichnet durch einen überbordenden Lern- und Organisationsaufwand für die Studierenden, der Schwerpunktsetzung auf Forschung und Wissenschaft und zeichnen sich dadurch vor allem durch ihre Praxisferne aus.

Zum ersten Kritikpunkt lässt sich sagen, dass es für uns Studierende nicht nachvollziehbar ist, warum wir so viele Prüfungen und Studienleistungen erbringen müssen, bei der sich die für den späteren Beruf relevanten Kompetenzen kaum ausbilden können. Was bringt noch eine Klausur und noch eine Hausarbeit und noch eine mündliche Prüfung, wenn sie fernab des Klassenzimmers stattfindet oder keinerlei Bezug dazu hat?

Schwierig gestalten sich auch die Übergänge zwischen den einzelnen Etappen der Ausbildung. Beim Wechsel vom Bachelor in den Master, vom Master in das Referendariat und vom Referendariat in den eigentlichen Beruf kann es zu Problemen und Leerlaufzeiten kommen. In NRW wird uns empfohlen, vorübergehend eine Stelle als Vertretungslehrkraft anzunehmen. Wer studiert mindestens fünf Jahre, um daran anschließend in einem prekären Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten und daran anschließend noch einmal 18 Monate lang wieder regelmäßigem Prüfungsstress ausgesetzt zu sein? Die Ungewissheit, wohin man im Referendariat geschickt wird oder ob man im Anschluss daran auch die heiß ersehnte Beamtenstellung am Wunschort erhält, kommt noch hinzu.

„Das Studium ist von der Realität in den Schulen weitestgehend losgelöst ist. So kommt es zu einem Praxisschock“

Fraglich ist zweitens auch, warum uns die Universität zu WissenschaftlerInnen ausbilden will, wo wir doch eigentlich in die Schulen und mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten wollen? Das Lehramt ist ein sozialer Beruf! Es besteht kein Zweifel daran, dass jede angehende Lehrkraft sich unbedingt mit dem Wissensstand und der Didaktik ihres Faches auseinandersetzen muss und hier auch profunde Kenntnisse vonnöten sind. Der Rückgriff auf die Theorie ist in der Praxis wichtig. Aber warum ist es notwendig, dass man nach drei Jahren wissenschaftlichen Bachelorstudiums mit wenig Praxisanteilen (in denen man vor allem eines ist: Praktikant) und mit wissenschaftlicher Abschlussarbeit sich zusätzlich noch durch ein komplettes Masterstudium kämpfen muss?

In NRW wird das Praxissemester im Master übrigens noch von aufwendigen Studienprojekten überlagert, sodass die Praxiserfahrung, nach der wir Studierenden so sehr bitten und betteln, größtenteils auf der Strecke bleibt.

Dies alles führt vor allem dazu, dass das Studium von der Realität in den Schulen weitestgehend losgelöst ist. So kommt es zu einem Praxisschock und enttäuschten Erwartungen, die auch in einen Studienabbruch oder Berufswechsel münden können. Ein Seminar zum Werk Adalbert Stifters ist keine ausreichende Vorbereitung für den Einsatz vor einer Deutschklasse.

Eine Kommilitonin brachte es kürzlich auf den Punkt. Sie sagte, dass in den Seminaren immer von einer idealtypischen Klasse ausgegangen wird, die Realität aber ganz anders aussieht. In meinen bisherigen Praktika habe ich gelernt, dass die hochkomplexen Inhalte des Studiums mir herzlich wenig für die Unterrichtsplanung und -durchführung nützen, sondern vielmehr pädagogisches Geschick gepaart mit didaktisch-methodischen Kompetenzen, viel Geduld, Ausdauer, (Frustrations-)Toleranz und sehr viel Menschlichkeit. Nur ein Bruchteil davon kann in einem wissenschaftlich ausgerichteten Studium erlernt werden.

Wie also könnte die Lehrkräfteausbildung verbessert werden? Vor allem muss der universitäre Teil gekürzt bzw. modifiziert werden. In NRW und anderen Bundesländern dauerte die universitäre Ausbildung für einige Schulformen einmal nur vier Jahre zuzüglich Referendariat. Sind diese Lehrkräfte heute schlechter in ihrem Beruf als diejenigen mit einem fünfjährigen Studium? Das sind immerhin vier Jahre mehr, als die meisten QuereinsteigerInnen vorweisen können. Deren Leistung soll hier nicht geschmälert werden und ihnen gebührt höchster Dank und Respekt, zumal ohne sie in Ländern wie Berlin wahrscheinlich gar kein geregelter Schulbetrieb mehr möglich wäre. Allerdings ist der Widerspruch doch gravierend, warum einerseits auf einen langen Ausbildungsweg von ca. sieben Jahren und mehr bestanden wird und andererseits zur Behebung des Personalmangels Menschen ohne Vorerfahrung und Vorbereitung in den Schulen eingesetzt werden.

In einem Beitrag in der „Zeit“ vom Dezember 2019 haben drei BildungsexpertInnen eine dual organisierte Lehrkräfteausbildung mit Verbeamtung im Studium gefordert (aktuell auch Prof. Rainer Dollase auf News4teachers – hier nachzulesen). Junge Menschen ohne jegliche Vorerfahrung und Vorbereitung in den Schulen einzusetzen, ist ebenfalls ein Fehler. Dennoch ist die Grundidee keineswegs falsch.

