Fast 50.000 Jugendliche verlassen die Schule ohne Abschluss – jedes Jahr. Lehrerverbände streiten über die Ursachen

39

GÜTERSLOH. Menschen ohne Abschluss landen häufig in prekären Beschäftigungsverhältnissen – und fehlen der Wirtschaft als Fachkräfte. Besonders gefährdete Gruppen: Jungen, Ausländer, Förderschüler. Eine Studie zeigt, dass die Zahl der Schulabbrecher – die Bund und Länder schon vor 15 Jahren auf vier Prozent senken wollten – in den vergangenen Jahren sogar noch leicht gestiegen ist. Wie kann das sein? Lehrerverbände streiten über die Ursachen.

Die Absturzgefahr ist für Jugendliche ohne Abschluss groß (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Die Schulabbrecher standen schon einmal im Fokus – 2008, beim Bildungsgipfel der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Ministerpräsidenten der Länder. Auf maximal vier Prozent, so lautete das damalige Versprechen, sollte die Zahl der Schulabbrecher (die damals bei rund acht Prozent lag) gesenkt werden. Tatsächlich gelang es binnen fünf Jahren, auf 5,7 Prozent herunterzukommen. Seitdem allerdings geht es wieder aufwärts.

Zehntausende Jugendliche beenden Jahr für Jahr ihre Schulzeit, ohne zumindest einen Hauptschulabschluss in der Tasche zu haben. Obwohl einige Bundesländer Fortschritte gemacht haben, stagniert der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss insgesamt seit Jahren bei etwa sechs Prozent. Das geht aus einer Studie des Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervor, die am Montag veröffentlicht wurde. «Unsere Gesellschaft kann es sich angesichts des wachsenden Fachkräftemangels nicht leisten, diese Personen durchs Raster fallen zu lassen», wird Klemm von der Stiftung zitiert.

„Die aktuellen gestiegenen Zahlen der jungen Menschen ohne Schulabschluss in unserem Land sind ein Schlag ins Gesicht eines jeden Pädagogen“

Der Bildungsforscher macht einen Zehn-Jahres-Vergleich von 2011 bis 2021 – neuere Daten lagen demnach nicht vor, als die Studie erstellt wurde. 2021 standen rund 47.500 Schülerinnen und Schüler am Ende ohne Hauptschulabschluss da, das entspricht einem Anteil von 6,2 Prozent. 2011 waren es 6,1 Prozent gewesen. Bis 2013 sank die Quote auf 5,7 Prozent, seitdem stieg sie wieder an – bis auf einen «Knick» im Jahr 2020, der laut der Studie einem «zurückhaltenden Umgang mit Schulleistungen» während der belastenden Pandemie geschuldet ist.

Jungen und Heranwachsende mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind demnach besonders gefährdet. Laut der Studie machten Mädchen Stand 2020 nur 38 Prozent der Schulabgängerinnen ohne Abschluss aus. In der Gruppe der Ausländer lag die Quote der Abgänger ohne Abschluss 2020 bei 13,4 Prozent, bei den Deutschen bei 4,6 Prozent. 49 Prozent aller Jugendlichen ohne Abschluss waren 2020 auf einer Förderschule, 20 Prozent auf einer Gesamtschule, 13 Prozent auf einer Hauptschule.

Einige Bundesländer konnten ihre vergleichsweise hohen Quoten im Untersuchungszeitraum nach unten drücken, etwa Mecklenburg-Vorpommern (von 13,3 auf 8,1 Prozent), Sachsen-Anhalt (von 12,1 auf 9,6 Prozent) und Berlin (von 9,7 auf 6,7 Prozent). In Bremen stieg sie dagegen an, dort war 2021 die Quote mit 10,0 Prozent am höchsten. In Baden-Württemberg (5,8 Prozent), Hessen (5,3) und Bayern (5,1) war der Anteil im Jahr 2021 am niedrigsten.

Menschen ohne Abschluss haben ein höheres Risiko, in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu landen. Laut der Studie droht vielen der jetzigen Abgänger ohne Abschluss, als «Nachwuchs» zu den rund 1,7 Millionen jungen Erwachsenen im Alter von 20 bis 30 ohne Ausbildung zu stoßen, die Stand 2021 in Deutschland lebten.

