Kitas und Schulen bekommen keinen Status „kritische Infrastruktur“ (was Folgen hat)

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DÜSSELDORF. NRW erlebt den ersten Monat ohne Corona-Schutzverordnung. Der Landtag versucht, Lehren aus der Pandemie zu ziehen: Wie kann künftig eine Schutzmauer um Kitas und Schulen gezogen werden? Klar wird dabei: So viel Fürsorge wie Parlamente oder Verwaltungen bekommen die Bildungseinrichtungen nicht – sie gelten als nicht so wichtig.

Der Landtag NRW – hier die Wandelhalle – wurde in der Hochphase der Pandemie gut mit mobilen Luftfiltern gesichert, weil er als „kritische Infrastruktur“ gilt. Foto: Alexandra Goertz / Shutterstock

Die SPD-Opposition ist mit einem Antrag gescheitert, Kitas und Schulen als Lehre aus der Pandemie zur sogenannten kritischen Infrastruktur erklären zu lassen. Bei Enthaltung der FDP stimmten alle anderen Fraktionen am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag dagegen, sich beim Bund dafür stark zu machen. Krisenfestigkeit der Schulen sei eine Daueraufgabe – allerdings unabhängig von formalen Einordnungen, sagte Schulministerin Dorothee Feller (CDU). Ähnlich argumentierten Abgeordnete der anderen Fraktionen. Einigkeit herrschte darüber, Kitas und Schulen auch in Krisenzeiten so lange wie möglich offen zu halten. Das sei «oberste Maxime», sagte Feller.

Kritische Infrastrukturen sind Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. Dazu gehören die Energie- und Wasserversorgung, der Verkehr, aber auch die medizinische Versorgung – sowie Regierungen, Parlamente und Verwaltungen. In der Pandemie war damit zum Beispiel gerechtfertigt worden, dass der Düsseldorfer Landtag – anders als die Schulen im Land – mit Luftfiltern ausgestattet wurde.

«Wenn es keine Vorgabe gibt, wird es in der Krise immer andere Dinge geben, die wichtiger sind»

Wie diese Einrichtungen müssten auch Kitas und Schulen besonderen staatlichen Schutz genießen, argumentierte der SPD-Bildungspolitiker Jochen Ott. Ansonsten werde es in der nächsten Krise wieder zu Schließungen kommen. «Wenn es keine Vorgabe gibt, wird es in der Krise immer andere Dinge geben, die wichtiger sind.»

Die Grünen-Abgeordnete Julia Höller hielt dagegen: «Sie versuchen mit Ihrem Antrag, Schulen und Bildungseinrichtungen ein neues Etikett zu geben. Das Etikett ist aber das Falsche und hilft nicht.» Im schlimmsten Fall könne eine solche Einstufung jede Menge zusätzliche Verwaltungsarbeit nach sich ziehen. «Wir müssen Kinder und Familien im Krisenmanagement ganz anders berücksichtigen als wir es in der Pandemie getan haben», sagte die Grüne. «Das haben wir gelernt und das werden wir in der Krise anders machen.»

Die SPD forderte außerdem, Krisenpläne für Kitas und Schulen zu erstellen, Rückstände bei der Digitalisierung aufzuholen und die Einrichtungen üppiger mit Luftfiltern, Waschbecken, Masken und Tests auszustatten. Die AfD sieht darin einen Rückgriff auf alte «Angstszenarien». Fraktionschef Martin Vincentz forderte, die Fehler aus der Pandemie ehrlich aufzuarbeiten.

Die FDP, die in der vergangenen Wahlperiode die Schulministerin gestellt hatte, resümierte: «Wir dürfen auf geöffnete Schulen nicht verzichten.» Dieser Fehler dürfe nicht wiederholt werden, warnte die Abgeordnete Franziska Müller-Rech.

