“Völlig lebensfremd”: Bildungsminister kritisiert Handy-Verbot an Grundschulen

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ERFURT. Der Entwurf des Koalitionsvertrages von CDU, BSW und SPD sieht für Grundschulen ein Handy-Verbot vor. Das Vorhaben ist «völlig lebensfremd», sagt Thüringens scheidender Bildungsminister.

Auf dem Sprung: Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke). Foto: Jacob Schröter / Ministerium für Bildung, Jugend und Sport

Thüringens scheidender Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hält nichts von Plänen zu einem Nutzungsverbot für Handys an Grundschulen. «Thüringen wird damit in eine Zeit vor der digitalen Welt zurückkatapultiert, das ist eine Reise in die Vergangenheit», sagte er.

Selbstverständlich müssten Kinder schreiben und lesen lernen. Ohne diese Fähigkeiten könnten sie digitale Medien wie Smartphones ohnehin nicht bedienen. «Aber es muss doch darum gehen, den Anteil von digitalem und analogem Lernen auszubalancieren und nicht die eine Sache komplett zu verbieten», sagte Holter.

Analoges Lernen statt Handy-Nutzung

Im Entwurf ihres Koalitionsvertrages haben sich CDU, BSW und SPD darauf geeinigt, die Nutzung von Handys an Grundschulen weitgehend zu verbieten. So ließen sich unter anderem Ablenkungen minimieren und die sozialen Interaktionen in der Schule verbessern. Dahinter steht aus Sicht der potenziellen Bündnis-Partner eine pädagogische Grundüberzeugung: «Wir wollen den Vorrang von analogem Lernen in der Grundschule.»

Nach Informationen aus Verhandlungskreisen soll vor allem das BSW auf diesen Passus im Entwurf des Koalitionsvertrages gedrungen haben. Schon das Sondierungspapier enthielt eine vergleichbare Absichtserklärung.

Holter: «Handy-Verbot ist völlig lebensfremd»

Holter sagte hingegen, mit dem beabsichtigten Handy-Verbot werde Kindern das Lernen sogar erschwert. «Wir müssen die Kinder dort abholen, wo sie sich bewegen und das ist heutzutage nun mal auch die digitale Welt.» Kinder würden heute nicht zuletzt durch den Einfluss ihrer Eltern mit digitalen Medien und Geräten aufwachsen. «Dieses Handy-Verbot ist einfach völlig lebensfremd.»

Aller Voraussicht nach wird Holter nicht mehr lange Bildungsminister sein, sondern wie die gesamte geschäftsführende rot-rot-grüne Landesregierung demnächst aus dem Amt scheiden. Wer das Bildungsministerium dann führen wird, ist derzeit offen. Zuletzt hatte die Thüringer SPD öffentlich Anspruch darauf angemeldet. Auch der CDU sind allerdings Ambitionen auf die Besetzung dieses Ressorts nachgesagt worden. News4teachers / mit Material der dpa

Genderverbot, Handy-Verbot, Kita-Pflicht: Bildungspolitik der Brombeere nimmt Konturen an

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Spirale
4 Monate zuvor

Ist besser so, dass der geht. Handys haben in Grundschulen nichts verloren und eigentlich sollten die Dinger auch in höheren Jahrgangsstufen mal dringend hinterfragt werden.

Diese BYOD-Bigotterie muss auch aufhören. In einer “normalen” Welt hätten die Schulen genug funktionierende Leihgeräte, um den Unterricht digital zu unterstützen. Dann bräuchte es kein BYOD.

Alese20
4 Monate zuvor
Antwortet  Spirale

Da bin ich mal ganz Ihrer Meinung.

Hannah Halloumi
4 Monate zuvor

Ich hatte lange Zeit gehofft, dass die Länder, vielleicht auch in gemeinsamer Absprache, evt. mit Rückendeckung des BMBF, klare, schulübergreifende Regelungen beschließen, um die Schulen und uns einzelne Kolleg*innen nicht mit dem Ausfechten dieses elenden Kampfes allein zu lassen …sondern um z.B. klarzustellen: “Handies in der Schule: ja, aber bitte nur mit schuleigenen Geräten zu Lernzwecken, eingebunden in den Unterricht”.

