KMK-Gutachten zum Lehrermangel: Erste Bildungsministerin schließt Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung aus

13

SCHWERIN. Mehr als die Hälfte der Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern geht bis 2030 in Rente. Doch schon jetzt fehlt es an Nachwuchs-Pädagogen. Guter Rat ist teuer. Und wenn er kommt, trifft er – zumindest in wesentlichen Punkten – auf Widerstand. Die Bildungsministerin hat ihre Grenzen markiert.

Klare Ansage: Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg, selbst ehemalige Schulleiterin. Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Die Debatte um die richtige Strategie zur Behebung des Lehrermangels geht in Mecklenburg-Vorpommern in die nächste Runde. Anlass sind die jüngsten Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz. Das Expertengremium hatte am Freitag die Situation als dramatisch eingeschätzt und unter anderem vorgeschlagen, das Unterrichtspensum für Pädagogen zu erhöhen und die Möglichkeiten für Teilzeitbeschäftigung spürbar einzuschränken, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen.

«Eins steht fest: Es wird keine Anhebung der Unterrichtsverpflichtung, keine Beschränkung bei der Teilzeitregelung und keine größeren Klassen geben»

Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) kündigte eine Prüfung der Vorschläge an, die durchaus Perspektiven zur Verbesserung der personellen Situation an Schulen eröffneten. Doch machte sie zugleich deutlich, wo sie die Grenzen sieht. «Eins steht fest: Es wird keine Anhebung der Unterrichtsverpflichtung, keine Beschränkung bei der Teilzeitregelung und keine größeren Klassen geben», betonte sie. Eine Verschlechterung der Unterrichts- und Arbeitsbedingungen führe auf Dauer zu noch größerem Lehrermangel und damit zu einer Vergrößerung der Lerndefizite bei Schülerinnen und Schülern.

Am Dienstag will sich der Landesverband der Erziehungsgewerkschaft GEW in Schwerin zur Personalsituation an den Schulen des Landes und zu den Vorschlägen der Expertenkommission äußern. Zuvor schon machte der GEW-Landesvorsitzende Nico Leschinski aber deutlich, dass er fest auf die Zusage der Bildungsministerin baue, weder die Teilzeit noch die Vergünstigungen für ältere Pädagogen anzutasten. «Darüber hinaus bleibt eine Absenkung der Pflichtstunden für uns als Gewerkschaft ein erklärtes Ziel, über das wir auch im Bildungspakt weiterverhandeln», betonte Leschinski.

Die Aussichten dafür stehen angesichts des hohen und wegen der bereits einsetzenden Pensionierungswelle wachsenden Personalbedarfs eher schlecht. Erst am Mittwoch hatten die Regierungsfraktionen von SPD und Linke im Landtag einen CDU-Antrag zur schrittweisen Senkung der vergleichsweise hohen Zahl von Pflichtstunden um bis zu zwei Schulstunden pro Woche abgelehnt. «980 Vollzeitkräfte wären zusätzlich nötig, um diesen Vorschlag umzusetzen. Und die gibt es einfach nicht», hatte Oldenburg erklärt. Mit bis zu 27,5 Stunden pro Woche gehört Mecklenburg-Vorpommern zu den Bundesländern mit der höchsten Unterrichtsverpflichtung für Lehrkräfte.

«Die Überbelastung der Lehrkräfte in Mecklenburg-Vorpommern hätte damit nach fast 20 Jahren ein Ende gefunden»

Der CDU-Landtagsabgeordnete Torsten Renz kritisierte die Ablehnung seines Vorschlags. «Die Überbelastung der Lehrkräfte in Mecklenburg-Vorpommern hätte damit nach fast 20 Jahren ein Ende gefunden. Mit direkten Auswirkungen auf die Attraktivität des Lehrerberufs und die Unterrichtsqualität in MV», so der Oppositionspolitiker. Er forderte Oldenburg auf, ihren Erkenntnissen auch Taten folgen zu lassen.

Die Ministerin hatte in der Landtagsdebatte auf eine Reihe von bereits vollzogenen Änderungen verwiesen, mit denen das Land die Attraktivität des Lehrerberufs erhöht habe. Dazu gehörten die Verbeamtung junger Pädagogen, zusätzliche Anrechnungsstunden für ältere Lehrer, bessere Bezahlung für Grundschullehrer oder vereinfachte Einstellungsverfahren. Nach Angaben Oldenburgs scheiden bis 2030 etwa 7000 der aktuell gut 12.000 Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schuldienst des Landes aus. Diese zu ersetzen sei aufgrund der demografischen Entwicklung und des bundesweiten Lehrermangels eine große Herausforderung. News4teachers / mit Material der dpa

KMK-Kommission sagt 20 Jahre Lehrermangel voraus – sie empfiehlt: Mehrarbeit für Lehrkräfte, Hybridunterricht, größere Klassen

 

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

13 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Andre Hog
1 Jahr zuvor

Ich bin gespannt, wann das erste Mitglied der KMK umfällt und die Empfehlungen der SWK umsetzt – mit Hinweis auf die drohende Bildungskatastrophe … und wie lange es dann dauern wird, bis die anderen – dem Dominoprinzip folgend – ebenfalls auf den angedrohten Kurs umschwenken.

