Der Ganztag verbessert soziale Fähigkeiten von Grundschülern, deren Noten aber nicht

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BERLIN. Kinder, die im Grundschulalter eine Ganztagsschule besuchen, haben bessere soziale Fähigkeiten und sind mental gesünder als andere Kinder – zumindest, wenn der Besuch freiwillig ist. Mit Blick auf die Schulnoten hingegen sind bisher überwiegend keine statistisch signifikanten Effekte eines Ganztagsschulbesuchs feststellbar. Lediglich Kinder mit alleinerziehenden Elternteilen profitieren auch in Form einer besseren Deutschnote vom Besuch einer Ganztagsschule. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie von Laura Schmitz aus der Abteilung Bildung und Familie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Der Ganztag ist personalintensiv, wenn er mehr als bloße Betreuung sein soll. Foto: Shutterstock

Demnach nutzen insbesondere Kinder von Alleinerziehenden, Kinder mit Migrationshintergrund und sozioökonomisch benachteiligte Kinder, die beispielsweise in einem Haushalt mit geringem Einkommen aufwachsen oder Eltern mit niedrigem Bildungsstand haben, besonders häufig Ganztagsangebote. Und: Sie profitieren tendenziell auch eher von diesen Angeboten. „Ganztagsschulen helfen dabei, Ungleichheiten im Bildungssystem abzubauen“, so Schmitz. „Das zeigt, dass der Ausbau hin zu einem flächendeckenden Ganztagsangebot für Grundschüler*innen seit dem Jahr 2003 offenbar der richtige Weg ist.“

„Für die Entwicklung sozialer Kompetenzen mag der bloße Kontakt mit Gleichaltrigen und Betreuungspersonal in der Nachmittagsbetreuung ausreichend sein – für die Entwicklung schulischer Kompetenzen ist er es jedoch nicht“

Für die Studie hat Schmitz Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 2002 bis 2018 ausgewertet. Insgesamt nahm sie mehr als 4 000 Schüler*innen aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern unter die Lupe. Damit sind die Ergebnisse repräsentativ für große Teile Westdeutschlands. Ostdeutschland wurde in der Analyse ausgespart, da der Anteil von Kindern in Ganztagsschulen dort bereits vor Beginn des Untersuchungszeitraums sehr hoch war. Die Ergebnisse sind insbesondere vor dem Hintergrund des im vergangenen Jahr beschlossenen Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter relevant. Dieser soll ab dem Jahr 2026 gelten. Im Schuljahr 2020/2021 boten in Westdeutschland knapp drei Viertel aller Grundschulen Ganztagsangebote an.

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Ganztagsangeboten ist der Studie zufolge, ob Kinder freiwillig oder unfreiwillig Ganztagsangebote wahrnehmen. Möchten sie die Nachmittage eigentlich nicht in der Schule verbringen, profitieren sie in der Regel auch nicht davon. Im Jahr 2020 waren 74 Prozent aller Ganztagsschulen in Westdeutschland offen organisiert, die Teilnahme also freiwillig. Gebundene und teilgebundene Ganztagsschulen, an denen das Nachmittagsprogramm zumindest teilweise verpflichtend ist, sind klar in der Minderheit. Angesichts der Studienergebnisse sollte dies auch so bleiben, so Schmitz.

Vor dem Hintergrund der bisher ausbleibenden Effekte auf die Schulleistungen müsste Schmitz zufolge die pädagogische Qualität der Hausaufgabenbetreuung an Ganztagsschulen noch deutlich verbessert werden. „Für die Entwicklung sozialer Kompetenzen mag der bloße Kontakt mit Gleichaltrigen und Betreuungspersonal in der Nachmittagsbetreuung ausreichend sein – für die Entwicklung schulischer Kompetenzen ist er es jedoch nicht“, sagt Schmitz. Deshalb brauche es bessere und einheitlichere Qualitätsstandards.

„Angesicht des ohnehin schon bestehenden Mangels an pädagogischem Personal ist das natürlich eine große Herausforderung und nicht von heute auf morgen umsetzbar, aber langfristig steht und fällt der Erfolg von Ganztagsschulen vor allem auch damit“, so Schmitz. Wichtig sei zudem, dass Ganztagsangebote für alle Kinder interessant seien, also auch für solche aus besser gestellten Familien. „Wenn am Ende in der Ganztagsbetreuung Kinder aus benachteiligten Familien unter sich blieben, wäre das keine gute Entwicklung“, sagt Schmitz. News4teachers

Hier geht es zu der Studie.