Aber: zu solchen einheitlichen Regeln wird es, mit Leuten wie ihm, wohl nicht kommen. Und mittlerweile bin ich sogar ganz froh drüber: denn die Möglichkeit für jede Schule, sich eigenständig zu positionieren, ist auch eine Chance. So wird es möglich, dass letztlich die Eltern entscheiden, welcher der unterschiedlichen Wege erfolgreich sein wird. Wenn transparent ist, wie eine konkrete Schule mit diesem Thema umgeht, dann können die Eltern das zum Kriterium für die Schulwahl machen, und ihre Kinder dann auf eine Schule schicken, die die Angelegenheit so regelt, wie es aus ihrer Sicht sinnvoll ist. Man darf gespannt sein, welche Ansätze sich durchsetzen. Und in fünf, sechs Jahren wird man dann vielleicht erste Korrelationen sehen und auswerten können, wie z.B. die Siebtklässler des Jahrgangs 2025/26, je nach Handyregelung, in ihren jeweiligen weiteren Bildungskarrieren so abschneiden.

H. F.
4 Monate zuvor
Antwortet  Hannah Halloumi

// Und in fünf, sechs Jahren wird man dann vielleicht erste Korrelationen sehen und auswerten können, wie z.B. die Siebtklässler des Jahrgangs 2025/26, je nach Handyregelung, in ihren jeweiligen weiteren Bildungskarrieren so abschneiden. //

Das glaube ich nicht, fünf bis sechs Jahre sind nichts im deutschen Bildungswesen. Wir hinken den Erkenntnissen anderer Länder üblicherweise mindestens 10 Jahre hinterher. Es braucht schon mindestens eine vollständig durchgeschädigte Generation von Schülern, bevor man alte Heilsbringer hinterfragt. Bis dahin heißt es: Smartphones und Tablets machen aus Kindern Digital Natives. Die werden uns alte Knochen noch alle abhängig, ähhh, abhängen!

Schotti
4 Monate zuvor

Handys haben doch mit Digitalisierung im Bildungswesen überhaupt nichts zu tun. Man sieht hier ganz deutlich, dass dieser Mann als Minister null Ahnung von seiner Arbeit hat.

Ragnar Danneskjoeld
4 Monate zuvor
Antwortet  Schotti

Der Typ ist Diplom-Ingenieur für Betontechnologie – keine Überraschung also.

Carsten
4 Monate zuvor

Ein typischer Betonkopf – “vorwärts immer, rückwärts nimmer” – ohne zu wissen, wo warum “vorwärts” ist.

Sepp
4 Monate zuvor

«Aber es muss doch darum gehen, den Anteil von digitalem und analogem Lernen auszubalancieren und nicht die eine Sache komplett zu verbieten», sagte Holter.

Doch, genau darum sollte es gehen!

Es ist eher lebensfremd, einen “Smartphone-Unterricht” in Grundschulen zu erwarten.
Wenn es denn unbedingt sein muss, kann man Grundschüler an schuleigenen Laptops, Notebooks bzw. iPads arbeiten lassen…

Einer
4 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Grundschule MUSS analog bleiben, damit die Schüler die Dinge begreifen können. Und das sagt ich als ITler, der jeden Tag EDV-Unterricht gibt und selbst nebenbei noch 6-8 Stunden pro Tag am PC arbeitet.

ginny92
4 Monate zuvor

Es lässt sich auch wahnsinnig gut mit Smartphones mit 6 jährigen an ihren Digitalen Kompetenz arbeiten. Man also Fachkenntnis erwartet man schon nicht mehr bei Bildungsministern aber logisches Denken ist anscheinend jetzt auch noch aus.

Lehrer_x
4 Monate zuvor
Antwortet  ginny92

Wieder so eine Erwartungshaltung, die Lehrer erfüllen sollen, während nachweislich Lese- und Rechtschreibschwächen zunehmen – scheinbar durch zu wenig analoges Arbeiten…

Andreas
4 Monate zuvor

Das ich das einmal von einem Linken zu lesen bekomme, der äußert, Verbote seien nicht die Lösung, versetzt mich doch in staunen. Meiner Meinung nach sind Verbote nie gut, sie verlagern das Problem. Man könnte solche Fragestellungen anders regulieren.

