„Schule ist wahnsinnig undemokratisch“ – Bildungsjournalist Bent Freiwald im neuen KiKA-Podcast

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ERFURT. In einer Demokratie leben heißt auch: Kinder sollten mitwirken und gestalten können. So sieht es der Bildungsreporter Bent Freiwald. Doch wenn es um die Möglichkeiten für Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen geht, gibt es seiner Meinung nach noch viel Luft nach oben. Im Gespräch mit Podcast-Moderatorin Ann-Kathrin Canjé spricht er darüber, wie politische Teilhabe in der Zukunft der Generation Alpha aussehen kann und auf welche Weise sich Medien wie KiKA aktiv einbringen können. Die neueste Episode „Schule ist wahnsinnig undemokratisch“ von „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“ ist jetzt unter kommunikation.kika.de, in der ARD-Audiothek und auf den gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Auf kommunikation.kika.de finden Sie alle Podcast-Folgen der Reihe Generation Alpha. Bild: KiKA

Bent Freiwald ist als Sohn einer Schulleiterin und eines Schulleiters groß geworden. Auch Schwester, Tante und Onkel arbeiten als Lehrerkräfte. Seit 2018 arbeitet Freiwald als Bildungsjournalist für das Onlinemagazin „Krautreporter“, das sich vor allem Hintergrund-Recherchen widmet. In seinen Texten fokussiert sich Freiwald darauf, wie Demokratie gestärkt werden kann. Im Podcast betont er, dass die Schule einer der wichtigsten Orte für Demokratiebildung sei. Denn dort sollten Kinder und Jugendliche lernen, was es bedeutet, dass die eigene Stimme zählt. Doch seiner Meinung nach ist „Schule wahnsinnig undemokratisch. Dort herrschen klare Hierarchien. Der Lehrer entscheidet, was
passiert. Wann wurdest du überhaupt in der Schule mal gefragt, was du lernen willst, wann du das lernen willst und wie du das lernen willst?“ Dabei sollte es ein zentraler Auftrag von Schule sein, Beteiligung für Kinder und Jugendliche erfahrbar zu machen – und das nicht nur bei der Wahl von Klassensprecher*innen. „Demokratie ist für mich, wenn alle mitmachen können und wenn es einfach ist mitzumachen.“ Das sei im Moment noch nicht der Fall, so Freiwald. „Die Schülerinnen und Schüler erkämpfen sich ihre Stimme. Es zeigt schon, das ist eine sehr politische Generation, die wir haben“, sagt Freiwald mit Blick auf die Fridays-for-Future-Bewegung.

„Medien haben viel Einfluss auf das, was in einer Demokratie passiert“

Auch Medien sind, wenn es nach Bent Freiwald geht, gefordert, Kinder und Jugendliche viel stärker aktiv einzubinden. Den KiKA-Kinderredaktionsrat, den der Kinderkanal von ARD und ZDF anlässlich seines 25. Jubiläums gegründet hat, hält er vor diesem Hintergrund für eine gute Idee. Am Ende komme es jedoch darauf an, wie die Ideen der Kinder und Jugendlichen umgesetzt werden. Wenn man von Mitbestimmung spreche, sei wichtig, „dass die Entscheidungen, die die Kinder treffen, auch verbindlich sind, und dass es offene Prozesse sind. Kinder sollten nicht nur über ‚ja‘ und ‚nein‘ abstimmen dürfen, sondern auch eigene Vorschläge machen können.“

Aus seiner Sicht nehmen Erwachsene die Meinung von Kindern und Jugendlichen oft einfach nicht ernst genug. Es sei auch nicht in Ordnung, dass Kinder nur in Kinderangeboten und Kindernachrichten zu sehen sind, betont Freiwald. „Sie sind Teil unserer Gesellschaft und tauchen aber total selten auf, wenn wir uns Medien anschauen, die nicht für Kinder gemacht sind.“ Die Hauptaufgabe von Medien und der Gesellschaft sollte sein, dass wir Adultismus, also das ungleiche Machtverhältnis zwischen Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen, ablegen, fordert Freiwald.

„Ich würde sofort das Wahlalter senken“

Ein Instrument, das wirklich etwas verändern kann, wäre, das Wahlalter zu senken, so Freiwald. Politiker*innen wären dann gezwungen, Politik auch für junge Menschen zu machen und für Kinder könnte es bedeuten, dass ihre Stimme auf nationaler Ebene zählt und nicht nur in Jugendforen und anderen Beteiligungsformaten. „Die Generation Alpha ist ja quasi eine Minderheit. Es gibt jetzt schon viel mehr ältere Menschen in Deutschland. Und in einer Demokratie trifft die Mehrheit die Entscheidung – das soll auch so sein, aber dann sollte man ihnen doch zumindest die Möglichkeit geben zu wählen.“

KiKA-Podcast „Generation Alpha“

In „Generation Alpha – Der KiKA-Podcast“ geht es um Kinder, ihre Medien und die Zukunft. Wer nach 2010 geboren ist, gehört zur ersten Generation, die keine Welt ohne Streaming, Sprachassistent oder Tablet kennt. Spielen, Kommunizieren, Lernen – alles geht digital. Wie wächst diese Generation auf? Welche Weichen müssen wir als Gesellschaft für sie stellen? Die Moderator*innen treffen Menschen, die sich um ihre Zukunft kümmern. Was sind ihre Ideen, Wünsche und Visionen für die Kinder von heute und morgen? Inka Kiwit, Ann-Kathrin Canjé und Daniel Fiene melden sich alle 14 Tage mittwochs mit einer neuen Folge. Weitere aktuelle Informationen zum KiKA-Podcast „Generation Alpha“, zu den Programm-Highlights im Geburtstagsjahr und zu den KiKA-Plattformen finden Sie unter kommunikation.kika.de.

