STUTTGART. Der klassische Gymnasiallehrer hat nach Überzeugung einer unabhängigen Expertenkommission aus Baden-Württemberg ausgedient. Künftig soll die Ausbildung für Lehrer aller weiterführenden Schulen zusammengelegt, schlägt das Gremium vor. Alptraum Einheitslehrer? Die Gymnasiallehrer laufen Sturm.
Die Fachleute empfehlen der grün-roten Landesregierung, nur noch zwei Lehrämter anzubieten: eines für die Grund- und eines für die weiterführenden Schulen. Die Vorsitzende des Gremiums und frühere Berliner Schulsenatorin, Sybille Volkholz(Grüne), betonte: «Bei uns ist kein Absinken der Fachexpertise vorgesehen.»
Der Philologenverband befürchtet eben dies und reagierte entrüstet auf die Vorschläge der von Kultus- und Wissenschaftsministerium eingesetzten Experten. «Damit wird das Totenglöcklein für das Gymnasium geläutet», sagte Landeschef Bernd Saur der dpa. Gebe es künftig keinen Gymnasiallehrer mit seiner hohen Fachlichkeit mehr, gebe es auch kein Gymnasium mehr. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) nannte die Befürchtungen des Verbands unberechtigt. Es handele sich wohl um die «emotionale Angst, einen Sonderstatus zu verlieren».
Kabinettsvorlage soll noch vor der Sommerpause kommen
Eine aus den Empfehlungen resultierende Kabinettsvorlage werde noch vor der Sommerpause fertiggestellt, kündigte Stoch an. Zuvor sollen die Ratschläge breit diskutiert werden. Auf die Frage, ob die Vorschläge umgesetzt würden, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne): «Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die Empfehlungen in der Schublade verschwinden.»
Saur kritisierte, angesichts der Empfehlung eines «Einheitslehrers» seien die Bekenntnisse von Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) zum Gymnasium reine Sonntagsreden. In den Ministerien werde gegen das Zwei-Säulen-Modell mit Gymnasium und Gemeinschaftsschule gearbeitet, das Kretschmann zur Besänftigung der Eltern verkündet habe. FDP und CDU schlossen sich der Kritik an.
Volkholz berichtete mit Blick auf ähnliche Reformen in Berlin und Nordrhein-Westfalen: «Dort tun sich die Philologen ausgesprochen schwer zu begründen, warum die Lehrer der anderen Schularten schlechter ausgebildet werden sollen als sie selbst.» Der SPD-Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei pflichtete bei: «Es geht um die fachwissenschaftliche Aufwertung des Lehrerberufs insgesamt, sozusagen um Gymnasialstandard für alle.»
Handwerkstag unterstützt die Einheitsausbildung
Der Handwerkstag unterstrich, eine übergreifende Ausbildung der Lehrkräfte sei schon für den Ausbau der Gemeinschaftsschule ein notwendiger Schritt, um gemischte Lerngruppen optimal zu fördern und alle Schulabschlüsse zu ermöglichen. Die Lehrergewerkschaft GEW sprach von einem Signal für Grün-Rot, deutlich mehr in Qualität und Umfang der Lehrerausbildung zu investieren.
Die Grundschullehrer sollen nach den Vorschlägen weiter an den Pädagogischen Hochschulen (PH) ausgebildet werden; alle übrigen sollen ihren sechssemestrigen Bachelor-Studiengang an PH und Universitäten absolvieren. Danach schließt sich je nach Bedarf ein viersemestriges Master-Studium an «Professional Schools of Education» an. Diese sollen von Universitäten und PH gemeinsam gegründet werden. Weitere Neuerung wäre eine sonderpädagogische Grundbildung in allen Lehramtsstudiengängen. Bisher wurden nur Gymnasiallehrer an Universitäten ausgebildet, fast alle anderen an PH.
Vor allem die finanziellen Konsequenzen könnten das Land vor Probleme stellen, sollte es die Vorschläge in die Tat umsetzen. Denn bislang erhielten Gymnasiallehrer wegen eines längeren Studiums mehr Geld als Real- und Hauptschullehrer. Diese Begründung würde bei gleichen Studienzeiten und -orten entfallen. Volkholz sagte, es sei nicht nachvollziehbar, dass Hauptschullehrer an Brennpunktschulen weniger verdienten als Gymnasiallehrer in gutbürgerlichen Wohngebieten. Auch werde nicht nach den realen Arbeitszeiten von Lehrern unterschieden, die vor allem vom Korrekturaufwand bestimmt sind. «Das, was wir heute haben, ist nicht wirklich gerecht.» Eine Kostenexplosion sei aber nicht zwingend mit den Vorschlägen verbunden. dpa
(21.03.2013)