Wie wäre es denn mit einer dreijährigen Ausbildung sowohl an der Universität als auch in den Schulen, allerdings stets unter Begleitung von Theoretikern und Praktikern? Statt realitätsferner Theorie werden zum Beispiel Fallanalysen und Feldforschungen durchgeführt, gemeinsam analysiert und diskutiert. Die Inhalte des Studiums müssen dringend an die Bedürfnisse der Studierenden sowie des Berufs angepasst werden. Kenntnisse in Psychologie, Sozialarbeit/-pädagogik, Diagnostik und Förderung, Stressbewältigung oder den für uns relevanten rechtlichen Bestimmungen sind unablässig für diesen Beruf, finden sich jedoch nur selten oder gar nicht in den Studien- und Prüfungsordnungen. Im Referendariat ist es zu spät dafür und eigentlich sollten hier etwa die Entwicklung eines professionellen Selbstkonzepts, die pädagogische Diagnostik und Förderung und die Unterrichtsgestaltung im Vordergrund stehen.

Das wichtige Referendariat wiederum ist zu kurz, der Übergang oftmals holprig und mit Prüfungen bzw. Unterrichtsbesuchen überladen. Dabei wäre gerade diese Zeit so wichtig, um die genannten Fähigkeiten zu entwickeln, sich auszuprobieren und schrittweise als Lehrkraft zu emanzipieren.

„Niemand hat uns gesagt, wie schwierig der Umgang nicht nur mit den SchülerInnen, sondern auch mit den Eltern sein kann“

Ich habe nicht alle Kritikpunkte und diese auch nicht in aller Tiefe angesprochen und sicher stimmen nicht alle Studierenden mit meiner Ansicht überein oder haben ganz andere Vorschläge. Dennoch muss darauf aufmerksam gemacht werden und hier wird mir die Mehrheit der Studierenden wohl zustimmen, dass die Lehrkräfteausbildung in unserem Land den tatsächlichen Anforderungen des Lehrberufes nicht genügt.

Die Kluft zwischen Universität und Schule ist zu groß und wir Studierenden werden regelmäßig ins kalte Wasser geworfen. Niemand hat uns gesagt, wie schwierig der Umgang nicht nur mit den SchülerInnen, sondern auch mit den Eltern sein kann. Niemand hat uns darauf vorbereitet, wie man bei Tränen im Klassenzimmer oder auch im Lehrerzimmer Trost spendet. So etwas kann man nicht erlernen, es muss erlebt werden. News4teachers

Aktuelle News4teachers-Beiträge zur Debatte um die Lehrkräfteausbildung:

Debatte: Wie sich der Lehrermangel schnell beheben ließe – und die Lehrerausbildung verbessern

Perspektiven der Lehrerausbildung: Wie bringen angehende Lehrkräfte das, was sie an den Unis lernen, in den Unterricht?

„‚Qualitätsoffensive Lehrkräftebildung‘ ist ein Witz“: VDR-Chef Böhm fordert, den Beruf für den Nachwuchs (wieder) attraktiver zu machen

 

 

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Georg
1 Jahr zuvor

Das Leben würde für uns Lehrer erheblich einfacher, wenn die Politik und die Gesellschaft nicht als eierlegende Wollmilchsau für alle Missstände und Reparaturkonzepte ansehen würde. Dazu kommt der immer fortschreitendere Niveauverlust seitens der Lehrpläne.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor

Ein Studium ist die Basis für fachliche Grundlagen, keiner könnte sich Akademiker nennen ohne ein wissenschaftliches Studium. Den Praxisschock könnte man vermeiden, indem man schon in den ersten Semestern Praktika mit Unterrichtsversuchen einbettet, damit die Lehramtsstudenten die Möglichkeit haben, ihre Berufswahl anhand ihrer Vorstellung im Vergleich zur Praxis einzuschätzen. Erst nach dem Studium erhält man das pädagogische Handwerkszeug für den Unterricht, und da muss man ansetzen: die Referendarzeit ist viel zu theoretisch und oft mit unzulänglichen Seminarlehrern besetzt, die einfach die höhere Gehaltsstufe anstreben, aber nicht so wirklich ausgebildet und motiviert sind. Da braucht es kompetente Lehrkräfte, die praxisnah vermitteln können und den Regerendaren vor allem auf Augenhöhe begegnen, und sich nicht die Arroganz des Dienstherrn aneignen. In meiner Referendarzeit habe ich vergeblich nach solchen Seminarlehrern gesucht, manches war einfach nur schrecklich und unnütz. Die Lehrproben, für die man einen riesigen Aufwand betreiben muss, sind ein Witz. Lieber mehr Lehrproben und auf einer didaktisch und methodisch realitätsnahen Ebene, dafür weniger schriftliche Theorie-Prüfungen. Und nach der Referndarzeit mind. ein Jahr professionelle Unterstützung durch einen Kollegen, der dafür Verfügungsstunden bekommt. Aber das kostet ja wieder ……. Man könnte den Beruf durchaus wieder attraktiver machen, das Zauberwort ist „Wertschätzung“ und auch Fürsorgepflicht. Und das fängt in der Referendarzeit an.