Die Episoden gibt es auch zum Nachlesen in transkribierter Fassung unter kommunikation.kika.de.

Bisher zu Gast waren u.a. Kathrin Demmler (Institut für Medienpädagogik), Maria Furtwängler (MaLisa Stiftung), Ferda Ataman (Antidiskriminierungsbeauftragte, Neue Deutsche Medienmacher:innen), Luisa Neubauer (Fridays for Future), Claude Schmit (ehemaliger Super RTLChef), Judyta Smykowski (Die Neue Norm), Thomas Lückerath (DWDL), Philip Schild (funk), Michael Mack (EuropaPark) u.v.m.

Der Kinderredaktionsrat von KiKA

Anlässlich des 25 KiKA Jubiläums hat KiKA den Kinderredaktionsrat gegründet. KiKA möchte Kindern die Möglichkeit geben, die Medienwelt aus einer neuen Perspektive zu betrachten, komplexe Programm- und Projektarbeiten zu erleben, an internen Prozessen teilzuhaben. Der Kinderredaktionsrat besteht aus fünf Kindern: Mavie und Quentin aus Nordrhein-Westfalen, Jasper, Rosalie und Amaya aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bayern wurden aus den 680 Bewerbungen ausgewählt. Aktuell treffen sie sich viermal im Monat mit verschiedenen Redaktionen, besprechen Themen und bereiten zum Beispiel eine Folge des Medien-Magazins „Team Timster“ (KiKA/rbb/NDR) vor. Beim Sommerferienprogramm haben die Kinder mit Kolleg*innen aus der
Programmplanung die Sendeplätze und die Serienauswahl selbst getroffen.

Dies ist eine Pressemeldung des KiKA Kinderkanals von ARD und ZDF.

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TaMu
1 Jahr zuvor

Wir vergrößern erstmal die Klassen, damit trotz Lehrkräftemangel alle Kinder und Jugendlichen unterrichtet werden können. Die Noten sind abgeschafft und LuL bewerten schriftlich und differenziert, sie kennen jede/n SuS genau und wissen auch über familiäre und persönliche Hintergründe Bescheid. Vor jedem neuen Thema werden alle SuS einzeln gefragt, ob sie sich damit überhaupt beschäftigen wollen, falls ja, wie sie es lernen wollen und falls nein, was sie gerne stattdessen tun möchten. Bei mir wäre dann in der schriftlichen Beurteilung im Fach Chemie im Zeugnis gestanden, dass ich sehr ehrlich sei, mich intensiv mit meinen eigenen Bedürfnissen auseinander setzen würde und dass ich die Chemiestunden lesend, allerdings Abenteuergeschichten und nicht Chemie, auf dem Pausenhof verbracht hätte. Das wäre insofern nachvollziehbar, da ich aus einer Leserattenfamilie stamme.
Ich freue mich natürlich für die Kinder. Schule kann so entspannt genossen werden.

Rabe aus NRW
1 Jahr zuvor

Demokratie in der Schule? Das Summerhill-Experiment ist, soweit ich weiß, gescheitert.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Zumindest aus Sicht der Schülerleistungen würde ich die demokratischen Schulen kritisch sehen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sudbury-Schulen#Kritik

In Deutschland gibt es ja die Ergänzungsschulen, die weitgehend tun und lassen können, was sie wollen, die staatlichen Schulen jedoch die Prüfungen abnehmen, was dann im Endeffekt doch auf Pauken hinausläuft, weil die prüfenden Lehrer eine gewisse Bildungsmentalität voraussetzen und die offiziellen Lehrpläne abprüfen müssen.

GS in SH
1 Jahr zuvor

Werden dann auch die Lehrpläne abgeschafft?

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor

Am besten wird Schule genauso demokratisch wie der Kika mit seinem Kinderredaktionsrat (fünf handverlesene Kinder als Feigenblatt s.o.)!
Moment, insgesamt sind es rein zahlenmäßig in der Schülervertretung an einem mittleren Gymnasium mehr von den Mitschülern gewählte Vertreter. Und es gibt sehr aktive SVs.
Zählt natürlich alles nicht, einfach mal Schule als undemokratisch brandmarken und natürlich nicht schauen, was unter den Gegebenheiten und mit dem aktuellen Mitteleinsatz möglich ist.

Michael Felten
1 Jahr zuvor

Vielleicht muss man ja als Spross einer Lehrer- und Schulleiterdynastie so wider das Eingemachte nöcken 😉

Aber mal im Ernst: „Demokratie ist für mich, wenn alle mitmachen können und wenn es einfach ist mitzumachen.“ Das ist doch noch nicht einmal in der Politik unter Erwachsenen so – hierzulande etwa gibt man doch alle paar Jahre seine Stimme ab … und hat dann erst mal keine mehr.

Klar „sollten Kinder und Jugendliche [in der Schule] lernen, was es bedeutet, dass die eigene Stimme zählt“ – aber doch nicht bei Dingen, die sie kaum beurteilen können, sondern eben beim fachlichen wie überfachlichen Lernen: beim Kommunizieren, Kooperieren, Kreativsein, Kritischdenken. DAZU ist die Schule da.

Jede unsachgemäße Vermischung von pädagogischer und politischer Dimensionen verwirrt nur – kann weg!