Angesichts der «erschreckend hohen Zahlen» seien Maßnahmen zum Abbau der Quote unverzichtbar, im Mittelpunkt der Anstrengungen sollten Jungen sowie Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund stehen, heißt es in der Studie. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt zudem, über das klassische Abschlusszeugnis hinaus zu dokumentieren, welche Kompetenzen die Jugendlichen erlernt haben: Das würde die Chance auf eine Ausbildung auch ohne formalen Abschluss erhöhen. Ein weiterer Hebel sei die Ausbildungsgarantie. Die Ampelparteien haben diese in ihrem Koalitionsvertrag verankert.

„Wir dürfen es gar nicht dazu kommen lassen, dass so viele Jugendliche nicht adäquat gefördert werden können“

Dass fast 50 Prozent der Schulabgängerinnen und -abgänger ohne Abschluss von Förderschulen kommen, die häufig keinen allgemeinbildenden Abschluss vorsehen, alarmiert die GEW. Auch deshalb muss die Inklusion an den Schulen gestärkt werden – meint jedenfalls die Gewerkschaft. „Der gemeinsame Unterricht aller Kinder und Jugendlichen in einem inklusiven Schulsystem muss dringend ausgebaut werden. Dafür müssen die allgemeinbildenden Schulen mehr personelle und materielle Ressourcen erhalten. Wir dürfen nicht weiter tatenlos zusehen, dass so viele junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen – und damit kaum Berufs- und Lebensperspektiven haben“, sagt Ralf Becker, GEW-Vorstandsmitglied Berufliche Bildung und Weiterbildung.

Der Deutsche Realschullehrerverband VDR sieht die Ursache für die Situation hingegen in zu viel Inklusion. „Die aktuellen gestiegenen Zahlen der jungen Menschen ohne Schulabschluss in unserem Land sind ein Schlag ins Gesicht eines jeden Pädagogen und spiegeln vor allem eine verfehlte Schulstrukturpolitik der vergangenen Jahre wieder. Wer differenzierte Schulformen auflöst oder zusammenlegt, wer Förderschulen abschafft, wer abschlussbezogene Bildungsgänge einebnet, der muss sich nicht wundern, wenn man am Ende vor dem Scherbenhaufen steht. Leidtragende sind die jungen Menschen, die spezifisch gefördert und begleitet werden müssen“, erklärt VDR-Bundesvorsitzender Jürgen Böhm.

Der VBE macht die schlechten Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte an den Schulen für die hohe Zahl von Schulabbrechern („beschämend für den Bildungsstandort Deutschland“) verantwortlich. „Wir dürfen es gar nicht dazu kommen lassen, dass so viele Jugendliche nicht adäquat gefördert werden können. Dafür braucht es Entlastung der Lehrkräfte von Verwaltungsarbeiten und die multiprofessionelle Zusammenarbeit in entsprechenden Teams an der Schule. Psychologen und Logopädinnen, Schulbegleitung und Sozialarbeit – alle müssen Hand in Hand für den Bildungserfolg arbeiten und die Möglichkeit erhalten, die Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern. Dafür braucht es Investitionen in das Bildungssystem“, sagt VBE-Bundesvorsitzender Gerhard Brand.

Er betont: „Wer weiß, dass jede Person ohne Abschluss den Staat Hunderttausende Euro kostet, kann sich leicht ausrechnen, dass Prävention immer günstiger sein wird als die Akutbehandlung.“

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bezeichnet die Befunde der Studie als «dramatisch». «Wir müssen stärker auf die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler schauen und Bildungschancen für alle Jugendlichen ermöglichen. Das Ziel muss eine individuelle Förderung und Begleitung sein, gerade sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher», sagt sie. SPD-Chefin Saskia Esken erklärt: «Es muss der Anspruch des Bildungssystems sein, dass alle jungen Menschen im Rahmen der Schulpflicht die Kompetenzen und Qualifikationen erlangen, die sie zu einem selbstbestimmten Leben und zur Aufnahme einer Berufsausbildung befähigen.» Gerade in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels müsse man Potenziale aller jungen Menschen in Deutschland entwickeln. News4teachers / mit Material der dpa