Leisten Ganztagsschulen mehr als Betreuung? Studie zeigt: mit gezielter Förderung schon

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Realist
1 Jahr zuvor

„Deshalb brauche es bessere und einheitlichere Qualitätsstandards.“

Nee, wenn man die schulischen Leistungen durch den Ganztag verbessern will, braucht es vor allem mehr Lehrkräfte. Und die gibt es nicht. Da kann man sich mit „Qualitätsstandards“ die Wände pflastern oder noch viele Dissertationen drüber schreiben, lösen kann das Problem nur mehr lehrendes Personal…

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Das ist nicht ganz logisch. Soweit ich weiß, soll es an Ganztagsschulen nicht MEHR Pflichtunterricht geben als an den anderen. Sie müssten sich also auf Zusatzangebote beziehen, auch Hausaufgabenbetreuung usw.
Aber richtig ist, dass einheitlichere Standards nichts bringen, wenn sie am Ende doch nicht eingehalten werden, so wie die KMK-Regelstandards für die Schüler. Standards sind was für das Papier, auf dem sie stehen. 🙂

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Dass mit der gegenwärtigen Form der Ganztagsschule bringt ja gerade deshalb nichts zur Verbesserung der schulischen Leistungen, da die Angebote mit Personal ausgestattet sind, das zum Mindestlohn mehr oder weniger motiviert die Schüler in Dingen betreuen soll, von denen das Personal selber wenig Ahnung hat. Warum soll ein Schüler also seine Zeit in der Hausaufgabe“betreuung“ verschwenden, wenn die aufsichtsführende Person ihm sowieso nicht helfen kann? Das erkennen unsere Schüler sehr schnell und wählen deshalb lieber „Spiel, Sport und Entspannung“ als Ganztagsangebot.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Brauchen sie auch.

Zu Hause gehen sie anderen, sitzintensiven Hobbys nach.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Einheitlichete Standards bei der allseits gelobten Differenzierung 😉

Danke – der war gut!

Georg
1 Jahr zuvor

Ganztag verbietet in erster Linie Hausaufgaben, die Ganztagsangebote im Bereich Nachhilfe gibt es zwar, werden aber kaum genutzt, weil es niederschwelligere Alternativen gibt. Warum durch länger Schule kognitive Leistungen verbessert werden können sollen, weiß ich auch nicht.

Wie erklären sich die Autoren eigentlich die Bestnoteninflation beim Abitur und die immer besseren Durchschnittsnoten bei selbigem?

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Die Frage nach Hausaufgaben habe ich auch immer als eins der Kernprobleme von Ganztagsschule gesehen. Hausaufgaben sind individualisierte Binnendifferenzierung und tragen maßgeblich dazu bei, Erlerntes zu festigen. Das Wegfallen dieser wichtigen Lernform in der Ganztagsschule führt zu massiven Lerndefiziten. Wann soll Schüler das Buch für den Unterricht lesen, wann die Erörterung schreiben oder die Vokabeln lernen?

Ron
1 Jahr zuvor

Kinder, die neben der Schule einen Sportverein besuchen, haben bessere soziale Fähigkeiten und sind mental gesünder als andere Kinder – zumindest, wenn der Besuch freiwillig und aufgrund der Schulzeiten überhaupt möglich ist. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Langzeit-Studie von einem Kollegen, der bereits in beiden Systemen gearbeitet hat. Wie Laura Schmidt richtig anmerkt, ist gegen freiwillige Ganztagsangebote dagegen nichts einzuwenden. Auch sie können manchmal an die Qualität von Sportvereinen heranreichen.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Im Link steht:
„Hinsichtlich ihrer Extraversion (!) profitieren zusätzlich auch Kinder aus Akademiker*innenhaushalten stärker als der Durchschnitt.“
Und „Extraversion“ wird dann erklärt als „kontaktfreudige und gesprächige Kinder“, sozusagen „Kinder in der an heutige schulpolitische Ziele optimal angepassten Version“, etwa so wie Kevin Kühnert als Kind (und späterer erfolgreicher Studienabbrecher). Und dann heißt es noch, vorwiegend diejenigen Kinder profitieren vom Ganztag, die freiwillig (sic!) dort sind. Im Umkehrschluss heißt das dann vermutlich, dass die Kinder aus Akademiker*innenhaushalten sich tendenziell unwohl fühlen werden, wenn sie keine Extraversion sind und nicht freiwillig dort sind. Und dann werden sie vielleicht auch weniger lernen. Das sind so die kleinen Nachteile dessen, was uns immer als vorteilhaft und quasi alternativlos angepriesen wird. Die Schulpolitik richtet sich nach der Extraversion aus.

