BERLIN. Sachgerecht, vorurteilsfrei und zeitgemäß, so sollen Bildungsmedien – aber auch Lehrkräfte im Unterricht – über das Judentum informieren. Dafür wollen sich die Bildungsministerkonferenz (ehemals Kultusministerkonferenz), der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Verband Bildungsmedien e. V. gemeinsam einsetzen und bieten konkrete Empfehlungen für die Praxis.

Nach einer mehrmonatigen Zusammenarbeit haben die Bildungsministerkonferenz, Zentralrat der Juden in Deutschland und der Verband Bildungsmedien e.V. eine gemeinsame Erklärung zur sachgerechten und differenzierten Darstellung des Judentums in Bildungsmedien verabschiedet. Zusammen mit konkreten Empfehlungen zur Umsetzung zielt die Erklärung darauf ab, Vorurteile, Stereotype und Verzerrungen in der Vermittlung jüdischer Geschichte, Kultur und Religion abzubauen. Dabei richtet sie sich nicht nur an Redaktionen von Bildungsmedien, sondern explizit auch an Lehrerinnen und Lehrer, „die Schulbücher und andere Bildungsmedien auswählen und in ihrem Unterricht einsetzen“, wie es in der Erklärung heißt. „Sie sollen dabei unterstützt werden, Darstellungen in Bildungsmedien zu reflektieren, mögliche Schwächen und Fehler zu identifizieren sowie stereotype und einseitige Darstellungen zu erkennen, im Unterricht zu korrigieren und zu dekonstruieren.“ Dafür sollen sie auch ihre Schüler:innen sensibilisieren.
„Es ist unerlässlich, dass unsere Bildungsmedien ein vielschichtiges und vorurteilsfreies Bild des Judentums vermitteln. Dies ist ein zentraler Beitrag zur Förderung eines tiefen Verständnisses für die Vielfalt jüdischen Lebens und ein wirksames Mittel, um der Gefahr von Antisemitismus entgegenzutreten“, erklärt Christine Streichert-Clivot (SPD), Präsidentin der Kultusministerkonferenz 2024 und saarländische Ministerin für Bildung und Kultur. Bildung spiele dabei eine Schlüsselrolle: Sie schaffe das Fundament für eine demokratische Gesellschaft, stärke den Zusammenhalt und ermutige zu einem respektvollen Miteinander. „Durch eine bewusste, differenzierte und kompetente Auseinandersetzung mit dem Judentum in Schule und Unterricht können wir den demokratischen Grundwerten gerecht werden und sie langfristig bewahren.“
Das Ziel: eine sachgerechte, didaktisch angemessene und vorurteilsfreie Darstellung
Die Erklärung umfasst zwölf zentrale Punkte, die eine sachgerechte, didaktisch angemessene und vorurteilsfreie Darstellung sicherstellen sollen. Dazu gehören insbesondere:
- Aktualität und Vielfalt: Jüdisches Leben soll in seiner Gegenwart und Vielfalt dargestellt werden. Die Erklärung betont, dass das Judentum in Deutschland, Europa und der Welt ein lebendiger Teil der Gesellschaft ist, dessen Stimmen in Bildungsmedien Gehör finden müssen.
- Integration in die Gesellschaft: Jüdinnen und Juden sind ein integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Bildungsmedien sollten vermeiden, sie als „Fremde“ oder „Andere“ darzustellen, und stattdessen ihre Rolle als Teil der Gemeinschaft hervorheben.
- Differenzierte Perspektiven: Die Darstellung des Judentums muss die unterschiedlichen Lebensentwürfe, sowohl religiöse als auch säkulare, berücksichtigen und die Vielfalt jüdischer Identitäten widerspiegeln.
- Vermeidung von Stereotypen: Bildungsmedien sind aufgefordert, stereotype Darstellungen zu vermeiden, die zu antisemitischen Vorurteilen führen können. Dies schließt eine kritische Auseinandersetzung mit historischen und gegenwärtigen Darstellungen ein.
- Antisemitismus als Gegenstand: Antisemitismus soll nicht nur als historisches Phänomen, sondern auch in seinen aktuellen Erscheinungsformen behandelt werden. Die Erklärung fordert, dass Bildungsmedien altersangemessen über Antisemitismus informieren und dessen Erscheinungsformen erklären.