Akademisierungswahn? Von wegen – wenn Fachkräfte gesucht werden, kümmert euch doch mal um die (zu vielen) Schulabbrecher

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

39 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
GEW- nee!
1 Jahr zuvor

Das ist keine gute Nachricht, vor allem für die Jugendlichen! Auch, wenn sie es selbst in der Hand hatten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele von ihnen in den Bildungsgängen der Berufsschulen sehr wohl (noch) einen Schulabschluss machen!
Also, Scheuklappen runter und die BBSen nicht vergessen!

Christabel
1 Jahr zuvor
Antwortet  GEW- nee!

Die häufigste Ursache für fehlende Abschlüsse liegt in den teils erschreckend hohen Fehlzeiten. Wie soll man jemanden fördern, der nicht zur Schule kommt?
Außerdem ist wirksame Förderung in überfüllten Klassen nicht möglich, da kann man noch so viele Studien zitieren, wie einfach das doch sei, in der Praxis scheitern wir und die Jugendlichen leider auch.
Die BBS ist auch kein „Reparaturbetrieb“, sondern eine eigenständige Schulform, die viel zu wenig beachtet wird und, gemessen an ihrer gesellschaftlichen Bedeutung, stark unterbesetzt ist. Solange hier nicht von der Politik entsprechend gefördert wird, bleibt alles so wie es ist oder wird noch schlimmer.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Christabel

In Berlin hat man sich wohl an eine Quote von 5-6 % gewöhnt, die mehr als 20 Tage im Jahr schwänzen:
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/strafen-fuers-schulschwaenzen-jeder-fuenfte-berliner-schueler-fehlt-unentschuldigt-li.62171
Da ist es eigentlich kein Wunder, wenn etwa ebenso viele den Schulabschluss verpassen.
Und es heißt immer, an Förderschulen wird besonders viel geschwänzt. Wie aber ist das bei der Inklusion?

Tigrib
1 Jahr zuvor
Antwortet  Christabel

Ich unterrichte seit Jahren Abschlussklassen, die den Hauptschulabschluss anstreben.
Ich halte die mangelnde Motivation und die fehlende Lernbeteitschaft, geringes Durchhaltevermögen, Desinteresse oder mangelnde Durchsetzungskraft der Eltern und unsagbar große Lernlücken für die Ursachen.
Da kann der Staat auch nicht helfen.

Andre Hog
1 Jahr zuvor

Wozu streiten…ist doch klar, dass die LuL wieder schuld sind.
Nur gut, dass wir keine Pädagogen sind … sondern nur Pauker…sonst wäre diese Meldung ja ein Schlag in unser Gesicht….

Ich bin einfach nur noch müüüde!

Last edited 1 Jahr zuvor by Andre Hog
Realist
1 Jahr zuvor

„Auch deshalb muss die Inklusion an den Schulen gestärkt werden – meint jedenfalls die Gewerkschaft [GEW]. „Der gemeinsame Unterricht aller Kinder und Jugendlichen in einem inklusiven Schulsystem muss dringend ausgebaut werden. Dafür müssen die allgemeinbildenden Schulen mehr personelle und materielle Ressourcen erhalten.“

Seit die Debatte um die Inklusion in Deutschland virulent ist, also seit ca. 15 Jahren, fordert die GEW „mehr Inklusion“, „mehr Personal“, „mehr Ressourcen“.

Ja, jetzt haben wir „mehr Inklusion“, aber viel zu wenig Personal und viel zu wenig sonstige Ressourcen. Inklusion wurde von der Politik von Beginn an als Sparmodell gehandhabt: Teure Förderschulen schließen und die entsprechenden Schülerinnen und Schüler kostengünstig in viel zu große Lerngruppe an den allgemeinbildenden Schulen „inkludieren“. Und damit sowohl Schüler als auch Lehrkräfte hoffnungslos zu überfordern.

