Home Politik Rückwärtsgewandt und undemokratisch? Kultusministerin verteidigt Islam-Unterricht

Rückwärtsgewandt und undemokratisch? Kultusministerin verteidigt Islam-Unterricht

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LUDWIGSBURG. Islamischer Religionsunterricht an deutschen Schulen ist ein heißes Eisen. Bei Kritikern schwingt der Verdacht mit, es werde dort ein rückwärtsgewandtes Islam-Verständnis vermittelt. Baden-Württembergs Kultusministerin Schopper versucht, die Zweifel an ihrem Modell zu entkräften.

Der Koran lässt sich unterschiedlich auslegen – welche Interpretation wird vermittelt? Foto: Shutterstock

Bünyamin Avci hat seinen Schülerinnen und Schülern Joker-Karten mitgebracht. «Das ist jetzt hier ein bisschen wie bei «Wer wird Millionär»», scherzt der 28-jähriger Lehrer. In seinem Unterricht in der 10. Klasse geht es darum, welche Folgen der Klimawandel auf die Glaubenspraxis der Muslime haben könnte. Die vier Mädchen und die drei Jungs arbeiten mit Hilfe des Jokers heraus, dass zum Beispiel die Pilgerfahrt nach Mekka künftig durch die Erderhitzung deutlich erschwert werden könnte.

Es ist eine besondere Schulstunde an diesem Montagmorgen im Raum 207 des Friedrich-Schiller-Gymasiums in Ludwigsburg. Denn es hat sich hoher Besuch angesagt: Kultusministerin Theresa Schopper will sich selbst ein Bild machen, wie der islamische Religionsunterricht so läuft. Denn an der Frage, von wem und wie dieser organisiert wird, ist mal wieder eine hitzige Diskussion entbrannt. Erneut steht der Verdacht im Raum, dass damit Organisationen des politischen Islam Zugriff auf Kinder und Jugendliche in staatlichen Schulen ermöglicht werde. Schoppers Mission ist an diesem Morgen offensichtlich, diesen Verdacht zu entkräften.

Rückblende: Nach langen Verhandlungen gründet das Land 2019 die «Stiftung Sunnitischer Schulrat». Sie ist seitdem im Südwesten für die Organisation des Islam-Unterrichts zuständig. Partner sind der Landesverband der islamischen Kulturzentren in Baden-Württemberg und die Islamische Glaubensgemeinschaft der Bosniaken. Grundsätzlich liegt der Anteil der Sunniten unter den Muslimen bei geschätzten 85 Prozent. Kritiker sagen jedoch, durch die beiden Verbände im Schulrat der Stiftung würden konkret nur sieben Prozent der Muslime repräsentiert. Die Stiftung hat weitgehende Befugnisse und entscheidet über Inhalte sowie darüber, wem die Lehrerlaubnis erteilt wird.

Schopper hält den Sonderweg mit der Stiftung und den beiden Verbänden weiter für richtig. «Die Alternative wäre, dass wir keinen islamischen Religionsunterricht hätten.» Denn: Der Staat könne ja laut Grundgesetz selbst keinen Religionsunterricht anbieten, das müsse man den anerkannten Religionsgemeinschaften überlassen. Bei der katholischen Kirche oder der jüdischen Gemeinde sei das einfach, einen zentralen Ansprechpartner zu finden. Beim Islam sei das ungleich komplizierter. Es gebe weiterhin keine anerkannte Religionsgemeinschaft, der man die Trägerschaft für den Islam-Unterricht übertragen könne.

«Der Sunnitische Schulrat hat gezeigt, dass er seine Macht missbraucht, um Theologen kalt zu stellen, die einen modernen, grundgesetzkonformen Islam vertreten»

Die Zusammenarbeit mit der Stiftung laufe gut. «Die Rückmeldungen von den Schulen sind sehr positiv.» Mittlerweile werde an 111 Schulen im Südwesten der Unterricht angeboten, etwa 6500 muslimische Kinder und Jugendliche nehmen ihn demnach wahr – und der Trend zeige klar nach oben. Sie weiß selbst, dass die Stiftung nur ein Hilfskonstrukt ist, aber sie hält diese derzeit für die stabilste.

Ob sich ihre Meinung in der Regierung durchsetzt, muss man sehen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann, im Nebenamt Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der Landesregierung, hatte die Stiftung vor einem Jahr als eine Übergangskonstruktion bezeichnet, als eine auch verfassungsrechtlich schwierige Gratwanderung.

