POTSDAM. Die Diskussion um das diesjährige Mathe-Abitur schlägt hohe Wellen. Zehntausende Schüler finden es zu schwer und gehen auf die Barrikaden. Der Brandenburger Pädagogenverband (BPV) versteht ihren Unmut.
Zehntausende Schülerinnen und Schüler protestieren gegen das diesjährige Mathe-Abitur – für den BPV ist das nachvollziehbar. «Das Abitur war zu umfangreich, zu unterrichtsfremd und an manchen Stellen bei Fragestellungen ungeschickt formuliert», sagte Präsident Hartmut Stäker am Dienstag im Gespräch. Stäker ist ausgebildeter Mathematik-Lehrer und Zweitkorrektor bei den Prüfungen.
Er sei die Prüfung selbst durchgegangen und habe dafür 15 Stunden gebraucht, die Schüler hätten dafür aber nur fünf Stunden zur Verfügung gehabt, sagte Stäker. Ein Großteil hätte den Umfang gar nicht bewältigen können. Teilweise seien Fragestellungen unverständlich und nicht eindeutig gewesen. Auch hätten die geübten Aufgaben aus dem Unterricht und den Lehrbüchern nichts mit denen in der Prüfung zu tun gehabt. Das seien ganz andere Algorithmen gewesen.
Nach Ansicht von Stäker sollten die Prüfungen jetzt aber so durchgewunken werden. Nachprüfungen hätten auch in den vergangnen Jahren für die Schüler nichts gebracht. Die Kultusministerkonferenz sollte sich aber überlegen, was das Mathe-Abitur eigentlich sein soll: der höchste Abschluss der Allgemeinbildung oder der niedrigste Abschluss einer Spezialbildung.
Bildungsministerium: reibungslos
Das Bildungsministerium teilte auf Anfrage mit, die Prüfung im Land sei reibungslos verlaufen. Es hätten sich keine Anzeichen für Unregelmäßigkeiten ergeben. Das Ministerium wolle aber Hinweisen von Schülerinnen und Schülern auf angeblich zu schwierige Aufgaben nachgehen. Für das schriftliche Abitur im Fach Mathematik am 3. Mai waren rund 5700 Brandenburger Schülerinnen und Schüler gemeldet.
Am Wochenende hatten sich zunächst Zehntausende Schüler in Bayern, Niedersachsen, Bremen, Hamburg und dem Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Thüringen und Sachsen-Anhalt über den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben beschwert und mit Online-Petitionen an ihre Kultusministerien gewandt.
Am Montag kamen Schüler aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein hinzu, so dass die Zahl am Nachmittag bis auf rund 70.000 gestiegen war, davon alleine rund 60.000 in Bayern. In Brandenburg haben bis Dienstagmittag rund 340 Schülerinnen und Schüler unterschrieben. dpa
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
@redaktion: Ein gestandener Mathematiklehrer kann keine 15 Stunden für eine Abiturklausur brauchen, für die den Schülern nur 5 Stunden zugestanden werden. Handelt es sich um einen Schreibfehler Ihrerseits?
Abgesehen davon sind die Aufgaben aus dem Screenshot absolut angemessen für heutige Analysisaufgaben. Mit Mathematik im ursprünglichen Sinne haben aber auch diese nichts zu tun.
Ich stimme Ihnen zu, auch wenn die 15 Stunden als Angabe korrekt sind. Ein Vergleich mit anderen Berichten bestätigt diese Zeitangabe.
Hier wird allerdings auch etwas durcheinander geworfen. Die abgebildete Aufgabe stammt aus Bayern und der Mathelehrer aus Brandenburg. Ich würde mich freuen, die angesprochenen Abitur-Aufgaben mit dreifachem Zeitaufwand zu sehen. Was ich bisher aus Bayern und anderen Bundesländern sehen durfte, ist mittelmäßig anspruchsvoll.
@ xxx: Die abgebildete Aufgabe finde ich vom Schwierigkeitsgrad durchaus für angemessen.
Nun möchte ich aber endlich mal von Ihnen wissen, was Sie mit „Mathematik im ursprünglichen Sinne“ meinen. Mit diesem undefinierten Begriff befeuern Sie ja ständig die Diskussion.