Wie wenig lernfähig muss eine GEWerkschaft sein, um das nach 15 Jahren immer noch nicht zu kapieren: Es ging nie um wirklichen Inklusion sondern immer nur um Einsparen von Geldern. Wirkliche alle anderen haben das mittlerweile kapiert, nur die GEW ruft nach immer mehr Inklusion… idelogische Verbohrtheit auf Kosten der Schüler und Lehrkräfte vor Ort.

Alex
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Die GEW hat sich immer für die Inklusion stark gemacht, besonders vor ihrer Einführung. Zunächst sprach sie auch gar nicht davon, dass die allgemeinbildenden Schulen dafür mehr personelle und materielle Ressourcen erhalten müssten. Hauptsache war, dass sie erst einmal eingeführt wurde.
Als dann im Bundestag über ein Ja oder Nein zur Inklusion abgestimmt wurde, war auch nur von vergleichbaren oder sogar geringeren Kosten als für die Aufrechterhaltung von Förderschulen die Rede.

Die GEW fing erst an, mehr personelle und materielle Ressourcen zu fordern, als sich in der Praxis abzeichnete, dass die Inklusion an den sog. Regelschulen gar nicht zu bewältigen war und die Lehrer/innen reihenweise Chaos und heillose Überforderung beklagten.
Vorher hatte die GEW das gar nicht bedacht oder gar wohlweislich verschwiegen, um die Einführung der Inklusion nicht zu gefährden. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, warum sie sich vorher so bedenkenlos gab und für die Inklusion ohne Wenn und Aber trommelte.
Zu Anstand und Ehrlichkeit gehört, dasss man jetzt nicht so tut, als sei das Votum für die Inklusion weiterhin richtig, wenn da bloß nicht die bösen Haushaltspolitiker wären, die mit ihrer Sparsamkeit die wunderbare Idee zum Scheitern brächten.

Nein, die Idee war falsch, u.a. wegen mangelndem oder unterdrücktem Realitätssinn. Wie so oft hat sich die GEW auch hier wieder nur um die schöne Theorie angebetet und sich um die praktischen Auswirkungen nicht geschert.

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

So wahr! Und das sage ich als GEW-Mitglied. Man kann sich nur an den Kopf fassen.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor

Ein sehr einseitiger Bericht. Die Ursachen werden tatsächlich nur im Schulbereich gesucht: schlechte Förderung und ebensolche Arbeitsbedingungen. Das ist sicher nur zu einem Bruchteil veraantwortlich zu machen.
Zudem ein Widerspruch im Artikel, in dem es heißt, dass der gemeinsame Unterricht in einem inklusiven System gestärkt werden muss (mit den entsprechenden Ressourcen natürlich, NATÜRLICH!!!) und zugleich wird angeprangert. dass die Auflösung der differenzierten Schulformen und Abschafftung der Förderschulen den Scherbenhaufen verursacht haben. Ja was denn nun?
Es gibt durchaus mehr Faktoren, auch außerhalb der Schule, die eine Schulunwilligkeit fördern und Schulabgänger ohne Abschluss produzieren. Auf der einen Seite kann man Verbesserungen im Schulsystem verlangen, auf der anderen Seite müssen die auch angenommen werden. Viele Schüler haben heute tausende andere Interessen, keinen Respekt mehr vor Lehrern, bestes Wissen darüber, wie man auch ohne Ausbildung und Job durchs Leben kommt. Hier gilt es anzusetzen, wird aber sehr unbequem und teuer.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich es jemals noch erleben werden, dass solch ein Heer von ausgebildeten Assistenten wie im Artikel genannt den Lehrern zur Seite gestellt werden. Und solange das nicht geschieht, braucht man gar nicht weiterdiskutieren.
Andererseits ist auch nicht ganz einzusehen, dass die Schüler in allen Bereichen getragen und gepampert werden. Es muss mal wieder ankommen, dass auch eine gewisse Eigeninitiative notwendig ist und dass man mit einer „Das-wird-schon-irgendwie-auch-ohne-Anstrengung-Einstellung“ nicht auf Dauer durchs Leben gehen kann.