Und dann gibt es da noch heftigen Gegenwind: Die Frankfurter Ethnologin und Leiterin des Forschungszentrums «Globaler Islam», Susanne Schröter, hält nichts von dem Stiftungsmodell. Hintergrund ist ein Streit darüber, ob zwei Professoren an den Pädagogischen Hochschulen in Freiburg und Weingarten die Lehrerlaubnis erhalten sollen oder nicht. Im Gespräch mit der «Stuttgarter Zeitung» hatte sie gesagt: «Der Sunnitische Schulrat hat gezeigt, dass er seine Macht missbraucht, um Theologen kalt zu stellen, die einen modernen, grundgesetzkonformen Islam vertreten. Er repräsentiert ein rückwärtsgewandtes, undemokratisches Islamverständnis, das an staatlichen Schulen nichts zu suchen hat.»

Schopper hält dagegen: «Ich kann die Kritik in keiner Weise nachvollziehen.» Aus den Schulen werde ihr berichtet, dass die Verbände nicht in den Unterricht hineinregierten. Sie gehe deshalb davon aus, dass man den 2024 auslaufenden Vertrag mit der Stiftung verlängern werde. «Momentan haben wir keine Bestrebungen, die Zahl der Verbände zu erweitern.»

Lehrer Avci stützt die Sicht der Ministerin. Er könne nicht erkennen, dass die Stiftung eine politische Agenda verfolge. Das würde auch seiner freiheitlich-liberalen Haltung widersprechen. Als Lehrer für Englisch und islamischen Religionsunterricht habe er einen Eid auf das Grundgesetz geschworen, sagt der junge Mann aus Ludwigsburg mit türkischen Wurzeln. «Wir haben aber auch Glück mit unserem Lehrer», sagt die 15-jährige Aleyna. Im Unterricht werde nicht alles nur aus islamischer Sicht, sondern auch aus ethischer Sicht betrachtet. Für sie sei der Kurs wichtig, um anderen die eigene Religion besser erklären und gegen Vorurteile vorgehen zu können. Von Henning Otte, dpa

Doch wieder Islam-Unterricht mit (Erdogans?) Ditib – trotz Bauchschmerzen

 

 

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Hirschlgruber
1 Jahr zuvor

An meiner GS in BaWü werden die Lehrkräfte für den türkischen Unterricht vom türkischen Konsulat gestellt. Es waren bisher immer Lehrkräfte, die direkt aus der Türkei kamen und teilweise kein Deutsch sprachen. Wie und ob dies mit Verbänden geregelt ist, kann ich nicht beurteilen.
Was die Kinder von diesem Unterricht erzählten, ließ mir teilweise die Haare zu Berge stehen. Beim einen Lehrer wurden beispielsweise kriegsverherrlichende Filme angeschaut (zur Erinnerung: an einer Grundschule!) und die Türkei als der zu bevorzugende Staat dargestellt, während eine andere Lehrerin wie Herr Avci unterrichtete.
Eine Kontrolle der Lehrkräfte habe ich in über einem Jahrzehnt dort nicht erlebt. Stattdessen wurden die Lehrkräfte als Wahlhelfer abgezogen, kamen teils verspätet (erst Wochen nach dem Schulbeginn), usw. was alles von den regulären, verbeamteten Kollegen aufgefangen werden musste.
Die weltoffene Lehrerin wurde innerhalb kürzester Zeit ersetzt, soweit ich mitbekam lag es daran, dass sich die türkischen Eltern an ihrem liberalen Weltbild störten.

Wenn Frau Schopper nun behauptet, alles sei in Ordnung, kann ich nur lachen! Nur stelle ich mir die Frage, ob ein solcher unkontrollierter Unterricht auch noch an offiziellen, deutschen Schulen abgehalten werden muss?

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hirschlgruber

Und auch das ist mit ein Grund, Religionsunterricht durch Ethik zu ersetzen und Religion zu dem zu machen, was es sein sollte, nämlich Privatsache. Aber dieses heiße Eisen darf man nicht anfassen, wie so vieles mittlerweile in unserem Land.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Christlicher Religionsunterricht darf man durchaus durch Ethik ersetzen. Das Eisen ist also nur selektiv heiß, aber wenn heiß, dann umso heißer.

HansWurst
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Und wieder nur Polemik von Georg. Der Religionsunterricht vor allem von Katholiken und Evagelen ist unantastbar.
Selbst während Corona musste der in gemischten Lerngruppen aus verschiedenen Klassen durchgeführt werden, während ansonsten die Kids auf dem Hof durch Absperrbander getrennt wurden.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  HansWurst

Sie bestätigen meinen Kommentar inhaltlich durch Polemik. Die Katholiken und Evangelen halten den Unterricht zwar hoch, nur interessiert den Unterricht kaum ein Schüler.

HansWurst
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Na da sind wir ja Mal wieder auf die Quelle ihrer Behauptungen gespannt Herr Georg. Wird sie diesmal kommen? Man darf es bezweifeln.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  HansWurst

Die Zahl der Kirchenaustritte und Gottesdienstbesucher reicht als Beleg. Jetzt sind Sie dran.