Mathematik als beweisende Wissenschaft, beispielsweise das, was Sie 1970 in Studienvorbereitungskursen oder in Ihrer eigenen Schulzeit mit Sicherheit noch haben machen müssen. In der Analysis gehört insbesondere ein vernünftiger Grenzwertbegriff dazu.
Ganz allgemein meine ich damit eine Heranführung der Schüler an die Anforderungen eines Mathematikstudiums, also die einfacheren Teile der Vorlesungen Analysis I und Lineare Algebra I/II während der gymnasialen Oberstufe.
Das geschieht doch auch, hier bleibt allerdings offen, was der einzelne als einfachere Teile definiert (sorry, aber ich bin Mathematiker und mir fallen schnell undefinierte Begriffe auf).
Bedenken Sie auch, dass die meisten Schüler im Mathe-Kurs nicht Mathematik studieren werden und wollen. Dies galt auch für die Leistungskurse alter Art.
Mathematik ist auch nicht, wie Sie das einengen, nur eine beweisende (deduktive) Wissenschaft, sie ist auch eine kreative (induktive und abduktive), die sich heuristischer Methoden bedient, sonst könnte sie ja gar nicht neue Fakten und Zusammenhänge erschließen. Und sie hat auch eine Anwendungsseite (angewandte Mathematik), die es anderen Wissenschaften ermöglicht, mit der „Sprache“ der Mathematik spezifische Probleme zu lösen.
Diese Anwendungsseite kann man dann ja den anderen Fächern überlassen …
Na Herr Möller, die meisten Mathelehrer würden schon einen Konsens finden, was die „einfacheren“ Teile der Mathematik sind!
Klar dürfte ja wohl sein: Je mehr Zeit mit dem Lesen und Durchdenken von langen Texten draufgeht, umso leichter muss dann der eigentliche mathematische Anteil sein, der zu bearbeiten ist. Denn die Gesamtzeit ist immer festgelegt, z.B. 180 Minuten. Das gilt auch für andere Prüfungsfächer, z.B. Physik oder Biologie.
Natürlich gehört die Definition des Grenzwertes in den Unterricht. Welche Aufgaben dazu schweben Ihnen in Abi-Prüfungsaufgaben denn vor, beziehungsweise welche vermissen sie?. Wollen Sie Epsilontik betreiben? Ich nicht.
Leichte Beweise sind in Prüfungen mit beschränkter Zeit möglich, sie kommen in der abgebildeten Analysis Aufgabe doch auch vor (Zeige, dass…). Beweise, bei denen man eine gute Idee haben muss oder sich heuristisch an eine Lösung heranrobben muss, halte ich aber in Prüfungen wegen der Zeitbegrenzung nicht für fair.
Im Übrigen: ich habe in der Schule keinen exakten Grenzwertbegriff kennen gelernt. Was mir an der Uni aber nicht geschadet hat.
In NRW ist der exakte Grenzwertbegriff rausgeflogen und wurde durch einen „anschaulichen“ Grenzwertbegriff ersetzt (man setzt für h eine kleine positive Zahl ein). Stetigkeit ist überhaupt nicht vorgesehen.
Streng nach Lehrplan NRW sind alle Funktionen der Schulmathematik unendlich oft differenzierbar. Sogar die Betragsfunktion muss nicht als Beispiel einer nicht überall differenzierbaren Funktion herangezogen werden. In der Vektorgeometrie wird nur in drei Dimensionen gearbeitet, Matrizen werden nur multipliziert, nicht addiert. Außerdem gibt es nur stochastische Matrizen.
Kann mir ein (bayrischer) Kollege erläutern, wie viel Zeit für diese Aufgabe eingeplant war? In Schleswig-Holstein sind für eine Analysisaufgabe 90 Minuten vorgesehen (da lief diese Aufgabe nicht) und vom Gefühl her (und das passt bei mir meistens) wäre diese Aufgabe dann schon etwas lang.