Wiebke
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

„…,keiner könnte sich Akademiker nennen ohne ein wissenschaftliches Studium.“

Der Akademikerstatus ist mir ziemlich unwichtig im Vergleich zu den Schwierigkeiten, mit der Praxis klarzukommen. Zufriedenheit im Beruf ist für mich das, was zählt. Außerdem kann ich mit gutem Unterricht sowie der Anerkennung von Schülern und Eltern auch meine Eitelkeiten befriedigen.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Wiebke

Kaum einer trägt den Akademikertitel vor sich her, da haben Sie meinen Kommentar falsch verstanden. Aber für bestimmte Berufe bedarf es nun mal dieser Ausbildung. Und ich habe meine Bedenken, wenn man sowohl wissenschaftlich als auch pädagogisch nicht aussgebildete Quereinsteiger an die Schulen lassen sollte, das kann gut gehen, aber in den meisten Fällen eher nicht. Da der Lehrerberuf unberechtigterweise sowieso schon an Ansehen einbüßt, hätten wir dann ein noch größeres Problem.
Natürlich weiß ich auch, dass guter Unterricht nicht vom Titel abhängt, da bin ich sogar voll und ganz davon überzeugt, und bei mir sind immer die Schüler wichtiger als unser erhabener Dienstherr (oh, da hat der Gender-Trend wohl was übersehen?), und danach handle ich auch. Trotzdem bin ich froh, ein Studium absolviert zu haben.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Wiebke

Aber womit wollen Sie A13 rechtfertigen, wenn nicht mit einem wissenschaftlichen Studium und dem Akademikerstatus? Die Volksschullehrer hatten früher beides nicht, aber genau damit sind die Leute doch nicht zufrieden.

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Um einen Masterabschluss zu erlangen, reicht ein Studium an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften. – Also Stand der Technik und nicht Stand von Forschung und Technik. Man könnte auch „best practice“ sagen

PaPo
1 Jahr zuvor

Hmmm… ich halte weder etwas von einer Verkürzung des universitären Teils der Lererausbildung noch von einer Verlängerung des Referendariats.

Als Lehramtstudent kannte man ja bereits früherdie z.T. despektierlichen Meinungen der regulären Diplom-, Magisterstundenten und aktuell (seit mittlerweile auch bereits 1 1/2 Jahrzenten) der regulären Bachelor- und Masterstudenten, dass das Lehramtstudium ohnehin bereits qualitativ und quantitativ erheblich ggü. den anderen Studiengängen verkürzt sei.

Das kann ich so auch bestätigen, wenngleich meine Erfahrung dabei natürlich lediglich anekdotische Evidenz hat: Ich habe Anfang bis Mitte der 2000er meinen Magister Artium an einer Hochschule in NRW gemacht, Anfang der 2010er habe ich dann (nach der Promotion) ein Lehramtstudium im Bachelor-/Masterstudium absolviert, u.a. mit einem gleichen Fach, in dem ich insb. die didaktischen Bestandteile für das Fach nachholen musste, und einem Fach, das ich von Grund auf neu studierten musste. Ich konnte damals den qualitativen und quantitativen Niveauunterschied zuungunsten des Lehramtstudiums deutlich feststellen, die Probleme des Bachelor-/Mastersystems taten ihr Übriges. Gilt aber natürlich nicht für alle Fächer u./o. für alle Universitäten, dürfte aber auch kein singuläres Phänomen sein, wenn man den Erfahrungsberichten anderer ehem. Stundenten und auch Dozenten Glauben schenken möchte.

Hinsichtlich der in den Universitäten vermittelten pädagogischen Perspektiven und hinsichtlich der Fachdidaktiken der einzelnen Unterrichtsfächer musste und muss ich jedenfalls das Folgende feststellen:

(a) Dass die pädagogischen und didaktischen Inhalte im Gros eben nicht von einer geradezu kaum zu bewältigenden Komplexität sind, es sich oftmals ohnehin lediglich um das Naheliegend(st)e handelt (it’s not rocket science…). Und ganz ehrlich, für das Unterrichten war meine pädagogisch-didaktische Ausbildung kein relevanter Gamechanger, eben aus den genannten und noch folgenden Gründen.

(b) Dass ein eklatantes und evidentes Theorie-Praxis-Problem zwischen pädagogisch-didaktischen Theorien und praktischem Handeln resp. dem eigtl. Unterrichten existiert, d.h. diese Theorien auch aufgrund der Komplexität menschlichen Verhaltens/Handelns und der des Schul-/Unterrichtsalltags oftmals wenig bis kaum oder z.T. garkein konkretes Handlungsangebot machen können, welches über die Profanität ohnehin evidenter Aktionen hinauszugehen vermag, das sich auch Personen ohne die einschlägige pädagogisch-didaktische Qualifikation zumindest bei z.B. hinreichender Empathie, Kenntnis (schul-)rechtlicher Rahmenbedingungen und Lehrinhalten etc. und evtl. einem Minimum an entwicklungspsychologischen Kenntnissen erschließen sollte. Patentlösungen für alle kleinen und großen Probleme der Schulrealität bietet die Theorie nicht und ich persönlich wage sogar zu bezweifeln, dass in der Praxis eine Rückbesinnung auf dieses theoretische ‚Fundament‘ der eigenen Profession regelmäßig ausschlaggebende Lösungsansätze vermittelt, auf die nicht auch jedermann kommen könnte.

