Holocaust-Gedenktag – GEW und VBE warnen: Lehrermangel bedroht Präventionsarbeit in Schulen gegen Antisemitismus

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BERLIN. Anlässlich des „Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ am 27. Januar erinnern die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) an die Opfer der menschenverachtenden Verbrechen des Nationalsozialismus – und sprechen sich dafür aus, Präventionsarbeit gegen Antisemitismus in den Schulen und der gesamten Gesellschaft stärker in den Fokus zu nehmen.

Am 27. Januar 2023 jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 78. Mal. Foto: Shutterstock

„Mit besorgtem Blick auf das Erstarken rechter und rechtsextremer Strömungen und Parteien und die Zunahme antisemitischer Verschwörungsnarrative, beispielsweise im Zuge der Anti-Corona-Proteste, fordern die beiden größten Bildungsgewerkschaften Deutschlands die Politik dazu auf, verstärkt in die Präventionsarbeit gegen Antisemitismus zu investieren“, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von GEW und VBE. Insbesondere die schwindende Zahl verbliebener Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, deren Berichte eine lebendige Mahnung waren und sind, erforderten neue Wege des Erinnerns.

Demokratiekosmos Schule

Hier gibt es Materialien und Informationen zum Thema Antisemitismus: Das Projekt „Demokratiekosmos Schule“ (DEKOS) soll Lehrkräfte im wirksamen Umgang mit antidemokratischen Situationen unterstützen – es zeigt dabei auch auf, wie dem Phänomen Antisemitimus in der pädagogischen Praxis begegnet werden kann.

Mit unterschiedlichen Formaten erhalten Lehrkräfte anwendungsorientiertes Know-how. DEKOS zeigt Wege auf, wie sie sich diesen Herausforderungen stellen und angemessen handeln können.

DEKOS, ein gemeinsames Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung mit der Bertelsmann Stiftung, wendet sich an Schulleitungen, Lehrer/innen und Schulsozialarbeiter/innen. Adressiert werden die siebte bis zur 13. Jahrgangsstufe. Da Diskriminierungen in allen Schulsituationen auftreten, betrifft das Thema alle Unterrichtsfächer. DEKOS ist auch geeignet, in Aus- und Fortbildungsbereichen eingesetzt zu werden.

Hier geht es zu den kostenlosen Materialien.

Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des VBE, mahnt: „Wir leben in einer Zeit, die von sich überlagernden Krisen geprägt ist und das gesellschaftliche Miteinander auf eine harte Probe stellt. Wirft man den Blick in die Vergangenheit, wird klar, dass insbesondere Epochen wie diese ein Nährboden für Verschwörungstheorien und menschenfeindliche Narrative darstellen. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass rechte Gruppierungen Unsicherheiten und Angst in unserer Gesellschaft schüren und antisemitische Ressentiments verbreiten. Jede Demokratin und jeder Demokrat steht in der Verantwortung, die Erinnerung an die unaussprechlichen Verbrechen des Nationalsozialismus zu bewahren und sich jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegenzustellen. Nur so können wir unserer historischen Verantwortung nachkommen und sicherstellen, dass Geschichte sich nicht wiederholt.“

GEW und VBE warnen, dass die zunehmende Bildungskrise, insbesondere der dramatische Mangel an Lehrkräften und die damit verbundene Überlastung der Lehrkräfte, die Konzeption und angemessene Durchführung wichtiger Aufklärungs- und Präventionsangebote gegen Antisemitismus in Schulen erheblich erschwert.

„Wenn bereits die Bereitstellung des regulären Unterrichts kaum gelingt, drohen wichtige und für unser demokratisches Miteinander zentrale Projekte unter die Räder zu kommen“

Hierzu erklärt Maike Finnern, Vorsitzende der GEW: „Lehrerinnen und Lehrer sind seit langem am Limit. Zu Beginn des Schuljahres konnten tausende offene Stellen nicht besetzt werden. Die Folge ist ein Teufelskreis aus Überlastung, Erkrankung und vermehrtem Druck auf das übrige Kollegium. Wenn bereits die Bereitstellung des regulären Unterrichts kaum gelingt, drohen wichtige und für unser demokratisches Miteinander zentrale Projekte unter die Räder zu kommen.“

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Zeitgemäße Präventionsarbeit müsse Geschehenes erlebbar machen, sie brauche Zeit und Gestaltungsfreiräume, so Finnern. „Beides sucht man im Schulalltag unter den aktuellen Bedingungen vergeblich. Wenn der Blick über den Tellerrand nicht mehr möglich ist, wird der Lehrkräftemangel zur Gefahr für Freiheit, Toleranz und letztlich die Demokratie in Gänze. Die politisch Verantwortlichen müssen endlich Rahmenbedingungen schaffen, unter denen es Schulleitungen und Lehrkräften möglich ist, professionell zu arbeiten. Nur so kann Bildung allgemein, aber auch Präventionsarbeit gelingen.“

Vertreterinnen und Vertreter beider Gewerkschaften werden an der zentralen Gedenkveranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 2023 teilnehmen. News4teachers

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Carsten60
1 Jahr zuvor

Der Lehrermangel bedroht praktisch alles und jedes in der Bildung, das muss man nicht für jede Einzelheit publicity-wirksam feststellen. Kenntnisse über Politik und Geschichte sollten auch nicht gegen andere Ziele ausgespielt werden. Letztlich kann ALLES eine Wichtigkeit beanspruchen, oder man müsste eine Liste weniger wichtiger Themen erstellen.

Heute war ich mal wieder in einem Bus, der gegen 12 Uhr mit Sek-I-Schülern aus einer nahegelegenen Ganztags-Gesamtschule vollgestopft war. Da muss einfach enorm viel ausfallen (von fachfremdem Unterricht ganz zu schweigen), und die Kids werden nach Hause geschickt. Aber große Sprüche liest man auf der Homepage des zuständigen Ministeriums, beste Bildung für alle usw.