Schüler kennen Corona-Aufholprogramm kaum – und kritisieren Schulportal des Landes

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Das hessische Förderprogramm «Löwenstark», das Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung der Corona-Folgen helfen soll, ist laut einer Umfrage unter den Adressaten wenig bekannt gewesen.  Bei einer Online-Befragung im zurückliegenden Schuljahr hätten knapp 62 Prozent der Schülerinnen und Schüler erklärt, nichts von dem Angebot gewusst zu haben, teilte die Landesschülervertretung am Donnerstag in Wiesbaden mit. Kritisiert wird auch das Schulportal des Landes als «nett gemeint».

Nett gemeint, aber… (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Von November 2021 bis Ende Februar 2022 hätten sich knapp 9.500 Jugendliche aus der Oberstufe und den Abschlussklassen ab der Stufe 9 an der Umfrage beteiligt. Die Studie wurde vom IMC Institut für Marketing und Controlling in Aachen durchgeführt. Es handelt sich den Angaben zufolge um eine repräsentative Umfrage.

Demnach erklärten gut 76 Prozent der Befragten, insgesamt keine Angebote in Anspruch genommen zu haben, um womöglich verpassten Stoff aufzuholen. 17,7 Prozent berichteten von privater Nachhilfe, rund 3,6 Prozent nutzten nach eigenen Angaben das «Löwenstark»-Programm. Dazu zählten Förderkurse, Hausaufgabenbetreuung und Online-Nachhilfe.

«Laut Kultusministerium soll das „Schulportal“ das Allheilmittel der Digitalisierungskrise an hessischen Schulen sein»

Rund zwei Drittel der Schülerschaft bemängelte laut Studie den Distanzunterricht in der Corona-Pandemie. Es habe unter anderem grundlegend eine strukturierte Organisation gefehlt, Lehrkräfte hätten unterschiedliche Plattformen, Wege und Methoden genutzt, um mit den Schülern und Schülerinnen zu kommunizieren. «Inmitten dieses puren Chaos war es unmöglich, den Überblick zu behalten», kritisierte die Landesschülervertretung.

In einer Pressemitteilung erklärt sie: «Die Plattformen, welche das Land Hessen zur Verfügung stellte, waren mit den Anforderungen des alltäglichen Schullebens vollkommen überfordert. Laut Kultusministerium soll das „Schulportal“ das Allheilmittel der Digitalisierungskrise an hessischen Schulen sein, dieses ist als Lernplattform hessenweit einheitlich und datenschutzkonform, jedoch zum aktuellen Zeitpunkt eher ein nett gemeinter Anfang als eine fertiggestellte Lösung. Um den Flickenteppich der verbreiteten Lernplattformen zu ersetzen, fehlt es dem Schulportal an Funktionen und den Schulen an Anreizen, sich von ihren etablierten Systemen zu trennen.»

«Die Fortbildung von Lehrkräften, insbesondere im Kontext der Digitalisierung, darf nicht ausschließlich das Resultat von Eigeninitiative der jeweiligen Lehrkraft sein»

Viele Schülerinnen und Schüler wünschen sich durch die Erfahrungen mit dem Distanzunterricht einen Wandel des Schulsystems. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass der aktuelle Unterricht nicht lebenspraktisch genug sei. Vor allem im gymnasialen Bereich liegt die Quote mit 90 Prozent besonders hoch. Neben den Lehrinhalten wird auch die Leistungsbewertung kritisiert. Für 70 Prozent der Teilnehmenden stellt die aktuelle Benotung ein großes Problem dar, denn das numerische Notensystem sei subjektiv, intransparent und ungenau. Zudem gebe es keine Auskunft über reale, individuelle Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schülern.

Die Landesschülervertretung kritisiert zudem die Medienkompetenz eines Großteils der hessischen Lehrkräfte als «nicht vorhanden». Dies liege in der Verantwortung des Landes. «Die Fortbildung von Lehrkräften, insbesondere im Kontext der Digitalisierung, darf nicht ausschließlich das Resultat von Eigeninitiative der jeweiligen Lehrkraft sein, sondern muss verpflichtend und flächendeckend durch das Land organisiert und getragen werden“, so heißt es. News4teachers / mit Material der dpa

Hier lassen sich die vollständigen Ergebnisse der Umfrage herunterladen.

Schulministerium entwickelt seit 2011 an einer Lernplattform herum – und vernachlässigt dabei die (gesetzlich vorgeschriebene) Barrierefreiheit  

 

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2 Kommentare
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Ron
1 Jahr zuvor

«Die Fortbildung von Lehrkräften, insbesondere im Kontext der Digitalisierung, darf nicht ausschließlich das Resultat von Eigeninitiative der jeweiligen Lehrkraft sein»

Richtig. Es braucht neue Fortbildungen, vorbereitende Sitzungen, gemeinsame Initiativen und mindestens eine Steuergruppe.

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor

Löwenstark war und ist aus meiner Sicht vor allem ein Mittel, Schulleitungen durch überbordende Bürokratie zu knechten. Wenn die Schulleitungen sich dann den Antragswust angetan haben, wurde neben Förderunterricht und Nachhilfe auch vieles andere bewilligt. Mich wundert es da nicht, dass Schülerinnen und Schüler da keinen Zusammenhang mit dem Progammnamen herstellen können, da er für sie schlicht nicht auftaucht(e).