Bürokratiemonster? Digitalpakt Schule ist noch lange nicht ausgeschöpft – verfallen Zuschüsse?

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HANNOVER. Wlan, Laptops, Smartboards: Bereits vor mehreren Jahren wurde ein Förderprogramm zum technischen Ausbau der Schulen auf den Weg gebracht. Schulen in Niedersachsen können noch eine Menge Geld beantragen – aber nur noch bis zum nächsten Jahr.

Das Programm läuft nächstes Jahr aus – nicht beantragtes Fördergeld ist dann futsch. Illustration: Shutterstock

Schulen in Niedersachsen können noch fast die Hälfte des verfügbaren Geldes aus einem Digitalisierungsprogramm beantragen. Aus dem Digitalpakt Schule wurden bis Ende Februar 292 der 522 Millionen Euro beantragt, wie das Kultusministerium in Hannover auf Anfrage mitteilte. 276 Millionen Euro wurden demnach bewilligt. Rund ein Jahr zuvor lag das Antragsvolumen bei 183 Millionen Euro.

Das Förderprogramm zum technischen Ausbau der Schulen war bereits 2019 aufgelegt worden und läuft bis 2024. Der Bund hatte zunächst fünf Milliarden Euro bereitgestellt etwa für digitale Lernplattformen, den Aufbau von schuleigenem Wlan oder für die Anschaffung von interaktiven Tafeln. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde das Programm dreimal um jeweils 500 Millionen Euro aufgestockt. Dabei ging es etwa um Laptops für bedürftige Schülerinnen und Schüler.

Zwei kleinere Soforthilfe-Programme von jeweils 52 Millionen Euro, die während der Pandemie hinzukamen, sind laut Ministerium dagegen bereits nahezu vollständig in Anspruch genommen worden. Diese zielten auf die schnelle Ausstattung von Schülern und Lehrern mit Laptops und Tablets als Leihgeräte.

«Es ist nicht ungewöhnlich, dass auch bis zur letzten Antragsfrist gewartet wird, bis beantragt wird»

Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) sagte: «In Niedersachsen hat es lange gedauert, bis nennenswert Mittel abfließen konnten, vielleicht auch weil die erforderlichen Bedarfsermittlungen und Vorbereitungen gemeinsam mit den Schulen arbeitsintensiv sind.» Inzwischen habe dort eine gewisse Dynamik eingesetzt.

Weiter sagte die Ministerin: «Es ist nicht ungewöhnlich, dass auch bis zur letzten Antragsfrist gewartet wird, bis beantragt wird. Digitalisierung gehört in die Schule und zu Schule. Dafür ist die reale Ausstattung derzeit an einigen Stellen noch ernüchternd.»

Das Ministerium diskutiere derzeit mit den Kommunen, wie Fördergelder noch schneller fließen könnten, betonte Hamburg. Man müsse ebenfalls überlegen, wie der Digitalpakt 2 aus Schwierigkeiten des noch laufenden Modells lernen könne.

Die Ampel-Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, nach dem Ende des laufenden Programms 2024 die Einrichtungen mit einem «Digitalpakt 2.0» bei der Ausstattung mit Technik und Infrastruktur weiter zu unterstützen. Wie dies konkret aussehen könnte, ist bislang nicht bekannt.

Stefan Störmer, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagte, es brauche an vielen Stellen noch schlankere Verfahren, um das Geld bekommen zu können. Es fehle oft die Zeit für die Antragsstellung. Störmer betonte angesichts des Lehrkräftemangels: «Letztlich kann selbst eine vollständig erfolgte Digitalisierung die Schulbeschäftigten keinesfalls ersetzen. Auch technisch umfangreich unterstützter Unterricht kann auf Lehrpersonen in Fleisch und Blut nicht verzichten.» News4teachers / mit Material der dpa

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6 Kommentare
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Andre Hog
1 Jahr zuvor

Hmmm, könnte zwei Ursachen haben:
Zum einen die Antragssituation, in der bereits fertig ausgearbeitete und am besten bereits in der Praxis erprobte Konzepte vorgelegt werden müssen, damit man die Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, die man braucht, um ein theoretisch erdachtes Digitalisierungskonzept in der Praxis erproben und ausbauen zu können.
Erinnert ein wenig an den Hauptmann von Köpenick, der – um Arbeit zu bekommen -gültige Ausweispapiere brauchte, die er aber erst bekam, wenn er eine feste Arbeitsstelle vorweisen konnte.