Bemerkenswert ist aber, dass auch diese Studie keine generellen Verbesserungen der schulischen Leistung feststellt. Nichts neues, das stand schon vor Jahren als Überschrift im Spiegel: „Ganztagsschüler sind netter, aber nicht besser.“

vhh
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Bin ja selten einer Meinung mit Carsten, aber hier sieht das sehr ähnlich aus, auch wenn ich mal versuche, ohne die Schulpolitik auszukommen.
Bei „höherer Score=besseres Ergebnis“ wollte ich eigentlich nicht mehr weiterlesen (Link). 30-50% Introvertierte weltweit, da bringt dieses „besser“ eine Wertung hinein, die in keine Studie gehört. Alle Big Five Faktoren stehen für Skalen mit Extrema, die weder positive noch negative Wertungen bedeuten. Von diesen 30-50% wird kaum jemand freiwillig am Ganztag teilnehmen (ja, Grundschulkinder können nicht völlig frei entscheiden, aber wer erträgt dauerhaft ein unglückliches Kind), wenig verwunderlich, dass der Score „Extraversion“ bei den Unfreiwilligen in den Keller fällt. Auch nicht ganz unerwartet, dass Verträglichkeit und emotionale Stabilität von eher introvertierten Menschen in einer unfreiwilligen, für ihre Bedürfnisse zu großen Gruppe nicht besonders hoch sind. Dass introvertierte Kinder eventuell gewissenhafter sein könnten, ist nach meiner Erfahrung nicht unüblich, auch wenn die Big Five voneinander unabhängig sein sollen.
Das DIW sollte doch etwas sorgfältiger auch Faktoren einbeziehen, die sich nicht direkt auf politische Vorgaben zurückführen lassen. Dann würden allerdings die politischen Adressaten so ein komplexes Produkt nicht mehr zur Kenntnis nehmen, „wenn A … dann B“ ist einfacher zu kommunizieren.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor

Wie kam man hier zu den Ergebnissen? Im Ganztag sind vor allem benachteiligte Kinder und die sind sozialer als die Anderen (also sozialer als die bevorteilten Kinder)? Oder wurden diese benachteiligten Kinder mit benachteiligten Kindern ohne Ganztag verglichen? Oder ging man davon aus, dass benachteiligte Kinder so sind wie bei RTL 2 und hat sich dann gewundert? Oder wurde jedes Kind zuvor geclont um das Ergebnis Ganztag und Nicht-Ganztag zu vergleichen? Wie auch immer, im freien Ganztag ist man vielleicht auch nur einmal pro Woche, zB wegen der Theater-AG, also um einem angebotenem Hobby nachzugehen und nicht, weil man verwahrt werden muss.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Lesen Sie einfach den Bericht im Link statt hier frei zu spekulieren. In einem anderen Bericht (StEG) habe ich gelesen, dass eine schulische Verbesserung auch bei den „benachteiligten“ Kindern nicht festgestellt wurde. Man verkündete stattdessen, die Qualität der Angebote seien entscheidend, dann würde das was bringen. Aber „Qualität der Nachmittagsangebote“ wurde so definiert, dass die Beliebtheit bei den Kindern entscheidend ist, erfragt durch Fragebögen. Also bekommt wohl Fußball immer eine gute Qualität bescheinigt, Mathe aber nicht. Ich stelle dazu fest: Die Risikoschüler bleiben Risikoschüler, aber im Ganztag werden sie wohl sportlicher.

