FRANKFURT/MAIN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert eine strengere Kontrolle von Unterrichtsmaterial. Weil Lehrkräfte selten Zeit dazu hätten, Lehrmaterialien kritisch zu prüfen, solle eine öffentlich kontrollierte Prüfstelle eingerichtet werden, sagte die GEW-Vorsitzende Marianne Demmer. Besonders kritisch beobachte die Gewerkschaft den Versuch der freien Wirtschaft, Lerninhalte durch bereitgestelltes Material zu beeinflussen.
Die Lehrergewerkschaft GEW stellte sich damit hinter die Position der Organisation Lobbycontrol. Diese hatte einen zunehmenden Einfluss von Unternehmen und Verbänden auf Schulen kritisiert. In einem offenen Brief fordert Lobbycontrol die Bildungsminister der Länder auf, mehr gegen eine solche Beeinflussung im Klassenzimmer zu tun.
Der Autor eines Diskussionspapiers zu dem Thema, Felix Kamella, betonte: «Lobbyisten haben die Schule als Handlungsfeld für sich entdeckt.» Dabei gehe es nicht um Bildung und Erkenntnis, sondern um Meinungsmache und Manipulation. «Kinder und Jugendliche als Wähler und Konsumenten von morgen werden zum Ziel einer langfristigen und umfassenden Lobbystrategie», sagte Kamella. Notwendig sei mehr Sensibilität im Umgang mit externen Materialien und Angeboten.
„Wenn die Zahl frei verfügbarer und privater Unterrichtsmaterialien in die Millionen steigt – bei sinkenden Schulbuchausgaben! – brauchen Schulen und Lehrkräfte mehr Orientierung und eine Anlaufstelle, die im Zweifelsfall helfen kann“, betonte Demmer. Bereits im vergangenen Jahr hatten sich GEW und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) an die Kultusministerien gewandt und mehr öffentliche Verantwortung für Unterrichtsmaterialien angemahnt. Eine „Prüfstelle“ lehnten die Kultusminister bisher – meist mit dem Verweis auf den großen Aufwand und die ausreichende Kompetenz der Lehrkräfte – jedoch ab, heißt es seitens der GEW.
„Natürlich haben Lehrkräfte die Kompetenz, professionellen Unterricht zu gestalten. Die Kultusminister vergessen aber, wie viel Unterricht fachfremd etwa im Bereich Wirtschaft gehalten werden muss. Außerdem ist nicht immer klar zu erkennen, welche Financiers sowie wirtschaftlichen und politischen Interessen hinter den Lehrangeboten stecken“, erläuterte die GEW-Schulexpertin das Problem. Eine kritische Prüfung der Materialien koste die Lehrkräfte zu viel Zeit und sei im Alltag oft nicht zu leisten. „Besonders wichtig ist, dass Lehrkräfte in der Ausbildung oder durch Fortbildungen Kompetenzen erwerben, die ihnen eine kritische Analyse der Lehr- und Lernmaterialien ermöglichen. Das geschieht jedoch nicht“, stellte Demmer fest. „Wieso soll es – analog zur Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien – keine Prüfstelle für bildungsgefährdende Unterrichtsmaterialien geben?“ Diese könne auf Antrag tätig werden und allein durch ihre Existenz schon zu mehr Umsicht beitragen.
„Wirtschaft ist ein wichtiges Lernfeld der politischen Bildung an Schulen“, unterstrich Demmer. „Aber wenn Lobbyisten mehr und mehr bestimmen können, wo es lang geht, muss die öffentliche Hand einen Riegel vorschieben. Wir brauchen eine Schule für die Demokratie – und nicht eine Schule, die zur Dienerin der Wirtschaft gemacht werden soll“, sagte die GEW-Expertin. News4teachers / mit Material der dpa
(30.4.2013)
Hier ist die Broschüre „Lobbyismus an Schulen“ herunterladbar.