Zum zweiten könnte es natürlich auch daran liegen, dass sich mittlerweile herumgesprochen haben dürfte, dass der, der sich zuerst bewegt, verliert….man nennt das auch Beamtenmikado…und das kultiviert sich sicherlich in zunehmendem Maße auch an Schulen….wenn ich mich bewege, um zu arbeiten bekomme ich von allen Seiten die Schuld und entsprechend Prügel (egal, für was … jeder Tag bringt neue Culperationen) … die ich natürlich auch bekomme, wenn ich genau das nicht mache und mich ruhig, unter dem Radar bewege.

Frage: wenn das Ergebnis exakt das Gleiche ist…warum dann bewegen?
Da sammele ich lieber meine Kraft, um die zwangsläufig erfolgenden Schläge einzustecken – bevor auf mich eingeprügelt wird, während ich entkräftet und ohne jegliche Widerstandskraft diese Schläge hinnehmen muss

Ron
1 Jahr zuvor

Teilhabe am Digitalpakt bedarf einer Beantragung, die einer Diplomarbeit ähnelt. Statt sich für eine bestimmte Strategie zu entscheiden und dann seinen Bedarf anzumelden, braucht es ganze Konzeptausarbeitungen. Dabei gilt: eigene Idee entwickeln, nicht von Nachbarschule abschreiben, genauestens Bedarf bis zum letzten 3er-Stecker angeben, genaueste Vorstellungen von der Realisierung entwerfen und dann alles zusammen mit einem passenden Pädagogikkonzept einreichen. Kaum zu schaffen so nebenbei für Lehrer und SL.

Anvi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Das Problem sehe ich auch. Gerade Schulen, die bisher wenig technikaffin sind, haben keine Chance. Hier fände ich es sinnvoll, wenn erfolgreiche Konzepte gesammelt und ähnlichen Schulen vorgestellt würden, damit diese von positiven und negativen Erfahrungen profitieren können. Es muß ja nicht jeder das Rad neu erfinden.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Und das ist Absicht – damit die Gelder eben nicht genutzt werden, man aber frech behaupten kann: „Wir haben doch so viel gemacht, nur die faulen Lehrers****,die haben halt nicht mal den Antrag ausgefüllt!“

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Kein Problem. Die ersten nicht bis kaum benutzten Tablets werden bereits in Kürze den Markt überfluten.

Mondmatt
1 Jahr zuvor

Ich habe an unserer Schule zu einem kleinen Teil am Antrag zu Mitteln aus dem Digitalpakt mit gewirkt.
Für jedes Gerät das man beantragt musste anhand des Lehrplans erläutert werden, wie man dies bei der Umsetzung welcher Inhalte denn einsetzen könnte.

Wir sind ein Berufsbildungszentrum.
Für Lehrer aus anderen Schulformen, wir haben mehrere Schulformen in einem Haus.

Eine Schulform zur Erlangung des HA
Eine Schulform zur Erlangung des MBA
Eine Schulform zu Erlangung der Fachhochschulreife
Alles in beruflicher Form

Zusätzlich haben wir dann natürlich noch die Berufsausbildung. Sieben übergeordnete Bereichen die zusammen etwa 35 Berufe ausbilden.

Der Bedarf für die geplanten Anschaffungen musste natürlich nicht nur für einen Bereich sondern für die drei allgemeinbildenden Schulformen und jeden der sieben Bereiche wie oben beschrieben dargelegt werden.

Der Antrag umfasste dann mehrere Ordner Papier und kostete die Schulleitung, den EDV Beauftragten sowie die Experten der Schulformen und Fachbereiche mehrere Jahre ihres Lebens. Zumindest gefühlt.

Wie sagte ein Kabarettist im Fernsehen letztens sinngemäß

– Wir beginnen jetzt mit der Digitalisierung an deutschen Schulen. Die Schulleitungen füllen die Antrage zum Digitalpakt aus. Dänemark ist mit der Digitalisierung schon durch. Wenn sie also 15 oder 16 sind und die Digitalisierung an Schulen noch erleben möchten, dann ziehen sie am Besten nach Dänemark. Machen sie dort in Ruhe Abi und Studieren sie dort. Wenn sie irgendwann so um die 30 sind und an ihrer alten deutschen Schule ist ein Klassentreffen, dann werden sie feststellen, dass der Schulleiter dann noch immer dabei ist den Antrag zur Digitalisierung aus zu füllen.-

Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.