Martina
1 Jahr zuvor

„…zumindest, wenn der Besuch freiwillig ist“, halte ich für den entscheidenden Zusatz. Ich glaube nämlich nicht, dass der Ganztag grundsätzlich die sozialen Fähigkeiten verbessert.
Dagegen glaube ich durchaus, dass er die Leistungen der SuS im Vergleich zu Halbtagsschülern keineswegs steigert.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Martina

Ich fürchte, dass nicht alles auf Freiwilligkeit basieren kann.

Arbeitende Eltern – wohin mit den Kids? Weniger arbeiten, damit sie nicht zwangsweise am Ganztag teilnehmen müssen? Kann mir inzwischen keine(r) mehr erzählen, dass das passiert.

Larisa Keks
1 Jahr zuvor

Vielleicht sollten wir uns auch langsam vom absolut leistungsorientierten Schulsystem verabschieden.
Mir persönlich ist ein Arzt mit Abi Note 3 und Leidenschaft für den Beruf wesentlich lieber als man Einserkandidat, der nicht mit Herz dabei ist.
Unser komplettes Schulsystem gehört umgekrempelt. GTA ist eine gute Sache. Aber Personal braucht’s auch dafür.

Lera
1 Jahr zuvor
Antwortet  Larisa Keks

Vielen Dank für Ihren humoristischen Beitrag. „Absolut leistungsorientiert“ – ich habe sehr gelacht.

Garantiert ein 3er-Abi eigentlich die Leidenschaft für den Beruf, oder wie läuft das?

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lera

Das Abi besteht ja nicht nur aus für den Beruf relevanten Fächern.

Wieso soll jemand mit einem 3er-Abi nicht für den Beruf „Arzt“ brennen und eine Leidenschaft entwickeln?

Manche brauchen einfach länger – es gibt bereits auch im Schülerleben genügend Hindernisse.

Machmal kommt einfach das „Leben“ dazwischen….

Streamer01
1 Jahr zuvor
Antwortet  Larisa Keks

Na klar.. Verabschieden von der Leistungsorientierung.. Hat Deutschland doch schon in allen Bereichen gemacht, überall und deshalb geht es ja auch überall, wirklich überall, bergab.

Deutschland braucht nicht weniger Leistungsorientierung, sondern viel mehr, um den freien Fall zu stoppen.

BlackLotus
1 Jahr zuvor
Antwortet  Larisa Keks

Das Schulsystem hat sich schon vor Jahren/Jahrzehnten von der Leistungsorientierung verabschiedet.

Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Erklärungsansatz.

Ganztag muss für die Eltern sein, damit diese Arbeiten können. Ganztag ist also von Wirtschaft und Politik gewollt.

Bildungsmäßig bringt Ganztag nichts. Das lässt sich an den Noten nachweisen. Sch….

Also bringt es die sozialen Fähigkeiten ganz weit voran. Diese kann man wenigstens nur abschätzen aber nicht objektiv überprüfen. Prima! Passt!

Wurde auch untersucht, wie sich Ganztags-Beschulung auf die Eltern-Kind Bindung und die Sozialisierung im Elternhaus auswirkt?

Uwe
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Kurze Zusammenfassung: Mir passt das Ergebniss einer wissenschaftlichen Studie nicht, also bastel ich mir erstmal eine Verschwörungstheorie um zu erklären WARUM man so eine Studie macht (als wenn das was am Inhalt ändert) und anschließend verwende ich das rhetorische Mittel des Torpfosten verschiebens um vom Inhalt abzulenken. So vermeide ich es elegant auf den Inhalt der Studie einzugehen.

Schattenläufer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Uwe

Dann harre ich mal gespannt Ihrer Analyse der Studie.

Anhand welcher Kriterien wurde die soziale Kompetenz denn gemessen? Wie war die Vergleichsgruppe gestaltet?

Ich persönlich bin hier übrigens nicht betroffen. In meiner Schulreform sind die SuS so alt, dass eine Ganztagsschule obsolet ist.

Schattenläufer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Uwe

Die These, dass es wirtschaftlich und somit auch politisch gewollt ist die Kinder ganztägig zu betreuen, um die Eltern / Arbeitnehmer zeitlich flexibler zu machen, als Verschwörungstheorie ein zu stufen ist schon ziemlich gewagt.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Uwe

Welchen Hintergrund dieser Studie kennen oder vermuten Sie?

Wir haben doch inzwischen alle begriffen, dass es n i c h t um die Schülys geht.