Michael K.
4 Monate zuvor
Antwortet  Andreas

Verbote sind nie gut? Sie verlagern das Problem. Dann sollte also Diebstahl nicht mehr verboten sein? Er verlagert das Problem? Und Körperverletzung sollte nicht mehr verboten sein? Das verlagert das Problem? Oder Geschwindigkeitsübertretungen sollten nicht mehr verboten sein? Sie verlagern das Problem?

Wie sähe dann also Ihr BGB aus?

A.J. Wiedenhammer
4 Monate zuvor
Antwortet  Michael K.

Wie wäre es mit einer Auflistung, was alles erlaubt ist?
Nun gut, das wird zwar ein klitzeskleines bisschen umfangreich, aber da arbeitet sich der mündige Bürger doch gerne durch. (I.o.)

Autobahnabfahrt
4 Monate zuvor

Dann steht dort z.B. bzgl. Schule, man dürfe dort

  • zuhören
  • mitarbeiten
  • aufpassen
  • lernen…………….

Und alles, was nicht genannt ist, wäre verboten? 😉

Andreas
4 Monate zuvor
Antwortet  Michael K.

Ich störe mich sehr an dem Wort Verbot. Es erinnert stark an die DDR-Zeit. Falls solche Angelegenheiten in das Strafrecht Einzug halten, bin ich nicht dafür. Besser fände ich, wenn in der Schulordnung geregelt ist, dass die Smartphones an GS nicht benutzt werden dürfen (kann doch jetzt schon besschlossen werden). Fertig. Da gleich die große Keule zu schwingen halt ich nicht für intelligent. Genauso sinnfrei finde ich das durchgedrückte Genderverbot. DDR, ich hör dir trapsen.

Leerkörper
4 Monate zuvor
Antwortet  Andreas

Ich bin auch schon lange gegen Verbote. Vor allem im Straßenverkehr…..

Lisa
4 Monate zuvor
Antwortet  Andreas

Wenn man eine Sache nicht ständig neu verhandeln möchte, ist ein Verbot durch den Gesetzgeber zielführend.

AlterHase
4 Monate zuvor

Selbst nach Meinung von Bitkom ist es in der Grundschule zu früh für solche Geräte:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/bitkom-kinder-handy-100.html

Michael K.
4 Monate zuvor
Antwortet  Realo

Was sagen denn die Studien?

Realo
4 Monate zuvor
Antwortet  Michael K.

Unter anderem: „Je länger die Jugendlichen zum Zeitvertreib am Handy hängen, desto schlechter sind ihre Leistungen.“
Soll ich Ihnen noch Studien zur Nutzung „Sozialer“ Medien raussuchen?

Autobahnabfahrt
4 Monate zuvor
Antwortet  Realo

Die Frage wäre, liegt das daran, dass sie soziale Medien konsumieren oder dass sie sich dadurch nicht mit schulischen Themen beschäftigen (die Ablenkung könnte also auch eine andere sein mit dem gleichen Effekt)?

Michael K.
4 Monate zuvor

Es ist schon gefragt worden, aber eine Antwort kam nie, wo werden denn in Grundschulen im Unterricht Handys verwendet? In Thüringen geht die Grundschule bis Klasse 4. Um was für einen Handygebrauch geht es denn da??????

Und wie ich beim anderen Artikel schrieb, das sind doch nicht die Themen, die uns an den Schulen auf den Nägeln brennen und mit denen das Lernen nun nachhaltig verbessert wird !!!

Realo
4 Monate zuvor
Antwortet  Michael K.

Da würde ich aber widersprechen. Ich denke, dass die Reglementierung von Smartphones und Social Media den größten positiven Effekt überhaupt auf die Entwicklung der Kinder hätte.

Autobahnabfahrt
4 Monate zuvor
Antwortet  Realo

Können Sie das genauer ausführen?

Realo
4 Monate zuvor
Antwortet  Autobahnabfahrt

Klar. Erstens würden sich die kognitiven Fähigkeiten verbessern.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1876285921000085#:~:text=Experimental%20research%20reviewed%20herein%20suggests,associated%20with%20poorer%20language%20and
Und zweitens würde sich die psychische Gesundheit verbessern.
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Social_media_and_suicide

Ich habe nichts gegen Smartphones und Tablets als Werkzeug. Die Kinder werden mit den Dingern allerdings alleine gelassen, zugemüllt mit Dünnem, Cyber Bullying ausgeliefert, und und und.
Wer sich nur ein bisschen mit dem Thema beschäftigt weiß, dass wir den Kindern schaden, wenn wir sie der Möglichkeit berauben in einer analogen, realen Welt aufzuwachsen.