Praxisnahe Empfehlungen
Den zwölf Punkten der Erklärung folgen detaillierte praxisnahe Empfehlungen zu zentralen Themenbereichen. Im Kapitel „Jüdisches Leben heute“ heißt es etwa: „Jüdisches Leben heute existiert sowohl in Israel als auch in der Diaspora. Ein ausschließlicher Fokus auf Israel sollte daher in diesem Zusammenhang vermieden werden. Gegenwärtiges Judentum sollte vielmehr als ein auch im Alltag erfahrbarer Teil Deutschlands beziehungsweise Europas dargestellt werden.“ Mit Blick auf die „Jüdische Religion, Ethik und Kultur“ gilt es „eine polarisierende Gegenüberstellung von Judentum und Christentum [..] zu vermeiden“. Der Abschnitt „Jüdische Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart“ zeigt auf, welche geschichtlichen Aspekte in den unterschiedlichen Epochen von Bedeutung waren und daher thematisiert werden sollten.
Das Kapitel „Der Staat Israel“ widmet sich unter anderem dem Nahostkonflikt und rät etwa: „Eine Ausgewogenheit in der Darstellung zu Israel und dem Nahostkonflikt ist unbedingt notwendig. Die Hindernisse, die einer Konfliktlösung entgegenstehen, sind den historischen Tatsachen entsprechend auf beiden Seiten zu verorten. Bildungsmedien sollten die arabischen Feindseligkeiten und die Kriege ebenso benennen wie die anhaltende israelische Besatzung seit 1967 und den Siedlungsbau in besetzten Gebieten.“ Vor dem Hintergrund des Anschlags der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 heißt es allerdings auch: „Das militärisch organisierte Massaker der Hamas trägt eine genozidale Handschrift; es erzeugt unter vielen jüdischen Israelis ein Gefühl tiefer Unsicherheit im Hinblick auf das eigene Überleben in diesem Land. […] Diese Dimension des 7. Oktober ist zukünftig bei der Darstellung des Nahostkonflikts in Bildungsmedien mitzubedenken.“
Das fünfte und letzte Schwerpunktthema widmet sich unter dem Titel „Historischer und gegenwärtiger Antisemitismus“ dem Judenhass. „Wer Judentum und jüdisches Leben in schulpädagogischen Kontexten empathisch und differenziert vermitteln möchte, kommt nicht umhin, auch die verschiedenen Formen von Judenhass und -feindschaft in den Blick zu nehmen“, erklären die Autor:innen.
Bildungsminister:innen begrüßen die gemeinsame Erklärung
„Vorurteile und Stereotype finden auf vielfältigen Wegen Einzug in die Köpfe und Herzen von Kindern und Jugendlichen. Um Rassismus und Antisemitismus gar nicht erst entstehen zu lassen, ist es deshalb wichtig, gerade Bildungsmedien kritisch zu betrachten und zu prüfen. Denn junge Menschen sollen einen umfassenden Blick auf das Judentum in all seiner Reichhaltigkeit haben – ohne Scheuklappen oder Voreingenommenheit“, kommentiert Stefanie Hubig (SPD), Koordinatorin der SPD-geführten Länder im Bereich Bildungspolitik und rheinland-pfälzische Bildungsministerin, die gemeinsame Erklärung.
