Jeder vierte Grundschüler wird von Eltern chauffiert, was Eltern kritisch sehen

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MÜNCHEN. Zeitersparnis oder Bequemlichkeit: Es gibt viele Gründe, sein Kind mit dem Auto zur Schule zu fahren. Die ADAC-Stiftung sieht das kritisch. Einer Umfrage nach geht es der Mehrheit der Eltern genauso.

Ab zur Schule. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Jedes vierte Grundschulkind wird von den Eltern zur Schule chauffiert. Nach einer Umfrage der ADAC-Stiftung unter mehr als 1.000 Eltern fahren im Frühjahr und Sommer 23 Prozent, im Herbst und Winter sogar 28 Prozent ihr Kind mindestens dreimal pro Woche mit dem Auto zur Schule.

Die Mehrheit der anderen Eltern kritisiert das: Sie befürchten zusätzliche Unfallgefahr durch die «Eltern-Taxis». 62 Prozent aller Befragten sagen, dass am Morgen und nach Ende des Unterrichts zu viele Autos in unmittelbarer Nähe der Schule seien.

Als Gründe für den elterlichen Hol- und Bringdienst werden häufig Termine und Zeitersparnis angeführt, aber auch schlechtes Wetter, dass die Schule ohnehin auf dem Arbeitsweg liegt oder ganz einfach Bequemlichkeit. Nur elf Prozent der Eltern, die ihre Kinder regelmäßig mit dem Auto zur Schule fahren, begründen das mit der Verkehrssicherheit.

Schüler verunglücken am häufigsten morgens an Werktagen

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 27.000 Kinder im Straßenverkehr verletzt. Dem Statistischen Bundesamt zufolge verunglücken 6- bis 14-Jährige am häufigsten auf ihrem Fahrrad und meist morgens an Werktagen.

Das Deutsche Kinderhilfswerk, der Verkehrsclub VCD und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) rufen Schulen und Kitas gerade zu Aktionstagen auf unter dem Motto: «Kinder können das – Elterntaxi muss nicht sein!». Vom 16. bis 27. September sollen möglichst viele Kinder eigenständig zu Fuß, mit dem Rad oder dem Roller zur Schule oder in die Kindertagesstätte kommen.

In den vergangenen Jahren hatten jeweils Zehntausende Kinder mitgemacht. Schulen organisierten zum Beispiel sogenannte Lauf- oder Fahrradbusse mit vereinbarten Haltestellen, an denen sich die Kinder aus der Nachbarschaft treffen und gemeinsam zur Schule gehen oder radeln. Auch das Sammeln von Laufpunkten für jede zu Fuß zurückgelegte Strecke, auf den Boden gemalte Spiele oder selbstgemachte Aufkleber zur Kennzeichnung des Schul- und Kitawegs motivierten die Kinder, zu Fuß zu gehen.

Tempo 30 auf sämtlichen Schulwegen gefordert

Zugleich fordern Kinderhilfswerk, VCD und VBE sicherere Schulwege: «Auf allen Straßen, die laut Schulwegplänen von Kindern genutzt werden, muss Tempo 30 gelten – nicht nur im unmittelbaren Schulumfeld. Die Einhaltung ist regelmäßig und unangekündigt zu überprüfen.» Das Halten und Parken vor Schulen solle generell verboten und konsequent geahndet werden.

Der VBE-Bundesvorsitzende Gerhard Brand sagt: «Würde der Schulweg so sicher gestaltet sein, dass Kinder ihn ohne Gefahr zurücklegen könnten, wäre das Thema viel kleiner.» Es müsse der Politik zu denken geben, wenn sich bundesweit jedes fünfte Kind, in Großstädten sogar jedes vierte Kind auf dem Schulweg unsicher fühlt. «Das ist ein unhaltbarer Zustand», sagt Brand.

Auch die Situation vor dem Schultor trage dazu bei. «Fast ein Drittel der Lehrkräfte an Grundschulen erlebt mindestens wöchentlich eine gefährliche Situation vor der eigenen Schule, die durch Eltern, die ihr Kind mit dem Auto zur Schule bringen, entsteht.» Das habe eine Umfrage 2022 ergeben.

Kinder sollen Straßenverkehr einschätzen lernen

Die Vorstandschefin der ADAC-Stiftung, Christina Tillmann, sagt: «Gespür für den Straßenverkehr und seine Gefahren entwickeln Kinder als aktive Teilnehmer, nicht auf der Rückbank eines Autos. Der Fußweg oder die Fahrt mit dem Rad zur Schule sind ein wichtiges tägliches Training, um sich sicher und eigenständig im Straßenverkehr zu bewegen.»