Ceterumcenseo
4 Monate zuvor

Ein deutschlandweites Verbot wäre angebracht!
Sowie die Ausweitung auf ein Verbot auf alle BYOD Geräte! Die Schulen nach der Grundschule sollten jedem Schüly ein Gerät zur Verfügung stellen, welches pädagogisch eingebunden und kontrolliert werden kann. Alles andere ist Ablenkung und birgt erhebliches Konfliktpotential mit der Lehrkraft, die wissensbasiert den Lehrstoff vermitteln will.

Lisa
4 Monate zuvor

Handys weg aus Schulen – braucht kein Mensch. Draußen vor dem Tor können die Schüler dann ihren Eltern Bescheid sagen, dass sie die 6 Stunden überlebt haben. Noch verderblicher als im Unterricht sind Handys für die Pausen. Untergraben jede Kreativität, Bewegung, was die Kinder ja nötig haben und analoge Interaktion.

R.R.
4 Monate zuvor

Zum Glück hat er nichts mehr zu melden. Völlig Lebensfremd, hat er überhaupt Kinder oder zumindest Umgang mit Kindern? Oder sieht er zumindest mal Kinder im Alltag? Wahrscheinlich nicht, sollte er mal beobachten. Die kleinen Kinder im ÖPNV, die von ihren Eltern mit Smartphone ausgestattet werden tun mir leid. Oft sind es die mit den Discounter-Klamotten, deren Tag damit nur noch hohler und trister wird als ohnehin schon.

Lisa
4 Monate zuvor
Antwortet  R.R.

Discounter haben zuweilen gute Klamotten in ihren Auktionen, sogar Bio- Baumwolle. Seit es bei Lidl Champagner zu Dumping Preisen gibt, kauft dort auch die Upper Class.

R.R.
4 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Joah, zuweilen ok. Ich meine die Kinder mit den 14,99 Winterstiefeln und der 12,99 Jacke, die auch nicht aus Bio-Gründen im Bus sitzen; hier im eher “ländlichen Raum” sehen sie die Upper Class grundsätzlich niemals im Bus oder der Regionalbahn, nie. Keine Ahnung wie es in München oder so ist.

Hans Malz
4 Monate zuvor

Ist vielleicht ganz gut, dass der “scheidend” ist.

A.J. Wiedenhammer
4 Monate zuvor

. «Wir müssen die Kinder dort abholen, wo sie sich bewegen und das ist heutzutage nun mal auch die digitale Welt.» Kinder würden heute nicht zuletzt durch den Einfluss ihrer Eltern mit digitalen Medien und Geräten aufwachsen. «Dieses Handy-Verbot ist einfach völlig lebensfremd.»

Sehr geehrter Herr Holter, Kinder sind heute (wie eigentlich immer schon) mit mannigfaltigen Dingen konfrontiert, die ihnen trotzdem nicht unbedingt zuträglich sind. Auch elterlicher Einfluss kann durchaus problematisch sein.
Daraus zu schließen, all das in die Schule zu holen, damit auch alle quasi “etwas davon haben” , ist keine zwingende Schlussfolgerung. Nein, im Gegenteil: man kann Schule durchaus in vieler Hinsicht auch als Schutzraum begreifen. Warum also nicht handyfrei? Welche überlebenswichtigen Tätigkeiten würden denn den Grundschul(!)kindern verwehrt bleiben?

Mitlesende Mutti
4 Monate zuvor

Kinder in ihrer Lebenswelt abholen bedeutet für mich, ihnen zu zeigen, dass es noch was anderes als ihre Lebenswelt gibt und wo die Treppe (selbst gehen!) nach oben ist. Ansonsten bleibe ich da, wo die Kids sind: oft ganz unten.

Leerkörper
4 Monate zuvor

«völlig lebensfremd», ist wohl auch Thüringens scheidender Bildungsminister.