KARIN
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Ich sage nur Projektarbeit!
In der Zwischenzeit hat die Lehrkraft für sämtliche Projekte schon so viel Material in Petto ( Schülern ist das aber nicht bekannt!!), dass jedes terminierte Projekt ( Oster-, Faschings- oder Weihnachtsprojekt z.B.) auch termingerecht beendet werden kann!
Da Schüler nicht mehr recherchieren können, Hausaufgaben zum Projekt entweder nicht erledigen oder es nicht für Wichtig halten, einfach vergessen! Vorgaben z.B. zu zwei im Team hat jeder zwei Vorschläge, Rezepte, Bastelideen usw. mitzubringen in Form eines Ausdruckes o.Ä., wird dies nicht beachtet, haben nur insgesamt zwi Vorschläge oder nichts gefunden oder nur auf dem Handy oder der Drucker ging am Vorabend nicht mehr und nicht auf dem Stick, da keiner vorhanden oder der Teampartner hat alle Unterlagen ist jetzt aber leider nicht da usw. usw.
Die viel gelobte Projektarbeit ist eigentlich nur noch heißer Dampf, welche von Jahr zu Jahr schwieriger wird, da Schüler größtenteils nicht fähig sind ein Pojekt eigenverantwortlich durchzuhalten und durchzuführen!
Jahrelang habe ich mich durch Projekte gequält, welche immer weniger machbar wurden und bei mir wirklich in großem Frust geendet haben!

PaPo
1 Jahr zuvor

Mir fehlt (a) eine longitudinale Perspektive auf die Schulabbrecherquote der letzten Jahrzehnte hierzulande i.V.m. einer Kontrastierung mit bspw. schulpolitischen Maßnahmen, die einen Einfluss auf u.a. Unterrichtsstruktur und -qualität haben können, um die Frage beantworten zu können, ob derartige Maßnahmen mit dieser Quote korrelieren. Dies ist aber ausschl. sinnvoll, wenn auch gleichzeitig Änderungen in den Anforderungen für die Schulabschlüsse berücksichtigt werden.
Zudem müssten ebenfalls (b) bspw. sozio-ökonomische, habituelle (insb. auch bzgl. des Sozialverhaltens in der Schule, der tatsächlen Lern- und Übungsstrategien außerhalb der Schule etc.), intellektuell-kognitiver u.ä. Charakteristika der Schulabbrecher (longitudinal) profund eruiert werden, um für den (fehlenden) Bildungserfolg relevante, ggf. gemeinsame (Kombinationen spezifisch ausgeprägter) Einflussfaktoren zu kontrollieren (auch im Kontrast mit denjenigen, die einen Schulabschluss erlangen) und identifizieren.

Ohne solche Daten, die zu generieren extrem aufwändig ist, die zudem weit über die relativ unbrauchbaren deskriptive Vulgärstatistiken hinausgehen, die wir diesbzgl. immer wieder präsentiert bekommen, wird das nichts mit der Einordnung, mit dem Verstehen des Problems und folglich auch nichts mit der Lösung desselben.

… und vielleicht müsste man sich auch darauf gefasst machen, dass die Antworten, die man erhalten könnte, fernab von jeder Ideologie, jedem Basing von Lehrern u.ä. verortet sind: Vielleicht langt es für einen entsprechend hohen Anteil der Schüler hierzulande nicht, weil es……… ja, weil es halt nicht langt, weil sie so oder so auch gering(st)e Anforderungen (intellektuell-kognitiv bspw ) nicht erfüllen können.
Da muss kan sich auch endlich ehrlich machen, dass man nicht jeden zu allem fördern kann, dass es auch nicht dieselbe Leistung ist (Achtung: Metapher) wenn der eine Zehntklässler den 100-m-Sprint binnen 12,9 Sekunden meistert („sehr gut“) und der andere erst ein paar Tage später die Ziellinie überwuert, hinübergetragen wird (zur Leistung resp. Zeilerreichung – und auch das ist eine Wahrheit – gehört nämlich auch, diese binnen eines bestimmten Rahmens zu lösen).