(c) Dass die während des Lehramtsstudiums und während der Lehrerausbildung vermittelten pädagogisch-didaktischen Inhalte im Gros fächerübergreifend an einem Empiriedefizit in Form fehlender oder qualitativ u./o. quantitativ nicht hinreichender quantitativer(!) Fundierung durch einschlägige Forschung leiden, so dass bspw. (um einmal den Kern des Schulalltags zu fokussieren und nicht z.B. den Umgang mit Unterrichtsstörungen o.ä. zu thematisieren) die Lehr-/Lernwirksamkeit bestimmter Methoden und Techniken zwar oftmals behauptet, aber selten (hinreichend) belegt wird. Diese Behauptungen basieren nicht selten auf idiosynkratischen Schul-, Lehrer-, Schüler- und Unterrichtsbildern, sozio-politischer Ideologie, simplem Gusto u./o. Allgemeinplätzen – übrigens auch auf ministerialer Seite (was bspw. die pauschale Diabolisierung des Frontalunterrichts im letzten Jahrzehnt miterklärt) –, vulgo (regelmäßig quasi dogmatisch artikulierte und befolgte) Meinungen, nicht Wissenschaft. Oder man bemüht oftmals hochproblematische qualitative Studien, die sich im Rahmen des Lehramtsstudium und während der Lehrerausbildung ohnehin einer ungebührlichen Beliebtheit erfreuen, während der Umgang mit quantitativer Forschung insb. außerhalb der MINT-Fächer eine Seltenheit zu sein scheint (nein, ich selbst bin kein MINT-Lehrer), was auch ein Verständnisproblem sein könnte, da die Vermittlung der Methoden und Techniken quantitativer empirischer Forschung und i.d.Z. auch die der Grundlagen der Statistik dort nach wie vor nicht vermittelt werden, was m.E. skandalös ist: So erklärt sich evtl. auch die in einschlägigen Kreisen enorme Beliebtheit der sog. Hattie-Studie, eben weil deren eklatante und evidente methodisch-technische Probleme und problematische Ergebnisinterpretationen erst gar nicht erkannt und die Ergebnisse insg. nicht angemessen eingeordnet werden können.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Die Vermittlung dieser Wissenschaftskompetenzen hielte ich aus diversen Gründen sogar für wichtiger als die der pädagogisch-didaktischen Inhalte, wenn es z.B. doch darum geht, die Schüler zu eigenverantwortlichen, gemeinschaftsfähigen, reflektierten und demokratischen Staatsbürgern zu erziehen und sich mglw. besser anstellen läßt, wenn man sich auch selbst als Lehrender zu einem angemessenen Skeptizismus in der Lage sieht und nicht schlechtestenfalls als Akademiker die Abstracts von Studien ungeprüft für bare Münze nehmen muss…
Auch mit Blick auf die m.E. schulformübergreifende Wissenschaftspropädeutik* möchte ich da am universitären Teil abseits von Pädagogik und Didaktik nichts verkürzt wissen

Insg. würde ich mir da eine viel polyvalentere Ausrichtung der Studiengänge wünschen, habe da mithin auch anglo-amerikanische Konzepte im Hinterkopf (bspw. erst eine spätere Festlegung der eigtl. Disziplin, die man studieren will, zuvor eher eine Form eines reduzierten Studium generale etc. Alleine deshalb würde ich schon dort nicht kürzen wollen… und Absolventen hätten am Ende deutlich mehr Alternativen, als nur das Lehramt (insb. wenn sie nicht gerade MINT-Fächer studiert haben).

Natürlich heißt das alles nicht, dass ich auf die pädagogisch-didaktischen Inhalte im Lehramtsstudium und in der Lehrerausbildung komplett verzichten würde (mehr Wissen schadet nicht und leistet dem Reflexionsvermögen im Idealfall einen Dienst), sondern dass – obschon sie der entscheidende Unterschied zwischen einem Lehramtsstudium und einem nicht auf das Lehramt fukossierten Studium sind – sie m.E. nicht den Unterschied zwischen z.B. ‚korrektem‘ i.S.v. lehr-/lernwirksamen Unterrichten und Unterrichtsversagen ausmachen, wie oftmals suggeriert wird.
Lehr-/Lernwirksames Unterrichten dürfte maßgeblich von ganz anderen Faktoren abhängen. Gutes Unterrichten dürfte bspw. viel mehr vom individuellen Typ (Stichwort: Lehrerpersönlichkeit) und auch von Praxiserfahrungen abhängen. So machen mit Bezug auf Letzteres wohl eher die Schulpraktika und das Referendariat einen Unterschied.

Aber hier, beim Referendariat, würde ich auch auf keinen Fall etwas verlängern wollen. Im Gegenteil: Es erscheint mir einerseits generell zu lang, ob der Schulalltag etwas für einen ist, stellt sich doch i.d.R. in Windeseile heraus, da braucht es keine 1 1/2 Jahre oder gar länger. Für meine Mitreferendare und mich, die wir teilweise keine Lehrernormbiographie hatten und unseren Zwanzigern bereits entwachsen waren, ist jeder Monat länger ohnehin eine Tortur.
Andererseits habe ich generell ein Problem damit, examinierte ehem. Lehramtstudenten in dieses artifizielle Setting der punktuellen Überprüfung von Unterrichtsstunden durch Fachleiter, die bisweilen vollkommen realitätsferne Wünsche und Vorstellungen haben, zu unterwerfen etc. Das ganze System halte ich für unglaublich unpassend, müßte m.M.n. gehörig umgekrempelt werden:

  • deutlich(!) kürzere Dauer
  • keine Begutachtung durch externe Personen (d.h. keine N unterrichtsbesuche pro Fach über 1 1/2 Jahre hinweg mit einer Abschlussprüfung am Ende und einem Schulleitergutachten, dass de facto die Ausbildungsbeauftragten geschrieben haben), sondern schulinterne Entscheidung (unter Einbeziehung von Personalrat etc.)
  • etc.

