Weniger Geld für Gedenkstätten-Fahrten und Demokratie-Projekte an Schulen – ausgerechnet

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ERFURT. Kürzungen bei Demokratie-Projekten insbesondere an Schulen galten für Thüringens rot-rot-grüner Minderheitskoalition in den Haushaltsverhandlungen bislang als rote Line. Nun sollen aber dabei 400.000 Euro eingespart werden – auf Drängen der CDU. Buchenwald-Gedenkstättenchef Jens-Christian Wagner hält das für den falschen Weg.

Zynischer Spruch am Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald. Foto: Shutterstock / Vladimir Wrangel

Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, hat die Thüringer CDU-Fraktion für durchgesetzte Kürzungen im Haushalt beim Demokratie-Landesprogramm kritisiert. «Das ist ein schmerzhafter Einschnitt», sagte Wagner am Sonntag. Zuvor hatte er auf Twitter geschrieben, es sei bitter, dass die CDU-Fraktion für den Thüringer Landeshaushalt 2023 eine Kürzung im Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit um 400.000 Euro durchgesetzt habe und fügte hinzu: «im Bundesland der rechtsextremen #Höcke-#AfD und der #Reichsbürger-Putschisten».

Demokratiekosmos Schule

Hier gibt es Materialien und Informationen zum Thema Demokratie: Das Projekt „Demokratiekosmos Schule“ (DEKOS) soll Lehrkräfte insbesondere im wirksamen Umgang mit antidemokratischen Situationen unterstützen – und zeigt dabei auch auf, wie den Phänomenen Antisemitimus und Rechtsextemismus in der pädagogischen Praxis begegnet werden kann.

Mit unterschiedlichen Formaten erhalten Lehrkräfte anwendungsorientiertes Know-how. DEKOS zeigt Wege auf, wie sie sich diesen Herausforderungen stellen und angemessen handeln können.

DEKOS, ein gemeinsames Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung mit der Bertelsmann Stiftung, wendet sich an Schulleitungen, Lehrer/innen und Schulsozialarbeiter/innen. Adressiert werden die siebte bis zur 13. Jahrgangsstufe. Da Diskriminierungen in allen Schulsituationen auftreten, betrifft das Thema alle Unterrichtsfächer. DEKOS ist auch geeignet, in Aus- und Fortbildungsbereichen eingesetzt zu werden.

Hier geht es zu den kostenlosen Materialien.

Die langwierigen und komplizierten Verhandlungen zum Haushalt für das kommende Jahr hatten Linke, SPD, Grünen und die CDU vergangene Woche mit einem Kompromiss beendet. Er sieht unter anderem vor, dass die Mittel für das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit um rund 400.000 Euro gekürzt werden. Stattdessen soll das Geld der Erwachsenenbildung an Volkshochschulen zugutekommen.

Ein Sprecher der Thüringer CDU-Fraktion erklärte, viele der bereitgestellten Mittel seien nicht abgeflossen. Daher habe es bereits im Haushaltsentwurf der Landesregierung Kürzungen durch das Bildungsministerium gegeben.

«Mit Blick auf die nicht abgeflossenen Mittel haben sich Rot-Rot-Grün und CDU auf eine weitere Kürzung von 400.000 Euro und somit auf einen realistischeren Haushaltsansatz für das Jahr 2023 geeinigt», sagte der Sprecher. Damit sei gesichert, dass 2023 die gleiche Fördersumme beantragt werden könne wie im Vorjahr. «Die Gedenkstättenarbeit und die Förderung von Ausstellungsprojekten ist eine wichtige Aufgabe in der Jugendbildung und bleibt auch weiter in vollem Umfang möglich», erklärte der Sprecher der CDU-Fraktion. Kein Ausstellungsprojekt der Gedenkstättenarbeit werde durch die Anpassungen «an den tatsächlichen Bedarf» gefährdet.

Wagner sagte, man müsse befürchten, dass die Kommunen dann ihrerseits Mittel für die Volkshochschulen kürzten. Außerdem könnten freie Träger dort keine Förderanträge stellen. Das Landesprogramm leiste dringend nötige historisch-politische Bildung. «Ausgerechnet dort zu kürzen, ist das falscheste Zeichen, das man geben kann in der Bekämpfung des Rechtsextremismus.»

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In den vergangenen Jahren seien etliche Ausstellungsprojekte von Gedenkstätten und anderen Initiativen über das Programm gefördert worden. Als Beispiel nannte er eine Ausstellung im vergangenen Sommer zum Thema Radsport im Nationalsozialismus. Auch Projekte an Schulen, darunter Gedenkstätten-Fahrten oder Aktionstage «gegen Gewaltverhalten, Fremdenfeindlichkeit und extremistische Gruppenbildung» werden aus dem Topf finanziert.

«Für die CDU war eine Kürzung des Landesprogramms am Ende Bedingung für den Haushalt»

In den Verhandlungen zum Haushalt 2023 galten Kürzungen bei Demokratie-Projekten und dem Landesprogramm für Rot-Rot-Grün lange als eine rote Linie. Nach dem Zugeständnis an die CDU bezeichnete die Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich die vereinbarte Kürzung ebenfalls als bitter und sagte, sie halte es für einen politischen Fehler. Linke-Fraktionschef Steffen Dittes hatte der CDU vorgeworfen, nur ein Symbol setzen zu wollen. «Für die CDU war eine Kürzung des Landesprogramms am Ende Bedingung für den Haushalt», erklärte Dittes am Sonntag.

Wagner sagte nun: «Selbst wenn es nur ein symbolischer Einschnitt wäre, dann ist das Problem das Symbol.» Ausgerechnet bei Demokratieprojekten zu kürzen, bediene Narrative der AfD und säe Misstrauen. Der Haushalt für 2023 soll am Donnerstag im Landtag verabschiedet werden. Linke, SPD und Grüne brauchen dafür vier Stimmen aus der Opposition, die nach dem ausverhandelten Kompromiss von der CDU kommen könnten. Die Thüringer CDU hatte unlängst bereits mit einem Antrag zum Gendern für Wirbel gesorgt, den sie gemeinsam mit der AfD durchsetzen konnte: Landesbehörden – auch Schulen – sollen danach Konstruktionen mit Binnen-I („SchülerInnen“), Unterstrichen („Schüler_innen“) oder Sternchen („Schüler*innen“) nicht mehr nutzen dürfen (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa

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Anvi
1 Jahr zuvor

Zu meiner Schulzeit wurde sich intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Als mein Kind Ende der 10. Klasse der Realschule Schwierigkeiten mit dem Textverständnis einer Deutschaufgabe hatte, brauchte ich erst eine Weile, um zu erkennen, dass der Begriff Wiedervereinigung für ihn keine Bedeutung hatte. Da der Geschichtsunterricht chronologisch aufgebaut ist, hat es in Kombination mit Lehrermangel und Unterrichtsausfall bei meinem Kind leider nur bis zur Weimarer Republik gereicht. Wieder etwas, was ich als Elternteil nachholen musste und was definitiv nicht alle Eltern können und wollen.
Für derart wichtige Themen muss Zeit und Geld vorhanden sein!

Carabas
1 Jahr zuvor
Antwortet  Anvi

Japp. Die Lehrpläne sind in Geschichte und Politik teilweise völlig unpassend. Wir entlassen Generationen ohne Wissen um die Wiedervereinigung, die Gründung der Europäischen Union, aktuelle Konflikte.