Und evtl. macht dieser oder ein ähnlicher Teil der Schulabbrecher auch einen Wesentlichen Teil der Gesamtmenge aus, ist damit gewissermaßen unveränderlich – bis jmd. auf die Idee kommt auch hier weiter das Niveau zum Erhalt eines Schulabschlusses zu senken oder diesen gleich komplett bedingungslos zu machen……… brauchbarer werden damit Schulabbrecher, deren Abbruch weniger schmeichelhafte Ursachen hat, für die Wirtschaft damit aber auch nicht. Man würde lediglich (analog zur Abiturientenschwemme) den Markt komplett verwässern und den Druck auf Hauptschüler, die tatsächlich einen Hauptschulabschluss verdienen und es ohnehin bereits schwer am Markt haben, die eigenen Chancen nochmals drastisch reduzieren.

Und dann gibt es natürlich noch Probleme, die ich jetzt gar nicht thematisiert habe, wie z.B. dass Schüler, die offensichtlich nicht für das Gymnasium geeignet sind, dort angemeldet werden und bis in die Mittelstufe geschleift werden, trotz etlicher Gesuche, bitte einen Schulformwechsel zu vollziehen, solange dies möglich ist, dies nicht tun, bis es zu spät, sie iin der 9. Klasse vollends an den Anfirderungen scheitern und dann komplett ohne Schulabschluss dastehen, wo sie einenen Real- oder Hauptschulabschluss sicherlich gemeistert hätten (passiert bei uns jedes Jahr mehrfach; das Hauptproblem: Beratungsresistente Eltern).

PaPo
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

Mit dem Handy auf dem Klo tippen ist Gift für meine Orthographie – sorry dafür. :-/

Ute, gerne Lehrerin
1 Jahr zuvor
Antwortet  PaPo

Bei uns dasselbe. Da werden Schüler mit acht Fünfen zum Wiederholen angemeldet. Beim Deutsch- Förderunterricht ( kostenlos) erscheint der Schüler einmal, die anderen 12 Mal sitzt die nette und hoch motivierte Studentin umsonst da. Der S.erklärt, er habe keinen Bock.
Bei den älteren SuS haben wir in einigen Fällen Fehlzeiten von 40 %, Bußgeldandrohung und alles on top.
Zitat „Ich scheiß auf Schule“.
Das sind Siebzehnjährige, die erziehen wir nicht mehr.
Dann lieber Förderung für die, die es wollen und brauchen.
Das Schulsystem kann viel, Lehrkräfte engagieren sich auch viel, aber wir können keine intrinsische Motivation herzaubern, wo Bildung und Schule abgelehnt werden.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Auch das gehört zur konsequenzenlosen Pädagogik. Förderunterricht muss wahrgenommen werden, sonst hat er keinen Sinn und wird nur ein Fass ohne Boden. „Keinen Bock haben“ darf auf Dauer nicht als Argument akzeptiert werden, vielleicht nur einmalig in besonderen Situationen.
Jedenfalls sollte man aufräumen mit der irrigen Vorstellung, dass immer Schule und Lehrer daran schuld sind, wenn Schüler keinen Schulabschluss erreichen. Es gilt immer noch das alte Sprichwort „Jeder ist seines Glückes Schmied“.

nurmalso
1 Jahr zuvor

Bei jüngeren Schüler*innen übernehmen die Eltern den Boykott.
Bei den verpflichtenden Förderempfehlungen (NRW) bei nicht glatt ausreichenden Zeugnisnoten habe ich immer Arbeitspakete (einfach) ausgeteilt, mit großzügigen Zeitvorgaben, bis wann was erledigt werden sollte und Angabe von Stunden und Orten, an denen ich für Nachfragen zu erreichen bin. Elternreaktion: Schule wäre doch eh schon eine solche Qual für das Kind, da könne ich doch wohl nicht erwarten, dass darüber hinaus noch was getan würde. Nun ja.

S.K.
1 Jahr zuvor
Antwortet  nurmalso

Dem schließe ich mich voll und ganz an.
Des Weiteren brauchen nicht einmal die Hausaufgaben im Krankheitsfall nachgeholt zu werden.
War für uns damals in den 90ern selbstverständlich.