Worum geht es also sonst?

Entlastung von Lehrkräften?
Werbung für die Ganztagsschule?
Förderung von Kindern?
Lernen durch Bewegung?
Weg von den Suchtmedien?

Habe ich schon erwähnt, dass ich Verschwörungstheorien liebe? 😉
Sie fördern die Kreativität und blicken ohne Scheuklappen über den Tellerrand auf das Geschehen.

Hiermit sage ich nicht, dass ich die Madentheorie glaube, aber solche Theorien können den Blickwinkel und den Horizont erweitern – man muss nur selber etwas nachforschen… 😉

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Und beide Eltern müssen arbeiten, weil die Wirtschaft niedrige Löhne durchdrücken wollte.

BeWa
1 Jahr zuvor

Ich hätte mir nie eine Gesellschaft gewünscht, in welcher Kinder immer jünger und immer länger institutionalisiert werden.

Trotzdem möchte ich die Kinder unserer Elternschaft jetzt gerne so früh wie möglich in der Einrichtung haben. Denn bekommen wir sie erst mit 3 Jahren, haben sie sich schon in schlaffe Mehlsäcke ohne jede Problemlösungskompetenz verwandelt.

Unsere Elternschaft = überwiegend „biodeutsch“, sicher bis sehr gut situiert, ländlich lebend, 1,5fach Verdiener.

Und der Hälfte rate ich zur Ganztagsschule; wohlhabenderen Familien habe ich schon zum Internat geraten.

Grund:
Die zunehmende Unfähigkeit vieler Eltern, sich zielgerichtet mit ihren Kindern zu beschäftigen.
Sie fragen uns, was man mit den Kindern eigentlich machen könnte und begegnen allen Vorschlägen mit „Langweilig!“
Daher Urlaub im Feriendomizil mit Kidsclub.
Oder Hansapark-Abo.
Daher werden die Kinder nach 45min Ruhe im Anschluss an die Kita zur nächsten professionellen Bespaßung gekarrt. Da sitzen dann meist die Mütter wartend vor der Tür und spielen auf dem Handy irgendwas mit bunten Bonbons. Das finden sie nicht langweilig – Waldspaziergänge, Tischspiele, Lesen mit ihren Kindern usw. aber schon.

Beschäftigt die GTS diese Kinder gezielt und „basiskompetenzenfördernd“ (eben auch bez. des sozialen Lernens) und fördert darüber hinaus erfolgreich Sach-/Sprachkompetenz benachteiligter Kinder, sehe ich sie positiv.
Zumal wir hier in der Gegend großartige GTS mit sehr engagierten LuL und anderen pädagogischen FK haben.

Kinder haben eben nicht mehr die „Kindheit des Herumstreifens, der zweckfreien Verfügungszeit, der Herstellung von Sinn aus Langeweile“.
Und sie haben oft keine Eltern mehr mit einem Konzept des täglichen und geduldigen Übens.

Dann müssen wir das in den Kitas übernehmen.

Sind die Kinder dann in der Schule, scheinen mir nachmittägliche gemeinsame Bewegungsspiele gefolgt von SchachAG und RobotikAG sinnvoller als allein zu Hause zu sitzen und irgendeinen Mist auf dem Tablet zu spielen oder irgendwohin gekarrt zu werden.

Als geringeres Übel sind GTS ganz schön klasse.

Aber natürlich ist die personelle Ausstattung ein Problem.

Last edited 1 Jahr zuvor by BeWa
potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  BeWa

„Kindheit des Herumstreifens“ – wo ist sie geblieben?

BeWa
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Entschwunden.
Sehr zum Nachteil der Kinder … und auch der Gesellschaft, glaube ich.
Denn das, was sich Kinder im gemeinsamen unbeaufsichtigten Herumstreifen aneignen könnten, sind Kompetenzen, die verloren gehen.
Und angesichts des überschaubaren dörflichen Umfelds, in welchem die Kinder unserer Kita leben, wäre das eigentlich noch möglich. Wäre!
Aber unvorstellbar für die Eltern – sogar noch bei Zehnjährigen.
Unsere Dorfkinder verbringen nachmittags nicht weniger Zeit am Tablet als ihre städtischen Gegenstücke. Sie werden nur mehr durch die Gegend kutschiert.