Die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern sieht neben der Unfallgefahr, Angst vor Übergriffen und Zeitersparnis auch fehlende Bus- und Bahnverbindungen als Grund, warum Eltern ihre Kinder zur Schule fahren. Aber Schulen und Kommunen sähen jeden Tag, dass Eltern im Halteverbot parken, Rad- und Gehwege blockieren, die Sicht versperren und gefährliche Wendemanöver unternehmen. Kinder profitierten vom eigenständig oder in Begleitung zurückgelegten Schulweg mit Fahrrad, Roller oder zu Fuß: Sie seien in Bewegung und lernten, sich umsichtig im Straßenverkehr zu bewegen. News4teachers / mit Material der dpa

VBE: Verzicht aufs Elterntaxi nützt Grundschülern – auch bei den Schulleistungen

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5 Kommentare
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Wissenspfladter
1 Monat zuvor

Das lässt sich leicht fordern.
Bis Kind mal Rad oder mit dem ÖPNV gefahren ist.
Beim Rad wegen der vielen Autos und der maroden, nicht vorhanden Radinfrastruktur froh, den Weg überlebt zu haben, beim ÖPNV dankbar irgendwann während der zweiten Stunde in der Schule angekommen und sogar am selben Tag noch zurück zu Hause zu sein.
Da bringe ich meine Kinder halt mit dem Auto..

447
29 Tage zuvor
Antwortet  Wissenspfladter

Im ÖPNV sind es ja nicht nur die desaströsen Fahrzeugzustände und der miese Geiz (bloß nie zwei Busse schicken, wenn sich alle in einem quetschen, fast niedertrampeln und anstecken können)…im ÖPNV haben genug (gerade jüngere/wehrlose) Kinder allerlei unangenehme …”Erlebnismöglichkeiten”.

Für unsere Tochter ist die Schulzeit vorbei, aber an dieser Stelle nochmal rückwirkend:
Heult doch über unsere “Stadtpanzer” – könnt gerne eure Kinder (besonders Töchter) dem Wolfsrudel des auf der Busstrecke zuvor liegenden “vielfältigen Schulzentrums” zum Frass vorwerfen.

Wir so: “Nö, Elterntaxi, rofl.”

Allerdings waren wir braves Elterntaxi und haben uns an alle Parkregeln gehalten…vielleicht waren wir also doch nicht so böse.

Stromdoktor
27 Tage zuvor
Antwortet  447

Zustimmung.

Mann braucht Glück mit der Klientel. Hinten im Bus sitzen ist schon seit Jahren keine gute Idee.

Zustand, Frequenz und Auslastung der Busse sind sowieso fragwürdig.

Aufgrund von häufigem Schulausfall gibt es oftmals auch keine Verbindung zwischendurch.

Insofern ist bei uns das Fahrrad ein halbwegs akzeptabeler Kompromiss. Die Verkehrssicherheit ist nur nach umfassender Einweisung in die Gegebenheiten vor Ort und ständiger Sensibilisierung gegeben.

Bei Regen und in der dunklen Jahreszeit werden die Kinder morgens gefahren. Nachmittags nutzen die Kinder im Winter den Bus und steuern den optimalen Zeitpunkt mit einem Besuch in der Schulmensa.

Wir sind morgens allerdings einfach 20 Minuten vor allen anderen da (die JIT kommen) und gehen damit allen aus dem Wege – inkl. Stau.

Letztlich trage ich die Verantwortung für meine Kinder. Die nehme ich gerne wahr. Dabei andere nicht zu gefährden, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

Vielen fehlt leider der regelmäßige Perspektivwechsel. Oft sind die Eltern schon seit Jahren kein Fahrrad mehr gefahren oder als Fußgänger unterwegs gewesen. So kommt es immer zu Fehleinschätzungen, wenn man im Autos sitzt. Heute hat eine Mutter mit dem Auto ihre zwei Kinder direkt hinter einem Zebrastreifen entlassen, zuvor aber einem anderen Kind den Vorrang dort genommen. Hat die noch nicht einmal gemerkt…

GBS-Mensch
28 Tage zuvor

Ein Faktor dürfte inzwischen auch sein, dass sich die Eltern irgendwie in den Einzugsbereich einer Grundschule hineintricksen, tatsächlich aber am anderen Ende der Stadt wohnen oder jedenfalls weit genug entfernt, sodass andere Transportmethoden nicht in Frage kommen.

Stromdoktor
27 Tage zuvor
Antwortet  GBS-Mensch

Eher bei Privatschulen ein Thema. Die bekommen “zur Strafe” keine ÖPNV-Verbindung und man muss in aller Regel selber ran. Zumeist auch zu weit entfernt, als dass das Fahrrad in Frage käme.

Wer es sich leisten kann, investiert sein Geld auch in Sicherheit und ein halbwegs gutes Gefühl bei der Wahl der Einrichtung – und leider ist das auch nicht ganz unbegründet.

So funktioniert doch unsere Gesellschaft!? Das Recht des Stärkeren…fängt bei der Wahl des Fahrzeuges an.