Ich finde sie auch nicht sonderlich gut gestellt, das kann man sicher besser machen, fachlich aber grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Die Aufgaben aus Bayern stehen hier im Internet:
http://www.isb.bayern.de/schulartspezifisches/leistungserhebungen/abiturpruefung-gymnasium/mathematik/2019/
Da wird auch klar, wie sich die 180 Minuten auf die drei Aufgaben verteilen: Die Analysisaufgabe im B-Teil hat die doppelte Punktzahl der beiden anderen, also 90 Minuten Analysis, und je 45 Minuten Stochastik und Geometrie.
In Schleswig-Holstein bekommen die Lehrer am Vortag (nachmittag) die Zentralabituraufgaben zu sehen und müssen zwischen zwei Analysis-Vorschlägen einen für ihre Lerngruppe auswählen. Dafür habe ich so ca. 20-30 Mintuen Zeit. Ich brauche also ein gutes Gefühl dafür, was angemessen ist und besonders, wie gut es zeitlich zu schaffen ist.
Die bayrische Aufgabe hätte ich – bei guter Alternative – ganz sicher nicht gewählt, weil mein Gefühl mir sagt, dass sie sehr umfangreich ist. Auch ist sie inhaltlich/handwerklich nicht gut gemacht, aber das darf kein Kriterium sein. Sie ist fachlich (d.h. vom Schwierigkeitsgrad) in Ordnung.
Ich finde hier nicht, dass der Vorwurf des Zeitmangels völlig unbegründet ist.
20-30 Minuten für die Auswahl ist flott. Für NRW habe ich dieses Mal rund 45 Minuten gebraucht.
Bei Spiegel Online sind die bayerischen Aufgaben als pdf zu finden.
Einfach suchen nach
„Diese Aufgaben fanden Abiturienten zu schwer“
Danke. Meine Ansicht der Angemessenheit der Aufgaben hat sich bestätigt.
Der Schwierigkeitsgrad des Mathe-Abis 2019 in Brandenburg hielt sich in Grenzen
Auch in Brandenburg halten die Schülerproteste gegen das Mathe-Abi 2019 aufgrund des vermeintlich hohen Schwierigkeitsgrades an. Es sollen wohl bereits nach Medienberichten über 500 Schüler die Petition unterschrieben haben. Auf der Web-Site von News4 Teachers wurden 3 Aufgaben der Aufgabengruppe 1 veröffentlicht. Es sollen hier lediglich auswahlweise einige Anforderungen vorgestellt werden. In der Aufgabe 1 a musste das Verhalten der Funktion f(x)= 2-ln (x-1) in den Grenzen des Definitionsbereiches D=[1; +oo] untersucht werden. Die Anfertigung einer Wertetabelle führte hier sehr schnell zum Ziel! Dann sollte in der Aufgabe 1 b die Nullstelle der Funktion ermittelt werden [0=2-ln(x-1)→2 =ln (x-1) →e²=x-1→ e²+1=x→ 2,72²+1=8,398→ x≈8,4]. In 1c musste die obige Funktion aus der Funktion g(x)=ln(x) hergeleitet werden (nach oben um 2 Einheiten in Richtung der y-Achse und nach rechts um eine Einheit in Richtung x-Achse verschieben und dann die Funktion spiegeln). Mit der Aufgabe 1 d musste die obige Funktion integriert werden. Eine partielle Integration führte hier schnell zum Ziel [∫ 2-ln (x-1)= 3x-(x-1)*ln (x-1)]. In der Aufgabe 3 a und b musste von der Funktion f(x)= k*x³+3*(k+1)*x²+9x die zweite Ableitung gebildet werden und dann nach x umgestellt werden, um die Abhängigkeit x von k festzustellen (Resultat ergibt sich: x= -1-1/k). Allem in Allem hielt sich der Schwierigkeitsgrad in beim Mathe-Abi 2019 in Grenzen! Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen
Zitat:
„Er sei die Prüfung selbst durchgegangen und habe dafür 15 Stunden gebraucht, die Schüler hätten dafür aber nur fünf Stunden zur Verfügung gehabt, sagte Stäker.“
Das kann ja wohl nicht sein. Welcher ausgebildete Mathematik-Lehrer braucht für eine Abi-Aufgabe 15 Stunden? An welcher Schulform unterrichtet Herr Stäker?
1,5h ist realistischer. aber dann sind 5h für Schüler absolut in Ordnung.