* Verstanden als „die Hinführung zu wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen, zu Methoden des Erkenntnisgewinns und allgemein zu Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorien“ (wikipedia.de). Also u.a. die Heranführung bzw. Vermittlung von kritisch-rationalem (intersubejktivierbarem) Denken auf Grundlage von Hermeneutik, Heuristik und Empirie, auch disziplinspezifisch, also im Grunde die Aufklärung gegen unsubstantiierte ad hoc Meinungen auf Grundlage von Emotionen, Gefühligkeit, unkritisch-affirmativer Reproduktion u.ä. Da greifen die Fächer auch im Idealfall ineinander, wird bspw. in Mathe Stochastik vermittelt, betrachtet man in Sozialwissenschaften die (darauf basierenden) Methoden und Techniken empirischer Forschung, appliziert man das ganze beim naturwissenschaftlichen Experiment etc.

Donauperle
1 Jahr zuvor

Mein Studium und mein Referendariat sind schon lange her. Damals wurde auch so gut wie kein/e Referendar/in eingestellt, Selbst Absolventen/innen mit 1,0 hatten keine Chance, nur mit Mangelfächern bestand eine Einstellungschance. Das waren damals kath. Religion, Mädchensport und Bildende Kunst. Ich und mit mir viele andere waren damals sehr froh, dass unser Studium sehr wissenschaftlich und nicht pädagogisch-didaktisch ausgerichtet war. So ergaben sich für uns, vor allem aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten.
Obwohl das lange her ist, sehe ich das heute immer noch so. Das wissenschaftliche Studium hat mich später (11 Jahre nach Referendariat und Beschäftigung in einem Computerunternehmen) zu einem erfolgreichen Lehrer gemacht. Das Referendariat legt den Grundstein, der Rest sind sehr Learning by doing und eine positive Grundeinstellung gegenüber Kindern und Jugendlichen, daran mangelt es meiner Meinung nach leider viel zu vielen KuK.

Wiebke
1 Jahr zuvor
Antwortet  Donauperle

Ich war froh über die erste Praxiszeit durch die Begleitung durch meine Mentorin, eine sehr erfahrene Praktikerin. Learning bei doing ist sicher richtig und gilt für alles im Leben.
Das Lernen durch Tun oder Ausprobieren hätte aber viel länger gedauert und mir mehr Probleme und Kopfschmerzen bereitet.
Bei Mentoren kommt es natürlich genauso wie bei den Professoren auf die Personen an. Sie müssen wissen, was die „Auszubildenden“ brauchen.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Donauperle

Genauso sehe ich das auch, Donauperle. Auch ich musste erstmal nach einer Alternative suchen, da der Staat uns fallen gelassen hat wie eine heiße Kartoffel, und da hat das Studium enorme Vorteile gebracht. Davon abgesehen, Lehrer, die auch mal die Realität außerhalb der Schul- und Unimauern erfahren haben, sind meist besser für die Arbeit mit den Schülern gerüstet und haben eine ganz andere Einstellung als ihre Kollegen, die den „normalen“ Weg gegangen sind. Das war zumindest meine Erfahrung.

Andre Hog
1 Jahr zuvor

Herzlichen Glückwunsch.

Das Problem ist zu 100% erfasst und die notwendigen Veränderungen vollumfänglich benannt.

Wer im Rahmen des Lehramtsstudums stu denlang über Wissenschaftspropedeutik schwadroniert hat die Realität immer noch nicht erfasst

Es geht nicht darum, eine Fakultät fachwissenschaftlich abzubilden…wie sollte das bei eine Fächerstreuung bei den SuS mit bis zu 14 Teilbereichen auch alle Ernstes verfolgen, sondern es geht um die Vermittlung basaler Fertigkeiten in den einzelnen Disziplinen….und diese soll entsprechend der „machbaren Grenzen“ in den Schulen angeboten werden.

Die Anforderungen an LAA* sind so vielgestaltig, dass „fachspezifische Anforderungen“ ggf nachlässig verhandelt werden können.

Natürlich gehören die Grundvoraussetzungen für jedes Fach mit vermittelt….aber die tiefgreifenden Ansätze zum Umgang mit dem Fachgegenstand sind nicht ausschlaggebend.

D.h. für die Referendarsausbildung, dass es stärker um die alltäglichen Anforderungen des beruflichen Tuns gehen muss.

Uuppss, da sitzen Sus….
Uuppss, da kommen Eltern zu mir….
Uuppss, ich muss jeden Tag neue Stunden konzipieren….
Uuppss…und das muss ich ggf über 30 Jahre hinbekommen….ohne völlig auszukennen.

Ich würde mich freuen, wenn meine Refis einen solch erweiterten Horizont bzgl der kommenden beruflichen Zukunft mitbringen würden wie der / die Autor/-in des oben stehenden Artikels.

Last edited 1 Jahr zuvor by Andre Hog
PaPo
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Voller Widerspruch, insb. mit Blick auf eine möglichst hohe Polyvalenz des universitären Studiums!
Je umfassender die fachwissenschaftliche Ausbildung, desto breiter die auch außerschulichen Einsatzmöglichkeiten.* Diejenigen unter den Absolventen der Lehramtstudiengänge, die keine Festanstellung bzw. Verbeamtung erlangen (und bspw. in jeden Sommerferien der Arbeitslosigkeit trotzen müssen) wie auch diejenigen, die sich nach einer Weile umorientieren wollen/müssen, würden es danken.

Mithin: Wenn wir lediglichen den Anspruch der „Vermittlung basaler Fertigkeiten in den einzelnen Disziplinen“ für unsere Schüler hegen und daraus ableiten, dass auch Lehrer nur die „Grundvoraussetzungen für jedes Fach […] vermittelt“ bekommen müssten (es also hinreichend sei, dass Lehrer u.U. nur knapp über dem Niveau ihrer eigenen Schüler liegen), können wir das Studium auch komplett ad acta legen und eine gewöhnliche Berufsausbildung aus der Lehrerausbildung machen… das war es dann aber auch mit A13 für alle und weiteren Privilegien der Zunft.