Aus Sicht von Schulministerin Feller hat das Land seine Hausaufgaben bereits gemacht. Schon seit Juli 2022 gebe es ein Handlungskonzept, dass stetig aktualisiert worden sei, sagte Feller. Für mobile Luftfilter stünden Millionen zur Verfügung. Was sie dabei verschwieg: Weil das Land nur Luftfilter für Klassenräume fördern wollte, die nicht über Fenster belüftet werden können (was es in der Praxis gar nicht geben darf), floß aus dem bereitgestellten Topf praktisch kein Geld. Darüber hinaus werde in die Digitalisierung investiert, so Feller. Und es gebe es weit über 2000 Fachkräfte in der Schulsozialarbeit (die es allerdings auch schon vor Corona gab).

Der CDU-Abgeordnete Tom Brüntrup bezeichnete den SPD-Vorstoß als Symbolpolitik. «Ein gut ausgestattetes System hilft mehr als Begrifflichkeiten», begründete er die Ablehnung des Antrags. Das Problem ist allerdings: Das System ist nicht gut ausgestattet. News4teachers / mit Material der dpa

„Permanenter Krisenzustand“: Studie von Katastrophen-Forschern zeigt auf, wie anfällig das Schulsystem ist

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Ron
1 Jahr zuvor

Wofür diese Diskussion? Liegt schon ein neuer Virus in der Luft? Oder was plant man jetzt?

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  Redaktion

Wir haben 70 Jahre ohne Virus verbracht. Sie tun ja auch schon so, als müssten wir nun täglich mit neuen Epidemien rechnen. Dem ist nicht so.

So ist das
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Ein auch in Deutschland häufiger zu erwartendes Virus, das hämorrhagisches Fieber auslöst, ist Dengue.
Ebola, Marburg, aviäre Influenza sind nie ganz weg und schafften es zwischendurch auch bis Europa.

https://www.rnd.de/gesundheit/dengue-fieber-in-deutschland-virologe-fuerchtet-ausbreitung-und-wachsendes-risiko-von-zoonosen-SFWWQIW6TLDF7U6DSFFXB33AJA.html

Was mich wirklich interessieren würde, Ron: Sie beschrieben sich hier ja bereits als erfolgreiche LK.
Verbreiten Sie Ihre „Mythen“ / grobe Fehler auch im Unterricht ?
– man kommt ins Grübeln. Unsere Kinder wissen mehr zur Thematik. [HProf]

PS: Dankeschön an Dil; wieder einmal Kompliment an Fraulau.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  So ist das

Können Sie mir mal erklären, was Ihr ständiges [HProf] soll?

P.S. Ihr Artikel beschreibt mögliche Szenarien in einer um mehrere Grad wärmeren Zukunft. Ich denke, da kann man auch noch drauf reagieren, wenn es soweit ist.

So ist das
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Sie zeigen wieder, dass Sie.zu einem bereits breit bekannten Thema gar nichts wissen, aber einfach loslegen.
„Da kann man auch noch drauf reagieren, wenn es soweit ist“ 🙂
Genau so, ohne Wissen, ohne Plan, ohne Strategie, ……sterben dann halt wieder ein paar Menschen.

Unsere Kürzel gehn Sie gar nichts an.
PS: Und: Kartoffeln machen noch immer nicht dick, Sie erinnern sich, Sie brillierten auch schon ernährungsmäßig ?
Vlt. Probieren Sie es einfach mal mit solidem Wissen. – So wie in der Schule ?

O. Birkenstock
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

AIDS wurde zum ersten Mal 1981 diagnostiziert. Die Ansteckung mit dem HI -Virus.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Ein Virus? Tausende. – Die Evolution macht sich gerade erst richtig warm in den überlappenden Populationsregionen diverser Wildtiere mit dem Neuankömmling Homo sapiens (ein Witz dieser Name, aber lustig).

Sternschnuppe
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

In welcher Parallelwelt leben Sie? Abholzung des Amazonas, Artensterben, Klimawandel……Die Pandemien werden sich häufen in immer kürzeren Abständen und wahrscheinlich werden sie auch nicht immer gut ausgehen. Aber es ist natürlich einfacher, sich die Welt schön zu reden und weiter in seiner Normalitätsblase zu leben. Wird nur leider nicht helfen.