Auch Karin Prien (CDU), Koordinatorin der CDU-geführten Länder und Schleswig-Holsteins Bildungsministerin, begrüßt das Ergebnis der mehrmonatigen Zusammenarbeit: „Jüdisches Leben gehört zu Deutschland – und das seit vielen Jahrhunderten. Dazu gehört auch das Wissen über die Kultur und jüdisches Leben.“ Guter Unterricht bringe Schülerinnen und Schülern das lebendige Judentum in Deutschland und der Welt näher, ohne auf die Konfrontation mit der Vergangenheit zu verzichten. „Dabei muss unbedingt auch der Antisemitismus Thema guter Bildungsmedien sein, damit Schülerinnen und Schüler befähigt werden, sich gegen Antisemitismus, Rassismus und jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit einzusetzen und der Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems entgegenzutreten.“
Pädagogische und methodisch-didaktische Empfehlungen
Zusätzlich zu den inhaltlichen Empfehlungen adressiert die Erklärung themenübergreifende pädagogische und methodisch-didaktische Aspekte hinsichtlich Sprache, Quellen und Materialien sowie Aufgabenstellungen, auf die Bildungsmedien und Lehrkräfte ebenfalls achten sollten. So heißt es im Abschnitt, der sich der Sprache widmet, etwa, dass Begriffe aus dem antisemitischen Jargon oder aus der NS-Propaganda „möglichst durch analytische Begriffe ersetzt beziehungsweise dort, wo sie aus fachlichen oder didaktischen Gründen benutzt werden, in Anführungszeichen gesetzt beziehungsweise kontextualisiert und dekonstruiert werden“ sollten. Bei der Materialauswahl sei es unerlässlich, Bildquellen zu prüfen. „Dies gilt gleichermaßen für historische fotografische Darstellungen beziehungsweise Fotomontagen wie für aktuelle Bild- oder Filmmaterialien, insbesondere vor dem Hintergrund zunehmend KI-generierter Bild-, Ton- und Filmprodukte.“ Und mit Blick auf die Aufgabenstellung rät die Erklärung, Rechercheaufgaben zu Spuren jüdischen Lebens in der Vergangenheit durch Begegnungen mit jüdischem Leben in der Gegenwart zu ergänzen.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erhofft sich viel von dem gemeinsamen Vorgehen: „Das Berücksichtigen dieser Empfehlungen in der Erstellung, Begutachtung und Auswahl von Schulbüchern kann bei Schülerinnen und Schülern, aber auch bei Lehrenden, zu mehr Verständnis für das Judentum, seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte und Gegenwart sowie zu einer wirksamen Prävention vor Antisemitismus führen.“ Nun werde es auch darum gehen, dass Lehrpläne überarbeitet und Lehrkräfte qualifiziert werden, um gute von fehlerhaften Materialen unterscheiden zu können. News4teachers
Die haben also mehrere Monate gebraucht, um diese Empfehlungen zu erarbeiten.
Als Lehrkraft hält man aber den Unterricht immer am nächsten Tag. Jeden Tag wieder. Wo sind also die sofort einsetzbaren Materialien für unterschiedliche Klassenstufen, Schularten und Leistungsniveaus?
Man sollte diese Leute einfach nur eine einzige Woche in eine durchschnittliche Schule stecken, sagen wir mal, mit 25 Unterrichtsstunden und Klassenleitung.
Und mit stark divergenter Haltung zu Israel…
“Sachgerecht, vorurteilsfrei und zeitgemäß, so sollen Bildungsmedien – aber auch Lehrkräfte im Unterricht – über das Judentum informieren.”
Das schüttelt die hochqualifizierte Lehrkraft doch so nebenbei aus dem Ärmel, neben Korrekturen, pädagogischen Gesprächen und dem sonstigen Katalog an Tätigkeiten (“Herr Kollege, könnsen sie mal eben kurz in die 7a, die hat gerade keinen Lehrer. Und ich sehe gerade, dass Sie so gemütlich bei einer Tasse Kaffee im Lehrerzimmer Materialien sichten. Hopp, hopp, Zeit für etwas “echte” Arbeit…”). Und die “Einfach-Lehrkraft” soll je demnächst noch “besser” qualifiziert sein… die hat die Materialien wahrscheinlich alle bereits im Ärmel und schüttelt diese auf dem Weg zur Vertretungsstunde “ein-fach” heraus…
Die Einfach- Lehrkraft war vielleicht zuvor schon Archäologe mit Schwerpunkt Vorderer Orient, die hat da sogar Detailwissen über die Anfänge!
Wurde bisher der Unterricht mit Vorurteilen erteilt? Ich weiß es nicht,weil ich keine Geschichte/ Gemeinschaftskunde unterrichte.
Bei den Lehrern gehe ich von einer unabhängig von der privaten Meinung von einem lehrplangerechten Unterricht aus. Bei den Schülern dürfte es ein großes Spektrum an Haltungen geben, die sich aufgrund der Unterrichtsreihe kaum ändern dürften.
Ich würde lieber von gar nichts ausgehen. Der Antisemitismus ist in Europa über Jahrhunderte erlernt und seit dem 8.Jahrhundert nachweisbar.