Aber ich widerspreche ja bereits der indifferenten ersten zitierten Prämisse, habe an meine Schüler und mich jedenfalls höhere Ansprüche.

Die Ihrerseits skizzierten „alltäglichen Anforderungen“ sind auch keine Raketenwissenschaft, die zu meistern so viel Zeit und Mühe bräuchte, dass jede Irritation mit Fachwissenschaft u.ä. dieses Meistern unterminieren würde.

Soviel jedenfalls zum Studium selbst. Was das Ref angeht, sind wir ja vielleicht d’accord, dass da die alltägliche Praxis die erste Geige spielen sollte .. aber alles fachdidaktische Geblubber, das einem da begegnet, mal beiseite: Tut sie das nicht? Da ist man mit der Fachwissenschaft doch bereits durch, Hürden sind da doch eher pädagogische/didaktische Wunschvorstellungen insb. in den Studienseminaren etc.

* Über Sinn und Unsinn des Umfangs des Mathestudiums beim Grundschullehramt in NRW etc. darf natürlich diskutiert werden.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

„Mathestudium beim Grundschullehramt“
Das Fach muss ja unterrichtet werden, in manchen Bundesländern bis Klasse 6. Und irgendjemand hat mal Defizite bei den Grundschullehrern festgestellt, denn die heutige Grundschulmathematik besteht nicht mehr einfach aus Rechnen, sondern aus allen möglichen (Mode-)Kompetenzen, bei denen dann u.U. auch gebildete Eltern nicht mehr helfen können. Insofern ist der Matheteil im Studium kein alter Zopf, der abgeschnitten werden könnte, sondern im Gegenteil erst vor kurzem überhaupt eingeführt worden. Warten wir mal die Erfahrungen damit ab. Wer nicht gerade besonders schwach im Abitur in Mathe war, sollte damit eigentlich keine Schwierigkeiten haben.

A.H.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

30 Jahre?

Otto Ott
1 Jahr zuvor

Das stimmt wirklich. Vor allem bekommt man in der universitären Phase manchmal Dinge beigebracht, die man als Lehrer in seinem Fach nie braucht, z.B. Onomastik in Deutsch, aber ganz besonders streuen sie einem in der Pädagogik und Psychologie Rosinen in den Kopf hinsichtlich des Umgangs mit Unterrichtsstörungen, derer etliche Lehrer dann nicht Herr werden.

Achim Ackermann
1 Jahr zuvor
Antwortet  Otto Ott

Pflichtpraktika während des Studiums (Bayern):

  • Orientierungspraktikum (3-4 Wochen)
  • Pädagogisch-Didaktisches-Schulpraktikum (150 – 160 Schulstunden)
  • Studienbegleitendes fachdidaktisches Praktikum (ein Semester, studienbegleitend)

Nach dem ersten Staatsexamen: 2 Jahre Vorbereitungsdienst, an Seminar- und Einsatzschule

Wie viel Praxis soll’s denn sein?

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Achim Ackermann

„Wie viel Praxis soll es denn sein“
Manche Leute fordern, dass die Lehrer rein praktisch ausgebildet werden so wie eine Art von „gehobenen Azubis“, aber dann wollen sie trotzdem A13. Das passt dann nicht zu der gesamten Besoldungsstruktur (die man natürlich auch im ganzen mal reformieren könnte).

AusderPraxis
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Eigentlich könnten besonders Grundschullehrkräfte komplett ehrenamtlich arbeiten! Klappt doch bei der Feuerwehr, dem THW, der Tafel, der Arche usw. auch!

Achim Ackermann
1 Jahr zuvor
Antwortet  AusderPraxis

so mit Kindern was machen ist doch eigentlich keine Arbeit 😉

Toleranz
1 Jahr zuvor
Antwortet  Achim Ackermann

Ja, ist wie im Freizeitpark!
Nur ohne Eintritt zu bezahlen und mit anderen „Attraktionen“ und ‚ Challenges. ;_)

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Otto Ott

Wenn man immer nur lernen würde, was man evtl. im Leben braucht, wäre das ziemlich armselig und einseitig. Jedes Lernen und sich Aneignen prägt den Menschen in irgendeiner Form, oft sind diese vermeintlichen „Dinge die man nicht braucht“ ausschlaggebend für einen erfolgreichen Weg, da sie das Gehirn mit prägen und für das Weiterdenken unerlässlich sind. Das macht ja die Individualität des Menschen aus. Sonst könnten wir universal programmierte Roboter statt Lehrer einsetzen. Die können aber nicht über ihren Tellerrand schauen.

Palim
1 Jahr zuvor

Wie so oft stellt sich die Frage, was man denn erwartet, in diesem Fall von einem Lehramtsstudium.

Offenbar erwarten manche, dass man in einem Studium genau das lernt, was man später vermitteln soll, also die fachlichen Inhalte der Schulzeit. Die hat man aber schon in der Schulzeit erlernt. Wozu dann ein Studium?
Das Studium vermittelt fundierte Kenntnisse in 2 Fächern, die weit über das schulische Lernen hinaus gehen. Dieser Hintergrund ist wichtig für den späteren Beruf, damit man aktuelle und zukünftige Themen erschließen und einordnen kann, weiterführende Fragen beantworten kann, ein grundlegendes Verständnis hat, auf dessen Basis man Einordnung und Reduktion des Unterrichtsinhaltes vornehmen kann.