So ist das
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sternschnuppe

Dankeschön.

Ja, @ Ron macht es eigentlich nicht anders als die Leitungsebene.
Vorgeben, was alles sei, ( hier: Frau Feller)
hört sich immer zunächst gut an und wird wegen mangelndem basalem Wissen zu oft geglaubt.
Geht halt dann meist schlecht – für andere – aus. [DRS]

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Lieber Ron,

1. Frage: um Gedankenaustausch anzuregen

2. Frage: ja, „er“ liegt schon vor, sogar mehrere „Kandidaten“

3. Frage: den Katastrophenschutz / Pandemieplan verbessern

Nichts für ungut, das konnten Sie sich nicht selber beantworten?

Bla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Zumindest sollte man mal eine Risikomatrix planen.
Dann überlegen, was man Proaktiv (Präventiv) machen kann/sollte und was reaktiv (schnell, für den Fall der Fälle).
Proaktiv bspw.: Warmwasser, Digitalisierung (mit Endgeräten), weniger Bürokratie im Ernstfall, Hygiene (Tücher), Planung (schnelles Handeln, Tools, Inzidenz-Gefahreneinschätzung mit jeweiligem Handlungsspielraum). Das wäre so oder so sinnvoll an vielen Stellen.

Reaktiv bspw.: Schnelle Luftfilter (Verfügbarkeit? Umsetzung? Gelder? Bürokratie?), Medikamente (Entwicklung), Impfung (auch Kommunikation und Transparent dann schnell), Räumlichkeiten

Wenn die Matrix eben ergibt:
Eintrittswahrscheinlichkeit: Unwahrscheinlich
Schadensausmaß:
Niedrig/sehr gering
Dann wäre es halt auch nicht schlimm, wenn man die Schulen dann schließt oder sich viele LuL krank melden, wenn sie Bedenken haben, dass es ernst wird und das Schadensausmaß (nicht) teilen als Einschätzung.

Falls es heißt:
Eintrittswahrscheinlichkeit:
Unwahrscheinlich
Schadensausmaß:
Kritisch
Dann wäre eine Schulschließung schwieriger zu begründen. Ebenso das Nicht-Handeln allerdings.
Dazu müsste man dann auch das Versagen der Einschätzung bei „Unwahrscheinlich“ mal verantworten.

Wenn es heißt:
Eintrittswahrscheinlichkeit:
Wahrscheinlich
Schadensausmaß:
Sehr hoch/Kritisch
Dann muss man halt mal was machen. Also dementsprechend proaktiv handeln und/um reaktiv dann gezielter darauf zu reagieren.

Bisschen Transparenz und „ehrlich machen“ schadet doch nicht?
Es wird doch immer von „Lernen aus der Pandemie“ und „Aufarbeitung“ gesprochen.

Wird das nicht gemacht, dann stellt man sich im Fall der Fälle halt wieder dumm und macht sich lächerlich. Dazu verweist man dann auf die Vorregierungen. Hat ja dann wieder keiner kommen sehen und konnte man nicht wissen. Zumindest wurde erneut Geld gespart und man muss generelle Bedingungen (Warmwasser) nur unzureichend verbessern.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor

2022 sollten Bildungseinrichtungen zu KRITIS zählen. Sollten, aber scheinbar waren sie es noch nie und werden es auch nicht.

447
1 Jahr zuvor

Das wundert mich nicht. Denn daraus könnten einmal „Ansprüche“ in umgekehrter Richtung (im Krisenfall) entstehen – von Schule und Lehrern Richtung Politik…dem muss mit allen Mitteln vorgebeugt werden! Was wäre, wenn die dann Blut lecken, sich gar dran gewöhnen, dass Schule auch was von Politik verlangen darf? Geht garnicht!

Alla
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Wenn Kitas und Schulen nicht zur kritischen Infrastruktur gehören, kann man sie ganz unkritisch offen halten, nicht?