In den Institutionen selbst wird es übrigens auch immer „raumschiffartiger“ – wahrscheinlich nächstens mit Holodeck.

Während wir zu zweit (ohne störende Eltern) ganz bieder abends mit unseren Kindern Laterne gehen und absichtlich in Feldwege einbiegen, damit es auch richtig dunkel ist, basteln die Kolleginnen in der 3km entfernten städtischen Kita ebenfalls Laternen, verdunkeln mittags den Mehrzweckraum und gehen dort singend im Kreis. Die verlassen noch nicht einmal mehr das Gebäude, geschweige denn das Gelände.
Begründung: mit ihrer Klientel können sie das nicht machen.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Ich vermisse auch die Langeweile.

Sie ließ uns kreativ werden…..

Indra Rupp
1 Jahr zuvor

Da wäre auch noch die Idee, dass kontaktfreudige, gesprächige Kinder gerne freiwillig die Ganztagsangebote nutzen, sprich zweimal pro Woche länger in der Schule bleiben, für Fußball und Töpfern? Die waren vermutlich schon vorher so und nutzen das genau deshalb? Sind eigentlich hochsensible Kinder, denen die Unruhe in der Schule zuviel ist und die Zuhause ihr „Nest“ brauchen, weniger sozial und empathisch? Oder sind sie ZU EMPATHISCH und ertragen die vielen gegenseitigen Verletzungen, Grobheiten und Sticheleien, die Anderen garnicht auffallen, nicht?

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

Freiwillige Angebote haben den Nachteil, dass hier der Adressat der Veranstaltungen mit den Füßen abstimmen kann. Ganz blöd für die Initiatoren, wenn die AGs weitestgehend ungenutzt bleiben. Da baut man dann lieber einen verpflichtenden Zaun um das Ganze und schließt erst um 16 Uhr die Türen wieder auf.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

„Demnach nutzen insbesondere Kinder von Alleinerziehenden, Kinder mit Migrationshintergrund und sozioökonomisch benachteiligte Kinder, die beispielsweise in einem Haushalt mit geringem Einkommen aufwachsen oder Eltern mit niedrigem Bildungsstand haben, besonders häufig Ganztagsangebote.“

Tut mir leid, bei dieser Formulierung kriege ich die Krise.

Das sieht so aus, als würden sich diese Kids aktiv und bewusst entscheiden!

„Meine Eltern haben einen niedrigen Bildungsstand. Ich meld mich mal für den Ganztags an.“

Es ist doch eher eine Notwendigkeit der Elternschaft, die es – zum Glück! – diesen Kindern erlaubt, nachmittags betreut zu werden.

Wobei – wir wurden nicht betreut und haben uns intrinsisch motiviert mit Freundys getroffen und ganz nebenbei Sozialverhalten gelernt oder lernen müssen.

Dass sich der Ganztag positiv auf die Deutschnote auswirkt, ist nicht verwunderlich. Da wird gesprochen und zugehört – nicht bei Fortnite konsumiert.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Übrigens – in der Regel verbessert der Umgang mit Menschen das Sozialverhalten.

Deswegen a u c h im Ganztag.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Ich glaube nicht, dass 8-13 oder 8-16 Uhr Unterrichtszeit einen so großen Unterschied machen. Der Sportverein am Nachmittag nach der Halbtagsschule würde mehr bringen, weil erstens ernsthafter Sport und zweitens ganz andere Leute von anderen Schulen.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Sag ich doch – a u c h im Ganztag.

Der Umgang mit Menschen ist entscheidend – Sportvereine sind prima, Musikschulen klasse, Freunde zum Herumstreifen auch.

Lera
1 Jahr zuvor

Soziale Kompetenz wirkt sich demnach ABSOLUT GAR NICHT auf fachliche Kompetenzen aus – interessanter Befund.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lera

Ich behaupte mal, dass fachliche Kompetenzen stärker mit dem späteren Jahreseinkommen korrelieren als soziale Kompetenzen, ein gewisses Grundmaß an Sozialverhalten vorausgesetzt.

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor

Das Gleiche würde ich inzwischen vom sogenannten „Spaßunterricht“ heutigentags sagen: Der moderne Spaßunterricht erhöht den Spaßfaktor im Unterricht, verbessert aber die Leistungen nicht.