Website-Icon News4teachers

Kippt Bayern das Fach Englisch in der Grundschule?

MÜNCHEN. Der Bayerische Philologenverband fordert: Schluss mit methodisch-didaktischen Neuerungen in der Grundschule wie dem verpflichtenden Englischunterricht. Offenbar denkt die Landesregierung tatächlich über eine Abschaffung des erst vor einigen Jahren in den Klassen drei und vier eingeführten Faches nach. Zumindest ausschließen wollte ein Sprecher eine Neuregelung nicht.

G8, Studiengebühren, Englisch in der Grundschule: In Bayern geraten die bildungspolitischen Reformen der vergangenen Jahre ins Wanken. Foto: &DC / Flickr (CC BY 2.0)

Anlass der Forderung ist eine Umfrage unter bayerischen Gymnasiallehrern, wie sich die veränderten Rahmenbedingungen und bestimmte methodisch-didaktische Neuerungen an der Grundschule auf den Anfangsunterricht am Gymnasium auswirken – insbesondere des vor einigen Jahren an der Grundschule eingeführten Englischunterrichts. In einer Online-Umfrage wurden deshalb 1.146 Gymnasiallehrkräfte mit Unterrichtserfahrung in Englisch, Deutsch und Mathematik in der 5. Jahrgangsstufe nach ihren Erfahrungen mit dem Kenntnisstand von Übertrittsschülern aus der Grundschule befragt.

Danach sind nur zehn Prozent der befragten Englischlehrkräfte der Auffassung, dass die Einführung von Grundschulenglisch den seinerzeit erhofften positiven Effekt auf den gymnasialen Englischunterricht zur Folge gehabt hat, die große Mehrheit sieht keinen Qualitätsgewinn. Außerdem verzeichnen rund 85 Prozent der befragten Deutschlehrkräfte eine Abnahme der Rechtschreibleistungen bei den Übertrittsschülern in den letzten Jahren, was auch eine Folge des wegen der Einführung von Englisch gekürzten Deutschunterrichts an der Grundschule sein könnte. 60 Prozent der Befragten meinen außerdem, dass sich die Einführung neuer Rechtschreiblehrmethoden („Lesen durch Schreiben“) an der Grundschule negativ auf die Rechtschreibkompetenz der Schüler ausgewirkt habe. Knapp 70 Prozent der befragten Mathematiklehrkräfte sind zudem der Meinung, die an der Grundschule vermittelten Rechenfähigkeiten hätten nachgelassen. Nicht einmal vier Prozent von ihnen sind überzeugt, dass die in den letzten Jahren im Mathematikunterricht eingeführten methodisch-didaktischen Neuerungen (wie eine neue Subtraktionsmethode) einen positiven Effekt auf die Rechenkompetenz der Grundschüler gehabt haben.

Anzeige

“Grundschüler brauchen mehr Deutschunterricht”

Für den Vorsitzenden des bayerischen Philologenverbands, Max Schmidt, liegen die Konsequenzen auf der Hand: „Unsere Grundschüler brauchen zum einen wieder mehr Deutschunterricht. Flüssiges Lesen und Schreiben und eine sichere Beherrschung der Grundgrammatik sind die zentralen Voraussetzungen für gelingende Bildungswege.“ Auch in Mathematik fordert Schmidt eine Rückbesinnung – er kritisiert insbesondere das Abziehverfahren. „In der Grundschule mag es seinen Zweck erfüllen. Aber am Gymnasium, wo die Rechenaufgaben komplizierter werden, bekommen unsere Schüler massive Probleme mit der Unübersichtlichkeit des Verfahrens“, sagt er. In den Schulheften der Fünftklässler herrsche nach übereinstimmenden Beobachtungen teils „blindes Chaos“. Schmidt, selbst Mathematiklehrer, ergänzt, das Abziehverfahren sei vor allem zur individuellen Förderung einzelner weniger Schüler geeignet, etwa bei Dyskalkulie, nicht aber für die Mehrheit der Gymnasiasten. Selbst die Hälfte der bayerischen Grundschullehrkräfte hält das Abziehverfahren für ein „nicht geeignetes Subtraktionsverfahren“, wie eine Umfrage des bayerischen Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung ergab. „Ganz klar“ sei, so Schmidt: „Das Abziehverfahren muss weg.“

Vor allem aber hakt es aus Sicht der bayerischen Gymnasiallehrkräfte beim Grundschul-Englisch. „Der Englischunterricht an der Grundschule ist meist nicht altersgerecht gestaltet. Die Dritt- und Viertklässler beschäftigen sich mit Inhalten, die eigentlich für Kleinkinder vorgesehen sind“, erläutert Schmidt. „Wir fordern daher: Solange die Rahmenbedingungen wie das Unterrichtsmaterial und die Lehrerbildung nicht stimmen und der Englischunterricht an der Grundschule nicht optimal gestaltet werden kann, sollte er lediglich als Zusatzangebot im Wahlbereich stattfinden. Die dadurch frei werdenden Unterrichtsstunden sollten dringend in den Deutsch- und Mathematikunterricht fließen.“ Erst wenn verbindliche Standards für den Englischunterricht und die Ausbildung der Lehrkräfte an den Grundschulen existieren, könne man über verpflichtendes Grundschulenglisch sprechen. Schmidt stellt dabei klar: „Ich habe nichts gegen guten Englischunterricht an der Grundschule. Wenn die dort geschaffenen Grundlagen gut wären, könnten wir in den Gymnasien bereits in der 5. Klasse mit einer 2. Fremdsprache beginnen und Englisch weiterführen.“ Solange dies aber ein „Wunschtraum“ sei, müsse „Deutsch höchste Priorität haben.“

Nach Angaben des Kultusministeriums in München wird derzeit ein neuer Lehrplan für die Grundschule erarbeitet. Ein stabiles Fundament in Deutsch sei zweifellos wichtig, sagte ein Ministeriumssprecher. «Wie es mit dem Englischunterricht an Grundschulen weitergeht, steht aber noch nicht fest. Der Minister hat noch nichts unterschrieben.» Der Philologenverband werde zu Gesprächen eingeladen. News4teachers

(5.12.2012)

Zum Bericht: “Lehrer-Sprecher Kraus fordert: Weg mit Englisch in der Grundschule”

 

Die mobile Version verlassen