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alla

Genau das.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Liebe Entscheidenden,

wir haben Euch während Corona so lange nicht live gesehen.
Darum beehren Sie uns gerne vor Ort, wenn es dann wieder heißt: Die Schulen sind sicher.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

@Dil Uhlenspiegel

Außerdem:
Wandertage dürfen wieder durchgeführt werden!

Auch von den entscheidenden Entscheidenden!

Wenn die dann auch noch öffentliche Verkehrsmittel und gute Laufschuhe nutzen würden, …

  • wäre das auch in dieser „Kohorte“ eine tolle Adipositas-Prophylaxe (falls noch nicht zu spät) bzw. würde weiteres Leid vermeiden. Bewegung und frische Luft wirken sich zudem positiv aus bei Depressionen, fördern allgemein das Wohlbefinden und auch die kognitiven Kompetenzen! 🙂
  • wäre das ein starkes Signal an unsere Jugend aka „unsere Zukunft“: Politk(er) zum Anfassen!
  • wäre das natürlich auch mal wieder ein neues „Schweinderl“ (selbstverständlich nur im übertragenen Sinne!), was durchs Dorf getrieben werden könnte … 😉
vhh
1 Jahr zuvor

Kritische Infrastruktur darf nicht beeinträchtigt werden und besitzt damit einen Hebel, Schutzmaßnahmen zu verlangen. Die nichtkritischen Kita und Schulen bleiben sowieso unter allen Umständen geöffnet (sonst würde es an Kinderbetreuung für kritische Institutionen und auch die eigentlich nicht kritischen Betriebe fehlen), darum ist es nicht nötig, dort besondere Massnahmen einzuführen. Perfekte Logik, es gibt ja so viele ErzieherInnen und Lehrkräfte, so sind immer noch ein paar übrig zur Aufbewahrung der Kids. Das ist keine Symbolpolitik, das wäre ein neuer Sachverhalt, zu dem es noch keine Urteile gibt, deshalb ist man lieber vorsichtig. Es wäre interessant, mehr über die „ganz andere Berücksichtigung von Kindern und Familien“ zu hören, bspw. wie man die Schulen dazu umgestalten oder vorbereiten will. Ich tippe auf einen 20seitigen Ministeriumsbrief mit unerfüllbaren Vorgaben und eine besser koordinierte Pressearbeit zur schnellstmöglichen Vergabe des Schwarzen Peters an die geschätzten Mitarbeiter vor Ort.

Canishine
1 Jahr zuvor

Die Infrastruktur mancher Schulen ist also nicht kritisch?

Canishine
1 Jahr zuvor

Anders ausgedrückt: Schulen gehören zwar nicht zur kritischen, aber zur kriselnden Infrastruktur (oder auch zur kritisierbaren …).

TaMu
1 Jahr zuvor

Wenn ich mich richtig erinnere, war vor nicht allzu langer Zeit alles geschlossen, was nicht zur kritischen Infrastruktur gehörte. Andersherum durfte nur kritische Infrastruktur öffnen.
Was für ein politisches Gemauschel rund um Kinder, wenn es um Schutz geht, der Geld kostet. Schließen darf diese überhaupt nicht kritische Infrastruktur aber auch nicht, weil sonst die Kinder zu Hause sind, was die Eltern von produktiver Arbeit abhält.
Betreuungseinrichtungen sind das in der Pandemie am heftigsten belogene Nischenprodukt unserer Gesellschaft. Darüber bin ich wirklich sauer.

Dreamghost
1 Jahr zuvor

Und das nächste Versäumnis…
Von den Machern von „Wer konnte denn ahnen, dass Lehrkräfte in Pension gehen?“, „Luftfilter? Nein danke.“ und „Was noch eine Flüchtlingswelle?“ kommt nun die nächste Entscheidung, die alle in den A**** beißen wird :
„Schulische Infrastruktur – jetzt wirds kritisch“.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dreamghost

Demnächst in diesem Kino: „Privatschule Rising Teil 1 – Die Ummeldung“, gefolgt von „Die Wechselschüler – Angriff der Unsolidarischen“.