Offenbar erwarten manche, dass man im Studium den Umgang mit Menschen erlernt. Ja, das ist sicher so, man arbeitet auch dort mit verschiedenen Menschen zusammen. Aber Pädagogik ist nicht „Tränen trocknen“, sondern vermittelt – vergleichend zum Fach – Hintergründe und gibt Einsicht in fachliche Diskussion, damit man auf dieser Basis Einordnung späterer Vorschläge vornehmen kann (gerade weil ständig alle mitreden wollen, wie Schule gelingen könnte und gerade weil spätestens nach der nächsten Wahl ein paar zusätzliche Aufgaben oder angeblich neue Richtungen in die Schule getragen werden). Hinzu kommen im pädagogischen und psychologischen Bereich aktuelle Entwicklungen, die sich zum Teil mit früheren Erkenntnissen decken (unterschiedliche ausdifferenzierte ICD-10-Beschreibungen bilden heute ab, was früher „Lernschwierigkeiten“ genannt wurde, in der Integration und Inklusion den Unterrichtsalltag bestimmt), zum Teil ganz neue Entwicklungen berücksichtigen müssen (z.B. Medienkonsum im Wandel der Zeit, Digitalisierung und Auswirkungen auf Erleben, Erfahren und Lernen).

Lehramt ist ein fächerübergreifendes Studium mit mehreren Schwerpunkten. Wer sich nur mit einer Sache oder einem Themengebiet beschäftigen möchte, sollte sich anderweitig spezialisieren. Wer sich für das Fach als solches interessiert, soll es studieren. Lehramt bedeutet aber auch, die Vermittlung der Inhalte zu beherrschen nicht nur das Fach selbst.
Gleichzeitig geht es nicht darum, nur ein bisschen dies oder das zu lernen.
Wie kann man als Lehramtsstudent (ohne Überblick über spätere Tätigkeit) das Lernen als solches ablehnen, das man später täglich vertreten sollte?
Bestimmt gehört in einigen Fachbereichen an einigen Unis die Anzahl der Leistungsnachweise überprüft. Das darf auch gerne in den Seminaren in der Referendariatszeit vergleichbarer sein und war auch früher schon problematsich (Reicht das Referat oder braucht es zusätzlich eine Klausur/eine Hausarbeit? Wie viele CP gibt es wofür? Sind es eim Ref 6 oder 12 Std. Unterricht, sind es 5 oder 15 oder 25 Unterrichtsbesuche in 10, 12, 18 oder 24 Monaten?).

Aber meiner Meinung nach sind die unterschiedlichen Leistungsnachweise im Studium genau das, was einen bedeutenden Anteil an den Kompetenzen der Lehrkraft hat: sich selbst motivieren und organisieren, ständig neue Herausforderungen meistern, zeitlich eingespannt hohe Leistung bringen, sich stets neu in Themen, Fächer, Anforderungen einarbeiten.
Im Lehramt kommt keiner und gibt einem das Handbuch in die Hand, das abzuarbeiten ist. Diese Vorstellung des Berufs ist schlichtweg falsch. Empirie hin oder her, man muss die eigene Lerngruppe in den Blick nehmen und sich stets neu darauf einstellen. Dabei hilft Wissen (Fächer, Pädagogik und Psychologie), Überblick über didaktische Ansätze und ein breites Repertoire an methodischen Möglichkeiten weit mehr als ein Rezeptbuch.

Was im Studium noch nebeneinander steht (Erziehungswissenschaften, fachliche Wissenschaften), muss spätestens im Referendariat miteinander verknüpft werden.
Wer in der Ausbildung Praktiker:nnen einsetzen will, muss Lehrkräfte in die Unis holen, die nur kurz und dafür vorbei kommen, denn ihren Alltag verbringen sie in der Schule und stehen täglich vor den Klassen. Sind sie überwiegend oder ausschließlich in universitärer Lehre, Beratung, Fortbildung oder Coaching, verlieren sie den Bezug zum Schulalltag (oder nutzen es als Ausstieg davon). Entsprechend müsste man die Lehkräfte, die stundenweise an die Unis gehen oder die an den Schulen Referendar:innen ausbilden, als das ansehen, was sie sind: Hochqualifizierte Expert:innen!

Nordlehrer
1 Jahr zuvor

Ich kann das so nur unterschreiben. Die derzeitige Ausbildung für Lehrkräfte ist der falsche Weg. Ich sehe ein, dass die wissenschaftliche Grundbildung in den beiden Fächern definitiv erforderlich ist. Und vielleicht auch einmal der kurze Ausblick in das, was noch darüber hinaus in dem eigenen Fach passiert. Aber es gibt viele Module während des Studiums, die wirklich einfach nur verschwendete Lebenszeit sind und für Studienabbrecher oder Frustration auslösen. Ich erinnere mich da am liebsten immer an „Theoretische Physik für Lehramtsstudierende“. Wir haben dort Probleme betrachtet, die man nicht einmal im Ansatz auf Probleme in der Schule herunterbrechen kann, und für ihre Lösung benötigten wir Mathematik, die ich nicht in meinem Mathematikstudium gelernt habe.