ES KÖNNEN NOCH PROGNOSEN ABGEGEBEN WERDEN.

omg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Ich tippe auf Lorz

Der Zauberlehrling
1 Jahr zuvor
Antwortet  omg

Schopper first!

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Apocalypse Now … demnächst auch bei Ihnen, ganz großes Kino!

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

„etwa 7000 der aktuell gut 12.000 Lehrerinnen und Lehrer“
Ha! Da haben sie sich also verkrochen die bundesweit gesuchten 12.000! Da drängt sich doch eine naheliegende Lösung auf …

Fräullein Schmitt
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Bin selbst studierte Lehrerin, habe ursprünglich Deutsch und Ethik studiert Lage, allerdings auf reformpädagigischer Grundlage mit Sport und Englisch abgeschlossen. Seit nunmehr 5 Jahren tingel3 ich von Zeitvertreib zu Zeitvertreib, Fächer und schlformübrrgreifend. Ständige Befristung etc. Viele Leitungen und auch fie add, als auch Eltern suchen und wollen fie eierlegende wollmilchsau.

Derdiedas
1 Jahr zuvor

Ich verstehe es wirklich nicht. Eine Unterrichtsreduzierung macht so viel aus und jeder der in Schule tätig ist weiß das. Wenn man Lehrkräfte braucht ist das die beste Stellschraube. 455 Lehrkräfte pro 1 Deputatsstunde weniger erscheint lachhaft gering. Die Bundespolizei hat es in wenigen Jahren geschafft zusätzlich tausende neue Menschen einzustellen, indem man den Job versucht hat attraktiver zu machen. Was würde wohl passieren, wenn man das Deputat auf 20 Stunden senken würde, Korrekturfächer stärker aus Vertretung raushält, Verwaltungsassistenten einstellt, A13 für alle umgehend einführt? Zack: schon ist der Beruf in diesem Bundesland wieder attraktiv. Das führt dann zu einem Dominoeffekt. Geld ist nicht das Problem. Haben wir schließlich für Bundeswehr, Panzerlieferungen, tausende Miniaterialsstellen, …

Christabel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Derdiedas

Es ist einfach nicht mehr möglich, mit zwei Korrekturfächern Vollzeit zu machen, ich habe lange durchgehalten inklusive Sonderaufgaben plus Klassenleitung. Man wird nur mit blöden Sprüchen abgespeist, Fächerwahl und so, oder nur Anspruch auf 30 Tage Urlaub, als ob es darum ginge! Es ist sehr einfach, KuK mit Korrekturfächern, die ja meistens auch Prüfungsfächer sind, zu entlasten, aber dann muss man sich unbequemen Diskussionen stellen, das wollen die meisten SL nicht.
Ich habe reduziert, um gesund zu bleiben, muss dafür auf Geld verzichten, das ich gerne hätte, aber nicht mehr erzielen kann.
Sollte ich wieder Vollzeit arbeiten müssen, wars das mit Schule für mich!

So!?
1 Jahr zuvor
Antwortet  Derdiedas

Man könnte die Unterrichtsverpflichtung reduzieren, indem alle Fächer auf den Prüfstand kommen und bspw. in den Grundschulen der konfessionsgebundene Religionsunterricht abschafft wird: 2 Stunden pro Woche mit 2-3 (fehlenden) Religionslehrer*innen und paralellaufendem DaZ Unterricht und einer zusätzlichen 1LuL !? Eine Sozialstunde oder Ethikunterricht reicht völlig. Diese könnte für den Klassenrat und andere Formen des sozialen Lernens besser genutzt werden, zumal immer mehr SuS nicht mehr am Religionsunterricht teilnehmen (wollen) und/ oder konfessionslos sind.

Last edited 1 Jahr zuvor by So!?
Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  So!?

Aber der Klassenrat muss sein? Warum eigentlich könnte man den in Notzeiten nicht hintanstellen? Steht der eigentlich in der Stundentafel drin? Und was soll Religion/Ethik damit genau zu tun haben?

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Ja, die Klassenleitungsstunde steht im Stundenplan und wird auch auf das Wochenstundendeputat mit dem Faktor 1 angerechnet. Weitergehende Entlastungen für Klassenleitungen gibt es nicht. Die KL-Stunde ist notwendig, da die Klassenlehrkräfte als Fachlehrkräfte die SuS ihrer Klasse aufgrund des Fachlehrerprinzips und der Fachleistungs- und Neigungsdifferenzierung eher selten als Ganzes zu Gesicht bekommen.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  dickebank

Also „Klassenrat“ und „Klassenleitungs-stunde“ sind synonyme Begriffe?
Vor einiger Zeit gab es einen Gesetzentwurf in Berlin, der verbindlich eine Wochenstunde Klassenrat vorsah. Nach heftigem Protest wurde der Punkt fallengelassen.