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Lehrer: Mit Sitzenbleiben abschaffen ist es nicht getan

STUTTGART. Der Schulleiter von Salem, Bernd Westermeyer, meint: Politiker machen es sich zu einfach, wenn sie – unter sonst gleichen Bedingungen – das Sitzenbleiben abschaffen wollen. Der VBE schlägt in die gleiche Kerbe.

Bernd Westermeyer – Gesamtleiter der Schule Schloss Salem. Foto: Sebastian Willnow / Schloss Salem

In der Debatte um Sinn oder Unsinn des Sitzenbleibens in der Schule warnt der Lehrerverband VBE vor allzu schlichten Ansätzen. «Wenn es nach Auffassung der politisch Verantwortlichen noch immer zu viele Sitzenbleiber gibt, sollte man nicht das Sitzenbleiben abschaffen, sondern das pädagogische “Frühwarnsystem” ausbauen und den Schülern rechtzeitig ausreichende Unterstützungsangebote machen», meinte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg, Gerhard Brand.

Die Bedingungen an den Schulen müssten so verändert werden, dass nicht das Niveau sinke, sondern Kinder frühzeitig gefördert würden. «Sitzenbleiber fallen nicht plötzlich vom Himmel», sagte Brand. Die Probleme tauchten in der Regel lange vor der Entscheidung über eine Versetzung auf.

Schulisches Lernen müsse nicht nur in den Köpfen der Bildungsbürger, sondern gerade bei bildungsferneren Familien als wichtig für die Zukunft der Kinder angesehen werden – schon im Kindergarten müssten Eltern sensibilisiert werden. Ärgerlich sei es, wenn frühe Unterstützungssysteme an den viel zu knappen Haushaltsmitteln scheiterten. Wer wirklich etwas verändern wolle, müsse «auch Geld in die Hand nehmen», meinte Brand, dessen Verband Lehrer an Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real-, Sonder- und Gemeinschaftsschulen vertritt.

Aus Sicht des Salemer Internatsleiters Bernd Westermeyer kann das Sitzenbleiben in der Schule sinnvoll sein – es sollte aber anders heißen. «Der Begriff Sitzenbleiben ist einfach unerträglich», sagte Westermeyer. «Jemand bleibt sitzen und die anderen gehen weiter – das kann für die Kinder entwürdigend sein, wenn man das so formuliert. Besser ist: Das Kind wiederholt ein Jahr.»

Der Pädagoge findet dies in manchen Fällen durchaus gewinnbringend: «Viele Kinder werden zu früh eingeschult, so dass sie entwicklungsmäßig hintenan sind, da hilft es manchmal, wenn sie ein Jahr wiederholen, um zu reifen.» Dies sollte nicht negativ besetzt sein: «Scheitern ist Teil des Programms. Das ist wie bei Kleinkindern, die immer wieder hinfallen, und immer wieder aufstehen. So könnte man auch den Lernprozess in der Schule sehen.»

Mit der Forderung, das Sitzenbleiben abzuschaffen, machten es sich viele Politiker allerdings zu einfach, glaubt auch Westermeyer: «Die Politik redet klug daher, ermöglicht das aber nicht. Da gibt es eine Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit.» Nach Darstellung von Studienleiterin Brigitte Mergenthaler-Walter liegt die Sitzenbleiber-Quote im Salemer Eliteinternat bei unter zwei Prozent. Im laufenden Schuljahr wiederholen demnach in allen Jahrgangsstufen insgesamt acht Schüler von 605. dpa

(25.2.2013)

Zum Bericht: “Pädagoge: Zur Abschaffung des Sitzenbleibens fehlen noch geeignete Lehrer”

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