Das Studium muss definitiv praxisnaher werden. Das merkt man eigentlich bei jedem Praktikum. Mein Vorschlag wäre ein „duales Studium“. Vom ersten Tag des Studiums an, hat man immer einen Praxistag (später mehr). Im ersten (und zweiten) Semester könnte sich dieser auf Hospitationen und „Theorie“ beschränken. „Theorie“ meint hier Arbeitsblätter erstellen, Arbeiten und Tests mitentwerfen und beim Korrigieren zusehen.
In den kommenden Semestern könnte dann angeleiteter Unterricht folgen und im Master dann vielleicht sogar die Übernahme einer Klasse pro Fach entweder mit Mentor:in hinten sitzend und vielleicht als Team-Teaching, sodas offiziell Mentor:in und Student:in gemeinsam als Lehrkraft der Klasse zählen.

Diese Praxiserfahrung würde auch das Referendariat erleichtern.

Die schwierigkeit besteht natürlich darin, ausreichend viele Kooperationsschulen für das Studium zu finden. Aber die könnte das Land natürlich bei einer Umstellung der Ausbildung einfach „zwingen“.

Dobby
1 Jahr zuvor
Antwortet  Nordlehrer

Duales Studium wäre eine gute Idee, aber es wird schwierig, die dafür notwendigen Schulen in Uni-Nähe zu finden.
Wir hatten in den 90er Jahren schulpraktische Übungen an der Uni (1 Semester lang, jeder aus dem Seminar durfte ca. 2x unterrichten. Das war viel i. G. zu anderen Unis. Aber wenn alle das machen sollten, sähe ich Probleme bei den Ressourcen.

Nils W. Bräm
1 Jahr zuvor

Es wird die Pest mit Schimmelpilz vermischt …

Grundsätzlich hat die Qualität der Lehrerbildung nichts mit vorhandener oder nicht vorhandener bundesweiter Einheitlichkeit der Ausbildung als solche zu tun.
Sonst müssten ja hochföderale Systeme wie etwa die Schweiz bisher im bildungsmässigen Niemandsland gesuhlt haben.

Praxisorientierung ist wichtig.
Dazu einen Vergleich (ich habe Schulmusik in der CH studiert, D-Lehrerausbildung in D „genossen“):
Meine 1. Schulmusik-Didaktik-Seminarstunde war Einführung und Planungsinfos, die 2. eine Hospitation in einem absolut realen Unterrichtssetting bei unserem Schulmusik-Didaktikausbilder, die 3. Stunde war Analyse, Kritik und Reflexion. Inklusive Infos über Abweichungen, die wir selber nicht erkannt hätten.
Arbeiten auf Augenhöhe, kurz und knapp!
Vertrauenskultur, Sparring-Partnerschaft, Trainings-Team!

In meiner Deutschlehrer-Ausbildung: Nicht eine einzige Stunde unserer Fachleiterin gesehen, diesbezügliche Anfragen von KommilitonInnen (ca. 1/2 waren Seiten-/Quereinsteiger) wurden „diskret abschlägig“ versickern gelassen.

Noch Fragen?

Zweites Beispiel:
An meiner letzten (ja, ich habe die NRW-Schule vor einigen Jahren verlassen, bereue es betr. Unterricht, aber sicher nicht, was dieses Kadettengehabe der Administration angeht!) Schule sollte die kollegiale Hospitation als Intervisions-Tool eingeführt werden.
Ein riesiges Diskussions-Theater.
Ich fand es gut, mit einer Religionskollegin entspannendes kollegiales Coaching, fast mehr gegenseitige Fragen als Tipps und Korrekturen.
Das ganze wurde aber abgewürgt, mit Argumenten wie: „es kann ja nicht sein, dass ein Referendar den Unterricht eines erfahrenen Kollegen hospitieren und gar beurteilen müsste“.

IRRTUM!

Genau an solchen Punkten hakt es!

Drittes Beispiel:
Ich habe mehrere Jahrgänge 10er-Klassen durch den Schulabschluss geführt. Durchgehend sehr erfolgreich. Immer aber mit meinen eigenen (ergänzenden) Inhalten und Materialien zum Standard.
In einem Jahrgang fanden das einige Mädchen um eine geviefte Schülerin herum nicht so toll …
Sie beschwerten sich bei der Schulleiterin.
Die bot mich zum „Feedback-Gespräch“ (sic!) auf – de facto aber ein disziplinarisch aufgezogenes Ding.
(Mir war in Kenntnis der Schülerin und des Grummelns im Unterricht die mutmassliche Motivation zur Beschwerde recht schnell mit grosser Sicherheit klar.)
Meine freundliche Bitte an die Schulleiterin, Feedback doch gerne auf Augenhöhe durchzuführen, führte zu meiner umgehenden Versetzung.

Quintessenz: meine Vermutung hatte gestimmt! Ein paar Jahre später traf ich besagte Schülerin wieder, sprach das Thema an … was dieser dann noch unglaublich peinlich war. Und ja: sie hatten ganz einfach keine Lust auf meine Hausaufgaben, bei denen sie nicht von Vor-Jahrgängen abschreiben konnten.

Dieses Vorkommnis hat meine Haltung und mein Verhalten gegenüber SchulleiterInnen und Administration grundlegend beeinflusst.
Die Halbgötter waren definitiv zu Mit-Lernenden umgeformt. Wäre kein Problem gewesen, denn durch Kollaborations-Bereitschaft hätten sie ihren Status bei mir locker behaupten können.
Leider Fehlanzeige!

Irgendwann reichte es.

Heute coache und berate ich u.a. auch Lehrer. Und ich muss leider sagen: Es tut sich in der Administration zu wenig!

Wissenschaft, Politik und Basis sind gar nicht so schlecht. Die Administration ist oft der massiv destruktive Störfaktor.

Bitte ändern. Die Schüler warten nicht, sie sind schneller durch die Schule, als wir zusehen können!