Einer
1 Jahr zuvor

SPD-Chefin Saskia Esken erklärt: «Es muss der Anspruch des Bildungssystems sein, dass alle jungen Menschen im Rahmen der Schulpflicht die Kompetenzen und Qualifikationen erlangen, die sie zu einem selbstbestimmten Leben und zur Aufnahme einer Berufsausbildung befähigen.»

Zum Bildungssystem gehören aber auch die Eltern. Der Schule wird Geld und Personal entzogen oder Geld durch politische Entscheidungen völlig falsch verpulvert. Und trotzdem erwarten die Eltern ein Kind/Jugendlichen morgens abzugeben und mittags/abends abzuholen und nach einigen Jahren ist er/sie fertig gebildet. Due Eltern nehmen such völlig raus. Ihr Kind hat immer recht und braucht keine Grenzen. Und das führt dazu, dass wirklich wichtige Werte (Zuverlässigkeit, Höflichkeit, Pünktlichkeit, Neugier, ….) überhaupt nicht mehr vermittelt werden.

Und ja ich weiß es gibt auch andere Eltern. Genauso wie es auch Lehrer gibt, die sich über ihre Kräfte für Schüler einsetzen.

DerechteNorden
1 Jahr zuvor

Inklusion ausbauen, so, so. Es sind doch in der Regel nicht die Förderschüler*innen, um die es geht. Es sind Kids, die besser könnten. Die sind aber nicht zu fördern/unterstützen, weil man ihrer kaum habhaft werden kann.
Inklusion hat damit nichts zu tun.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

„… nicht die Förderschüler*innen“
Doch, im Artikel steht was von 49 %. Nochmal nachlesen.

CMW
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

… und diese 49% werden ja auch nicht „geheilt“ (z.B. von ihrer schweren kognitiven Beeinträchtigung), wenn sie in der allgemeinen Schulen sind. In der allgemeinen Schule schaffen nur jene mit sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf einen regulären Abschluss, die diesen fehlerhafterweise zugesprochen bekommen haben. Dass es von diesen viele gibt, erkennt man allein daran, dass die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit festgestellten Bedarfen an sonderpädagogischer Unterstützung sich in den letzten 10 Jahren fast verdoppelt hat (primär: Lernen).

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Im Text klingt es so, als würde der Förderschulabschluss nicht zählen, ja.
Aber bei uns gehen die Kids mit Förderbedarf Lernen in der Regel mit dem oben genannten Abschluss, viele schaffen den ESA oder höhere Abschlüsse.
Es ist schräg, von Förderschüler*innen zu erwarten, mindestens den ESA zu schaffen.
An meiner Schule sind es Kids mit anderen Problemen als einer Lernbehinderung, die die Schule ohne irgendeinen Abschluss verlassen. Von daher ist Inklusion in diesem Kontext für mich komplett sinnfrei, wenn es um die Reduzierung der Abbrecher*innen geht.

Ragnar Danneskjoeld
1 Jahr zuvor

Ein bereits genannter Grund für die Schwierigkeit, der Schulabbrecher Herr zu werden, besteht in der geringen Greifbarkeit und Kooperation von Schülern und deren Eltern. Damit verknüpft ist der überschaubare Maßnahmenkatalog der Schulen – könnten wir bei unentschuldigtem Fehlen Kindergeld reduzieren, sähe die Sache schon anders aus. Das setzt aber die Bereitschaft des Staates voraus, nicht nur das Elend notdürftig zu verwalten, wie er es ja schon anderweitig bei Regelschülern macht.

KARIN
1 Jahr zuvor

Bei uns sind Eltern im Sekretariat erst aufgeschlagen als sie zur Zahlung , wegen Fehlzeiten der Sprösslinge aufgefordert wurden!
Sie beschwerten sich aber dann darüber, dass sie das Busticket 100% bezahlt hätten!
Wenn es daran schon krankt, dass Eltern sinnerfassendes Lesen nicht beherrschen und Briefe der Schule ignorieren, wie soll man dann mit deren Kindern klarkommen?