Oben schrieb jemand (PeterPan), dass die 15 Stunden auch in anderen Quellen auftauchen.
Die Frage mit den 15 Stunden hat sich geklärt: Herr Stäker brauchte tatsächlich 15 Stunden, allerdings für alle Aufgaben – die Schüler mussten nur die Hälfte der Aufgaben im Abitur lösen. Allerdings darf es nicht sein, dass ein ausgebildeter Mathematik-Lehrer so lange für die Aufgaben benötigt und dann noch, wie er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte bei Unsicherheit seine Tochter fragt, weil diese Profi-Mathematikerin sei.
Wie soll ein Mathematik-Lehrer, der Probleme mit den Abitur-Aufgaben hat seine Schüler sicher und gut auf ein eben solches Abitur vorbereiten?
Die Anforderungen an die Lehramtsstudenten sollen ja gesenkt werden. Welche Lehrkraft kann dann in Zukunft überhaupt noch Abi-Aufgaben rechnen?
Er würde dann 7,5h für die Hälfte der Aufgaben brauchen, was auch noch viel zu viel ist. Entweder hat der Schulmathematik nie richtig durchdrungen oder er ist seit Jahr(zehnt)en raus aus der Materie.
Aus der Süddeutschen Zeitung:
„Das ist auch in Brandenburg so. Dort begutachtet der Lehrer Hartmut Stäker seit vier Jahren als Zweitkorrektor Mathe-Abiturklausuren – und rechnet die Aufgaben vorher selbst durch.“
Er ist also nicht seit Jahrzehten raus aus der Materie.
Was möchte Herr Stäker mit seiner Aussage bewirken? Er ist Vorstand des Brandenburger Philologenverbandes, ihm müsste es also um das Ansehen von Lehrern in der Öffentlichkeit gehen! Mit seinen Aussagen erweist er den Lehrern aber einen Bärendienst. Wie kommt diese Aussage in der Öffentlichkeit an? Seht her nicht mal die Lehrer schaffen die Abi-Aufgaben in angemessener Zeit! Zu dem (durch Studien widerlegten aber in der Öffentlichkeit immer gern genannten Vorurteil „Gymnasiallehrer haben didaktisch nix drauf“ kommt nun noch dazu dass „Lehrer nicht mal fachlich was drauf haben“.
Arbeitszeugnis: Herr Stäker hat sich bemüht, den Anforderungen seines Berufs zu entsprechen.
oder:
Der Herr Stäker soltte sich Gedanken über eine umfassende berufliche Neuorientierung machen, da er offenbar den Anforderungen seines momentanen Berufs nicht ansatzweise gewachsen ist.
In bayern hat man 240 min zeit für das mathe abitur.
Viele Grüße ein Abiturient
PS: ich war 30 min früher fertig
Danke für die Rückmeldung. Dadurch wurde meine Einschätzung noch plausibler.
Auch die Anforderungen des Mathe-Abis von NRW hielten sich in Grenzen!
Die Aufgaben des Mathe-Abis 2019 für NRW konnte man auf der Web-Site von rp-online vorfinden. Von den Anforderungen konnten nur die Aufgabe 1 a und 1 b vollkommen entziffert werden. Zunächst sollten mit der Aufgabe 1 a die x-Werte der Schnittpunkte der beiden Funktionen g(x)= x²-x+1 und h(x)= -x²-5x+1 bestimmt werden. Dazu mussten die beiden Funktionen g(x) und h(x) gleichgesetzt werden. Es gilt also: x²-x+1= -x²-5x+1. Damit kann formuliert werden: x²+2x=0. Es ergeben sich also die beiden Lösungen x1 =0 und x2=-2.Mit der Aufgabe 1 b sollte die Fläche der beiden sich überschneidenden Funktionen g(x) und h(x) berechnet werden. Die beiden Funktionen sind jeweils in den Grenzen 0 und -2 zu integrieren und voneinander zu subtrahieren. Es gilt also
0 0 0 0
F(x)=∫x²-x+1 dx – ∫ -x²-5x+1 dx=│x³:3-x²:2+x│- │-x³:3-2,5x²+x│.
-2 -2 -2 -2
Mit x=-2 eingesetzt, ergeben sich für F(x) = -20/3+28/3=8/3 FE.