Erfolgreiches Modellprojekt: Mental Health Coaches stärken Schüler und entlasten Lehrkräfte

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BERLIN. Erhebungen und Analyse zeigten in jüngster Zeit immer wieder: Schüler*innen sind zunehmend psychisch belastet. Vor einem Jahr startete daher das Modellvorhaben „Mental Health Coaches“. Dieses bringt Fachkräfte an die Schulen, die Schüler*innen Unterstützung bei psychischen Problemen bieten – und dadurch gleichzeitig die Lehrkräfte entlasten, wie Erfahrungen aus der Praxis zeigen.

Die Mental Health Coaches bieten sowohl Schüler*innen als auch Lehrkräften Unterstützung. Symbolfoto: Shutterstock

Mental Health Coaches – das sind Fachleute aus der Sozialpädagogik, Sozialarbeit oder Psychologie, die das Thema mentale Gesundheit niedrigschwellig in die Schulen holen. „Die Mental Health Coaches schaffen sichere Räume für sensible Themen, helfen jungen Leuten beim Erkennen ihrer Stärken und zeigen, wo es Hilfe gibt, wenn man allein nicht mehr weiterkommt“, erklärt Bundesjugendministerin Lisa Paus (Grüne). Ihr Ministerium initiierte das Programm 2023 unter dem Motto „Sagen, was ist. Tun, was hilft.“.

„Vor einem Jahr haben wir gesehen: Vielen jungen Leuten geht es nicht gut, sie standen nach Corona und angesichts weiterer Krisen unter enormem Stress, litten unter Einsamkeit und Ängsten. Genau da haben wir mit den Mental Health Coaches angesetzt. Sorgen offen ansprechen, Probleme benennen und Lösungen finden – das ist der Anspruch des Programmes“, so Paus. Wie notwendig das Vorhaben ist, unterstrichen zuletzt unter anderem die Ergebnisse des Präventionsradars 2024 der Krankenkasse DAK.

Laut der DAK-Befragung von Kindern und Jugendlichen der Sekundarstufe I im Schuljahr 2023/2024 schätzten diese ihren Gesundheitszustand schlechter ein als noch im Schuljahr 2019/2020. Vor allem psychische Belastungen hatten demzufolge zugenommen. Jeder siebte Heranwachsende hatte emotionale Probleme (14 Prozent). Mehr als die Hälfte gab an, einmal pro Woche oder häufiger erschöpft zu sein (55 Prozent), und über ein Drittel berichtete von Schlafproblemen, die einmal pro Woche oder häufiger auftraten.

Das Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe

Die Angebote der Mental Health Coaches an den Schulen sollen Schüler*innen ab der Sekundarstufe I ermöglichen, offen über Bedürfnisse, Gefühle und mögliche Ängste zu sprechen. „Ziel ist es, die individuellen Ressourcen der Schüler*innen zu aktivieren, sodass sie Vertrauen darin entwickeln, Probleme und herausfordernde Alltagssituationen aus eigener Kraft meistern zu können“, so heißt es auf der Internetseite des Programms. Im ersten Jahr des Projekts profitierten laut Bundesjugendministerium etwa 40.000 Schüler*innen an über 100 Schulen deutschlandweit von mehr als 1.000 Maßnahmen wie Workshops, Gesprächskreise, kunst-, theater- oder erlebnispädagogischen Einheiten. „Es ist ein kleines Programm mit sehr, sehr großer Wirkung“, betonte Bundesjugendministerin Paus auf der Fachtagung nach einjähriger Laufzeit.

Auf die positive Wirkung der Mental Health Coaches weist auch das anonymisierte Feedback von Schüler*innen auf der Programm-Website hin: „Ich fand es schön, dass wir durch die Übungen heute unsere Mitschüler*innen noch besser kennenlernen konnten. Nun fühle ich mich nicht mehr so allein mit meinen Sorgen und Ängsten. Wir sitzen alle im gleichen Boot und möchten einen guten Schulabschluss erreichen“, lautet ein Zitat aus Limburg. „Durch das Angebot konnte ich mir vor Augen führen, was mich in meinem Leben stärkt, und wer mich auch in schwierigen Zeiten unterstützt“, so eine Rückmeldung aus Lahn. „Das ist das Einzige, was ich will: einfach nur mit anderen Reden darüber, wie es mir geht“, so ein Feedback aus Rhein-Sieg.

Positives Feedback – auch von Schulleitungen und Lehrkräften

Wie wichtig die Coaches für die Schulen sind, zeigte sich im Rahmen der Fachtagung. „Lehrkräfte sind keine eierlegenden Wollmilchsäue. Sie sind dafür da, um Fachwissen zu vermitteln. Andere Professionen sind darum überlebenswichtig für das System Schule“, zitiert der Veranstaltungsbericht Schulleiterin Brunhilde Malmwick. Die Erfahrung der Rektorin teilen auch andere Lehrkräfte, wie aus deren anonymisierten Rückmeldungen zum Programm hervorgeht: „Es ist eine supergroße Unterstützung für mich gewesen. Wir haben sehr viele Schüler*innen, die mit einem Päckchen kommen, manche mit großen, manche mit kleinen. Wir sind im Alltag gar nicht in der Lage, allen gerecht zu werden. Es ist toll, eine offene Tür und eine kompetente Person zu haben, für mich selbst und für die Schüler*innen.“

Bestätigung finden die positiven Einzelberichte in den vorläufigen Ergebnissen der wissenschaftlichen Evaluation des Programms. Diese „legen nahe, dass das Modellvorhaben im letzten Schuljahr erfolgreich an den beteiligten Schulen gestartet ist“, sagt Julian Schmitz, Professor für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie der Universität Leipzig und Leiter des Forschungsteams. Die Schulleiter*innen der Projektschulen und auch die Mental Health Coaches berichteten von einer hohen Offenheit und Beteiligung der Schüler*innen an den Angeboten des Programms. „Die große Mehrheit der von uns befragten Gruppen – darunter auch Schülerinnen und Schüler – wünscht sich eine Fortsetzung und Ausweitung des Modellvorhabens“, so Schmitz. Er fordert daher, bei der weiteren Projektplanung „die aktuell hohe Planungsunsicherheit für Schulen und andere Beteiligte, die aus der bisher kurzen Projektlaufzeit resultiert“, zu verringern.

Das Programm läuft zunächst nur bis zu den Sommerferien 2025; insgesamt standen mit Beginn im September 2023 zehn Millionen Euro zur Verfügung. Wie es nach den ersten beiden Jahren weitergeht, ist bislang noch offen. Die Entscheidung des Haushaltsausschusses dazu steht aus. Einem Bericht der Tagesschau zufolge gibt sich Bundesjugendministerin Paus diesbezüglich aber zuversichtlich. News4teachers

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1 Kommentar
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Rainer Zufall
1 Monat zuvor

Jetzt kommen die Kommentator*innen und schreiben darüber, dass die Kinder sich im Beruf aber schlecht zu fühlen haben oder so XD

Aber ich verstehe nicht ganz, wie/ ob sich das Programm letztlich von der Schulsozialarbeit unterscheidet