BerlinBerlin
1 Jahr zuvor

Die Ursache heißt „Eltern“ und „Vorgesetzte, die Eltern nach dem Mund reden“.

Walter
1 Jahr zuvor
Antwortet  BerlinBerlin

oder bei der Berufswahl nicht aufgepasst …

BerlinBerlin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Walter

Ja, zunehmend leider auch das.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  BerlinBerlin

Jepp.

Wer nicht gefördert werden WILL, an dem prallt alles ab.

Mo3
1 Jahr zuvor

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Dazu kommen dann die Jugendlichen, die zwar einen Schulabschluss erreicht haben (wie auch immer), aber absolut nicht ausbildungsfähig sind, da sie kaum motiviert, interessiert oder zuverlässig sind.
Ab einem gewissen Alter muss man auch selbst Verantwortung für sein Leben übernehmen und kann es nicht immer auf die äußeren Umstände schieben, die es einem natürlich auch nicht nicht immer leicht machen.

Inge M.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mo3

Manche brauchen halt länger und holen später ordentlich auf.
Was bringt es aber, wenn sie später motiviert, ausbildungsfähig und zuverlässig sind, selbst Verantwortung übernehmen, dann aber immer wieder auf vorherige Leistungen und auf Lücken im Lebenslauf reduziert und dann wieder aussortiert werden?

Cuibono
1 Jahr zuvor
Antwortet  Inge M.

Wo passiert das denn? Beispiele?

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Cuibono

Ungefähr drei wird es davon sicherlich geben. Die anderen 49997 machen dauerhaft Stress und hartzen vor sich hin.

Inge M.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ja klar. Immer wieder drauf kloppen auf die ach so faulen Hartzer und die Kinder, die nichts dafür können, denen aber der Aufstieg erschwert wird. Gehen Sie mit ihren Schülern auch so um?

Inge M.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Cuibono

In Deutschland passiert das. Wissen Sie, welche Folgen eine Lücke im Lebenslauf haben kann?

S.K.
1 Jahr zuvor
Antwortet  Cuibono

Ja da fällt mir auch kein Beispiel ein.
Wer immer zu spät zum Unterricht erscheint und es als selbstverständlich erachtet, wieso sollte die Person dann später pünktlich zur Arbeit erscheinen.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Inge M.

Das bringt, dass sie nicht noch mehr (sozialen) Schäden anrichten.

Geliefert wie bestellt.

Inge M.
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Nicht noch mehr sozialen Schaden? Was meinen Sie? Dass Aussortieren aufgrund einer Lücke im Lebenslauf, obwohl man motiviert ist und eine Ausbildung samt Berufserfahrung vorweisen kann? Die Reduzierung auf die soziale Herkunft und einen alten Schulabschluss von anno tobak?

Indra Rupp
1 Jahr zuvor

Meine Frage, wie jedes Mal : Wieso ist 6% eigentlich viel?
15% der Gesellschaft hat einen IQ unter 85 und demnach durchaus Schwierigkeiten den HSA zu schaffen. 2% davon hat einen IQ unter 70 und somit praktisch keine Möglichkeit den HSA zu schaffen. Demnach sind 6 % ohne Abschluß…… normal!?
Oder werden von vornherein nur Schüler gezählt, die den HSA schaffen KÖNNTEN und wir reden hier somit von sozialen Problemen?

Carsten60
1 Jahr zuvor

Nur zur Information, hier steht, dass in Frankreich jährlich sogar 140.000 Jugendliche die Schule ohne irgendeinen Abschluss verlassen:
https://dgap.org/de/forschung/publikationen/kalt-distanziert-und-von-der-gesellschaft-abgeschottet
Und bei den Zuwanderer aus dem Maghreb ist das besonders problematisch. Aber hat nicht Frankreich das „richtige“ Schulsystem ohne Gliederung, also keine Hauptschule und kein Gymnasium? Woran also mangelt es?
In der dortigen Tabelle zu NEET Jugendlichen (weder in Ausbildung noch in Arbeit) steht Deutschland besser da als andere europäische Länder einschließlich Finnland.