Walter
1 Jahr zuvor
Antwortet  HansWurst

Den Grundgedanken, dass es ab 2023/24 in Niedersachsen einen einheitlichen gemeinsamen christlichen Religionsunterricht an allen Schulen in Niedersachsen geben soll besteht bereits länger.

Möglicherweise zielt man aber hier auch unausgesprochen auf Nicht-christlicher Religionsunterricht“ (islamisch oder jüdisch vielleicht) ab.

Last edited 1 Jahr zuvor by Walter
Kalila
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hirschlgruber

Ihre Eindrücke kann ich nur bestätigen. Bei Modellprojekten in Niedersachsen – seinerzeit abgestimmt mit Ditib mit gestellten Lehrkräften, z.T. aus türkischen Provinzen oder dem Iran – haben wir dieselben Erfahrungen gemacht: Unser Wunsch, unsere Schüler aus den Hinterhof-Moscheen herauszubekommen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, wurde abgelöst vom Wunsch, dass die Schüler bitte keinen Islamunterricht in der Schule mehr bekommen… Bis hin zur Arbeit mit einem Lehrbuch, das dann recht schnell verboten wurde und das sich in der Behörde vorher offenbar in der euphorischen Stimmung, endlich Islamunterricht in die Schulen zu bringen, keiner angesehen hatte. Deutschkenntnisse hatte die eingestellte Lehrkraft leider ebenfalls kaum. Haarsträubend. Nach zwei Jahren haben wir es abgelehnt, den Unterricht in dieser Form weiter anzubieten.

TaMu
1 Jahr zuvor

Frau Schopper entkräftet durch eine einzige Besuchsstunde in einer einzigen Islamklasse bei einem super offenen, gut integrierten, deutschsprachigen jungen, Lehrer sämtliche Argumente, Befürchtungen, Sorgen und klare Fakten. Jetzt hat bestimmt jede/r begriffen, dass da nichts zu befürchten ist. So geht Politik, Leute! Das hat uns Frau Schopper in ihrer Tatkraft- dampfnudeligen Art mal wieder ganz deutlich vor Augen geführt.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Und er wusste ja auch, dass sie vorbeikommt… Klingt irgendwie sehr Alibi mäßig. Klimawandel mit einbeziehen und schon wirkt es west-konform.

Rabe aus NRW
1 Jahr zuvor

Die katholischen und evangelischen Lehrkräfte haben meist das Lehramt an staatlichen Universitäten und im ’normalen‘ Referendariat erworben, sie können Deutsch und haben den Eid auf unsere Verfassung geleistet.
An der Uni Münster und auch anderswo gibt es Fakultäten für muslimischen Religionsunterricht, wie also gelangen türkische und iranische, nicht der deutschen Sprache mächtige, nicht vom Staat geprüfte, (auch wenn sie eine Lehrerlaubnis ihrer Kirchen haben müssen, sind es staatlich geprüfte LuL!) Lehrkräfte an unsere Schulen? Das darf doch wirklich nicht sein!

GSinSH
1 Jahr zuvor
Antwortet  Rabe aus NRW

Für die GS gibt es einen Grund: Lehrermangel!
Das gilt, zumindest im Norden, genauso für den ev/kath Religionsunterricht, der auch fachfremd erteilt wird, weil sonst kein RU stattfinden könnte. Die Kirchen drücken beide Augen zu.
Aber immer mehr Eltern wollen auch keinen kath/ev RU für ihre Kinder! Dazu gehören oft auch die Eltern aus Freikirchen.
Etwa 65% der „biodeutschen“ Eltern melden inzwischen ihre Kinder zum Philosophie Unterricht an, Tendenz stark steigend! Dazu kommen die Kinder aus nicht christlichen Elternhäusern.
Die 19 kath Kinder werden in 2 Gruppen (Klasse 1/2 und 3/4) unterrichtet, was wieder Lehrerstunden bindet, auch Stundenplantechnisch, und bei den eh schon unterbesetzten Schulen kaum noch möglich ist. Die ersten GS bieten keinen konfessionsgebundenen RU mehr an, wenn die Kirchen kein Personal stellen können…

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Entspricht doch der Politik der KMK.

Religionsunterricht für muslimische Schüler. Prima die SuS sind verwahrt. Durch wen ist doch egal, genau wie alle Inhalte die die Schule noch irgendwie vermitteln kann.

Was der Herr oder die Frau Islam-Lehrer denen dann erzählt ist doch egal!

Die jungen Muslime sind verwahrt.

Ob Toleranz oder Dschihad spielt da keine Rolle. Die Eltern sind frei und können für die Wirtschaft und die Steuer arbeiten.

Passt doch!

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